Читать книгу Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold - Страница 10

Siebentes Kapitel.

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Von Trompeten- und Posaunenschall erweckt schlug Diethelm am Morgen die Augen auf; es schien ihm fast, als ob es die Stadtzinkenisten gerade auf ihn abgesehen hätten und ihm war jetzt so schwer, als ob die ganze Last des Erkauften leibhaftig auf ihm läge: er überschaute jetzt nochmals die Zahlen in seiner rothen Schreibtafel und erkannte, dass er mehr eingethan als ins Mäss will. Jetzt galt es aber muthig einzustehen. Fränz war sehr misslaunisch, sie hatte sich in den vornehmen Kleidern doch ausnehmend gefallen und kam sich wie erniedrigt vor in der gewohnten Tracht. Sie musste nun den Vater zu dem Kaufmann Gäbler begleiten, wo man feines blaues Tuch zu einem Mantel für die Mutter einkaufte, und von den Zureden Gäblers unterstützt liess sie nicht ab, bis auch für sie mehrere städtische Kleider eingekauft wurden. Gäbler war überaus freundlich und sagte, Diethelm habe mit Recht den Ruhm, dass gut mit ihm handeln sei und er etwas an sich verdienen lasse. Als Diethelm die Waare bezahlen wollte, lehnte Gäbler dies mit dem höflichen Beisatz ab, solche Kunden müsse man festhalten, denen stelle man Jahresrechnung und Diethelm lächelte in sich hinein; so klein auch diese Summe war, es zeigte sich doch wieder, wie die ganze Welt ihm ihr Besitzthum aufdrang und Vertrauen in ihn hatte. Warum sollte er das selbst nicht haben?

Gäbler rief Diethelm noch auf der Strasse nach, dass er in den nächsten Tagen mit dem Brandschatzungs-Commissär nach Buchenberg käme, um Alles aufzunehmen und zu versichern und er hoffe, dass das Beispiel ihm mehr Kunden im Oberlande verschaffen solle. Diethelm hatte das eingekaufte Manteltuch im Arm, jetzt liess er es plötzlich fallen und als er sich darnach bückte, stürzte er nach der ganzen Körperlänge auf den Boden. Fränz und der herzugeeilte Gäbler hoben ihn rasch auf und Diethelm behauptete mit schmerzverbissenem Antlitze, dass er über einen Pflasterstein gestrauchelt sei.

Der Abschied von den Wirthsleuten im Stern hatte etwas erzwungen Heiteres, der Sternenwirth sagte noch bei der letzten Handreichung: ,,Es bleibt also, wie wir abgeredet.“ Diethelm nickte bejahend. Mit einem besondern Behagen letzte er dann das Manteltuch in die Kutschentruhe, er konnte seiner Frau damit doch beweisen, wie er ihrer gedacht; und erst als er schon fuhrfertig oben sass, kam Fränz mit hochglühenden Wangen und verweinten Augen. Die beiden Wegfahrenden sprachen kein Wort mit einander; und Diethelm schaute immer rechts und links nach den Häusern; sein Blick haftete besonders auf jenem Täfelchen, darauf im schwarzen Felde zwei rothe Hände in einander verschlungen waren.

Erst vor der Stadt nahm Diethelm die Peitsche auf und schlug fluchend und im heftigsten Zorn auf die beiden Rappen, dass sie im wilden Trab dahin rannten. Es war ein schöner heller Augustmorgen, die Leute am Wege arbeiteten als wäre nicht gestern Markttag gewesen und mancher schwere Garbenwagen, der langsam des Weges daherkam, hatte kaum Zeit dem pfeilschnellen Gefährte auszuweichen, und mancher im Felde drohte mit dem Garbenknebel, mancher Bauer fluchte mit geballter Faust hinter Diethelm drein, denn er wär beim raschen Ausweichen in einen aufgeschichteten Steinhaufen am Wege oder gar in den Weggraben gefahren und konnte nun lange nicht mehr vom Fleck, während Diethelm rasch aus den Augen verschwand. An der ersten Anhöhe begegnete Diethelm einem leeren Wagen; er hielt an, und erfuhr auf die Frage: woher? dass diess der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte.

,,Hast ein Trinkgeld bekommen?“ fragte Diethelm.

,,Wüsst’ nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein Soldat haben die Ballen abgenommen.

In einem Gemisch von Demuth und Stolz jagte Diethelm, in die Tasche greifend: ,,Ich bin der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiss, was ein Trinkgeld ist. Mein’ Frau ist krank. Säh,“ (da) und er warf buchstäblich das Geld auf die Strasse und fuhr davon.

Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiss wieder „mit ihrem Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe,“ und Fränz hatte darauf nichts zu erwidern, als dass das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Tross der Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen wäre, alsbald selbst beim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, dass sie ein Unrecht begangen und doch dessen bewusst, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres Thuns vorhält. Diethelm schwur, dass er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe, sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie wieder Beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem Achselzucken von sich weisen.

Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke und als die Fahrenden näher kamen, zeigte sich eine grosse Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und sagte, dass er am Abend in Buchenberg sein werde und lobte überaus die eingekaufte Heerde. Diethelm empfahl ihm ruhigen Trieb zu halten und warf auch ihm ein Geldstück zu.

,,Das ist Alles unser,“ sagte Diethelm dann mit triumphirender Miene zu Fränz und mit Stolz wies er weiter hinaus, wo wieder eine Heerde in einer Staubwolke sich zeigte, und es war ihm, als ob nirgends Raum genug wäre und auf allen Wegen sich sein Reichthum ausbreitete, mit dem er Hohes, Unübersehbares erobern wollte. Mit Behagen erzählte er zum hundertstenmale der Fränz, wie er vor dreissig Jahren mit dem Stab in der Hand und neun Kreuzer in der Tasche nach Buchenberg gekommen sei und wie er jetzt auftrete, und noch höher hinaus müsse. „Und Alles nur für dich und für die Meinigen in Letzweiler,“ schloss er und redete nun Fränz ins Gewissen, dass sie den Schäfer Munde, der jetzt daheim gewiss auf sie warte, einfür allemal aufgeben müsse. Fränz erklärte sich hiezu bereitwillig, sie spottete über die Liebschaft mit Munde als über ein Kinderspiel, nannte ihn ein an Pfennigwirthschaft gewöhntes Schäferle und sagte geradezu, dass sie nur noch in reichen Verhältnissen leben und sich nicht abplagen möge, wie eine Viehmagd.

An der sogenannten kalten Herberge auf der Anhöhe standen noch drei beladene Wollwagen. Diethelm stieg ab und hörte, dass diese Fuhren für ihn seien; er liess nun den Fuhrleuten auftischen nach Herzenslust, beschenkte die Armen und Wanderburschen, die sich wie gerufen eingestellt hatten und geberdete sich überhaupt, als ob er einen grossen Schatz gefunden und Geld für ihn gar keinen Werth habe. Er freute sich des dankenden Lobes von den Führleuten und horchte aus dem Verschlage hinaus nach der grossen Stube, denn er wusste wohl, dass die Leute dort den Ruf im Lande machen. Es war aber nicht allein dieser Ruhm, der ihn erfreute: er hatte seine Lust an der Freigebigkeit selbst; dieses Aufleben der Beschenkten durch die Gabe, dieses Erleuchten des Antlitzes gleich dem glänzenden Aufsprossen einer Pflanze nach erfrischendem Regen, das that ihm im Innersten wohl.

Sinnliche Naturen, das heisst solche, die mit mächtigen Trieben ausgestattet sind, neigen auch leicht zu Freigebigkeit und Wohlthätigkeit: das Mitgefühl ist rasch erregbar und jener dunkle Zusammenhang mit der Aussenwelt offenbart sich in Leid und Lust. Was man die Gutherzigkeit nennt und mit Recht hoch hält, wird durch solchen Ursprung nicht aufgelöst, die Sonne freier Erkenntniss färbt die Frucht, der aus dunklem Grunde der Saft zuströmt.

Diethelm empfand eine wahre Glückseligkeit in der Anschauung und in dem Gedanken, wie viele er labte und erquickte.

Der Wein mundete vortrefflich, und da einmal aus Versehen ausgespannt war und die Frau zu Hause gewiss kein Essen besreitet hatte, liess es sich Diethelm, trotzdem es noch so früh am Tag war, trefflich schmecken; zankte nun die Frau daheim, so hatte er doch vorgesorgt und der Wein gab Muth zu Allem. Der Wirth äusserte in redseliger Weise seine Freude über die Einkehr Diethelms und erzählte, wie es ihn schon lang verdrossen habe, dass er immer ohne anzukehren vorübergefahren sei. ,,Freilich,“ setzte er hinzu, ,,früher hat das Haus kein Ansehen gehabt, aber jetzt, seit ich neu gebaut habe, besuchen mich die Herrschaften aus der Stadt.“

,,Hast deswegen neugebaut?“

,,Nein, ich hab’ müssen, ich bin ja abgebrannt.“

,,So?“ sagte Diethelm und stürzte ein volles Glas hinab. ,,Bist versichert gewesen?“

,,Darüber könnt’ ich nicht klagen, der Kaufmann Gäbler auf dem Markt hat mir den Schemel unterm Tisch vergütet.“

Diethelm schwieg, während der weitläufigen Erzählung von dem Brand und dem Neubau. Er hörte misstrauisch die ganze Darlegung von der Anklage auf Brandstiftung und der vollkommenen Freisprechung von derselben, und so heiter er in das Wirthshaus eingetreten war, ebenso missmuthig verliess er dasselbe: der Mann und alle seine Habe, alle die Tische, Stühle, Thüren erschienen ihm so verbrecherisch, das ganze Haus so unheimlich, als spräche aus jedem Stein und Balken das Verbrechen, das es gegründet haben sollte.

Als flöhe er vor einer verzauberten Behausung, die ihn festbannen wolle, machte sich Diethelm davon und die Leute schauten ihm verwundert nach, als er in gestrecktem Galopp über die Hochebene davon jagte.

Als es wieder bergab ging, hemmte Diethelm kein Rad und die Rappen stemmten sich rechts und links und Diethelm fuhr immer hin und her, um dadurch eine Schlängelung des Wagens zu gewinnen; da krachte es plötzlich, der Sattelgaul stürzte und riss Diethelm mit sich vom Wagen herab, dass Fränz laut aufschrie. Herbeieilende Wegknechte halfen bald wieder auf, Diethelm hatte sich nicht beschädigt, nur hinkte er am linken Fuss. Die zerbrochene Deichsel wurde zusammengebunden, und die wild gewordenen Pferde an der Hand führend, ging Diethelm mit der Fränz neben ihnen her. Eine gute Strecke gingen sie lautlos dahin, jetzt hielt Diethelm an, nahm seufzend den Hut ab, seine Haare schienen in der That seit zwei Tagen sehr gebleicht zu haben und an das staubbedeckte Pferd gelehnt, sagte er mit zitternder Stimme: ,,Fränz, ich thät sterben, ich thät mir selber den Tod an, wenn ich auf meine alten Tage in Noth käm’; wenn ich laufen müsst’ und nicht mehr fahren könnt’. Guck, ich mein’, ich geh knietief im Boden, so schwer wird mir’s. Wenn ich so weit ’runterkäme — nein, es darf nicht sein. Ich bin nicht allein, ein ganzes Dorf stürzt mit mir. Wenn ich Niemand mehr was schenken könnt’ — lieber möcht’ ich gestorben sein.“

Fränz tröstete so gut sie konnte und nannte diese Schwermuth nur eine Folge des Schreckens. In Unterthailfingen, kaum noch eine Stunde von Buchenberg, war Diethelm eigentlich schon zu Hause, denn hier hatte er einen Weidgang für vierhundert Schafe gepachtet. An der Schmiede wurde nun die zerbrochene Deichsel wieder festgenietet und der Wein im Wirthshaus festigte fast ebenso das geknickte Gemüth Diethelms, ja er fühlte sich so frisch gestimmt, als ginge es zu einer besondern Festlichkeit und in seltsamer Laune schickte er nach dem Bader und liess sich von ihm mitten in der Woche die Bartstoppeln abnehmen.

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Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

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