Читать книгу Achtung! Totes Gleis - Arno Alexander - Страница 8

5

Оглавление

Wessley fühlte sich wie erschlagen. Hatte seine Menschenkenntnis ihn diesmal denn ganz im Stich gelassen? Dieses Mädchen ... Er hätte schwören mögen, daß sie nicht eine von den vielen war ... und nun doch?“

„Na, also!“ sagte Crocks mit einem erleichterten Aufatmen. „Das hätten wir ja geschafft. Auf’n Dank rechne ich nicht, obwohl ich Sie vor ganz großen Verlusten bewahrt habe.“

Mit seinem wiegenden Gang, die Hände in den Taschen vergraben, stelzte er davon, zur Bar zurück. Und gleich darauf hockte er wieder auf dem hohen Schemel und nippte an seiner Himbeerlimonade, als sei nichts geschehen.

Wessley nannte sich innerlich einen Ochsen, ein Kamel und einen Idioten, weil er beinahe einem durchtriebenen Frauenzimmer ins Garn gegangen wäre. Er, Kapitän der Kriminalpolizei! Wie hätten ihn seine Freunde dafür später ausgelacht, wenn es ihnen irgendwie zu Ohren gekommen wäre. Nein, er hatte wirklich Grund, diesem Kerl da, so unangenehm er auch sonst war, dankbar zu sein.

Wessley war mit seinen Überlegungen gerade soweit gekommen, daß er schwankte ob er seine Dankbarkeit durch eine gute Zigarre oder einen Dollarschein beweisen sollte, als ihm plötzlich wieder der letzte flehende Blick des Mädchens einfiel.

Und wenn sie nun doch nicht das war, wofür er sie jetzt hielt? Was dann? Hatte er dann nicht sein Versprechen, sie zu schützen, schmählich gebrochen ...?

Mit einem Satz war Wessley auf den Beinen. Schon im Laufen zog er ein Geldstück aus der Tasche, winkte dem Ober und warf es unterwegs auf einen leeren Tisch. An dem verblüfften Crocks hastete er vorbei, dem Ausgang zu.

Die Straße war hell erleuchtet und schwarz von Menschen. Es war um die Zeit, da die Theater schlossen, und diese Gegend war dann immer sehr belebt. Weder rechts noch links war die Schutzbefohlene Wessleys zu sehen. Er lief erst ein Stück nach der rechten Seite, als er aber merkte, daß die Straße hier nach und nach dunkler wurde, hielt er es für wahrscheinlicher, daß das Mädchen nach der anderen Seite gegangen sei. Entschlossen machte er kehrt und jagte in der entgegengesetzten Richtung davon. An der zweiten Straßenkreuzung entdeckte er sie. Mit gesenktem Kopf stand sie da und wartete, bis die endlose Kette von Wagen gestopt würde, um dann gleichzeitig mit den übrigen Fußgängern die Straße zu überqueren.

Wessley heftete sich an ihre Fersen und folgte ihr unbemerkt vier große Häuserblocks entlang. Sie ging langsam, ziellos und hielt den Kopf immer noch tief gesenkt.

„Warum sind Sie davon gelaufen?“ fragte er streng und ging jetzt neben ihr her.

Sie sah scheu auf, sagte kein Wort und beschleunigte den Schritt.

„Ich will ... ich muß wissen, warum Sie ...“ begann er zornig aufs neue.

Sie blieb plötzlich stehen.

„Bitte, lassen Sie mich“, bat sie flehend, und dann schritt sie hastig, förmlich vor ihm flüchtend, in derselben Richtung zurück, aus der sie eben gekommen war.

Wessley schüttelte den Kopf, nannte sich einen Narren, daß er einem wildfremden Mädchen nachlief, aber trabte doch, als wenn es so sein müßte, neben ihr her.

„Wer ist Maising?“ fragte er nach einer Weile barsch.

Sie antwortete nicht.

„Hat ihn wirklich die Polizei geholt?“ forschte er, obwohl er kaum noch auf eine Antwort hoffte.

Sie schritt noch schneller.

„Ja, sie haben ihn geholt“, beantwortete sie aber dann zu seiner Verwunderung doch seine Frage.

„Was hat er denn verbrochen?“

Wieder schwieg sie.

„Es muß schon was Nettes sein, wenn Sie es mir nicht sagen können. Ich glaube ...“

„Ich würde es Ihnen vielleicht sagen, aber ich weiß es nicht ...“ unterbrach sie ihn leise.

Er seufzte auf.

„Können Sie mir aber dann wenigstens sagen, warum wir jetzt wie zwei Jagdhunde rennen? Wir könnten uns doch auch unterhalten, wenn wir langsam gingen!“

Sie blieb stehen, und zum erstenmal gewahrte Wessley in ihrem Gesicht die Andeutung eines Lächelns.

„Na, also!“ stellte er befriedigt fest. „Jetzt lachen wir endlich mal! Wird schon alles noch gut werden, mein Kind! Wozu die Aufregung? Nun passen Sie gut auf: Ich rufe jetzt einen Wagen und bringe Sie nach Hause. Sie schlafen sich erst mal gründlich aus, und morgen früh besuche ich Sie, und wir besprechen das alles — die Geschichte mit Maising und warum Sie sonst traurig sein mögen ... Kurz: alles, alles ... Und bis dahin — Kopf hoch! Ja? Einverstanden?“

„Ja“, sagte sie und sah dankbar und vertrauend zu ihm auf. „Nur ...“

„Nun, nur?“

„Ich möchte allein nach Hause gehen und will lieber morgen früh zu Ihnen kommen ...“

„Aber das ist doch Unsinn. Mit einem Wagen sind Sie rasch und sicher daheim ...“

„Nein, nein, bitte nicht.“

Er zuckte die Achseln.

„Nun, wie Sie wünschen. Ich will Sie nicht belästigen. Aber für alle Fälle müssen Sie mir Ihre Adresse nennen, damit ich weiß, wo Sie zu finden sind, falls Sie wider Erwarten morgen nicht zu mir kommen.“

„Ach, nein“, wehrte sie ab. „Das ist nicht nötig. Ich werde bestimmt kommen, ganz bestimmt.“

„Aber trotzdem können Sie mir Ihre Adresse nennen“, beharrte er.

„Ich möchte es lieber nicht tun“, sagte sie leise und senkte den Kopf.

Jetzt war Wessley ernstlich erzürnt.

„Ich sehe, Sie haben nicht ein bißchen Vertrauen zu mir, und dabei bin ich Ihnen nachgejagt wie so ein entsprungener Irrer. Schön, ich kann Sie nicht zwingen ...“

Er stockte, denn jetzt merkte er, daß sie weinte.

„Was ist denn los?“ rief er bestürzt. „Was ist denn jetzt wieder geschehen?“

„Aber ...“ sagte sie und schluchzte auf. „Ich möchte Ihnen doch so gern meine Adresse nennen ... aber ... aber ... ich habe doch gar keine Adresse mehr.“

„So ist’s richtig!“ platzte Wessley heraus und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

Eine Stunde später saßen Wessley und seine unverhoffte Schutzbefohlene in einem Wagen und fuhren zur Wohnung des Kapitäns. Durch genauere Fragen hatte Wessley herausgebracht, daß seine Begleiterin schon den ganzen Tag in der Stadt herumgeirrt war und seit dem Morgen nichts gegessen hatte. Wessley hatte darauf bestanden, daß sie erst in einer kleinen Wirtschaft etwas zu sich nahm, und dann erst hatte er den Wagen bestellen lassen.

„Wohin bringen Sie mich?“ fragte sie, nachdem beide eine Zeitlang schweigend nebeneinander gesessen hatten.

„Ich würde Sie gern in einem Hotel unterbringen“, sagte er nachdenklich, „aber leider sind meine Barmittel etwas erschöpft. Ich muß Sie also notgedrungen zu mir nehmen ... Regen Sie sich nicht auf: Ich habe zwei Zimmer.“

„Ich rege mich nicht auf“, erwiderte sie langsam. „Ich würde mich auch nicht aufregen, wenn Sie nur ein Zimmer hätten ...“

Das gefiel Wessley gar nicht. Er hatte sehr altmodische Anschauungen über Moral.

„Nun“, knurrte er. „Das finde ich denn doch etwas merkwürdig ... wirklich merkwürdig. Zwei Zimmer sind hier meiner Ansicht nach unbedingt angebracht.“

„Wenn ich zu Ihnen nicht Vertrauen hätte, würde ich nicht mit Ihnen gehen, auch wenn Sie fünf Zimmer hätten“, sagte sie, und es klang ein wenig vorwurfsvoll.

Wessley war etwas beschämt, aber er wollte es sich nicht anmerken lassen.

„Nun sagen Sie mir aber, bitte, wo hätten Sie übernachtet, wenn meine Frage nach Ihrer Adresse weniger dringend gewesen wäre?“ erkundigte er sich. Sie zögerte mit der Antwort.

„Man kann doch auch die Nacht über aufbleiben“, meinte sie endlich.

„So, so ... Na, das ist Geschmackssache. Wie heißen Sie eigentlich?“

„Alice.“

„Alice ... und weiter?“

Sie antwortete nicht.

„Ach so!“ sagte er gedehnt. „Ihr Vertrauen ist wirklich bewundernswürdig. Nun, ich kann ja warten, bis Sie mich für würdig halten, Ihren genauen Namen zu erfahren. Jedenfalls aber halte ich es für angebracht, mich Ihnen vorzustellen: Baron Steinitz aus Lichtenstein.“

Wessley fühlte sich nicht recht wohl bei dieser Lüge, aber da er dieses Mädchen noch so gut wie gar nicht kannte, mußte er den angenommenen Namen angeben. Stimson hatte ihm besonders eingeschärft, sich allen Fremden gegenüber von nun an als Baron Steinitz zu bezeichnen.

Der Wagen war vor dem Hause vorgefahren, in dem Wessley wohnte. Langsam stieg der Kapitän mit seiner Begleiterin die drei Treppen empor und öffnete dann möglichst geräuschlos erst die Wohnungstür und dann eine Zimmertür. Er drehte das Licht an und schritt rasch durchs Zimmer zu einer anderen Tür, hinter der das wütende Gekläff eines Hundes hörbar war.

Kaum hatte Wessley die nächste Tür geöffnet, sprang ein riesiger Schäferhund heraus und auf das Mädchen zu. Alice schrie laut auf vor Schrecken.

„Keine Sorge“, beruhigte Wessley sie vorwurfsvoll. „Das ist ein dressierter Hund. Er beißt nur Schutzleute.“

Achtung! Totes Gleis

Подняться наверх