Читать книгу Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold - Страница 6
Drittes Kapitel.
ОглавлениеWieder kehrte Diethelm mit grossem Geleite in das Wirthshaus zurück. Es waren nun wirklich seine Vasallen, denn ihn umgaben alle Die, denen er abgekauft hatte.
Unter dem Thore begegnete er seiner Tochter, die mit einigen Mädchen dort seiner harrte; sie fragte ihn, ob er nun mitgehe, ihr, wie er versprochen, einen Marktkram zu kaufen. Diethelm sagte, er habe keine Zeit und gab ihr zwei Kronenthaler, dass sie sich selber etwas kaufe.
Mit dem Steinbauer musste nun vor Allem glatte Rechnung gemacht werden. Diethelm nahm ihn zuerst allein vor, aber er mochte reden, was er wollte, der Steinbauer blieb bei seiner Aussage, er verlangte ein Viertheil des Kaufpreises als Anzahlung und binnen acht Tagen die Unterschrift des Schäuflerdavid als Bürgen. Diethelm suchte das Ungerechte dieser Bedingungen, die gar nicht festgestellt waren, darzuthun; der Steinbauer verzog keine Miene und blieb dabei, selbst als Diethelm laut lachte und die Sache ins Scherzhafte ziehen wollte, blieb sein Widerpart ohne Theilnahme und war, was man so nennt, ein bestandener Bauer, der sich nicht so leicht aus seinem Schritt bringen liess. Schnell in Zorn überspringend, schalt ihn Diethelm einen Betrüger, da er einen geringeren Kaufpreis angegeben habe, um die Anderen zu hintergehen. Der Steinbauer läugnete diess und behauptete, er habe zur Angabe Diethelms nur geschwiegen, er könne aber jetzt auch reden und vielleicht mehr als lieb sei.
,,Was meinst? was?“ fragte Diethelm hastig.
,,Ich mein’ gar nichts, ich will mein Geld und da bleibt ein Jeder wer er ist.“
,,Hältst mich für ein Schuldenbäuerle?“ fragte Diethelm halbzornig.
,,Nein, b’hüt Gott, ich könnt’ mit dir tauschen, wenn’s drauf ankäm’; aber weisst: zahlen mit baar Geld, das zwingt die Welt. Du brauchst ja nur pfeifen, da hast’s, und wenn ich mein Sach’ wieder an mich zieh’, und das thu’ ich, wenn du mich nicht baar bezahlst, ich liess’ es aber nicht dabei, ich müsst’ vor’s Amt damit, so hart es mich ankommt.“
Diethelm fühlte, was es heisst, sich in schwankender oder gar in verzweifelter Lage zu befinden, da muss man sich so zu sagen über’s Ohr hauen lassen und thun, als ob nichts geschehen wäre, nur um Aufsehen und genauere Nachforschung zu vermeiden.
„In einer Stunde hast all dein Geld,“ rief Diethelm den ihn ungerecht Bedrängenden überbietend.
,,So recht,“ sagte der Steinbauer, „wie viel Uhr ist jetzt? Drei? Um viere bin ich wieder da. B’hüt’ dich Gott und zürn’ nicht.“
Die Uebrigen, die den zähen Steinbauer so zufrieden davon gehen sahen, waren schnell befriedigt, und Diethelm drang selber drauf, dass sie „wegen Leben und Sterben“ eine Handschrift von ihm nehmen mussten. Nun eilte er zu dem Advokat Rothmann und verlangte von ihm ein Darleihen für den Steinbauer; der Advokat beglückwünschte Diethelm zu seinen guten Einkäufen und schloss eine eiserne Geldkiste, indem er sagte: ,,Das sind Pfleggelder, Ihr seid ja selber Waisenpfleger und wisst, dass ich solches Geld nicht ohne gerichtliche Bürgschaft verleihen darf.“ Diethelm ging um die Kiste herum wie die Katze um einen Wursthäckler und sah mit Schmerzen das Alles verschliessen, ohne Miau zu machen; er blieb noch eine Weile harmlos plaudernd bei dem Advokaten und that, als ob er nie ein Anliegen gehabt hätte, mit dem er abgewiesen worden war. Er versicherte Rothmann, dass er weit davon entfernt sei, ihn aus der Abgeordnetenstelle verdrängen zu wollen, der Advokat entgegnete, dass er Diethelm Glück wünsche, wenn er als Candidat der sich so nennenden Conservativ-Liberalen durchdringe, die Herren möchten dann einmal ihre sogenannte Möglichkeitspolitik versuchen, um zu erfahren, dass das Schlechte leichter möglich sei als das einfach Rechte.
Diethelm zeigte sich eifrig in Darlegung seiner Gesinnungen und doch dachte er jetzt an nichts weniger als an diess.
Offen und versteckt laufen überall und allzeit die verschiedensten Interessen durcheinander.
Als Diethelm das Haus verliess, traf er glücklich den Reppenberger vor demselben; durch diesen liess er nun ein gut Theil des Eingekauften unter der Hand zu baar Geld machen, mit der Bedingung, dass nicht hier unter den Augen der Marktaufseher, sondern morgen auf dem eine Stunde entlegenen Dorfe oder noch besser in seiner eigenen Heimath abgeliefert werde. Bis dieses Geschäft abgemacht war, wollte sich Diethelm verborgen halten und dazu gab es kein besseres Versteck als der Tanzboden im Stern, wo eben die Musik aufspielte; dort würde ihn gewiss Niemand suchen und dorthin sollte Reppenberger mit dem fremden Händler kommen.
Es war, als ob doch etwas von dem Wunsche Diethelms, mit seinen zwei Rappen in den Stuben herum zu kutschiren, erfüllt wäre; denn kaum war er auf dem Tanzboden, wo sich eben in lärmender Pause die erhitzten Paare verliefen, als Alles ehrerbietig vor ihm auswich und da und dort hörte er seinen Namen pispern. Einige ältere Leute, die ihm zutranken und stolz darauf schienen, dass er das Glas annahm, fragte er nach dem Reppenberger, den er zu suchen vorgab; sogleich erboten sich mehrere Trinkgelds-Bedürftige den Reppenberger aufzusuchen. Diethelm hatte abzuwehren so gut er konnte, und glücklicherweise erlöste ihn ein junger, modisch gekleideter Mann, der mit vielen Bücklingen auf ihn zukam, sich als ältesten. Sohn des Sternwirths vorstellte und Diethelm bat in die Herrenstube zu kommen.
Die Welt duldete es gar nicht mehr, auch wenn er es selbst gewollt hätte, dass er in niederem Bereiche verweilte. Diethelm betrachtete sich selbst, um zu erkunden, was denn an ihm sei, dass ihm Jeder ungefragt eine höhere Stufe anwies. Er folgte dem jungen Manne, der äusserst ehrerbietig war, die Treppe hinab und als er eben die Klinke zur Herrenstube in der Hand hatte, hörte er einen Soldaten unter der Hausthüre sagen: ,,komm nur.“ Diethelm drehte sich um, die Stimme war ihm bekannt, und der Soldat fuhr fort:
,,Tanz’ du nur einmal, während der Zeit wird dein Vater um ein paar tausend Gulden reicher und ich krieg’ dich immer weniger.“
„Ich weiss nicht, ob’s recht ist,“ sagte eine Mädchenstimme und halb gezogen erschien Fränz auf der Schwelle mit hochglühendem Antlitze.
,,Soll ich euch aufspielen?“ rief Diethelm, sich umwendend. Der Soldat und Fränz liessen vor Schreck die Hände los.
Der Soldat fasste sich schnell wieder und grüsste Diethelm, dieser aber sagte:
,,Du bist’s? wie kommst du daher, Munde?“
,,Ich hab’ Urlaub genommen und es freut mich, dass ich auch meinen alten Herrn seh’.“
„So? Willst eine Halbe trinken?“
,,Freilich.“
,,Säh, da hast Geld, trink’ eine,“ und Diethelm reichte mit diesen Worten dem über und über erröthenden Soldaten einen Sechsbätzner. Der Soldat, der nicht anders erwartet zu haben schien, als Diethelm würde ihn mit zum Wein nehmen, wusste nicht, sollte er die Hand zum Faustschlag ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien gleich misslich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen der Geliebten, es fand sich aber noch ein Ausweg und lächelnd sagte der Soldat:
„Dank’ gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein’ Halbe mit Euch trink; vor der Hand hab’ ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu trinken.“
Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel ihm. Das gestand sich Diethelm, aber nicht, dass er sich in diesem Augenblicke selber zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz hinter der Thür der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab wie ein Wachtposten und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in die Herrenstube und sich austischen lassen? Aber wer weiss, wozu das führt? Es sind viele Fälle möglich. Der Schluss blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun — da macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens die kommenden Ereignisse abwarten.
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