Читать книгу Das Glück - Artur Brausewetter - Страница 14

9.

Оглавление

In trübes Sinnen verloren sass sie an seinem Bette. Nach schwerer Mühewaltung war es ihr gelungen, ihn soeben in einen lindernden Schlaf gebracht zu haben, als ungestüm und laut die Tür der Kinderstube aufgerissen wurde, und Hermann hineintrat.

Freude und Glück glänzten auf seinen hellen Zügen.

Vergeblich winkte sie ihm flehend mit der erhobenen Hand zu ... er dachte nicht an das kranke Kind ... ganz andere, viel wichtigere Gedanken wirbelten durch seinen Kopf.

„Denke dir an,“ rief er seiner Frau in lautem Eifer zu, „der Professor G ... ist in unserer nächsten Nähe, in D ... Er schreibt mir eben, dass er mich heute Abend beim Präsidenten zu treffen hofft, wo er mir angenehme Mitteilungen zu machen habe.“

„Und hier,“ fügte er triumphierend hinzu, auf einen zweiten Brief weisend, der in seiner linken Hand zitterte, „eine Einladung vom Präsidenten für heute zum Abendessen für uns beide.“

Elisabeth entgegnete kein Wort. Sie hatte nicht Zeit dazu. Der Kleine, von dem lauten Lärm aus seinem ohnehin unruhigen Schlummer jäh emporgeschreckt, schrie mit ängstlicher Stimme.

Es war nicht das Schreien eines ungeduldigen Kindes ... wie ein jammerndes Wimmern klang es in das Ohr der verzagten Mutter.

Ärgerlich und in seinem freudevollen Stolze durch dies gleichgültige Verhalten seiner Gattin tief gekränkt, verliess Hermann das Zimmer ... geräuschvoll wie er gekommen ...

Kurze Zeit darauf trat Elisabeth, die das noch immer leise wimmernde Kind für wenige Augenblicke bei dem Mädchen gelassen, zu ihm.

„Glaube mir, Hermann,“ sagte sie zu ihm mit einer Stimme, durch die, so verschleiert sie war, eine innige Zärtlichkeit hindurchklang, „ich freue mich herzlich mit dir ... ich gönne dir dein Glück von ganzer Seele, denn du hast es mühsam genug errungen ... aber begleiten kann ich dich heule Abend nicht.“

„Natürlich,“ gab er in heftiger Bitterkeit zur Antwort. „Du kannst nicht — der kleine Tyrann gestattet es nicht.“

„Das Kind ist kränker, als du es wahr haben willst,“ gab sie sehr ruhig zur Antwort, aber eine dicke Träne lief die abgehärmte Wange herunter, und die bleichen Lippen bebten aufeinander. Er sah es nicht.

„Du weisst, wie viel mir heute an deinem Mitkommen gelegen ist,“ erwiderte er erregt; „diese Einladung vom Präsidenten ist eine grosse Zuvorkommenheit.“

„Wenn du seiner Frau sagst, dass mein Kind krank ist, ... ernstlich krank ... so wird sie mein Ausbleiben entschuldigen.“

„Das weiss ich nicht — nur so viel weiss ich, dass mir an einer engeren Verbindung mit diesem Hause viel gelegen ist. Der Präsident will mir wohl ... er hat es mir schon oft gezeigt. Und er ist nicht nur der einflussreichste Mann unserer Provinz ... er hat auch zur Universität in B ... die wichtigsten Beziehungen. — Deine Absage aber auf diese erste Einladung schneidet jeder weiteren den Weg ab.“

Die Adern auf seiner hohen, weissen Stirn sprangen dunkel hervor und schwollen merkbar an. Er war in zorniger Erregung.

„Endlich,“ fügte er mit stickender Stimme hinzu, „öffnet sich mir die Bahn zum Glück, die ich so lange schmerzlich und vergeblich gesucht, und — wie ich mir’s hätte vorher sagen können — dieser kleine Tyrann sperrt sie mir!“

Elisabeth kämpfte in innerster Qual.

„Wenn ich nur das neue Mädchen kennte, ... wenn er mir nicht gerade heute so leidend erschiene.“

„So lass schnell den Arzt rufen ... er mag entscheiden.“

Elisabeth atmete auf.

„Gut,“ sagte sie, „erlaubt er es, — so begleite ich dich.“

„Er wird es nicht,“ sagte sie erleichtert zu sich selber. — — —

Der Arzt kam. Er stand ernster an dem Bett des Kleinen, als da er zum erstenmal dorthin gerufen war.

„Ein Rückfall,“ sagte er nach eingehender Untersuchung.

Elisabeth erbleichte. Der Arzt sah es.

„Aber vorläufig,“ fuhr er beschwichtigend fort, „bei ängstlicher Vorsicht nicht bedenklich. — Und an der fehlt es hier ja nicht.“

Elisabeth empfand es befreiend, wie ein schwerer, dumpfer Druck von ihrem Herzen wich.

Hermann aber hatte gierig nur die letzten Worte des Arztes aufgefangen.

„Nicht bedenklich!“ wiederholte er in lautem, unverhohlenem Triumphe, „hörst du es, Elisabeth, — nicht bedenklich!“

„Ich sagte: — bei ängstlicher Vorsicht nicht bedenklich,“ fügte der Arzt mit ernster Bestimmtheit hinzu.

Da trug Hermann sein Anliegen vor.

Der Arzt zog die Brauen in die Höhe und wiegte sehr nachdenklich das Haupt. Zuletzt schüttelte er es langsam.

Aber Hermann wusste so eindringlich zu bitten, so lebhaft, so überzeugend darzustellen, dass der Arzt, zuletzt zu Elisabeth sich wendend, erklärte:

„Wenn Ihrem Herrn Gemahl an Ihrer Begleitung so sehr gelegen ... ja, wenn viel von dieser abhängt, dann, gnädige Frau, glaube ich, Sie können für wenige Stunden den kleinen Kranken verlassen, ohne dass Sie Gefahr zu befürchten hätten.“

Durch Elisabeths Seele zuckte es ... sie litt unsäglich — aber sie gehorchte. — — —

Als sie mit ihrem Gatten in den Wagen stieg, um der nahegelegenen Stadt zuzufahren, schüttelte Frau Adebar, die oben auf ihrem Hause sass, sehr bedenklich das Haupt.

Sie dachte an ihre Kleinen — sie begriff die zärtliche Mutter nicht.

„Das hätte ich nicht getan,“ sagte sie zu ihrem Manne, und durch ihre Worte klang es wie ein harter Vorwurf gegen die sonst so vergötterte Elisabeth.

Herr Adebar hatte etwas tiefer gesehen.

Er putzte wie in Gedanken verloren einigemal mit dem roten Schnabel an Rock und Brustlatz. Dann hob er langsam und gravitätisch den straffen Hals in die Höhe und sah seine Frau mit strengem, tadelndem Blicke eine Zeit lang an ... aber er brach sein überlegsames Schweigen nicht.

Das Glück

Подняться наверх