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7.

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Vergeblich bat Elisabeth nach dem Abendessen ihren Gatten, noch eine kurze Zeit bei ihr und dem Kinde zu verweilen.

Er wies sie ebenso kurz ab als am Nachmittag und ging mit der Lampe in sein Arbeitszimmer.

Und dennoch — wir möchten von vornherein jeder Ungerechtigkeit vorbeugen, zu der unsere Schilderung unbeabsichtigt vielleicht Anlass geben könnte — liebte er sein Kind. Ja, er liebte es — freilich auf seine Weise. Das kleine Wesen trug Elisabeths Züge, es hatte ihre Augen, wenn auch nicht der Farbe, so doch dem Ausdruck und der Form nach ... sein Lächeln war der Spiegel ihres Frohsinns, den er kaum in ihren Mädchenjahren so herzlich, so innerlich aufrichtig gefunden hatte als jetzt.

Hermanns Aussenseite war rauher als ihr Kern. Nichts beglückte ihn mehr, als wenn er Elisabeth fröhlich sah. Dazu versetzte ihn das unbeholfene Wesen, das er langsam vor seinen Augen gedeihen sah, die Naivetät der kleinen Kreatur häufig in eine seltsame Stimmung, in der sich ein gewisses Mitleid und ein unbestimmtes Sehnsuchtsgefühl nach vergangenen Zeiten, da er selber noch freier, glücklicher, harmloser war, die Wage hielten. Oft inmitten der aufreibendsten Arbeit überkam ihn — er wusste selbst nicht, woher — das unwiderstehliche Verlangen, mit dem Kleinen zu spielen, es auf seinen Armen zu tragen, die weichen Glieder in seinen Händen zu fühlen. Er suchte es auf, er spielte, herzte mit ihm, wie es nur der zärtlichste Vater tun konnte.

Zwar vergingen diese Wallungen ebenso schnell wieder, wie sie gekommen waren, aber solche Augenblicke, da er ihnen Folge gab, waren die glücklichsten für Elisabeth.

Was ihn dann jedoch wieder von seinem Kinde fernhielt, das war etwas, in das er sich sehr schwer zu finden vermochte: Es raubte ihm seine Gattin.

Früher war diese, war ihre ängstliche Fürsorge sein ausschliessliches Eigentum gewesen, dessen Anspruchnahme er nach allen Kräften ausnützte. Er war gewohnt, seine Arbeiten, alles, was ihn beschäftigte, mit ihr zu durchsprechen. Sie aber kannte keine wirtschaftliche Rücksicht, die sie hätte hindern können, sofort zu folgen, wenn er sie rief.

Das war anders geworden. Wohl kam sie auch jetzt noch, sowie er ihrer bedurfte, — aber sie kam nicht mehr so gern, kam oft mit schwerem Herzen. Er fand nicht mehr die aufmerksame Hörerin, die verständnisvolle Beurteilerin seiner Ideen — ihre Gedanken waren geteilt zwischen dem, was er las und sprach — und ihrem Kinde. Jeder Laut aus dessen Stube liess sie aufspringen, ... sein Zürnen, sein Schelten half dann nichts ... seine Vorwürfe, dass ihre Sorgen jenem mehr gälten als ihm, waren vergeblich. Sie leugnete ihre Richtigkeit nicht einmal ab.

Das erfüllte ihn, je länger er es wahrnahm, mit um so grösserem Unwillen. Das Kind wurde ihm zum Störenfried.

„Er ist ein Tyrann, so klein er auch ist,“ sagte er zu Elisabeth, „ein Tyrann, der dich und das ganze Haus beherrscht.“

Nachdem er diese Benennung einmal erfunden, dauerte es nur noch kurze Zeit, und er nannte sein Kind nie anders als — den „Tyrannen“. Zuletzt schwand auch der Anflug von Scherz von ihr ... es wurde ihm wirklich zum Tyrann.

Und dennoch liebte er es. Wie war dieser Zwiespalt möglich?

Wir, die wir Hermann kennen, werden ihn unschwer verstehen. Wir wissen es: Er kannte nur noch ein Ziel, ein Streben: Erfüllung seiner ehrgeizigen Träume, Verwirklichung der lockenden Hoffnung, die ihm ein süsses Glück vorgaukelte. Eine solche Verwirklichung aber lag weit ausserhalb der Stätte, auf die ihn Gott verpflanzt hatte. Und wie der Träumer, befangen in seinen Wahnvorstellungen, nichts von dem sieht, was um ihn herum vorgeht, so blieb auch Hermann taub und blind gegen das traute Glück, das ihm in seinem Hause, in der Liebe Elisabeths erblühte, taub und blind gegen die Anhänglichkeit und Zuneigung seiner Gemeinde, die sie ihm trotz seiner Abgeschlossenheit und Zurückgezogenheit, an die man sich allmählich gewöhnt hatte, aufrichtig und unverfälscht offenbarte.

Der Friede daheim ward ihm zur Langeweile, das Wirken in seiner kleinen Gemeinde füllte seine nach Betätigung dürstenden Kräfte nicht aus.

Da sandte ihm der Himmel das kleine Wesen ... nach vierjähriger kinderloser Ehe ein blühendes, liebliches Kind, das Pfand eines neuen Lebens und Glückes. Er aber nahm es hin als etwas ganz Selbstverständliches ... freudlos, danklos. Er spielte mit ihm, wenn ihm danach zumute war ... aber er wurde zornig, wenn es ihn auch nur einmal in seiner Arbeit störte. Er hatte es gern als den Zeitvertreib müssiger Stunden ... aber Unannehmlichkeiten, Sorgen, Entbehrungen für es zu tragen ... dazu liebte er es nicht genug.

Seiner Arbeit opferte er willig Gesundheit, Schlaf und Freuden ... auch nur eine Minute seines wertvollen Lebens dem kleinen, bedürftigen Wesen zu schenken ... das erschien ihm eine ungeheuerliche Zumutung Elisabeths. Es war ihm die Puppe, die man nach Gefallen nahm und beiseite legte, aber nicht das Vermächtnis eines gütigen, weisen Himmels, seinem Wirken eine reinere Quelle, seinem Streben ein selbstloseres Ziel zu weisen.

Arbeite nur weiter, vergrab dich in deine Akten und Konzepte, träume den täuschenden Traum von Ehren und Glück, ziehe die dunkle Binde immer fester um die erblindeten Augen ... wir suchen das hellere, das schönere Bild, ... das Bild, das uns entgegenlacht aus jenem heimischen Zimmer, weitab von dem deinen, da Elisabeth behutsam über das Bett ihres Kleinen sich neigt, der eben eingeschlafen, seinem ruhigen Atem lauscht, wie ein guter Engel wacht über seinem rosigen Schlummer.

Sie erstrebte, sie hoffte, sie wünschte nichts mehr. Sie nannte es ihr eigen ... das schönste Glück dieser Welt ... sie genoss es täglich und stündlich in vollen, dankbaren Zügen.

Das Glück

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