Читать книгу Meister Olaf - August Strindberg - Страница 6
Erster Auftritt.
ОглавлениеOlaf sitzt auf einer Steinbank; vor ihm zwei Schüler, die ihre Rollen zu »Tobiae Comödia« studieren. Dann Laurentius Petri.
Erster Schüler. »In unsrer Feinde Macht wir nun stehn;
Wie wird es doch Israels Kindern gehn!«
Zweiter Schüler. »Ach lieber Bruder, was sollen wir klagen,
Da mitten wir sind in des Jammers Tagen –
Fort sind unsre Äcker und was wir ersparten,
Jetzt haben nichts Gutes wir mehr zu erwarten.
Schon lange hab' ich es gesagt und gefunden,
Daß Abrahams Gelübd' dem Gedächtnis entschwunden!«
Laurentius Petri(der inzwischen hinzugekommen ist, zu Olaf). Was treibst du da?
Olaf. Ich spiele!
Laurentius Petri. Du spielst?
Olaf. Ja, ich spiele eine kleine Comödia von den Kindern Israel und der babylonischen Gefangenschaft!
Laurentius Petri. Hast du nichts Besseres zu tun? Größere Arbeit liegt dir ob.
Olaf. Ich bin noch zu jung!
Laurentius Petri. Sage nicht, ich bin zu jung!
Olaf. Ja, denn es gibt noch viele andere, die dasselbe sagen!
Laurentius Petri(entrollt ein Papier, das er hervorgezogen hat; blickt Olaf eine Weile an und liest dann vor): »Und des Herrn Wort geschah zu Jeremias und sprach: Ich kannte dich, ehe denn ich dich im Mutterleibe bereitete; und sonderte dich aus, ehe denn du von der Mutter geboren wurdest; und stellte dich zum Propheten unter die Völker. Jeremias aber sprach: Ach Herr, Herr, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. Der Herr aber sprach: Sage nicht, ich bin zu jung; sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir heiße. Denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande wider die Könige Judas, wider ihre Fürsten, wider ihre Priester, wider das Volk im Lande, daß, wenn sie gleich wider dich streiten, dennoch nicht sollen wider dich siegen: denn ich bin bei dir, spricht der Herr, daß ich dich errette!«
Olaf(springt auf). Sagte das der Herr?
Laurentius Petri(liest weiter). »So begürte nun deine Lenden und mache dich auf; und predige ihnen alles, was ich dir heiße.«
Olaf. Warum gehst du nicht selbst?
Laurentius Petri. Ich bin zu alt!
Olaf. Du bist feig!
Laurentius Petri. Ja, denn mir fehlt die Kraft; aber du hast sie – verleihe Gott dir nun auch den Glauben.
Olaf. O ja, ich besaß einmal die Lohe des Glaubens, und sie brannte herrlich, aber die Mönchssippschaft löschte sie aus mit ihrem Weihwasser, da sie den Teufel aus meinem Körper vertreiben wollten.
Laurentius Petri. Es war Strohfeuer, welches erst verflackern mußte; aber nun wird der Herr in dir ein beständiges Feuer entzünden, das die Wohnstätten der Philister verzehren wird. Weißt du, was du willst, Olaf?
Olaf. Nein, aber mir ist, als sollte ich ersticken, wenn ich an dies arme Volk denke, welches nach Erlösung seufzt. Sie rufen nach Wasser, nach dem Wasser des Lebens, aber es ist niemand da, der welches zu geben hätte.
Laurentius Petri. Reiße erst das alte, morsche Haus nieder, das kannst du! Der Herr selbst wird ihnen dann ein neues bauen.
Olaf. Aber dann bleiben sie eine Zeitlang ohne Dach über ihrem Haupte!
Laurentius Petri. So bekommen sie wenigstens frische Luft!
Olaf. Aber einem ganzen Volke seinen Glauben rauben! Sie werden verzweifeln!
Laurentius Petri. Ja, sie werden verzweifeln!
Olaf. Und man wird Weh über mich rufen und mich schelten und vor die Obersten schleppen.
Laurentius Petri. Fürchtest du dich?
Olaf. Nein – aber das Ärgernis –
Laurentius Petri. Olaf! Du bist zum Ärgernis geboren; du bist geboren, um zu verwunden. Der Herr wird schon heilen.
Olaf. Ich fühle, welche Richtung der Strom nimmt; noch halte ich mich am Bollwerk fest, lasse ich es aber los, dann reißt der Strom mich mit sich fort.
Laurentius Petri. Laß nur los; es wird nicht an Leuten fehlen, die dich aufhalten!
Olaf. Reich mir deine Hand, Laurentius, wenn ich zu tief in den Strudel hineingerate.
Laurentius Petri. Das steht nicht in meiner Macht, und du mußt in den Strudel hinein, wenn du auch untergehen solltest.
Olaf. Welchen Sturm hast du in meiner Seele erregt! Soeben noch saß ich im Schatten der Bäume und spielte, und es war Pfingstabend und Lenz und Frieden. Und nun – warum wanken nicht die Bäume, warum umdüstert sich nicht der Himmel? Leg deine Hand auf meine Stirn und fühle, wie das Blut darin zu wallen beginnt! Verlasse mich nicht, Laurentius; ich sehe einen Engel mir entgegenkommen mit einem Kelch; dort auf der Abendwolke wandelt er dahin, blutrot ist sein Weg, und in der Hand trägt er ein Kreuz. – Nein, ich vermag es nicht, ich kehre zurück zu dem stillen Tal; laß andere kämpfen; ich will zusehen! – Nein, das doch nicht, aber ich will nachfolgen und den Verwundeten Heilung bringen und den Sterbenden Frieden ins Ohr flüstern. Frieden! – Nein, nein, ich will mitkämpfen, aber in den letzten Reihen; warum soll ich vorangehen?
Laurentius Petri. Weil du der Mutigste bist!
Olaf. Nicht der Stärkste?
Laurentius Petri. Die Starken folgen nach – und den Stärksten hast du an deiner Seite: das ist er, der dich zum Kampfe ruft!
Olaf. Hilf mir, Gott! Nun gehe ich!
Laurentius Petri. Amen!
Olaf. Und du folgst mir?
Laurentius Petri. Allein sollst du gehen mit Gott!
Olaf. Warum ziehst du dich zurück?
Laurentius Petri. Ich bin nicht zum Streiten geboren; nur dein Waffenschmied will ich sein! Gottes reines Wort soll deine Waffe werden, und du sollst sie dem Volke in die Hände geben; denn nun ist die Türe zur päpstlichen Rüstkammer eingeschlagen, und jeder, der den Namen Mensch trägt, soll selbst für die Freiheit seines Geistes kämpfen!
Olaf. Aber wo sind meine Feinde? Ich brenne vor Kampfbegierde, aber ich sehe niemand, mit dem ich kämpfen könnte.
Laurentius Petri. Du brauchst sie nicht zu rufen, sie kommen schon von selbst! Lebe wohl! Du kannst beginnen, wenn du willst! Gott sei mit dir!
Olaf. Geh nicht von mir, ich muß noch länger mit dir reden!
Laurentius Petri. Hier kommt der Vortrab – rüste dich nun. (Er geht ab.)