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Kapitel 11
ОглавлениеGegen dreiundzwanzig Uhr verließen Helena Moor und Daria Warnke den Filmpalast. Helena gähnte, während sie auf ihr Smartphone blickte, und zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Die zwei Frauen schlenderten durch das Belgische Viertel und unterhielten sich über die gruseligsten Szenen des Films, bis sie die Geschäfte der Maastricher Straße hinter sich gelassen hatten. Am Brüsseler Platz blieben sie stehen.
„Sollen wir noch irgendwo was Trinken gehen?“, fragte Helena und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
„So müde, wie du bist, gehörst du nur noch ins Bett. Soll ich dich noch ein Stück begleiten?“
Helena winkte ab. „Die paar Meter schaffe ich auch allein.“
„Na schön, aber lass dich nicht wegklauen. Ich bin dann morgen gegen halb acht bei dir.“
Die Freundinnen umarmten sich zum Abschied. Danach trennten sich ihre Wege. Lange sah Helena ihrer Freundin hinterher, bis sie die Straße überquerte und hinter einer Hausecke verschwand. Gedankenversunken schaute sie zu den Kirchtürmen, die in den Nachthimmel ragten. Auf einer Bank vor einer verwilderten Steinmauer saßen Obdachlose. Einer von ihnen trank einen Schluck aus einem Flachmann und ließ ihn danach in einer Plastiktüte verschwinden. Aus dem Restaurant Bali kamen gerade zwei Männer, die Händchen haltend in Richtung Hohenzollernring schlenderten. Helena trat den Heimweg an und passierte den Brüsseler Platz, als sie eine Männerstimme rufen hörte. Verwundert drehte sie sich um.
„Ich glaube, das hast du gerade verloren.“ Ein Mann um die dreißig kam lächelnd auf sie zu und drückte ihr ein Amulett in die Hand. Sie warf einen kurzen Blick darauf und gab es ihm zurück. „Das ist nicht meins.“
„Nicht? Aber es fiel hinter euch auf den Boden“, erklärte er und machte dabei einen verwunderten Gesichtsausdruck.
Sie zuckte mit den Schultern. „Meins ist es auf jeden Fall nicht.“
„Vielleicht gehört es ja deiner Freundin?“
Helena betrachtete die Kette nun etwas genauer. Sie hatte einen goldenen Anhänger mit Verzierungen an der Außenkante, auf dem eine Frau mit langen, gelockten Haaren zu sehen war.
„Wohl kaum“, erwiderte sie mit gerümpfter Nase.
Nachdenklich beäugte er das Schmuckstück und lächelte danach offensichtlich amüsiert. „Einen so schlechten Geschmack hätte ich euch auch nicht zugetraut.“
Sie musterte den Mann mit dem Grübchen auf der Wange und den ebenmäßigen Gesichtszügen. Offen gestanden gefiel er ihr. Das musste sie wohl oder übel zugeben, auch wenn sie sich nach der Trennung von Felix geschworen hatte, vorerst die Finger von Männern zu lassen, doch bei diesem Traum von einem Mann machte sie gerne eine Ausnahme, ansonsten würde sie es ihr Leben lang bereuen. Sie strahlte ihn an und fing an zu lachen.
„Wie heißt du?“
„Helena. Und du?“
„Die schöne Helena. Das hätte ich mir denken können.“
Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Hast du es weit bis nach Hause? Ich könnte dich noch ein Stück begleiten.“
„Ich wohne da vorn.“
Sie deutete zu dem Haus, auf dessen Fassade ein gemaltes Gebüsch zu erkennen war. Für einen kurzen Moment machte es den Anschein, als wenn sich eine gewisse Enttäuschung in seinem Gesicht abzeichnete.
„Dann leiste ich dir keine sonderlich lange Gesellschaft. Aber lieber kurz, als gar nicht.“
„Wir müssen schon ein paar Meter gehen.“
Sie setzten sich in Bewegung, ließen die Brüsseler Straße hinter sich und bogen in die Neue Maastrichter Straße ein. Helena hörte seinen schweren Atem und wunderte sich, denn der Boden war ebenerdig und weit von einer Steigung entfernt.
„Ist alles in Ordnung?“
„Ich bin nur etwas nervös.“
„Wegen mir?“
„Vielleicht“, erwiderte er lächelnd.
Sie fühlte eine aufsteigende Wärme in ihren Wangen und richtete ihren Blick zu Boden. Schweigend schlenderten sie nebeneinander her, bis sie das Mehrfamilienhaus erreichten, in dem sie mit ihren Eltern in einer Mietwohnung lebte. Vor der Hofeinfahrt blieb sie stehen.
„Wir sind da.“
Sein Blick schweifte über den Hof und blieb an einem hochgewachsenen Mann hängen, der gerade eine Sporttasche aus dem Kofferraum seines Wagens holte.
„Danke fürs nach Hause bringen.“
„Nichts lieber als das. Dann träum süß, schöne Helena.“
Sie kicherte mädchenhaft. „Du auch“, flüsterte sie und näherte sich bereits dem Hauseingang, als sie ihn fragen hörte: „Sehen wir uns wieder?“
Freudestrahlend drehte sie sich um. „Gerne.“
„Passt dir morgen?“
„Da kann ich leider nicht. Aber du kannst mich anrufen, wenn du magst. Hast du ein Handy dabei?“
Er schüttelte seinen Kopf.
„Warte mal. Dann schreib ich dir am besten meine Handynummer auf.“
Sie kramte einen Stift und ein Stück Papier aus ihrer Handtasche, notierte ihre Nummer und reichte ihm den Zettel mit zittriger Hand.
„Verlier ihn bloß nicht.“
„Ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel.“ Er stopfte ihn in seine Hosentasche, zwinkerte ihr zu und entfernte sich ohne ein weiteres Wort in Richtung Innenstadt. Verwundert schaute sie ihm nach und wartete vergeblich darauf, dass er sich noch einmal umdrehte.