Читать книгу Das leere Grab - Arya Andersson - Страница 11
ОглавлениеKapitel 6
Das gesamte Team saß am nächtlichen Lagerfeuer und beriet sich über Funde, welche nicht so recht ins Puzzle passen wollten, während ich mich zurückgezogen hatte, um mein Zelt aufzubauen. Ich sah es als eine Art Prüfung an die nächtliche Behausung so zu errichten, dass diese am nächsten Morgen auch tatsächlich noch stehen würde.
So hatte ich einen strategisch günstigen Ort inmitten der anderen Igluzelte des Teams gewählt, welchen ich etwas notdürftig mit einer Taschenlampe beleuchten konnte. Zusammen mit vereinzelt verstreuten Strahlern im Lager, dessen großem Lagerfeuer und dem Schein der Lampe bot sich mir genügend Licht, die Herausforderung des Zeltes anzunehmen. Im Kampf mit Stangen, Innenzelt sowie Außenzelt vergaß ich ganz auf meine Umgebung zu achten. Die Heringe der Bodenzeltplane steckten bereits im immer noch heißen Sand der Wüste, während ich die Stangen sortierte. Die Langen zu den Langen und die einzig Kurze – wohin? Grübelnd beäugte ich das am Boden liegende Zelt. Plötzlich bewegte sich der Lichtkegel. Erschrocken wirbelte ich zum Nachbarzelt herum, auf welchem ich die Taschenlampe platziert hatte.
„Gibt’s Probleme?“
Die Stimme war mir unbekannt, hatte aber einen angenehmen Unterton. Augenblicklich fielen mir zahllose Geschichten von räuberischen Beduinen ein, welche junge Frauen mit sich fortschleppten, um sie zu verkaufen.
Die Stimme des Unbekannten nahm einen leicht spöttischen Ton an. „Ich hätte schwören können, du würdest nicht kommen.“
„Justin?“
Ein leises Geräusch, dann kam der Lichtkegel näher. Ein Mann tauchte neben mir auf. Er hielt die Taschenlampe so, dass ich sein Gesicht sehen konnte, ohne dass er einen von uns blendete.
Unwillkürlich schnappte ich nach Luft. Seine markanten Züge verliehen ihm etwas Faszinierendes, doch zugleich wirkte er verschlagen und gefährlich. Tapfer schob ich diesen Eindruck auf die nächtlichen Schatten zurück. Derart aus dem Konzept gebracht, suchte ich Schutz in der Reserviertheit. Doch die einzige Möglichkeit, die mir dazu einfiel, war es diesen Mann zu siezen, bis er mir bewiesen hatte, dass er im Grunde ein netter Kerl war.
„Ich bin Franziska, ich habe schon viel von Ihnen gehört.“ Entschlossen streckte ich ihm meine Hand entgegen.
Zunächst blickte er nur darauf. Ich glaubte schon, dass er sie nicht ergreifen würde, aber dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Sein Händedruck war fest. „Kann ich dir helfen?“
Im ersten Moment war ich überrascht. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er mich ebenfalls siezen würde, wenn ich es tat. Auf irgendeine Art verärgerte es mich, dass er sich über meine gewählte Distanz hinwegsetzte. Energisch schob ich die Unterlippe nach vorne. „Nein, danke. Ich habe bereits Aleandros Angebot ausgeschlagen. Sie werden sicherlich verstehen, dass ich Ihnen somit nicht gestatten kann, mir an seiner statt zu helfen. Aber wenn es Ihnen nicht allzu viel Mühe macht, dann könnten Sie mir mit der Taschenlampe leuchten.“ Entsetzt über die spießige Ausdrucksweise, drehte ich ihm den Rücken zu und erinnerte mich plötzlich wieder an die Stange in meiner Hand. Es war die Kurze. Wo gehörte die bloß hin?
„Bist du sicher, dass ich dir nicht helfen soll?“ Sein anfänglich ironischer Unterton, war Belustigung gewichen.
Verbissen starrte ich auf die Stange, ganz so, als könnte ich diese zwingen sofort an ihren angestammten Platz zu springen. Dann stellte ich fest, dass ich sie nicht vollkommen ausgeklappt hatte. Verärgert musste ich feststellen, dass diese Stange genauso lang war, wie alle anderen. Beinahe schmollend schob ich das Gestänge durch die Schlaufen und hakte die Enden in die vorgesehenen Heringe ein. Das Innenzelt erhob sich majestätisch und wölbte sich zu meinem künftigen Schlafplatz. Mit einem breiten Grinsen blickte ich zu Justin. Irgendwie war ich stolz es allein geschafft zu haben. Mit ausdrucksloser Miene beobachtete er mein halbfertiges Zelt. Verärgerung kroch in mir hoch, so dass ich das Außenzelt an mich riss und es über das Innenzelt warf. Die vorgesehenen Häkchen und Schlaufen fand ich mühelos. Tiefe Zufriedenheit breitete sich in mir aus, so dass ich ruhiger wurde. Stolz über meine architektonische Begabung, richtete ich das Vordach aus, trat einen Schritt zurück und begutachtete das Werk. Justin stand neben mir und musterte mich skeptisch.
„Vielen Dank. Ich denke, dass ich von nun an allein zurechtkommen werde.“ Ich streckte meine Hand nach der Lampe aus, doch er machte keine Anstalten, mir diese auszuhändigen.
„Bist du sicher?“
„Das Zelt steht, oder etwa nicht? Würden Sie mir bitte die Lampe geben, damit ich meine persönlichen Sachen reinbringen kann?“
„Sobald du mir gezeigt hast, wie man dieses Zelt betreten kann, werde ich deinem Wunsch augenblicklich nachkommen.“
Am liebsten hätte ich mit einem Bein auf den Boden gestampft. Was bildete sich dieser Flegel eigentlich ein? Jäh verspürte ich eine tiefe Verbundenheit zu Aleandro. Keine Frage, dass ich seine Meinung über Justin unumwunden teilte. Königlich schritt ich zu meiner Behausung, kniete mich nieder und griff nach dem Reißverschluss des Innenzeltes. Doch da war keiner! Verwirrt starrte ich darauf, dann fuhr der Zorn in meine Glieder. Im Eifer des Eigenlobes hatte ich nicht bedacht beide Ausgänge übereinanderzulegen. Etwas unwirsch wirbelte ich zu Justin herum. Dieser begegnete meinem Blick mit leisem Spott.
„Wünschen der Herr irgendetwas zu sagen?“
„Nein. Außer dass ich weiterhin als Lichtspender agieren werde.“
„Sie sind ein unverschämter ...“
„Nicht frech werden. Ansonsten werde ich mein Amt als Kerzenleuchter niederlegen.“
Wütend entriss ich ihm die Taschenlampe. „Sie sind gefeuert.“
Ein leises Lachen entschlüpfte seiner Kehle. Es klang rau, dunkel und ein seltsamer Unterton schwang darin mit. Prompt hob ich ihn wieder in sein Amt, indem ich ihm die Taschenlampe auf seine Brust knallte. Angetrieben von heißem Zorn, riss ich das Außenzelt ein und suchte den Eingang des Innenzeltes. Dieser lag genau auf der gegenüberliegenden Seite. Ich zerrte und zog so lange am Außenzelt, bis es richtig saß. Erneut richtete ich das Vordach aus, dabei kam ich einem anderen Zelt gefährlich nahe.
„Einen Meter weiter und du könntest gleich mit deinem Nachbarn zusammenziehen.“
„Stört Sie das vielleicht in irgendeiner Weise?“ Ich erstickte beinahe, als ich die Worte zwischen meinen Lippen hervorpresste.
Wieder lachte Justin leise und wieder schwang dieser seltsame Unterton mit. „Nein! Warum auch?“
„Ganz genau, daher schlage ich vor, dass Sie nun Ihre Teamkollegen am Lagerfeuer beehren. Richten Sie ihnen bitte eine gute Nacht von mir aus. Ich wünsche wohl zu ruhen!“
Justin kam zu mir und reichte die Taschenlampe zurück. „Ich muss gestehen, dass ich gar nicht über die Aussicht deines Erscheinens erfreut war. Aber so wie die Dinge nun stehen glaube ich, dass sich deine Gesellschaft als sehr amüsant herausstellen wird.“
„Freut mich!“ Der beißende Sarkasmus in meiner Stimme war nicht zu überhören.
Justin neigte leicht sein Haupt zum Gruße und verließ die Stätte meiner Blamage. Beinahe knurrend starrte ich ihm nach, bis die Nacht ihn verschluckt hatte. Einerseits besaß er Humor, ging auf Spielchen prompt ein, anderseits schien er überheblich und arrogant. Und dann diese herablassende Art. Sie machte mich wütend. Zornig vor mich hin murmelnd holte ich meinen Rucksack aus dem Jeep und schleifte ihn in das Zelt. Im Schein der Lampe packte ich alles aus, was ich für die Nacht brauchte. Das Auspacken half die hitzige Unruhe in mir herunterzuschrauben und schließlich konnte ich sogar das neue Teammitglied aus meinen Gedanken verbannen. Herzhaft gähnend kuschelte ich mich in den Schlafsack, umhüllt von den sanften Geräuschen der Nacht, dem Schlafe näher als dem Bewusstsein. Ich hörte die leisen Stimmen der Männer vom Lagerfeuer her, das Knistern des brennenden Holzes und das Zirpen der Tiere der Nacht. Tiefe Geborgenheit überrollte mich, so dass ich sogar das zufriedene Lächeln bemerkte, welches sanft über meine Lippen schlich. Wie im Traum vernahm ich behutsame Schritte, dann zischende Laute. Zwei Männer riefen sich flüsternd zu, dass Franziska schon schlafen würde. Mein Lächeln wurde über die Fürsorge tiefer. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal so rundum geborgen gefühlt hatte.
Die Schritte kamen näher und verharrten vor meinem Zelt. Schließlich hörte ich, wie der Reißverschluss des Nachbarzelts aufgezogen wurde. Dann ging eine Erschütterung durch das meinige, als hätte jemand an meinen Eingang geklopft. Immer noch lächelnd richtete ich mich auf und spähte durch das Moskitonetz hinaus. Ein gedämpfter Lichtstrahl erhellte das Innere des benachbarten Zeltes. Eine Gestalt kauerte zwischen unseren beiden Behausungen und tippte noch einmal gegen meine.
„Gute Nacht, Frau Keller. Ich wünsche Ihnen eine sagenumwobene Nacht.“ Justin!
Ich stieß ein Geräusch aus, das dem Knurren eines Wolfes gleichkam. „Nicht beißen, ich bin ein Freund!“ Leise lachend schlüpfte er in sein Zelt. Dann besaß er auch noch die arrogante Frechheit mir spöttisch zuzuwinken, ehe er das Licht löschte.
Schmollend warf ich mich wieder auf meine Isomatte und drehte mich auf die Seite, die Arme genervt verschränkt. Die letzten kostbaren Minuten vor dem Einschlafen verbrachte ich mit tiefem Groll auf diesen spöttischen, herablassenden, arroganten, höhnischen Mistkerl.