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Die Niederlande unter deutscher Besatzung
ОглавлениеAm 26. August 1939 hatte der deutsche Gesandte in Den Haag Königin Wilhelmina eine Erklärung überreicht, wonach Deutschland sich verpflichtete, im Falle eines Krieges die Neutralität der Niederlande zu achten. Drei Tage nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf Polen erklärte der niederländische Ministerpräsident, dass die Niederlande an ihrer Neutralitätspolitik festhalten würden. Anfang Mai 1940 griffen Verbände der deutschen Wehrmacht die neutralen Niederlande an, die bereits nach 14 Tagen unter dem Eindruck der verheerenden Bombardierung Rotterdams kapitulierte. Nach der vollständigen Besetzung des Landes wurde am 29. Mai 1940 Arthur Seyß-Inquart zum Reichskommissar der besetzten Niederlande in Den Haag ernannt.101 Zunächst bemühte sich die deutsche Politik, das ‚artverwandte germanische Volk‘ der Niederländer, wie es im NS-Jargon hieß, mit Hilfe der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Diese zurückhaltende Besatzungspolitik wurde jedoch ab Februar 1941 zunehmend verschärft. Die einheimische Bevölkerung bekam nun über die Ausbeutung ihrer Wirtschaft hinaus Repressionen zu spüren. Bei den ersten Razzien wurden mehr als 400 jüdische Männer festgenommen. 140.000 Juden, die rund 1,5 Prozent der Niederländer ausmachten, wurden in der Folgezeit behördlich erfasst, die meisten von ihnen, rund 107000, ab Juli 1942 in Vernichtungslager deportiert. Die niederländische Gesellschaft reagierte auf diese Härte zunehmend mit organisiertem Widerstand, der brutal niedergeschlagen wurde. Während der Besatzungszeit wurden allein in Den Haag über 250 Menschen hingerichtet; die meisten von ihnen waren zuvor im Scheveninger Gefängnis ‚Oranjehotel‘ interniert gewesen.
Dass die Verfolgungspolitik der Besatzungsmacht dennoch „erfolgreicher“ als anderswo in Westeuropa verlief, war durch die Kollaboration vieler Niederländer und eine intensive Zusammenarbeit der niederländischen mit den deutschen Behörden bedingt. Zwar gab es Beispiele von Resistenz unter der niederländischen Polizei. Doch insgesamt war sie die Hauptstütze der Besatzer bei der Erfassung und Verfolgung der Judenschaft in den Niederlanden.102
Nach der Niederschlagung des Streiks vom April/Mai 1943 zeichnete sich die deutsche Politik durch eine immer hemmungslosere Anwendung repressiver Methoden aus. Angesichts des Vormarschs der alliierten Truppen in Frankreich und Belgien versuchten sich die Angehörigen des NS-Regimes mit Plünderungen und Terror an der Macht zu halten. Im September 1944 rief die niederländische Exilregierung in London die Angestellten der Eisenbahnergesellschaft zum Generalstreik auf. Das geschah in der Erwartung, dass die Niederlande bald durch die Alliierten befreit würden. Auch als sich herausstellte, dass die Befreiung noch einige Zeit auf sich warten ließ, setzte man den Streik fort. Daraufhin verhängte der Reichskommissar ein sechswöchiges Schiffsembargo, das bei den Niederländern der Westprovinzen im Winter 1944/45 zu einer Hungerkatastrophe führte. Erst mit der Befreiung weiter Teile der Niederlande durch kanadische Einheiten im April 1945 war der Zusammenbruch der deutschen Machtstellung besiegelt.