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Wieder aufgenommene Bürogedanken

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Endlich Ruhe. Nachdenken ist angesagt. Diesmal kommt nicht der Punchingball zum Einsatz, sondern das interaktive Whiteboard. Gedankenblitze transformieren sich in Kritzeleien, die sich im verenglischten Business-Jargon hochgestochen Mind-Maps nennen, und wandern automatisch auf meinen PC. Wunderbare Digitalisierung. Kreativer bin ich dadurch allerdings um keinen Deut.

Am Ende meines geistigen Ergusses thronen die Worte Stop for Death rot umwölkt in der Mitte der Tafel. Tentakelgleich winden sich Linien mit weiteren eingekreisten Begriffen über die gesamte Fläche. Neugierde ist da zu lesen, Depression oder Hoffnung auf besseres Jenseits. Eine globale Schwermut-Epidemie klingt vielversprechend. Der zu erwartende Anstieg an Selbstmördern würde meine Arbeit erleichtern, außerdem wohnt gesellschaftlicher Malaise die Tendenz zur Ausbreitung inne. Aber genau in Letzterem liegt der gravierende Nachteil. Meine Persönlichkeit zeigt ohnehin einen gewissen Hang zur Schwermut und ich will nicht riskieren, mich mit einer handfesten Depression zu infizieren.

Dann also lieber auf Hoffnung setzten. Nur leider hat das fügsame, apathische Warten auf ein besseres Jenseits ebenfalls etwas sehr Deprimierendes. Also verwerfe ich auch diese Option. Der aus der Neugier entwachsende Gedankenfortpflanz reizt mich ohnehin am meisten. Schließlich ist diese einer der grundlegenden menschlichen Instinkte. Wirkliches Erfolgspotenzial bekommt dieser Pfad durch die Abzweigung in Richtung Esoterik. Kontakt mit dem Jenseits stand bei dieser Fraktion schon immer hoch im Kurs. Was, wenn man die Menschlein dazu verführen könnte, zu glauben, dass sie die Grenze in beide Richtungen überschreiten, ungestraft einen Spaziergang auf der anderen Seite unternehmen könnten?

Scharlatane, die ich für meinen Zweck einspannen kann, finden sich unter den Eso-Gurus haufenweise. Grenzerfahrungsparty mit dem Ehrengast Sensenmann. Ich google „mit Verstorbenen in Kontakt treten“ und erhalte achthundertelftausend Hits. Ein paar Klicks weiter und ich stoße auf das Angebot eines Jenseitsmediums, das sich als erfahrener Führer durch das Schattenreich anpreist, seine außergewöhnlichen Fähigkeiten ein Geschenk Gottes. Derartige Hybris ist abstoßend, aber die Eso-Fraktion maßt sich gerne spezielles Juju an. Hier kann ich ansetzen. Die konkrete Umsetzung benötigt noch einiges an Detailarbeit, aber fürs Erste bin ich zufrieden. Die Erreichung meiner Quote rückt in den Bereich des Möglichen. Sorgen über eine Überernte und in Folge zu wenig Saatgut, um eine dauerhafte Versorgung mit nachwachsenden Seelen zu gewährleisten, stelle ich im Augenblick hinten an. Eines nach dem anderen. Als nächstes steht ein Besuch bei meinem Kollegen und Freund Väterchen Zeit auf dem Plan. Die Langfristigkeit unserer Perspektive eint uns. Ich hoffe, dass er etwas Licht auf das Rätsel von Michaels Kardinal werfen und mir wieder mal aus der Patsche helfen kann.

Wer fürchtet sich vorm Sensenmann?

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