Читать книгу Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold - Страница 4

Erstes Kapitel.

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In dem freundlichen Städtchen G. war lebhaftes Marktgewühl und mitten durch das auf und abwogende Menschengedränge bewegte sich, von zwei fetten, tief eingekreuzten Rappen gezogen, ein Bernerwägelein, auf dessen niedergelassener Halbkutsche ein breitschulteriger Mann sass. Der breitkrämpige schwarze Hut mit handhoher Silberschnalle im Sammtbande, der kragenlose einreihige schwarze Sammtrock mit den nahe zusammengerückten flachen silbernen Knöpfen, die rothe Scharlachweste mit den kugelförmig silbernen Knöpfen zeigten den reichen oberländischen Bauer. Er hielt mit beiden Händen die Pferde straff im Zügel, die Peitsche stack neben ihm und er rief nur manchmal den zögernd Ausweichenden ein Aufg’schaut! oder einfach Hoho! zu. Die Pferde trugen die Köpfe mit dem messingbeschlagenen Riemenzeug so stolz, als wüssten sie, welch’ ein Aufsehen sie erregten. Neben dem Manne sass ein junges Mädchen, ebenfalls in oberländischer Tracht, die sich aber mehr im Schnitt als im Stoff zeigte; denn der braune Spenzer und die schwarze Schürze waren von Seide, nur die Haube war noch in der landesüblichen Weise und aus den schwarzen am Kinn geknüpften Bändern sah ein blasses längliches Gesicht mit dunkeln Augen.

Die Leute im Gedränge gafften Alle nach dem Gefährte und dessen überaus stattlichen Insassen. Manche vergassen darüber auszuweichen und mussten von Nachbarn angerufen werden, und bald da bald dort gab es ein heftigeres Gedränge, aber die Rappen standen jedesmal auf einen Pfiff ihres Herrn stille. Oftmals auch grüsste dieser einen Bekannten und rief ihm zu: ,,Weisst schon, im Hirsch.“ In dem Marktgemühl stachen besonders die Schäfer hervor in ihren weissen rothausgeschlagenen und mit rothen Einnäthen versehenen Zwillichröcken, auf denen noch, über die rechte Schulter gelegt, schärpenartig der lederne Gurt mit glänzenden Messingringen prangte; ihre Hunde liefen hart neben ihnen, denn sie hatten sie an die vielgelenkige Kette angekoppelt. Ueber das bartlose runde Antlitz des Fahrenden zuckte oft ein Lächeln, denn er hörte die Staunenden am Wege fragen: „Wer ist das?“ worauf die Antwortenden immer ihre Verwunderung ausdrückten, dass man den nicht kenne: „Das ist ja der Diethelm von Buchenberg,“ hiess es dann, ,,der hat mehr Kronenthaler, als die zwei Gäul’ ziehen können,“ und ein Anderer sagte wieder: „Ich wollt’, du und ich, wir hätten das mit einander im Vermögen, was der heut’ für Woll’ und Schafe einnimmt.“ „Wenn der Diethelm da ist, geht der Markt erst an,“ sagte ein Dritter; „die Engelländer warten Alle auf ihn,“ rief ein Vierter. Ein Mann, der mit mehreren anderen eine gute Strecke neben dem Wagen herging, berichtete: ,,Ich bin von Letzweiler und der Diethelm ist auch von da gebürtig. Er hat einen grausam mächtigen Familienanhang. Vor zwanzig Jahren sind das lauter Krattenmacher (Korbmacher) und Bettelleut’ gewesen und der Diethelm hat sie hingestellt, dass sie capitalfest sind. Ja, ja, so ein Mann in der Freundschaft und sie ist glücklich.“

Der Fahrende stiess manchmal die neben ihm Sitzende an, dass sie auch hinhorche auf das, was man sage; die üble Nachrede im eigentlichsten Sinn des Wortes schien der Fahrende nicht zu vernehmen, denn es gab auch Manche, die über die Ungebühr schimpften, mit Ross und Wagen mitten durch das Menschengedräng zu fahren; Andere machten darob Witze und einige gehobene Heldenseelen fluchten hinter dem Wagen drein und schalten auf die Polizei, die so etwas dulde. Ein Bretzelverkäufer, der seinen Kram auf einem langen Stock aufgereiht trug, sagte geradezu: es sei nichts schlimmer, als wenn der Bauer auf den Gaul käme, der mache es ärger als die Herren.

Der Vielberufene fuhr aber strahlenden Antlitzes wie ein Triumphirender dahin, und endlich war man beim Wirthshaus zum Hirsch, das eine ganze Wagenburg umstellte, angelangt. Eine mächtige Glocke erschallte im Hausflur, die Frau Hirschwirthin, oder wie sie lieber genannt war, die Frau Postmeisterin, erschien selber, reichte Diethelm die Hand, hiess die „Jungfer Tochter,“ die als schlanke, biegsame Gestalt auf dem Wagen stand, willkommen, half ihr absteigen und nahm ihr eine bunt gestickte Reisetasche ab. Der Hausknecht, der heute seinen grossen Tag hatte, war doch bei der Hand, und während er die Aufhaltketten der Pferde löste, half ihm ein Schäfer dieselben aussträngen.

,,Ist Alles in Ordnung, Medard?“ fragte Diethelm den Schäfer, indem er sich neben die Pferde stellte; der Schäfer bejahte, eilte dem Mädchen nach und raunte ihm schnell zu:

,,Mein Munde (Raimund) ist auf Urlaub auch hier.“

Das Mädchen erröthete und antwortete nichts, es band sich die Haube fester, indem es in das Wirthshaus trat.

Der Schäfer Medard eilte zu seinem Herrn zurück und sagte, dass er schon beim Einfahren von einem Händler darum angehalten worden sei, wie theuer er verkaufe.

„Wie ich dir gesagt habe,“ erwiderte Diethelm ruhig, ,,siebzehn Gulden das Paar und keinen rothen Heller weniger. Sag nur, dein Herr sei der Diethelm und der lass nicht mit sich handeln. Wir nehmen unser Vieh wieder heim, es ist mir so lieb wie baar Geld.“

Der Schäfer nickte, in seinem gerötheten Antlitze, das von einem langen zottigen Backenbarte eingefasst war, zuckte es; er ging davon, wobei man ein Hinken am rechten Fusse bemerkte.

Diethelm streichelte die Rappen und lobte sie, dass ihnen trotz des scharfen Fahrens kein Haar krumm geworden sei, er liess sie desshalb nicht sogleich nach dem Stall bringen, sondern hielt sie noch auf, bis sich immer mehr Bekannte sammelten, die sein „Baronen-Fuhrwerk“ lobten und theils geradezu, theils auf Umwegen seinen Reichthum hervorhoben. Diethelm hielt die Hand auf den Sattelgaul gelegt, er war im Stehen kleiner als er auf dem Wagen erschienen war, er mass kaum etwas mehr als sechzehn Faust wie die Rappen, und war auch so wohlgenährt und breit wie sie. Er vernahm nun, wie das immer geht, von schlechten Marktaussichten, das Ausgebot sei gross und die Nachfrage gering, da Händler und Fabrikanten den Preis sehr drückten und überhaupt baar Geld sehr knapp sei, weil Alles auf Zeit kaufen wolle.

,,Dann verkauf’ ich gar nicht und kauf’ selber,“ erwiderte Diethelm und schlug sich dabei auf den Bauch, um den er eine umfangreiche leere Geldgurt geschnallt hatte. Mehrere boten ihm nun sogleich Wolle und Schafe an, aber er lehnte für jetzt noch ab und als man ihn aufforderte mit in die Stube zu gehen, schien er sich schwer von seinem Gefährte zu trennen und aus seinen Mienen sprach nur halb der ihn bewegende Gedanke: „So wie man geht und steht herumlaufen, das hat kein Ansehen, da ist man wie jeder Hergelaufene; ich wollt’ ich könnt’ mit meinen Rappen und meinem Kütschle in den Stuben herumfahren, da zeigt sich doch auch gleich wer man ist.“ Es war ein seltsames Lächeln, mit dem endlich Diethelm die Rappen in den Stall schickte. Die stattliche Rotte, die ihn umgab, konnte er mit Fug als sein Geleite betrachten und waren auch verkommene Leute darunter, ehemalige Schafhalter, die jetzt als Unterhändler dienten, Schmarotzer, deren ganzes Marktgeschäft im Erhaschen eines Freitrunkes bestand: bah! grosse Männer haben immer auch solche in ihrem Geleite, und Diethelm schritt an der Spitze seines Trosses breitspurig einher.

Der Reppenberger, ein hagerer Bauer im zertragenen blauen Kittel, mit einem schmutzigen Wochenbarte auf dem listigen Gesichte, war ehemals selbst wohlhabend gewesen, hatte sich im Schafhandel „verspekulirt“ und war jetzt der gewandteste Unterhändler. Dieser wollte sich an die Seite Diethelms drängen; er bot ihm eine Prise aus seiner grossen birkenrindenen Dose und wollte ihm allerlei mittheilen, aber Diethelm vertröstete ihn mit herrischer Miene auf später und zog den Schultheiss von Rettinghausen, einen mehr ebenbürtigen Genossen an sich, und so trat er in die Wirthsstube, wo jetzt im halben Morgen schon voller Mittag gehalten wurde; denn an langer Tafel und an Seitentischen sassen Männer und Frauen und erlabten sich an Sauerkraut und Speck und gedeihlichem Unterländer Wein, und was sie nicht aufspeisten, wickelten sie in ein daneben gelegtes Papier und steckten es zu sich. Da und dort war auch der Tisch zu einer Rechentafel geworden und mit Kreide wurde der Erlös zusammengerechnet, denn es war schon Mehreres verkauft. Mancher vollgestopfte Mund nickte Diethelm zu und manche Hand legte die Gabel weg und streckte sich ihm entgegen.

„Je später der Markt, je schöner die Leut’,“ rief ein Weisskopf Diethelm zu.

,,Kommst spät.“

„Bist alleine oder hast die Frau bei dir?“

,,Ist das zimpfere Mädle dein’ Fränz?“ (Franziska.)

Solche und viele andere Anreden bestürmten Diethelm von allen Seiten und manche Gabel deutete nach ihm und mancher Kopf drehte sich um, denn die, die ihn kannten, zeigten ihn den Fremden und eine Weile war alle Aufmerksamkeit nach ihm gerichtet. Erregte der Duft der Speisen einen ungeahnten Hunger, so gab dieses allgemeine Ansehen eine andere Sättigung. Eine Kellnerin fragte Diethelm nach altem Brauch, was er befehle; aber die Wirthin, die eben durch die Stube ging, schnitt ihr das Wort ab und sagte:

,,Der Herr Diethelm sitzt in die Herrenstube, der Advokat Rothmann sind auch schon drüben und unterhalten sich mit der Fränz.“

,,Die Fränz soll da herein kommen,“ entgegnete Diethelm und so laut, dass es Alle hören konnten, ,,wenn der Advokat Rothmann was von mir will, kann er zu mir kommen; ich lauf’ ihm nicht nach, ich hab’ Gottlob nichts mit ihm. Ich bleib’ da unter Meinesgleichen.“

Man sprach davon, dass es einen harten Wahlkampf geben werde, wenn Diethelm gegen den Rothmann als Mitwerber um die Abgeordnetenstelle auftrete; Diethelm lehnte mit halber Miene jede Bewerbung ab, und stimmte selber in das Lob Rothmanns ein, der als ,,fadengrader“ Ehrenmann gepriesen und oft bei seinem Beinamen ,,der Schweizertell.“ genannt wurde, denn er hatte nicht nur zweimal auf dem eidgenössifchen Freischiessen den Preis gewonnen, sondern stand überhaupt in vielfachem Verkehr mit dem benachbarten Freistaate und war selber ein Charakter als wäre er in der Republik aufgewachsen, schlicht, derb und unverbogen bei aller gelehrten Bildung.

Als er jetzt in die äussere Stube trat und seine hagere hohe Figur Alle überragte, ging ihm Diethelm zuerst entgegen und reichte ihm die Hand, worauf fast alle Anwesenden nacheinander ihm zutranken.

Der Reppenberger kam hastig, klopfte Diethelm auf die Schulter und sagte ihm ins Ohr: man rede schon überall davon, dass der Diethelm einkaufen wolle und just heute liesse sich ein gutes Geschäft machen. Der Krebssteinbauer da hinten aus dem Lenninger Thal, der dort an der Ecke sitze, den müsse man zuerst einfangen; er mache die Andern kopfscheu und sprenge aus, der Diethelm thäte nur so als wenn er einkaufen wolle, der habe gewiss schon verkauft und stecke mit den Händlern unter Einer Decke, und man könne überhaupt nicht wissen was der vorhabe; der Steinbauer werde aber schon einen geringeren Preis angeben als wofür man abgekauft habe, wenn er nur baar Geld kriege, dafür wolle er schon als Unterhändler sorgen.

Diethelm sah dem Reppenberger steif ins Gesicht, als müsste er herausgraben, was er von ihm denke; schnell sagte er aber ganz laut:

„Es ist nur Spass, dass ich einkaufen will, das Futter ist klemm und ich brauch’ Geld, ich hab’s nicht in Säcken stehen wie Ihr meint.“

Alles widersprach und schalt zutraulich auf ihn, dass so ein Mann sage, er brauche Geld; man wisse ja, dass er Capitale ausstehen habe mehr als seinen Schuldnern lieb sei.

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Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

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