Читать книгу Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold - Страница 7

Viertes Kapitel.

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Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der Schulter hängen. Das Marktgewühl brauste und toste in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuss ein wildrauschender Bach über Felsen braust; nur bisweilen hörte man das klagende Blöcken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt ins Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüssten sie, dass die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und musste mehr gezogen und geschoben werden als dass es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beissen des Hundes und blöckte nur kläglich. Der Soldat schaute dem Allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen und doch war ihm alles Das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir beim Ausspannen gesehen haben, und schon von fern zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so dass er aufblickend rief:

,,Hast sie gefunden?“

Der Soldat nickte mit dem Kopfe und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie miteinander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte.

Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle? Er habe die Hämmel verkauft und könne den Herrn nirgends finden, um ihm das Geld zu geben. Ueberhaupt erzählte er, sei der Meister seit fast einem Jahr zweierlei Menschen: bald streichle er Einen wie mit Sammtpfoten, bald sei er ein borstiger Igel, bald lobe er Alles, bald mache man ihm gar nichts recht. Die Brüder besprachen sich noch lange über das seltsame Wesen des Meisters, denn auch der Soldat hatte ehemals bei Diethelm als Schäfer gedient.

Als der Schäfer äusserte, dass Diethelm vielleicht um so grösser thue, je kleiner er geworden sei und vielleicht noch einen tüchtigen Raps mache, so lang man ihm traue, fuhr der Soldat dagegen los, als ob er selber beleidigt wäre, und es war noch mehr als das: denn da gilt ja gar nichts mehr, wenn man gegen solch’ einen Mann nur so was denken darf; worauf der Andere lächelnd erwiderte:

,,Büble, Büble, du wirst dein Lebtag nicht gescheit; du glaubst den Leuten, was sie dir vormachen. Lass sehen, was du für Tubak hast,“ schloss er und nahm dem Soldaten die Pfeife aus dem Mund und rauchte sie weiter; der Soldat sagte kein Wort dazu.

Es war ein seltsames Brüderpaar, das da bei einander sass. Medard hätte bei Alter nach der Vater Munde’s sein können, aber ähnlich sahen sich die Brüder nicht. Medard hatte ein langes dürres Gesicht, das durch den zottigen Backenbart und die aufgesträubten röthlichen Augenbrauen Aehnlichkeit mit dem Schäferhunde hatte, während Munde kugelrund aussah und Angesicht und Hals von dunkelbrauner Farbe war; er hatte kohlichwarzes Haar und kleine in fetten Augenlidern versteckte braune Augen, aus denen ein stilles sanftes Gemüth sprach. Medard sah aus, als könnte er nie lachen, und Munde sah noch jetzt in seiner Betrübniss aus, als könnte Schmerz und Zorn keine Heimath in seinem Gesichtsausdruck finden.

Medard war gerade um fünf und zwanzig Jahre älter als sein Bruder, und diese beiden und noch eine Schwester, die dem alten Vater in Buchenberg Haus hielt, waren von neun Kindern am Leben geblieben. Als der kleine Munde so verspätet und plötzlich geboren wurde, verliess Medard unter Verwünschungen das väterliche Haus und betrat sechs volle Jahre dessen Schwelle nicht mehr. Es war nicht Aerger wegen des Erbes — da war ja nichts zu theilen — aber Medard schämte und ärgerte sich über den nachgebornen Bruder, dass er von seinen Eltern gar nichts mehr wissen wollte; er verdingte sich weit weg und kam erst nach sechs Jahren wieder, als er aus dem Zuchthause entlassen wurde, wo er wegen einer Rauferei, in der er einen Nebenbuhler erschlagen, fünf Jahre gebüsst hatte. Es war ihm nun doch nichts übrig geblieben, als in das elterliche Haus zurück zu kehren. Als er zum Erstenmal wieder in des Vaters Stube trat — die Mutter war schon seit sechs Jahren gestorben, und wie der Vater sagte, an den Folgen der Verheimlichung ihrer Schwangerschaft, die sie vor dem erwachsenen Sohne verbergen wollte — da war’s, als ob der kleine Munde es dem Bruder wie mit Zauber angethan hätte; er umklammerte gleich beim Eintreten seine Füsse und Medard liess den schon ziemlich grossen Bengel oft Stunden lang nicht vom Arm herunter und tollte mit ihm wie närrisch umher, die ganze verhaltene Bruderliebe schien auf Einmal sich zu entfalten und eine Sühne für seine früher verübte Härte zu Tage zu fördern.

Diethelm that gerade um diese Zeit eine grossartige Schäferei auf und auf die Bitten des alten Schäferle und die Zureden seiner Frau nahm er den Medard in Dienst, der nun von Georgi bis Michaeli im freien Felde war und stets den Munde bei sich hatte und ihn mit einer Sorgfalt ohne Grenzen wartete und pflegte. Der alte Schäferle überliess ihm gern das Kind; er war mit Allem zufrieden, wenn er nur hinlänglich Tabak hatte, um seine Holzpfeife in beständigem Brand zu erhalten. Medard versorgte ihn jetzt mit Tabak, während er sonst oft hatte dürre Nussblätter rauchen müssen.

Wenn Medard manchmal dachte, dass ihm das Kind sterben könnte, fühlte er alle Haare zu Berg stehen. Stundenlang konnte er in das braune Antlitz und in die dunkeln Augen des Knaben schauen und sich nur ärgern, dass dieser ihn gewiss nicht so lieb habe, wie er ihn, es wenigstens nicht darthun konnte; dann konnte er aber auch stundenlang vor sich hin lächeln über eine einfältige oder kluge Bemerkung des Munde. Auf den falben Schäferhund, den Passauf, war Medard oft eifersüchtig, denn der Knabe war mit dem Hund so zutraulich und verschwendete an ihn so viel Liebe, die doch ihm gebührte. An Einer Sache hatte aber Medard stets seine ungetrübte Freude. Munde war nämlich äusserst gelehrig in der Musik. Vielleicht ist es noch ein Ueberbleibsel aus den verklungenen Schalmeienzeiten, dass die Schäfer in der Regel kunstfertige Pfeifer sind, und Medard war hierin noch ein besonderer Meister. Er verstand nicht nur den nothwendigen Signalpfiff, der dem Passauf als Commando galt, er konnte auch alle Vögel des Waldes nachahmen und hatte noch dazu eine unerschöpfliche Quelle von Lieder- und Tanzweisen, in denen er trillern konnte wie ein Kanarienvogel. Er lehrte nun den Munde diese Fertigkeit, und wenn der Knabe dann vor ihm stand und den Mund spitzte und hellauf pfiff, umfasste Medard mit beiden Händen seine Schäferschippe und bohrte sie tief in den Boden vor Freude. Im Herbst lockte Medard andere Knaben zu sich aufs Feld, damit sie mit dem Munde spielen, denn dieser kam ihm manchmal so traurig und nachsinnend vor, so verlassen wie ein Schäfchen, das von der Heerde genommen ist, und das einsam in sich hinein jammert. Da däuchte es dann Medard, als ob sein Munde über Alle herrsche, sie beugten sich ihm ungeheissen, und alte Sagen kamen ihm in den Sinn, wie ein Schäferknabe plötzlich zu einem König geworden und eine schöne Prinzessin im diamantenen Palaste zum Ehegemahl erhielt. Er lächelte wohl über diese Sagen, er wusste ja, dass daran kein wahres Wort sei, aber Munde war gewiss zu etwas Grossem geboren, wenn auch just nicht zu einem König; und dann wollte sich Medard in seinen alten Tagen das Gnadenbrod bei ihm ausbitten und unter der Stallthür stehend glücklich sein, wenn sein Bruder in der Kutsche dahinfuhr oder auf einen schönen Apfelschimmel daherritt. Was lässt sich nicht Alles ausdenken draussen bei den still weidenden Thieren! Medard erschien sich oft ganze Wochen wie verzaubert, Alles, was er that, kam ihm so vor, als wäre das nur für einstweilen, nur noch jetzt, in einer Stunde wird’s anders; da kommt auf einmal ein gross Glück. Und manchmal konnte er es gar nicht fassen, dass der Munde noch so klein und jung sei und noch so lange zu wachsen habe, bis er ein grosser Mann, mindestens ein reicher Graf sei. Natürlich fehlte es auch nicht an Zeiten, wo sich Medard vor die Stirn schlug und sich selber auslachte über all die Narretheien, die er im Kopfe herumtrage; er war dann froh, dass Niemand davon wusste und schlug sich Alles aus dem Sinn; aber innerlich verborgen konnte er doch eine gewisse Hoffnung des Unerwarteten nicht ertödten, er wusste nicht was und wie, aber doch blieb’s.

Als dem Diethelm seine Fränz geboren war, hatte Medard dieser schon einen Ehemann bestimmt, lange bevor sie ein Wort sprechen konnte.

Munde war acht Jahre alt geworden. Es war im hohen Sommer, im Thale war abgeweidet und der Pferch begann noch nicht, Medard hatte seinen sämmtlichen Schafen Schellen umgehängt, und es ging nun auf den Trieb ins hohe Waldgebirge. Das Schellengeläute währte unaufhörlich vom Morgen bis zum Abend, denn die Schase auf der Weide fressen beständig im Gehen und stehen meist kaum so lange still, um das Gras abzuraufen; Medard war immer in wundersamer Aufregung, und er dachte mit schweren Sinnen, dass dies der letzte Sommer sei, in dem er den Munde bei sich hatte; zu Ostern musste dieser bei Strafe endlich in die Schule. „Es ist vorher gegangen, es muss nachher auch gehen,“ tröstete sich Medard, wenn er überlegte, wie er diese Trennung ertragen werde. An einem Mittag, an dem die Nebel nicht von Berg und Thal wichen, sass Medard am Waldrande, an dem ein schmaler Holzweg sich hinzog, und vor ihm, den jähen Berghang hinab, weideten die Schafe; Munde stand weiter unten, just in der Biegung des Weges in einer Brombeerhecke und erlabte sich an der saftigen Frucht. Vom Walde oben vernahm man Hacken und Knacken der Holzhauer, und das Schellengeläute war so summend, dass Medard fast in Schlaf versinken wollte. Da hörte er über sich etwas poltern, er schaute rückwärts — hat sich ein Felsen aus seiner uralten Ruhe losgelöst? Da kommt es den Weg herab, ein in Schuss gerathener lediger zweirädriger Karren, Medard ist ganz erstarrt, er schaut auf und schaut hinab und ruft schnell: Munde, geh’ bei Seite, Munde, um Gottes Willen lug’ auf! Aber das Kind hörte nicht, und der Wagen ist schon so nahe; kommt er bei Munde an, stürzt er die Halde hinab und zerschmettert das Kind, es ist kein Stein am Wege, nichts, womit man einhalten kann. All’ dies Schauen, Denken, Rufen, wär das Werk eines Augenblickes, schon ist das zermalmende Rad nahe, Medard kann sich retten — aber das Kind! Schnell streckt Medard halb träumend, halb wissend, was er thut, den rechten Fuss weit vor, es knackt, der Karren steht still . . . Die Leute, denen der Karren entronnen war, kamen mit Geschrei hinterdrein, sie fanden Medard mit zerknicktem Fusse, leblos, sie warfen schnell das Holz ab und luden Medard auf den Karren und führten ihn nach dem Dorf, wo er Monate lang eingeschindelt lag. Um so lustiger aber sprang Munde um ihn her, und das erquickte den Leidenden mehr, als all’ die guten Tränkchen, die der alte Schäfer bereitete, und mehr als die sorgsame Abwartung der Meistersfrau. Medard war nicht so grossmüthig, seinem Bruder nie zu sagen, was für ein Opfer er ihm gebracht. Das Kind verstand dessen Bedeutung noch nicht, und als er in spätern Jahren es erkannte, war die That eine längst gewohnte, wenig beherzigte, wenn gleich Munde dem älteren Bruder mit kindlicher Hingebung zugethan war, und es ihm nie in den Sinn kam, eine Einsprache dagegen zu erheben, dass ihn Medard stets ,,Büble“ hiess. Medard konnte, wenn auch mit einem lahmen Fuss, seinem Geschäfte nachgehen; die Ruhe, die es mit sich brachte, war ihm nun besonders genehm. Munde war in der Schule und Medard blickte auf die Tage, da es ihm das Kind wie mit einem Zauber angethan hatte, mit verwundertem Lächeln zurück; und doch war etwas eingetroffen, und wer wusste, was noch daraus wird. Munde lebte im Hause Diethelms wie das eigene Kind, und es war nicht anders zu vermuthen, als Diethelm würde dem Munde gern seine Fränz zur Frau geben, denn Diethelm war wegen seiner Gutherzigkeit berühmt, die er allerdings zumeist nur auf seine Freundschaft (Verwandtschaft) anwendete. Munde war und blieb eben der Schäferprinz, wie ihn Medard oft im Stillen nannte. Bei all’ seiner Zärtlichkeit für das kleine Brüderchen und dessen grosse Hoffnungen versäumte indessen Medard doch seinen einstweiligen Vortheil nicht, er wollte für alle Fälle geborgen sein, er verstand es, wie man hier erst recht sagen kann, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen und zwar mit so verschlagener List, dass Diethelm das unbedingteste Vertrauen in ihn setzte, obgleich er es ihm noch manchmal vorrückte, dass er ein Sträfling sei. Medard machte sich nicht im Entferntesten ein Gewissen daraus, das Vertrauen Diethelms zu missbrauchen; denn das ist das Unergründliche in des Menschen Brust, dass oft Betrügerei neben Treuherzigkeit, Verstocktheit neben Zartsinn friedlich zu wohnen vermag. Als Munde confirmirt war, wurde er Schäfer, aber der ältere Bruder gab seine Hoffnung noch nicht auf: Munde musste einst die Fränz heirathen; und je mehr das Mädchen heranwuchs, um so grösser wurde auch seine Liebe zu dem jungen Schäfer, immer hütete Medard den Bruder wie seinen Augapfel und diente ihm, als wäre er sein angeborener Herr. Erst als Munde Soldat werden musste und der Diethelm ihn nicht loskaufte, fasste Medard einen tiefen Hass gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt.

Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stiess nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus.

,,Ich wollt’,“ schloss der Soldat, „der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt’ ich die Fränz heirathen ungefragt.“

„Büble, du bist ein Narr,“ rief Medard, „du musst sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nückel ist und bleibt sie; aber freilich da drüber darf man mit dir nicht reden. Wenn ich nur wüsst’, wie’s mit dem Meister steht; sauber ist’s nicht, das glaub’ mir.

Nun besprachen die Brüder das Leben des Meisters. Diethelm war ehedem ein wohlhäbiger, still arbeitsamer Bauer gewesen, er war als Knecht nach Buchenberg gekommen und hatte die reiche Wittwe, die Schwester des Schäuflerdavids, gegen den Willen ihres Bruders und ihrer ganzen Familie geheirathet. Stolz war er von je, und selbst seine vorherrschende Tugend, die ihm einen grossen Namen machte, schien davon nicht frei. Damals, als Diethelm die reiche Wittwe heirathete, lebten seine Eltern noch, aber sie wie ihre anderen sechs Kinder, die theils dienten, theils selber Familien gegründet hatten, lebten in äusserster Dürftigkeit. Das nahm nun schnell ein Ende, denn mit reicher Hand setzte Diethelm alle seine Angehörigen in Wohlhabenheit und Alles was Diethelmisch hiess, stand plötzlich in Ehre und Ansehen. Hatte Diethelm im Allgemeinen eine freigebige Hand, so war sie es noch besonders für einen auffälligen Zweck. Er kleidete nämlich gern die Armen und es war seine besondere Lust, dass Alles stattlich daher käme; und wurde er auch oft von Solchen missbraucht, die fremder Gabe gar nicht bedurften, immer wieder fand ihn Jeder bereitwillig und hülfreich. Wenn unser Meister nach Letzweiler kam, stand Alles still, als erschiene ein höheres Wesen und die Lippen bewegten sich wie zu Segenssprüchen, denn solch einen Wohlthäter hatte man noch nie gesehen und Diethelm hatte nur abzuwehren, dass ihm nicht Kinder und Greise die Hände küssten. Seine hülfreiche Mildthätigkeit war aber auch ohne Grenzen und man fabelte allerlei über seine unermesslichen Reichthümer: er habe ein grosses Loos in einer fremden Lotterie gewonnen, er habe einen Schatz gefunden und dergleichen mehr, Diethelm gefiel sich in dem Ruhm seines Reichthums und seiner Wohlthätigkeit. In den besten, manneskräftigen Jahren, als er Schultheiss geworden war, fiel es ihm auf Einmal ein, dass er genug gearbeitet habe. Er verpachtete daher seine Aecker und lief müssig und mit eingebildeten Krankheiten im Dorf umher; aber auch diess Leben verleidete ihm nach wenigen Jahren, zumal er mit den Pachtbeständern vielerlei Quengeleien hatte. Er wollte ändern, mochte aber nicht mehr zurück, verkaufte nun trotz heftigen Widerspruchs seiner Frau alle seine Aecker, nur die Wiesen behielt er und lebte von Zinsen. Bald aber fieng er einen kleinen Kornhandel an, der nicht ohne Gewinn war, und nun ging er Tag und Nacht auf sogenannte Spekulationen aus, die ihm auch meist glückten.

Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als blossen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. Der ewige Kampf zwischen den Hervorbringenden und denen, die solches mühsame Händewerk mit Reden und Schreiben zu eigenem Vortheil verwenden, ist auf dem Lande naturgemäss ein Widerstreit gegen die Kornhändler, der sich je nach den Zeitläuften zu ausgesprochenem Hasse entwickelt. Das Vorhalten des Gedankens von dem grossen Weltverkehre und dass die Thätigkeitsergebnisse der ganzen Menschheit einander angehören, will bei dem, dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muss, nicht Eingang finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an der Erhebung zum Gedanken der grossen Weltgehörigkeit.

Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Hass und statt ihn zu versöhnen, reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: „Ihr arbeitet euch krumm und lahm und ich schau’ zum Fenster hinaus und hab’ meine grünen Saffian-Pantöffele an, und verdien’ dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten.“ Das war aber nicht immer der Fall und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine grosse Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiss gewählt und er begann nun das Schafhalten und den Wollhandel. Die Umgegend von Buchenberg eignete sich allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgang zu erhalten, aber auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten.

Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Hass, und wieder voll ergebener Abhängigkeit. Wenn er auch nun schon so viele Jahre bei ihm diente, liess es ihn Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, dass er ihn als Sträfling zu sich genommen und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen liess, dass sein Herr einmal zu Falle kommen oder in seine Hand gerathen möge.

Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.

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Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

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