Читать книгу Das Glück - Artur Brausewetter - Страница 9

5.

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Und sie hatten nichts Unwahres verheissen ... die Adebare.

Sie brachten es wirklich ... das Glück.

Freilich, ob sie es da drinnen erkennen, ob sie es wahrnehmen und festhalten wollten — das war ihre Sache nicht. Das mussten die mit sich abmachen, denen sie es auf ihren Schwingen zutrugen.

Der Traum, der in jener unruhigen Gewitternacht ein so glückseliges Lächeln auf das sorgendunkle Antlitz Elisabeths gezaubert, der Traum, den sie mit heisser Sehnsucht die vier Jahre ihrer Ehe geträumt, von dessen Verwirklichung sie alles Schöne, alles Gute für ihr Haus, vor allem für ihren unbefriedigten Mann erhofft, der sie mit seinem süssen Glück umschmeichelt, wenn es ihr einsam war ums Herz und schwer ... dieser Traum verhiess ihr jetzt Erfüllung. — — — — Ihr Mann hatte die neue Arbeit begonnen ... schnell, rastlos und ohne sich die geringste Erholung zu gönnen, wie alles, was er sich vornahm.

Er liebte es in solchen Stunden aufreibenden Schaffens nicht, wenn man ihn störte ... selbst Elisabeth, die er zur Vertrauten all seines Denkens und Schaffens machte, durfte sich seinem Arbeitszimmer nicht nahen.

Als sie aber jetzt im Dämmerlicht des aufsteigenden Abends mit leisem, schwebendem Schritte an seinen Schreibtisch trat, erstarb ihm das Wort des Unwillens, das er schon bereit hatte, auf den Lippen. Mechanisch legte er die Feder beiseite, rückte er den Stuhl vom Tische fort.

So hatte er sie nie gesehen ... was mochte mit ihr vorgegangen sein? — — Doch! Einmal war sie seinen Augen so erschienen, aber ... das war lange her.

Damals war es gewesen in jener dämmernden Abendstunde, als er es ihr zum erstenmal sagte ... das zagende, zitternde Wort seiner jungen Liebe ... als sie ihn ansah ... gerade so, wie sie ihn jetzt ansah mit dem grundlosen, tränenfeuchten Auge, dem tief errötenden, lieben Antlitz, das sie jetzt an seine Schulter barg.

Was brauchte es viele Worte, ihm ihr Geheimnis zu enthüllen? Er las es ihr ab von den stammelnden Lippen; bevor sie gesprochen, war es ihm entdeckt.

Geweihte Stunde im Zusammenleben zweier Menschen, wenn ein junges Weib dem Gatten zum erstenmal dieses Geständnis tut ... besonders geweiht, wenn die Ehe Jahre hindurch kinderlos gewesen.

Nie ist die Frau so liebenswert, so heilig. Nie war es so Elisabeth.

Wie glücklich musste Hermann sein.

„Sie haben doch nicht gelogen, deine Adebare, du liebes Kind,“ sagte sie, und küsste die faltentrübe Stirn ihres Mannes. Selbst in ihrem Scherze lag eine anmutige Hoheit.

Es war im Zimmer dunkel ... ihre Augen waren verschleiert ... sie konnte sein Antlitz, den Ausdruck seiner Züge nicht sehen.

Ungerufen brachte die Magd die Lampe. Sie durfte ihn nicht länger stören. Bevor sie ging, warf sie einen heissen, von Glück und Liebe schimmernden Blick auf ihres Mannes Gesicht.

Arme Elisabeth!

Ein kalter Schreck durchrieselte ihren Leib ... ihre Kniee wankten. So ernst, so kühl waren ihr diese Züge nie erschienen. Sie wähnte sie erfüllt von Dankbarkeit und Freude, und ... nicht der leiseste Hauch von alledem spiegelte das ruhige, gleichgültige Antlitz wieder.

Wo war ihr Entzücken, ihr Glück geblieben? Das hatte sie nicht erwartet ... das nicht. So arm, so elend hatte sie sich noch nie gefühlt ... so verlassen auch in den schwersten Stunden ihres Lebens nicht. Ihre bebende Hand hielt sich an der Lehne seines Stuhles fest.

Er sah das. Ein Bewusstsein ihres Schmerzes — und seines Unrechts durchzuckte seine Seele. Er stand schnell auf, legte den Arm begütigend um ihren Hals und flüsterte ihren Namen.

„Du hattest mich anders gedacht ... sei nicht böse ... diese aufreibende Arbeit —“ er machte eine Pause.

Sie entgegnete nichts. Totenblass starrte sie ihn an.

„Es kam so schnell,“ fuhr er zaghaft fort, „aber glaube mir’s: Ich freue mich mit dir ... von Herzen freue ich mich.“

Der matte Klang, mit dem er sie sprach, stand mit seinen Worten in schlechtem Einklang.

Sie erwiderte auch dieses Mal nichts. Mit schnellen Schritten war sie aus dem Zimmer getreten. — —

Er schüttelte einigemal mit dem Kopfe und kämpfte mit dem Entschlusse, ihr nachzugehen ... er stand auf.

Aber er besann sich. Er hatte heute so wenig gearbeitet ... es musste noch viel geschafft sein, bevor er an etwas anderes denken durfte.

In fieberhafter Hast flog die Feder über das Papier. Sein Studium nahm ihn ausschliesslich in Anspruch. —

Elisabeth aber war, in ihrem Zimmer angelangt, zu Boden gesunken.

Was ihr der heutige Tag an verheissendem Glück gebracht, er hatte es um so bitterer wieder genommen.

Jetzt erst fiel die Binde von ihren Augen ... jetzt erst wusste sie, wie es um ihren Mann und ihre Ehe stand.

Keine Enttäuschung überwindet eine Frau schwerer, keine lässt nachhaltiger ihren Stachel zurück als jene, die Elisabeth eben erlitten.

Und da draussen die Adebare wussten es auch. Sie kannten die Welt ... alljährlich bereisten sie einen weiten Teil der Erde, ... und es war überall dasselbe ... dasselbe im heissen Delta des Nils wie in den kühleren Gauen Deutschlands ... dasselbe im Herzen des rastlosen Beduinen wie des braunen Fellah ... des träumerischen Germanen wie des heissblütigen Südländers. Sie alle suchten es hungernden Herzens, ... sie jagten ihm nach über Länder und Meere ... in zehrendem Kampfe wie in hastendem Wetten wollten sie es ergreifen mit fiebernder Hand ... das falsche, trügerische Glück. Sie gaben dafür alles hin: den inneren Frieden, die Liebe der Herzen, die sie brachen, — die Ruhe des Gewissens und das Labsal des Schlafes. Und es narrte und hänselte sie wie die spröde Kokette den Geliebten ... Das falsche, trügerische Glück. Und wenn sie es ihnen brachten, die es zu seinen Gesandten erkoren, die weissgekleideten, rotgestiefelten Adebare, und es hatte den goldenen Flitterputz nicht um, die verführerische Schminke abgestreift, ... es nahte ihnen im bescheidenen Hauskleide, das anspruchslose Antlitz erfüllt von der stillen Weihe eines unscheinbaren Friedens ... dann erkannten sie es nicht, die törichten, komischen Menschenkinder.

Sie wiesen die Hand von sich, die es ihnen reichte, und nur um so toller und ruheloser begannen sie die Jagd von neuem, nach Ruhm, nach Schätzen und Ehren ... die Jagd nach dem Glück.

Ja, sie wussten es, die Adebare. Sie waren weise Propheten. Sie sahen es auch heute wieder voraus. Darum standen sie so nachdenklich und sinnend mit dem erhobenen Beine auf dem Dache ihres Hauses, das nun fertig geworden war. Darum senkten sie so langsam und ernsthaft den langen Hals zur Erde und bliesen so bedächtig das dichte Halsgefieder von sich, dass es wie ein langwallender, weisser Kinnbart sich unter ihrem Haupte lagerte, und in den langwallenden, weissen Kinnbart murmelten und räsonnierten sie darum ärgerlich hinein und schüttelten das würdige Haupt und liessen über ihn hinweg die ernsten Augen traurig in die Weite schweifen; denn in das Pfarrhaus mochten sie nicht länger sehen, wo zwischen einem Wust von Büchern und Konzepten der Pfarrer unaufhörlich schreibend sass, wo an dem Fenster kauernd eine junge Frau weinte ... blutige, brennende Tränen, obwohl sie das süsseste Glück unter dem unruhig hämmernden Herzen trug.

Das Glück

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