Читать книгу Blutiges Freibier - Axel Birkmann - Страница 6

Lukas Wirth

Оглавление

Pünktlich um 11 Uhr kam ein Anruf von der Pforte, dass für die Kriminalkommissare Besuch angekommen sei und kurze Zeit später standen die zwei Personen vor Alois Kreithmeiers und Melanie Schützens Büro: Lukas Wirth und Olga Bogdanow. Beide trugen noch die schwarze Bekleidung vom Gottesdienst im Festzelt.

Melanie und Alois hatten beschlossen die beiden getrennt zu befragen. Falls sie doch etwas mit dem Ableben des Helmut Wirth zu tun hatten, wäre das die bessere Art und Weise, ihrem vermutlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Beide Befragungen wollten die Beamten auf Video aufnehmen, um im Nachhinein eventuelle Ungereimtheiten erkennen und deuten zu können. Alois sollte sich um den Sohn des Mordopfers kümmern und Melanie um die Lebensgefährtin des Toten. Die Kommissare hatten jeder ein Blatt Papier in der Hand mit den ihrer Meinung nach wichtigsten Themen: Erbschaft, Verwandtschaft, Geschäftspartner, Feinde, Vermögen und Geld, das Verhältnis zu den Mitarbeitern und der plötzliche Zuschlag für den Festzeltbetrieb. Zwischen allen diesen relevanten Themen sollte der Grund für die Ermordung des Gastwirtes liegen.

Eine Stunde später waren Alois und Melanie mit der Befragung fertig und begannen gemeinsam vor dem Bildschirm ihre Aufzeichnungen anzuschauen. Melanie hatte zunächst die Videosequenzen mit der Befragung des Juniorchefs zum Laufen gebracht. Andächtig saßen sie jetzt nebeneinander auf der Coach im Büro, jeweils mit einer Tasse Kaffee in der Hand, und blickten gespannt auf die bewegten Bilder vor sich im Monitor.

Die Videokamera war so im Raum platziert gewesen, dass beide Gesprächspartner zu sehen waren, insbesondere der Befragte, vor allem seine Mimik und seine Gestik.

Lukas Wirth saß ganz entspannt im Vernehmungszimmer und wartete auf die Fragen des Kommissars. Er schien gelangweilt zu sein und gab sich keine große Mühe, dies zu verbergen. Er wusste nicht so richtig, was er hier sollte.

»Mittwoch 12. September 2012. Befragung im Fall Helmut Wirth. Nur fürs Protokoll, Sie sind also Lukas Wirth, der Sohn des Ermordeten Unternehmers Helmut Wirth?«, begann Kreithmeier die Befragung seines Gesprächspartners.

»Das haben Sie mich schon mal gefragt. Heute Nacht. Es hat sich nichts geändert, ich bin es immer noch. Wollen Sie meinen Personalausweis sehen?«

»Sie wissen, wir zeichnen das Gespräch auf, deshalb die Eingangsfrage an Sie, damit wir auch ganz sicher sind.«

»Ich wiederhole es gerne noch einmal für Ihre Gesprächsprotokolle, ich bin der Sohn von Helmut Wirth, ich heiße Lukas und bin 28 Jahre alt. Genauer gesagt, geboren am 28. Juli 1984.«

Melanie stoppte den Player: »Er ist ein Löwe. Ein Alphatier. Wann hatte sein Vater Geburtstag, weißt du das Alois?«

Alois stand auf, schritt zu seinem Schreibtisch und blätterte in ein paar Unterlagen.

»Der Helmut Wirth hatte am 16. Januar Geburtstag. 1952. Er war sechzig Jahre alt. Dafür sah er aber noch ganz fesch aus.«

»Und er war ein Steinbock. Löwe und Steinbock. Interessant.«

Alois sah seine Kollegin überrascht an. »Und was hat das mit unserem Mordfall zu tun? Astrologie und der ganze Horoskopscheiß?«

»Das weiß ich noch nicht. Sehen wir uns erst einmal deine Befragung weiter an.« Melanie drückte auf Abspielen und auf dem Monitor ging die Befragung weiter.

»Ein paar Fragen zu Ihrer Familie. Ihre Mutter ist gestorben. Wann und warum?«

Lukas Wirth hob den Kopf und sah den Kommissar fragend an.

»Was hat das alles mit dem Mord an meinem Vater zu tun«, fragte er.

»Nur der Routine halber«, antwortete Kreithmeier, »wir wollen alles genau wissen und müssen jeder Spur nachgehen.«

»Meine Mutter ist vor sieben Jahren gestorben, an Krebs, was wollen Sie damit sagen, jeder Spur nachgehen.«

»Ihr Vater hatte eine neue Freundin, die er nach unseren Angaben schon sechs Jahre kannte. Ihr Haus ist etwa 8 Jahre alt, wurde also noch zu Lebzeiten Ihrer Mutter fertig gestellt. Und nun setzt sich eine neue Frau ins gemachte Nest. Das interessiert uns. Und vor allem was fühlen Sie dabei?«

»Sie meinen doch nicht, dass jemand meinen Vater erschlagen hat, weil er sich nach dem Tod meiner Mutter eine neue Partnerin genommen hat.«

»Was ist daran so ungewöhnlich?«

Die beiden Kommissare sahen auf dem Monitor, wie Alois Kreithmeier nach seiner letzten Frage den jungen Mann genau anvisierte und seine Körpersprache versuchte zu studieren. Doch Lukas Wirth war nicht aus der Ruhe zu bringen. Keine Regung, nicht mal ein Zucken seiner Augen. Er antwortete nicht.

»Es ist schon öfter passiert, dass ein Freund der Verstorbenen oder ihr eigener Sohn die Liebschaften ihres Ehemannes nicht huldigte und ihn somit aus dem Wege schaffte. Verletzte Eitelkeit oder falsche Moralvorstellungen.«

Lukas Wirth lachte auf. »Sie glauben das aber alles nicht selbst, was Sie da gerade verzapfen. Sie meinen doch nicht etwa, dass ich meinen Vater umgebracht habe. Außerdem habe ich für die Tatzeit ein Alibi. Ich war zu Hause. Olga hat mich gesehen. Sie kann es bestätigen«

»Die ganze Nacht? In der Tat eine reizende Geschichte. Olga Bogdanow gibt Ihnen ein Alibi und Sie im umgekehrten Sinn ihr.«

Lukas Wirth verschränkte die Arme und sah den Kommissar böse an. »Ja, so ist es. Die ganze Nacht. Von halb 11 bis zu dem Zeitpunkt als sie bei uns Sturm läuteten.«

Kreithmeier sah den jungen Mann an und blickte nebenbei auf seinen Notizblock. Melanie stoppte erneut die Aufnahme.

»Was machst du, Alois? Es ist eine Befragung, kein Verhör, die beiden waren vorerst nicht verdächtig. Und woher weiß der Wirth den genauen Todeszeitpunkt? Von dir?«

»Nein. Ich habe ihn ihm nicht gesagt. Aber das ist ja auch nicht schwer es sich zusammen zu reimen. Die Kasbauer hat den Wirth kurz nach Mitternacht gefunden. Das wird sie dem Sohn sicher gesagt haben. Und der Sohn ist für die Morgenschicht im Zelt verantwortlich, war also laut Aussage der Mitarbeiter schon um Zehn Uhr verschwunden. Und für die Zeit von 22.30 bis zu unserem Eintreffen in Attenkirchen hat er das Alibi von dieser Olga. Der Mord ist zwischen 23.30 Uhr und Mitternacht passiert. Also eine mögliche Tatzeitspanne von nur einer halben Stunde. Attenkirchen Freising, das ist in 10 bis 15 Minuten mit dem Auto zu bewerkstelligen. Wenn er die Villa um 23.15 Uhr verlassen hätte, hätte er um 23.45 wieder zu Hause sein können. Es ist also machbar. Und die beiden Herrschaften haben ja sicher nicht die ganze Nacht zusammen in einem Bett verbracht.«

»Spekulationen, Alois, nichts als Spekulationen. Lass uns weiterzuhören.« Melanie ließ die Aufnahme weiter laufen.

»Gibt es ein Testament?«, führte Kreithmeier die Befragung fort.

»Hundertprozent, solche Dinge überließ mein Vater nicht dem Zufall. Das wird bei Rechtsanwalt Netzer in Freising liegen.«

»Kennen Sie den Inhalt. Oder anders ausgedrückt, hat Ihr Vater mit Ihnen darüber einmal gesprochen?«

Lukas Wirth dachte nach. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.

»Nach dem Tod meiner Mutter hat er mir erzählt, dass er alles geändert habe. Ich würde nach seinem Ableben alles erben, aber mit der Auflage, die Immobilien, das Gasthaus und die Firmen nicht zu versilbern, sie stets weiterzuführen. Wenn ich das Erbe verweigern würde, hätte der Rechtsanwalt die Aufgabe, eine Stiftung zu gründen und dieser alles zu vermachen.«

»Sie sagen Firmen, von welche Firmen sprechen wir denn?«, fragte der Kommissar.

»Vom Landgasthof zum Wirth in Attenkirchen, von seiner Cateringfirma, mit Sitz in München, den Getränkegroßhandel in Freising, den Bierzeltbetrieb und die Immobilien GmbH.«

»Das ist ja allerhand. Da kommt einiges zusammen. Seit wann sind Sie im Firmenverband aktiv, Herr Wirth?«

Melanie hatte sich Notizen gemacht und erneut die Wiedergabe stoppte. »Ich werde dem Rainer sagen, er soll den Rechtsanwalt anrufen, ich möchte wissen, was im Testament steht, und wer jetzt die Begünstigten ist. Was meinst du, Alois? Und er soll sich um diese Firmenverstrickung kümmern. Ist sicher interessant, wie die wirtschaftlich dastehen.« Sie wählte die interne Nummer der Spurensicherung und gab ihre Wünsche weiter.

»Können wir?«, fragte Alois ungeduldig.

»Klar doch Kreiti«, säuselte sie ihn liebevoll an. Alois blickte sie finster an. Wie er dieses Kreiti hasste.

Lukas Wirth war wieder auf dem Bildschirm zu sehen und zu hören. Er antwortete dem Kommissar.

»Nach meinem Studium und nach dem Tod meiner Mutter bin ich zu meinem Vater ins Geschäft eingestiegen. Meine Mutter war zu ihren Lebzeiten die starke Frau im Hintergrund meines Vaters. Sie machte die Buchhaltung, die Personalbetreuung und die Abrechnung. Mein Vater kümmerte sich um das operative Geschäft. Die letzten Jahre habe ich die Aufgaben meiner Mutter übernommen und bei solchen Anlässen, wie diversen Volksfesten oder am Gäuboden in Straubing, auch im Festbetrieb mitgeholfen.«

»Und Olga Bogdanow?«

»Sie hat sich um die Villa und um meinen Vater gekümmert. Und ab und zu um den Einkauf.«

»Den Einkauf?«

»Ja, vor allem, wenn es um Waren aus Osteuropa ging. Da kannte sie sich gut aus. Auch billige Arbeitskräfte. Das war ihr Aufgabengebiet. Und da muss sie ausgesprochen gut gewesen sein. Unsere Personalkosten sind von Jahr zu Jahr gesunken. Und unser Rohertrag hat sich kontinuierlich erhöht.«

»Hat sie Ihren Vater geliebt, diese Olga Bogdanow?«

»Ich denke schon. Sie hat ein gutes Leben gehabt, ein besseres auf jeden Fall wie zuvor in ihrer Heimatstadt Kiew.«

»Sie ist eine sehr attraktive Frau.«

»Ach ja?«, sagte Lukas Wirth gespielt gelangweilt. »Mein Vater hat sie verehrt. Wie eine Göttin.«

»Mehr wie Ihre Mutter?«

»Vielleicht. Ich kann das nicht sagen, mein Vater hat nie mit mir darüber gesprochen. Gefühle zu zeigen oder gar darüber zu sprechen, das war nicht seine Welt. Er war ein knochentrockener Geschäftsmann. Geldverdienen war sein Lebensinhalt. Alles was er anfasste, verwandelte er in Gold.«

Kreithmeier machte sich Notizen, dann fragte er weiter: »Kennen Sie die jetzigen Vermögensverhältnisse der einzelnen Unternehmen?«

»Nicht ganz genau. Ich weiß nur, dass die Zusage der Stadt, auf dem Freisinger Volksfest unser Festzelt präsentieren zu dürfen, uns eine enorme Finanzspritze geben würde.«

»Um wie viel Geld reden wir hier?«

Lukas Wirth rechnete mit seinen Fingern nach, dann antwortete er: »Nach der ersten Prognose von weit über eineinhalb Millionen Euro.«

»Gewinn?«

»Nein, nein, wir sind nicht auf der Wiesn in München, da würde das sicher stimmen. Reiner Umsatz. Der Gewinn dann abzüglich Personal- und Wareneinstand, Energie- und Wasserkosten. Dazu kommen noch die Kosten des Auf- und Abbaus des Zeltes und die Einlagerung.«

»Es bleibt doch sicher ein ganz schönes Sümmchen übrig für die paar Tage. Entsprechend groß ist die Zahl derer, die gerne Wiesnwirt werden würden. Ob in Freising oder in München. Oder?«

»Natürlich, aber für umsonst arbeiten wir auch nicht. Natürlich nicht.«

»Warum«, bohrte Kreithmeier nach, »warum sind Sie jetzt erst auf dem Volksfest mit Ihrem Zelt erschienen? Warum nicht schon früher?«

»Die Vergabe macht immer die Stadt Freising. Jedes Jahr aufs Neue. Und die letzten Jahre war die Freisinger Wiesn fest in der Hand der Familie Sandholzner. Sie hatte immer den Zuschlag vom Ordnungsamt bekommen. Und zu guter Letzt entscheidet der Stadtrat über die Genehmigungen.«

»Warum dann jetzt der Wechsel?«

»Weil wir besser sind. Und wir haben ein neues Zelt. Das Zelt der Sandholzner hat seine besten Tage mittlerweile erlebt. Es gehört saniert. Und wir haben bis gestern Nacht alle Rekorde der letzten Jahre gebrochen.«

»Obwohl auch Sie das Programm von der Stadt auferlegt bekommen wie all die anderen Jahre die Sandholzner auch.«

»Neue Besen kehren bekanntlich besser. Wir haben bis einschließlich Dienstag trotz Wirtschaftseinbrüchen, Hartz IV und Bankenkrise 70 Hektoliter Bier mehr wie das Jahr zuvor verkauft.«

»Und mit ausländischen Bedienungshilfen sicher auch mehr Geld gespart, was Ihrem Gewinn zu Gute kommt.«

Lukas Wirth lehnte sich zurück. »Neidisch, Herr Kommissar?«

»Herr Wirth, ich glaube, Sie verkennen etwas die Situation. Nicht ich habe den Schädel eingeschlagen bekommen, sondern Ihr ehrenwerter Herr Vater. Was nützt einem das viele Geld, wenn man keine Zeit mehr hatte, es auszugeben?«

Lukas schwieg. Man konnte sehen, er biss sich auf die Zähne. Hatte er bis eben noch den Tod seines Vaters verdrängt, so war er ihm wieder ins Gedächtnis gerutscht. Er unterdrückte ein paar Tränen und starrte still auf seine vor seiner Brust gefalteten Hände.

Melanie stoppte den Mitschnitt. Sie stand auf und schlenderte langsam und nachdenklich Richtung Küche. »Ich brauche noch einen Kaffee. Du auch einen, Alois?«

»Nein danke.«

»Glaubst du, er hat etwas mit dem Mord zu tun?«, rief sie aus der Küche. Alois war auch aufgestanden und lehnte mit den Armen verschränkt an der Küchentür.

»Was heißt glauben? Glauben tue ich gar nichts. Für mich zählen nur die Fakten. Und es gibt einiges, was dafür sprechen mag. Er wird höchstwahrscheinlich der Alleinerbe sein. Die Bogdanow wird zwar etwas vom Kuchen abbekommen aber das Stück wird relativ klein sein.«

»Du kannst Recht haben, Alois. Sein Benehmen sieht nicht direkt nach großer Trauer aus. Immerhin ist sein leiblicher Vater erschlagen worden. Und sein Alibi ist mir zu fadenscheinig. Er war angeblich während der Tatzeit zu Hause. Und diese Olga als Zeugin. Sicher nicht zu jeder Minute. Seine Mutter tot, sein Vater tot, dann diese neue noch unklare Beziehung. Gibt er im Unterbewusstsein seinem Vater die Schuld am Tod seiner Mutter? Zumindest beschuldigt er ihn aber der unterlassenen Aufsichtspflicht in der Sorge um seine kranke Mutter. Und dann der mögliche Hass auf die neue Frau im Hause, die Angst möglicherweise alles an sie zu verlieren. Warum ist er nicht verheiratet? Hat er eine Freundin?«

»Nicht dass ich wüsste.«

»Vielleicht haben sie sich die hübsche Ukrainerin ja geteilt. So wie das Geschäft. Eine Früh- und eine Spätschicht.«

»Melanie, jetzt gehst du aber etwas zu weit.«

»Das soll es alles schon gegeben haben, mein Lieber, dass der Vater dem Sohne die Freundin ausgespannt hat, aber auch umgekehrt. Die beiden Beteiligten müssen ja nichts davon mitbekommen haben. Und die blonde Olga hielt sich nach allen Seiten einen Ausweg offen.«

»Du spinnst ja, Melanie.«

»Aber hallo. Wäre doch genial. Der alte Wirth war immerhin schon an die 60. Ein alter Knacker. Und die Bogdanow ist knapp Mitte 30. Sie bringt zusammen mit dem Sohn den Alten um, dann erben sie alles und die hübsche Olga bekommt als nette Dreingabe noch den potenteren Sohnemann.«

»Melanie, deine Fantasie hätte ich gerne einmal. Lass mir bitte doch noch einen Kaffee durch und dann schauen wir uns den Rest der Befragung des Juniors an. Ich bin vor allem gespannt auf die Aufzeichnung von dir und der Russin.«

»Ukrainerin. Alois, Ukrainerin.«

»Das ist für mich eh alles dasselbe.«

Als sie beide wieder mit einer frischen Tasse Kaffee vor der Mattscheibe saßen, ließ Melanie die Aufzeichnung der Vernehmung des jungen Wirthsohnes weiterlaufen.

»Hatte Ihr Vater irgendwelche Feinde?«

»Was wollen Sie mit dieser Frage?«, kam es trotzig aus Lukas Wirths Mund.

»Das ist doch ganz einfach, hatte Ihr Vater irgendwelche Feinde? Ehemalige Geschäftspartner, Mitarbeiter, Freunde Ihrer Mutter und was ist mit der Familie Sandholzner. Er hat ihnen ja den Festzeltbetrieb weggeschnappt. Da gibt es doch sicher genug.«

»Mein Vater war kein einfacher Mensch, wenn Sie das meinen, aber Feinde, die ihm den Schädel einschlagen würden, solche Leute kenne ich nicht.«

»Waren denn die Geschäfte Ihres Vaters immer legal?«

Wie von einem Blitz getroffen, sprang Lukas Wirth auf und brüllte auf den Kommissar ein: »Wollen Sie das Ansehen meines Vaters nach seinem Ableben noch in den Dreck ziehen. Verdammt er ist tot. Und da erwarte ich von einem Polizeibeamten Pietät und Anstand.«

Kreithmeier war jetzt auch aufgestanden. Die Kamera fing leider jetzt nur noch die Oberkörper der beiden Männer ein. Ihre Gesichter waren außerhalb des Objektivs. Man konnte hören, was sie sprachen, aber ihren Mund nicht mehr sehen.

Kreithmeiers Stimme versuchte den jungen Mann zu beruhigen: »Es ist doch nur eine Frage. Niemand will Ihren toten Vater in Misskredit bringen. Nur es handelt sich hier um Mord, und dazu noch um einen kaltblütigen Mord, und da sind alle Fragen erlaubt, die einen Hinweis auf den mutmaßlichen Mörder geben können. Und Sie wollen doch auch, dass wir denjenigen erwischen, der das Ihrem Vater angetan hat.«

Lukas Wirth beruhigte sich und setzte sich wieder hin. Kreith-meier macht es ihm nach. Nun waren wieder beide vom Oberkörper bis hinauf zur Haaresfülle auf dem Bildschirm zu sehen.

»Du kannst jetzt ausschalten, da kommt nichts mehr«, sagte Kreithmeier zu Melanie. »Von möglichen Feinden wusste er nichts und zu eventuellen illegalen Geschäften seines Vaters äußerte er sich nicht. Dann habe ich das Gespräch beendet.«

»Okay«, sprach sie und schaltete das Gerät aus.

»Was sagst du zu dem Verhör?«

»Nenne es bitte nicht Verhör«, sagte Melanie. »Es war nur eine Befragung, sonst hätten wir ihn über seine Rechte aufklären und ihm die Möglichkeit eines Rechtbeistandes einräumen müssen.«

»Ist ja gut, du hast ja Recht. Und was hältst du vom Junior?«

»Du solltest dir zunächst das Gespräch mit der Bogdanow ansehen, bevor du irgendwelche Schlüsse ziehst, die unter Umständen falsch sein könnten. Höre dir die blonde Ukrainerin an. Dann weißt du mehr. Ich habe im Moment noch einen Wissensvorsprung und den möchte ich nicht auskosten. Grundsätzlich traue ich diesem Burschen nicht über den Weg. Nur warum sollte er seinen Vater so profan umbringen, während der Festwoche, vor so vielen Menschen, die ihn leicht erkennen könnten und mit so einem windigen Alibi. Ich glaube nicht, dass der Mord geplant war, er war eher im Affekt, aus Rache, aber nicht um an ein Erbe heranzukommen.«

»Oder aber genauso inszeniert, damit wir genau so denken, Melanie. Wir suchen den Affektmörder und derweil ist es ein kaltblütig geplanter und ausgeführter Mordanschlag, um an sein Geld und an seine Frau heranzukommen.«

»Beides kann möglich sein, Alois, aber alles ist für mich noch zu spekulativ. Frau Dr. Nagel bestätigt in ihrem Gutachten die Annahme der Spurensicherung, dass der Tod zwischen 23 und 23.30 eingetreten sein muss. Die Mordwaffe ist der neben der Leiche aufgefundene Holzhammer. Und der Schlag kam nicht wie ursprünglich angenommen von hinten sondern von vorn. Und der Täter ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein Mann, mindestens Ein Meter Achtzig groß und von kräftiger Statur. Eine Frau als Täterin ist für Frau Nagel recht ungewöhnlich, es sei denn, sie wäre Diskus- oder Hammerwerferin bei den olympischen Spielen.«

»Also fällt die Bogdanow nicht ins Gewicht.«

»Sie hätte den Mord höchstens als Auftrag veranlassen können. In der Ukraine wird es im Milieu sicher eine ganze Menge Leute geben, die diese Körpermasse und die Kraft dazu hätten. Und ich gehe davon aus, dass die Bogdanow solche Typen kennt.«

»Du sagtest doch, Melanie, dass der Schlag von vorne kommen musste, also hat das Opfer seinen Täter noch sehen müssen. Auch kennen?«

»Das muss nicht sein. Nur eines ist sicher, der Helmut Wirth hat sich nicht gewehrt. Er muss im Kühllager gestanden sein, sein Mörder hat dort auf ihn gewartet oder sich von hinten an ihn herangeschlichen. Dann vielleicht den Namen des Opfers gerufen oder sich anderweitig bemerkbar gemacht, der Wirth hat sich umgedreht und dann zack, hat er ihm einen mit dem Hammer gegeben, ein Schlag hat wohl gereicht.«

»Er ist dann nach vorne umgefallen und in seinem Blut liegen geblieben«, fügte Alois hinzu. »War er sofort tot?«

»Nicht sofort, aber kurz danach. Die Spitze des Hammerkopfes hat den Schädel eingeschlagen. Der Hammer hat ihn nicht mit der flachen Seite getroffen, sondern mit seiner Ecke. Mit der flachen wäre es vielleicht nur eine Gehirnerschütterung geworden. Der Täter wollte töten, er wusste, was er tat.«

Kreithmeier schritt zu Melanies Schreibtisch und nahm den Anzapfhammer, der in einer durchsichtigen Plastiktüte steckte, prüfend in die Hand. Er simulierte einen Schlag damit.

»Der ist ganz schön schwer. Warum gerade aber diese Mordwaffe? Warum nicht erschossen oder erstochen?«

»Einen Schuss hätte man sofort gehört.«

»Und mit Schalldämpfer?«

»Alois, wer kommt denn an eine Waffe mit einem Schalldämpfer heran. James Bond vielleicht, aber doch kein Freisinger.«

»Und warum kein Messer?«

»Zu unsicher. Es haben schon Opfer mit mehr als 10 Messerstichen überlebt. Die Gefahr wäre zu groß, dass das Opfer überlebt und den Täter wieder erkennt.«

»Und der Hammer?«

»Ist einfach zu besorgen, liegt an der Theke herum und ein gut gezielter Schlag auf die Birne ist meistens tödlich.«

»Das heißt für dich Melanie, der Mord war geplant. Ein Auftragsmord sogar?«

»Vielleicht. Für mich auf jeden Fall kein Affekt.«

»Dann sollten wir den Täter ja leichter ermitteln können, denn bei Affekt würden ja mehr Leute in Betracht kommen, alle, die in letzter Zeit nicht sonderlich gut auf den Wirth zu sprechen waren, quasi jeder Mitarbeiter, oder sogar einer der Kerle, die angeblich die Fässer gestohlen haben sollen.«

»Das ist nur die Aussage deiner lieben Resi Kasbauer. Das ist aber bisher noch nicht erwiesen.«

»Erstens, Frau Schütz, ist es nicht meine liebe Resi. Und nach der Inventur wissen wir sicher mehr. Ich muss heute sowieso noch einmal ins Zelt, das Protokoll von ihr unterschreiben lassen.«

»Da komme ich mit, Herr Kreithmeier. Diesmal aber ohne Dirndl. Und nun zur Befragung der lieben Olga Bogdanow. Du wirst dich wundern, was mir diese Dame so alles erzählt hat. Komm! Sehen wir es uns an.«

Blutiges Freibier

Подняться наверх