Читать книгу Das verschwundene Gold. Der Frankfurter Fettmilch-Aufstand 1612-1616 - Astrid Keim - Страница 8

5.

Оглавление

Die Krönung von Mathias zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches steht bevor. Heute treffen die Reichskleinodien ein. Nürnberg schickte die Heilige Lanze, die Reichskrone, das Reichsschwert, den Krönungsmantel, den Reichsapfel und das Zepter. Aus Aachen holte man das Schwert Karls des Großen und das Reichsevangeliar, aus Palermo trafen die Adlerdalmatika, Strümpfe, Schuhe und Mäntel ein. Keines dieser Stücke darf in dem Zeremoniell fehlen, denn nur ihre Vollständigkeit sichert die Legitimation des Krönungsaktes.

Menschenmassen begleiten den Einzug. Auch Martin und Elisabeth wollten sich dieses Schauspiel anschauen und konnten den Vater überreden, mit ihnen zum Rossmarkt zu gehen. Dort muss der ganze Tross vorbei, von dort aus hat man die beste Sicht.

Elisabeth ist überwältigt vom Reichtum und Glanz, der sich hier offenbart, tritt aufgeregt von einem Bein aufs andere, hüpft zuweilen hoch, um mehr zu erspähen, wenn jemand die Sicht versperrt. Auch Martin lässt sich mit staunenden Augen von der Pracht gefangen nehmen, während der Vater keine Miene verzieht.

Trompeter und Husaren reiten dem rot-goldenen Kronwagen voraus, den vier adlige Kavaliere auf prächtigen Schimmeln begleiten. Es folgen mehrere sechsspännige Staatskarossen und Bagagewagen. Den Schluss bilden Bewaffnete zu Fuß und auf Pferden.

»War das nicht prächtig?«, wendet sich Elisabeth strahlend an den Vater, als sie sich auf den Heimweg machen und hält inne, als sie in sein Gesicht blickt. Falten auf der Stirn und herunter gezogene Mundwinkel sprechen von Missbilligung.

»Ja, das war wirklich prächtig. Hier wurden keine Kosten gescheut. Aber hast du schon einmal nachgedacht, wer das alles bezahlt?«

»Doch wohl der Kaiser.«

»Nein, dem Gesetz nach müssen die Gäste von der Stadt versorgt werden.«

»Aber das sind ja Hunderte. Hat denn die Stadt so viel Geld?«

»Jetzt sind es Hunderte, aber in den nächsten Tagen kommen die Kurfürsten mit ihrem Gefolge und dann der Kaiser mit seinen Leuten. Dann werden es Tausende sein. Du fragst nach dem Geld, ja, das Geld nimmt die Stadt von uns. Von uns kleinen Leuten werden Sonderabgaben für Schutz und Verköstigung dieses Heuschreckenschwarms erpresst.«

»Aber das ist doch ungerecht, dagegen muss man etwas tun!«

Martin hat das Gespräch verfolgt, bleibt stehen, legt eine Faust auf die Brust und bekräftigt mit flammendem Gesicht »Ja, das muss man! Ich will ab jetzt für die Gerechtigkeit kämpfen.«

Der Vater wirft ihm einen scharfen Blick zu. »Ich sehe, dass du es ernst meinst, und ich sehe auch deine Aufregung, aber du führst ein großes Wort. Kampf. Wie stellst du dir denn deinen Kampf vor? Wen willst du bekämpfen und wie? Merke dir, am Anfang steht immer ein Ziel, und ein Plan, wie man es erreicht. Aus blindem Tun entsteht nur Schaden. Wir wollen ein anderes Mal drüber reden.«

»Versprecht Ihr mir das?«

»Ja, das verspreche ich dir. Du sollst das Nötige erfahren.«

»Und was ist mit mir?« Elisabeth drängt sich an die Seite ihres Vaters. »Ich will es auch wissen.«

Vincenz streicht ihr mit der Hand über das Haar, aber seine Stimme ist energisch. Du hast damit nichts zu schaffen. Geh deiner Mutter zur Hand, unterstütze sie im Haushalt, kümmere dich um die Kleinen, das sind deine Aufgaben. Nein!«, unterbricht er, als sie zum Reden ansetzt, »ich will nichts mehr darüber hören, kein Wort, verstehst du? Dieses Thema ist hiermit erledigt. Wir sind gleich zu Hause. Lasst mich nun allein, ich muss mit eurer Mutter reden.«

Vincenz findet seine Frau damit beschäftigt, das Feuer zu schüren, um Speck für die Abendsuppe zu rösten. Der Topf hängt bereits an einem Haken über der Feuerstelle, ein Dreibein für die Pfanne steht in der Glut. Sie ist allein in der Küche. Gut, da kann er gleich zur Sache kommen. Er muss sie ins Vertrauen ziehen, wenigstens in groben Zügen, wenn er ihr Vertrauen nicht verlieren will.

Er tritt hinter sie, legt die Hände auf ihre Schultern. »Katharina, ich habe dir etwas zu sagen.«

Erstaunt dreht sie sich um, sieht den Gesichtsausdruck ihres Mannes und weiß, dass es sich um etwas Ernstes handelt. Er schiebt ihr einen Hocker hin und setzt sich ebenfalls.

Mehrmals setzt er zum Sprechen an, sucht nach den richtigen Worten. Katharina bemerkt sein Zögern. »Heraus damit, sag, was du zu sagen hast. Ich ahne schon, um was es geht. Es hängt mit der Versammlung zusammen.«

Er ist erleichtert, nicht lange um den heißen Brei reden zu müssen. »Ja, es wird Zeit, etwas zu unternehmen. Wenn wir nichts tun, wird es uns immer schlechter gehen. Mit eigenen Augen habe ich wieder die maßlose Verschwendung gesehen. Die Sondersteuer für die Krönungsfeierlichkeiten, wovon soll die bezahlt werden, wenn nicht über neue Schulden? Und die können wir niemals mehr tilgen, selbst wenn wir arbeiten bis zum Umfallen.«

»Aber was willst du machen? Wenn du dich gegen die Ratsherren wendest, wittern sie eine Verschwörung. Und du weißt, welche Folgen das haben kann.«

»Ich verstehe deine Sorgen.« Vincenz nimmt ihre Hände in die seinigen, seine Stimme wird weich. »Aber jetzt ist der richtige Augenblick, um zu handeln. Wir müssen die Anwesenheit des Kaisers nutzen, um Erleichterungen durchzusetzen. Das ist unsere einzige Chance. Der Rat ist auf beiden Ohren taub für unsere Bitten. Und das wird sich auch nicht ändern, denn von den dreiundvierzig Sitzen sind neunundzwanzig in den Händen des Adels und der Patriziergeschlechter. Den Limpurgern und den Frauensteinern gehört die Macht, die haben weiß Gott kein Interesse daran, sie zu verlieren. Früher verkündete der Bürgermeister in regelmäßigen Abständen von der Außenkanzel des Turms der Leonhardskirche unsere Privilegien, die Privilegien des Bürgertums. Das ist hundert Jahre her. Der Rat tut einfach so, als seien sie unwichtig, als seien wir Bürger unwichtig.«

Katharina nickt. »Das mit den Privilegien habe ich gehört, aber …« Sie entzieht ihrem Mann die Hände und legt sie fest im Schoß zusammen, um ihr Zittern zu verbergen. »Was habt ihr vor? Wollt ihr den Rat zwingen, sie zu verlesen?«

»Warum denn nicht? Wer ist denn zufrieden mit den jetzigen Zuständen? Ja, der Adel, die Patrizier, die Reichen, aber wer sonst noch? Die Tagelöhner und Dienstboten bestimmt nicht, aber auch niemand aus den Zünften. Ich bin nicht allein, es gibt viele, die genauso denken. Wir müssen uns zusammentun, unsere Rechte einfordern, allein wird niemand etwas ausrichten.«

»Und du sollst für alle sprechen?«

Fettmilch zuckt die Achseln. »Vielleicht, ich weiß es nicht. Das habe ich nicht allein zu entscheiden.«

»Aber du würdest es machen?«

»Katharina«, er schüttelt nachdrücklich den Kopf. »Dring nicht weiter in mich, auch in Zukunft nicht. Jeden Schritt mit dir zu besprechen, wäre nicht klug. Du sollst nur so viel wissen, wie nötig ist, denn die Gefahr, dass etwas durchsickert, wird umso höher, je mehr Mitwisser es gibt. Nein«, er hebt beide Hände, als sie zur Entgegnung ansetzt, »ich glaube nicht, dass du wissentlich etwas preisgibst, aber ein kleiner Nebensatz kann schon genügen, um Verdacht zu erregen.«

Das verschwundene Gold. Der Frankfurter Fettmilch-Aufstand 1612-1616

Подняться наверх