Читать книгу Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold - Страница 5

Zweites Kapitel.

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Diethelm ging lächelnd die Stube auf und ab, sein Kleinthun hatte mehr genützt als alle Prahlerei; er blieb bei dem Steinbauer stehen, gab ihm einen derben Schlag auf den Buckel und sagte:

,,Wie, Steinbauer, kennst mich noch?“

,,Freilich, grüss Gott. Ich hab’ nur warten wollen, bis ich gessen hab’.“

„Ruck’ ein bisle zusammen, ich will mich zu dir setzen. Fränz, da komm’ her.“

,,Ist das die Tochter?“ fragte der Steinbauer, etwas verwirrt an die Seite rückend; er erinnerte sich nicht, dass er sich mit Diethelm duzte.

„Wenn du nicht so altbacken wärst, könntest sie heirathen,“ entgegnete Diethelm. Der Krebssteinbauer grinste nun gar seltsam und schwieg, er war überhaupt kein Freund vom vielen Reden und vorab beim Essen. Nur Einmal wendete er sich um und auf das Haupt Diethelms deutend, sagte er: „Auch grau geworden seit dem letzten Jahr.“

„Ja, der Esel kommt heraus,“ sagte Diethelm lachend, aber der Steinbauer liess sich nicht zu der doch rechtmässig erwarteten höflichen Entgegnung herbei; er ass ruhig weiter als hätte er Nichts gesagt und Nichts gehört.

Diethelm kannte die hinterhältige und selbst mit Worten karge Weise dieses Mannes wohl, und doch klammerte er sich an ihn und that gar zutraulich. Der Steinbauer liess sich das gefallen aber mit einer Miene, in der der Ausdruck lag: mein Geldbeutel ist fest zu, mir schwätzt Keiner einen Kreuzer heraus, wenn ich nicht mag.

Als Diethelm sich einen Schoppen Batzenwein bestellte, schaute der Steinbauer nur flüchtig nach ihm um, aber er sprach kein Wort der Verwunderung und des Lobes über die Sparsamkeit Diethelms und diesem erschien solch ein Benehmen noch saurer als der ungewohnte Halskratzer. Diese in sich vermauerte Natur des Steinbauern, der über Thun und Lassen Anderer kein Wort verlor und selber that was ihm gutdünkte, ohne umzuschauen was man dazu denke oder sage; diese verschlossene Sicherheit, die ihr Benehmen nicht änderte und von hundert Augen bemerkt dieselbe blieb wie daheim auf dem einödigen Hofe, — Alles das erkannte Diethelm als Gegensatz und es reizte nothwendig sein herausforderndes Gebaren zum Kampfe. Er mochte aber den Steinbauern anzapfen wie er wollte, höchstens ein Freilich, ein Jawohl oder ein kopfschüttelndes Verneinen war aus ihm heraus zu bringen. Als Diethelm fragte, ob er auf des Steinbauern Stimme zählen könne, wenn er sich um die Abgeordnetenstelle bewerbe, liess sich der Steinbauer endlich zu den vielen Worten herbei: ,,Ich wüsst’ nicht, warum nicht.“ Nun lachte Diethelm über das ausgesprengte Gerücht, dass er Landstand werden wolle; er denke nicht daran, bei diesen schlechten Zeiten könne man ein grosses Anwesen nicht verlassen, da müsse, man jede Stunde und jeden Kreuzer sparen, wenn man der rechte Mann bleiben wolle, es mögen andere Leute den Staat regieren, das gehe ihn nichts an.

Der Steinbauer wickelte gelassen das übrig gebliebene Fleisch in ein Papier und steckte es zu sich, er hob und senkte nun mehrmals seine geschlossenen Lippen, sei es zum Nachkosten des Genossenen oder dem Gehörten beistimmend.

Diethelm setzte nun noch weiter auseinander, dass er sich nichts um die öffentlichen Angelegenheiten kümmern möge, und das gilt jetzt wieder unter vielen Menschen, besonders aber bei den Bauern, als grosser Ruhm. Als er aber darauf hinwies, dass er in seinem Hauswesen vielerlei zu sorgen habe, sagte der Schultheiss von Rettinghausen: „Die Kläger haben kein’ Noth und die Prahler kein Brod.“

Der Steinbauer erhielt sich noch immer in seiner unerschütterlichen Theilnahmlosigkeit, methodisch und langsam stopfte er seine Pfeife, schlug Feuer, öffnete den Deckel und verschloss den Zündschwamm und wollte nun aufstehen. Diethelm aber hielt ihn noch fest und fragte zuerst, ob er nicht seinen Hof verkaufen wolle, sein Schwager, der Schäuflerdavid, suche so einen herrenmässig gelegenen für einen Ausländer. Der Steinbauer sagte, dass er zwar nicht verkaufen wolle, aber wenn er ein rechtes Anbot bekäme, liesse sich davon reden. Nun hatte ihn Diethelm doch flüssiger, und indem er noch mehrmals von seinem Schwager, dem Schäuflerdavid und ihren gemeinsamen Geschäften sprach, kam er endlich ans Ziel zu erklären, dass er allerdings Willens sei, wenn die fremden Händler nicht höher hinaufgehen, selber einzukaufen. Der Steinbauer, dem es ersichtlich Mühe machte, sein saures Dreinsehen aufzugeben, ward plötzlich freundlicher, nahm ohne Widerrede das Glas an, das ihm Diethelm einschenkte, und erklärte nun mit erstaunlicher Redseligkeit, welch einen Ausbund von Wolle und Schafen er habe, wie die Alle so wolltreu seien, ein Haar dem andern gleiche und der Stapel vom besten Fluss und gleich rund sei, wie ,,viel Leib“ seine Schafe hätten, dass er aber doch um einen annehmbaren Preis Alles verkaufe, weil er kein Glück in der Schafhalterei habe. Er legte das Zeugniss seines Schultheissen vor, darin nach einem Formular beurkundet war, wo seine Schafe geweidet und dass keine Krankheit dort und auch keine kranken darunter waren, und schloss endlich:

„Neun und neunzig Schäfer hundert Betrüger sagt man im Sprüchwort, und es ist noch mehr als wahr. Drum will ich Nichts mehr davon.“

Die Umsitzenden stimmten auch in die Klagen über die Schäfer ein und Jeder hatte zu erzählen, wie man seit des Erzvaters Jakob Zeiten um ihrer sicher zu sein, ihnen einige Schafe als Eigenthum bei der Heerde halten muss, wie sie diese aber zu gewöhnen wissen, dass sie den anderen stets das beste Futter wegfressen, wie sie den Hund abrichten, dass er nie ein Schäferschaf beisst, wie sie immer die besten und schönsten Lämmer haben und den Mutterschafen ihre nichtsnutzigen unterschieben; kommt dann der Herr dazu, so heisst es, wie das auch bei der natürlichen Mutter sein kann: es will noch nicht recht annehmen. Allerlei Schelmenstreiche von Schäfern wurden erzählt und das Gespräch schien sich fast ganz hierin zu verlieren, bis es Diethelm wieder auf den Handel brachte, aber er zuckte zusammen, als der Steinbauer, nachdem per das eingeschenkte Glas ausgetrunken hatte, ruhig sagte, er handle nur um baar Geld.

,,Bin ich dir nicht gut?“ fragte Diethelm trotzig.

,,Du bist mir gut, und dass du mir’s bleibst, ist baar Geld das beste,“ sagte der Steinbauer und schob seine Tabakspfeife in den linken Mundwinkel, während er aus dem rechten den Rauch blies. Er sah dabei nochmal so listig aus.

„Ist dir mein Schwager, der Schäuflerdavid auch nicht gut?“ fragte Diethelm.

,,Der Schäuflerdavid? freilich, der ist auch gut; wenn er sich verbürgt, kann ich bis Fastnacht mit dem Geld warten.“

Diethelm hob hastig beide Achseln, wie wenn er etwas abschütteln müsse, dann lachte er laut und sagte:

,,Komm jetzt, wir wollen, ’naus auf den Markt.“

Der Steinbauer zog einen ledernen Geldbeutel, der dreifach verknüpft war, bezahlte, nahm seinen hohen Schwarzdornstock, der in der Ecke lehnte, und ging mit Diethelm.

Auf dem Schafmarkt stand in einer Doppelreihe Hurde an Hurde, darin die Schafe eng zusammengedrängt, theils lagen, theils standen und wiederkäuten, Alle aber waren lautlos und das allezeit blöde Dreinsehen der Schafe hatte fast noch etwas Gesteigertes. Knaben mit flüssigem Zinnober in offenen Schüsseln liefen umher und gesellten sich zu Gruppen, wo mit lautem Geschrei und heftigen Geberden gehandelt wurde. Händler stiegen in die Hurden, zogen den Schafen die Augenlider auf und schauten nach den Zähnen, Andere bezeichneten mit einer in Zinnober eingetauchten Schablone die eingekauften und zählten dabei; dort sprang eine Heerde lustig aus der geöffneten Hurde, sich in der wiedergewonnenen Freiheit überstürzend, überall war buntes lebendiges Treiben. Der Schäfer Medard kam Diethelm entgegen und sagte, dass er noch nicht verkauft, aber sichere Hoffnung habe. Nun einigte sich Diethelm schnell mit dem Steinbauer, kaufte ihm seine Zeithämmel (jährige) ab und nahm auch die Bracken dazu.

Er eilte mit dem Steinbauer in das Kaufhaus, ihnen vorauf lief das Gerücht, dass Diethelm bereits Schafe eingekauft habe und auch für die Wolle die besten Preise bezahle. Diethelm war aber noch nicht zum Wolleinkauf entschlossen, er hatte diesen Gedanken nur so in leichtfertiger Prahlerei hingeworfen um zu verdecken, wie sehr es ihm zum Verkaufen auf den Nägeln brenne; jetzt wurde ihm das Vorhaben immer genehmer und mit seltsamem Blicke betrachtete er seinen Genossen mit dem mehr als mannsgrossen Stocke, mit dem schlichten Anzuge und der selbstzufriedenen Miene; der wünschte wohl nicht, wie er, mit Wagen und Pferd in den Stuben umherzufahren; wie weit zurück lag ihm jetzt die Zeit, wo auch er so stolz sein konnte, statt dass er jetzt, um sich nicht zu verrathen, stolz thun musste.

„Hast kein Fuhrwerk bei dir?“ fragte Diethelm, worauf der Steinbauer erwiderte:

„Nein, ich bin noch gut zuweg, mit dem Fahren hat’s Zeit bis ich alt bin.“

Im Kaufhause sah Diethelm, dass die verpflichteten Wollsetzer seine Schepper (Vliesse) gut aufgesetzt hatten, sie standen an guter Stelle, nicht zu hell und nicht zu dunkel; seine spanische und seine Bastardwolle durfte sich sehen lassen. Sein nächster Nachbar war der Steinbauer, der sich darüber beklagte, dass er einen schlechten Platz habe, gerade neben der Feuerspritze und dem grossen Wasserfasse, die unter der Treppe standen. Diethelm stand mit übereinandergeschlagenen Armen ruhig neben seiner Lammwolle, als hastigen Schrittes der Reppenberger kam. Alles Blut schoss Diethelm zu Kopfe, indem er dachte, dass er vielleicht auch einst als Unterhändler hier sich tummeln, sich abweisen und anfahren lassen müsse, während Alles jetzt seine Nähe suchte und um seine Freundschaft buhlte. Diethelm war entschlossen, mindestens vom Steinbauern noch die Wolle einzukaufen. Zwar hatte er die Bürgschaft des Schwagers zu leichtfertig versprochen, aber der Steinbauer muss ihm vor der Hand glauben, und dann will er noch heute all das Mitgebrachte und das Erkaufte in der Stille versilbern, es sind dann drei Monate Zeit gewonnen, es gilt Luck auf und Luck zu zu machen, bis man den rechten Schick trifft, und der kann doch nicht ewig ausbleiben. Diethelm wurde auch hier schnell handelseins mit dem Steinbauer und als nun Andere sahen, dass dieser ihm das Seinige übergab, bestürmten sie ihn ebenfalls mit Anerbietungen. Er wehrte Anfangs ab; er wollte nicht weiter gehen. Aber vielleicht lässt sich gerade jetzt der rechte Schick machen, man darf ihn nicht aus der Hand lassen, mit so viel Waare lässt sich was Grosses versuchen — die Hand Diethelms wurde brennend von dem öfteren Handschlag, er wusste fast gar nicht mehr wie viel er eingekauft hatte und der Reppenberger brachte neue und immer bessere Gelegenheiten mit Zahlungsterminen auf Ostern oder noch weiter hinaus. Wie berauscht ging Diethelm von Stapel zu Stapel und wiederum hinaus auf den Schafmarkt von Hurde zu Hurde; ihm war’s, als hätte alles Besitzthum der Welt gesagt: ich will dein sein, du musst mich nehmen.

Das Lärmen und Rennen um ihr her, das ferne verworrene Brausen des städtischen Marktgewühls, aus dem bisweilen einzelne Accorde der Musik, die jetzt zum Tanze aufspielte, wie aus dem Stimmengedränge heraus schlüpften, Alles das machte einen sinnverwirrenden Eindruck auf Diethelm; bald lächelte er Jedem und sein Antlitz war hochgeröthet, bald wurde es schlaff und verdrossen und alles Blut wich daraus zurück. Auf einem Wollsacke nicht weit von der grossen Feuerspritze, die im Hofe stand, sass er mit entblösstem Haupte und gekreuzten Beinen und sein Auge schaute hinein in die rothe Schreibtafel, in die er sich seine Einkäufe nach Sorte u. s. w. eingezeichnet hatte, um ihn her lagen in verschiedenen Papieren Wollproben. Diethelm fuhr sich mit der Hand über das Haupt und er meinte, er spüre es, wie ihm die Haare jetzt plötzlich grauer werden. Eben kam der Reppenberger wieder und brachte einen Mann, der eine überaus feine und haartreue Wolle habe, da sei jedes Härchen von unten bis oben gleich und Alles im Vliess gewaschen. Diethelm nebelte es vor den Augen und er ersuchte den Reppenberger, vor Allem einen guten Trunk Wein herbeizuschaffen; er fühlte sich so matt, dass er auf keinem Beine mehr stehen konnte, und besonders in den Knieen spürte er eine unerhörte Müdigkeit. Er gab den Umstehenden wenig Bescheid und starrte hinein in seine Schreibtafel und sprach mit den Lippen lautlos die Zahlen vor sich hin. Vom Hauptthurm der Stadtkirche bliesen eben die Stadtzinkenisten den althergebrachten Mittagschoral; sie standen eben auf der Westseite der Thurmgallerie und diese Posaunen und Trompeten strömten ihre langgezogenen Töne gerade zu Häupten Diethelms nieder. Er zuckte zusammen und schaute auf, als hörte er die Posaune des jüngsten Gerichtes vom Himmel herab; er fuhr sich in mit der breiten Hand langsam über das ganze Gesicht, dann schaute er hell auf, der Reppenberger rief ihm. Der herbeigebrachte Wein richtete ihn bald wieder auf und nun galt es, die begonnene Rolle muthig fortzusetzen. Die Stadtzinkenisten bliesen eben nach einer andern Himmelsgegend und die Klänge schwebten wie verloren über dem lauten Marktgewühle. Einmal sprach er eifrig und ganz allein mit einem fremden Händler und es verbreitete sich rasch die Sage, dass er im Auftrage dieses, der noch gar nichts eingekauft hatte, die Händel abschliesse. Diethelm merkte bald, dass sein Auftreten dem Markt eine ganz andere Wendung gegeben hatte; es kamen schon Unterhändler die sich im Auftrage Ungenannter nach dem Wiederverkaufe erkundigten. Eine Weile stockte er und gedachte mit mässigem Gewinn darauf einzugehen, aber der Reppenberger hatte Recht: jetzt im hohen Verkehr, wo Alles im Trab geht, kann man nicht hufen und rückwärts fahren; wenn Alles vorbei ist, dann lässt sich ein guter Treffer machen, dann hat man die ganze Geschichte allein in der Hand, drum jetzt nur muthig vorwärts. Und immer neue Zahlen stellten sich in die Schreibtafel Diethelms, er hatte schon dreimal die Schreibtafel in die Tasche gesteckt und die Hand darauf gelegt mit der Versicherung, dass er sie nicht mehr herausthue, und wenn er die Sachen halb geschenkt bekäme, er gehe nicht weiter ins Wasser, als er Boden habe; aber Alles schrie über seine Bescheidenheit, so ein Mann wie er, könne dreimal den Markt auskaufen. Dieser Ruhm stachelte ihn immer wieder aufs Neue, denn er sah, wie seine prahlerische Bescheidenheit ihm immer mehr Vertrauen an den Hals warf. Der Gedanke, wie sehr er dieses Zutrauen täusche und vielleicht ganz betrüge, zuckte ihm wieder durch die Seele, aber jetzt fand er eine rasche Aushülfe: da ist der Steinbauer, der so heilig thut, wie ein frisch vom Himmel geflogener Engel, und ohne Widerrede gibt er einen geringern Preis an, als er bekommt und betrügt damit alle Anderen. Aller Handel und Wandel ist auf Lug und Trug gestellt, ein bischen mehr, ein bischen weniger; und es kann ja wohl sein, es ist so viel als sicher, dass kein Mensch einen Heller verliert. — Die Leute zeigten einander, wie zuversichtlich und froh der Diethelm dreinsah und beneideten ihn um den Haupttreffer, den er heute mache.

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Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

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