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Kapitel 1
ОглавлениеRachegold
Die Vergangenheit vergeht nie
Axel P. Müller
Impressum
Texte: © Copyright by Axel P. Müller
Umschlag: © Copyright by pixabay
Verlag: Axel P. Müller
mueller.axelp@gmail.com
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
PROLOG
Yvonne freute sich auf den Abend mit Andreas. Er war Journalist und ein blendender Unterhalter, er war weitgereist und hatte einen beachtlichen Erfahrungsschatz. Er konnte charmant sein, sie musste unwillkürlich lächeln, wenn sie an ihn dachte. Nie hatte sie eine langweilige Minute mit ihm gehabt und somit war er eine willkommene Abwechslung von ihrem Alltag mit dem dümmlichen Gerede und dem angeberischen Gehabe ihrer Klienten.
Sie hatte sich die braune seidene Unterwäsche angezogen, die er so oft an ihr bewundert hatte und die ihre schlanke Figur so gut zur Geltung brachte. Sie hatte sich die halblangen brünetten Haare nochmals sorgfältig gebürstet, damit sie seidig glänzten. Das Make-up war wie gewohnt dezent aufgetragen. Keinesfalls wollte sie nuttig aussehen, wie es einige ihrer Konkurrentinnen bevorzugten. Sie drehte sich vor dem Spiegel und posierte ausgelassen wie auf dem Laufsteg einer Modenschau, sie war mit ihrer Erscheinung zufrieden. So, wie sie ihn seit Monaten kannte, müsste sie ihm gefallen und er würde mit Komplimenten nicht geizen.
Sie prüfte die Uhrzeit, in zwanzig Minuten würde er an ihre Tür klopfen. Er erschien immer pünktlich zur verabredeten Zeit, nie zu früh, aber auch nicht zu spät. Sie glaubte sich sicher zu sein, dass auch er sich auf den Besuch freute.
Sie knöpfte vorsichtig ihre dunkelbraune Seidenbluse zu, damit sie nicht schon vor dem Treffen knitterte, in einigen Stunden würde sich die gestrige Sorgfalt des Bügelns ohnehin als überflüssig herausstellen. Aber, der erste Eindruck zählte. Dann zog sie ihren schwarzen Minirock ebenso behutsam an. Sie betrachtete sich nochmals im Spiegel, nickte sich lächelnd zu und war sich sicher, dass sie mal wieder Eindruck auf ihn machen würde.
Sie stellte einen großen Teller mit würzigen Petits Fours auf den Wohnzimmertisch, daneben eine Flasche Rotwein seiner Präferenz, Korkenzieher, Gläser und Dekantierkaraffe durften nicht fehlen. Ein letzter Kontrollblick stellte sie mit dem Arrangement zufrieden. Ach natürlich, die Servietten fehlten noch.
Sie suchte eine CD mit dezenter Barmusik aus und legte sie in die Schublade des Abspielgerätes. Es klopfte an der Wohnungstüre. Ihrer Uhr nach war er diesmal mehr als zehn Minuten zu früh eingetroffen – ungewöhnlich.
Sie startete die Musik und öffnete die Tür mit einem freundlichen Lächeln. Sie fuhr erschrocken zurück, als sie im Halbdunkel des Hausflures einen Mann sah, den sie nicht kannte. Sie wusste intuitiv, dass das Erscheinen dieser fremden Person nichts Gutes verhieß. Grußlos fragte sie, was er wolle. Statt einer Antwort stieß er mit dem Fuß die Tür weit auf, trat auf sie zu, legte blitzschnell eine Hand an ihren Hinterkopf und drückte mit der anderen etwas Weiches auf ihre Nase und Mund.
Sie konnte nicht schreien und sich auch nicht wehren. Der Mann war zu kräftig gebaut. Das war das Letzte, was sie wahrnahm.
Um sie herum schien Nebel aufzusteigen, nur noch Nebel, dichter undurchdringlicher Nebel.
Monique musste Cindy unbedingt sehen. Sie verspürte eine innere Unruhe gepaart mit einer schrecklichen Ahnung. Etwas war anders als sonst. Seit Stunden konnte sie die Stimme ihrer besten Freundin lediglich auf dem Anrufbeantworter vernehmen. Sie hatte bereits mehrmals vergeblich um Rückruf gebeten, aber nichts, das war nicht ihre Art. Normalerweise hätte sie immer die Zeit gefunden, ihr wenigstens eine kurze SMS zu schicken, dass sie sich später bei ihr melden würde. Cindy war die Zuverlässigkeit in Person, zumindest ihr gegenüber.
Sie bog in die Pfeilstraße im Herzen Kölns ein, wo Cindy über einer Boutique wohnte. Cindy war geborene Tschechin, ihr richtiger Name Petra Pátková wies darauf hin, aber schon als Kleinkind war sie in die Bundesrepublik Deutschland im Schlepptau ihrer Eltern übergesiedelt. Die Eltern hatten ihr den Spitznamen nach einem Schlager aus den 50er Jahren gegeben und sie hatte ihn bewusst übernommen, da sie gerne alle Hinweise auf ihre Herkunft leugnete. Sie fühlte sich als Deutsche, hatte die Staatsbürgerschaft und sogar ihre sprachliche Färbung abgelegt, selbst das Kölner Dialekt beherrschte sie, wenn sie auch nur selten in diesen rheinischen Singsang verfiel.
Die beiden Freundinnen hatten ihre Zweitschlüssel zu den Wohnungen getauscht, da es ihnen des Öfteren passierte, dass sie die Wohnungstür zuschlugen, ohne den Schlüssel eingepackt zu haben. Die Türen waren in solchen Fällen von hilfreichen und handwerklich begabten Nachbarn leicht zu öffnen gewesen, aber diese waren auch nicht rund um die Uhr verfügbar. Infolge dessen war es einige Male geschehen, dass Monique bei Cindy oder Cindy bei Monique übernachten mussten. Lustigerweise war es seit dem Schlüsseltausch nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass der Ersatzschlüssel benötigt wurde. Außerdem war es bei Abwesenheit ganz praktisch, jemanden zu wissen, der den Briefkasten von der lästigen Werbung befreite und die Pflanzen versorgte.
Monique hieß eigentlich Monika Schmitz, aber das war ihr als stellvertretende Geschäftsführerin einer gut gehenden Boutique zu profan erschienen. Ihren Nachnamen konnte sie nicht ändern und so hatte auch sie sich einen Künstlernamen zugelegt, der französisch angehaucht auf dem Namensschildchen mit dem Zusatz Filialleiterin über ihrem linken Busen über Ihre Position in dem Laden aufklären sollte und somit wesentlich besser zu dem französischen Geschäftsnamen „en vogue“ passte.
In dem Laden auf der Mittelstraße hatte sie Cindy vor ein paar Jahren als Kundin kennen gelernt, sie hatten sich nach und nach angefreundet, sich irgendwann dann zu einem Latte Macchiato getroffen. Nach einiger Zeit ging die Beziehung zu gegenseitigen regelmäßigen Besuchen über, bis sie endlich unzertrennlich wurden und bei ihren Treffen vornehmlich über die ach so böse Männerwelt lästerten, wenn das Thema Mode erschöpft war.
Beide hatten nicht allzu viel Glück mit ihren Partnern. Monique wechselte diese häufiger, vielleicht, weil sie zu viel Anpassungsbereitschaft von ihren Männern erwartete oder einfach nicht den Richtigen finden konnte. Cindy hatte einen reichen Freund, der ihr alles großzügig bezahlte, von der Wohnung über Auto, Telekommunikation, Kleidung und einem üppigen Taschengeld. Im Gegenzug musste sie jederzeit für ihn bereitstehen, ihm alles Sexuelle liefern, nach dem ihm gelüstete. Von Liebe konnte hier keine Rede sein, man konnte ihre Rolle eher als die einer gut bezahlten Mätresse bezeichnen, die sich bei jedem Besuch sagte: „Augen zu und durch!“. Darüber hinaus konnte er unerhört gewalttätig werden. Wenn er seine Frustration abbauen wollte, konnte es passieren, dass sie mit nennenswerten Blessuren aus einem so genannten Liebesabend hervorkam, die sie dermaßen verunstalteten, dass sie sich tagelang kaum aus dem Haus traute, um den unangenehmen Fragen von Bekannten auszuweichen. Wenn Monique ihre Freundin dann sah, wie sie mit großer Sonnenbrille und in die Stirn gezogener Mütze das Haus verließ und den Eindruck einer etwas spleenigen Frau hinterließ, klingelten bei Monique wieder die Alarmglocken. Oft hatte sie ihre Freundin gefragt, warum sie das mit sich machen ließ. Die Antwort war immer die gleiche: wenn ihn ein schlechtes Gewissen wegen der Ausfälle gegenüber seiner angeblichen Geliebten überkam, zeigte er sich äußerst großzügig und belohnte ihr Leiden üppig, dazu kamen Beteuerungen, so etwas würde nie wieder geschehen. Sie glaubte ihm immer oder wollte es einfach glauben, zu sehr hing sie am Geld. Die Beschwerden vergingen in ein paar Tagen, die Geldquelle aber blieb. Monique hätte nie, auch nicht mit einem Schmerzensgeld in dieser Höhe, eine solche Behandlung geduldet, so etwas konnte auch schnell mal böser enden. Häufig hatte sie ihre Freundin zu überreden versucht, diesen Sadisten zum Teufel zu jagen und ihr einen Job zu vermitteln. Das hätte zwar weniger Luxus für sie bedeutet, aber auch weniger Schläge, außerdem liefen ja doch eine Menge ganz netter Kerle frei herum. Alleinsein hatte letztlich auch seine Reize.
Als Monique vor der Wohnungstür stand, beschlich sie aus unerfindlichen Gründen wieder das beklemmende Gefühl in der Brust. Aus Ahnung war Gewissheit geworden. Sie wusste plötzlich, dass etwas nicht stimmte, obwohl es hierfür keinerlei Anzeichen gab, sie schrieb dieses Gefühl der weiblichen Intuition zu. Andererseits, ein Anzeichen gab es schon, Cindy hatte immer, wenn sie in der Wohnung war, das Radio laufen und das nicht unbedingt auf Zimmerlautstärke, oft hatte sich Monique beschwert, dass man sich nur schreiend unterhalten konnte, um den aus allen Ecken rieselnden Lärm zu übertönen. Jetzt gab es keine Musik, von ihren Lieblingsbands, BAP, Scorpions und Rolling Stones, war kein Ton zu hören.
Sie klingelte, keine Reaktion, sie klopfte an die Wohnungstür und schloss auf, sie rief Cindys Namen, immer noch keine Reaktion, es herrschte Grabesstille. Im Wohnzimmer, das ausschließlich mit weißen Möbeln bestückt war, stand eine leere Flasche Sekt mit zwei Gläsern auf dem niedrigen gläsernen Couchtisch, dazu eine Platte mit Salz- und Käsegebäck. Die Küche war aufgeräumt, bis auf ein paar Tassen, die auf das Einräumen in die Spülmaschine warteten. Im leeren Badezimmer brannten alle Lampen, dies war sonderbar und stand im Gegensatz zu Cindys Umweltbewusstsein. Im Schlafzimmer angekommen, schlug sie die Hände vors Gesicht. Was sie sah, ließ ihren Atem stocken und ein Brechreiz stieg in ihr hoch. Sie sah Cindy mit entblößtem Unterleib auf dem Rücken liegen. Oben herum trug sie noch eine zerknitterte beige Seidenbluse. Sie hatte etliche Wunden am Kopf, ihre linke Schläfe zeigte eine nicht mehr blutende Platzwunde. Um ihren Hals hatte jemand eine schwarze Strumpfhose gewickelt. Monika schossen die Tränen in die Augen. Trotz des verschwommenen Blicks, entdeckte sie einen runden dunklen Fleck unter dem Fußinnenrand der Sohle des linken Fußes. Sie trocknete die Tränen und warf einen Blick auf die Wunde, sie hatte einen pfenniggroßen Durchmesser und war schwarz rot, hatte dieser Sadist – sie konnte es kaum glauben – eventuell eine Zigarette auf der empfindsamen Haut unter ihrem Fuß ausgedrückt? Was müsste sie für Qualen ausgestanden haben, bis sie endlich starb? Der Tod musste mit Garantie eine Erlösung von ihren unvorstellbaren verschiedenartigen Schmerzen gewesen sein.
Hatte das brutale Schwein, ihr so genannter Freund, es endlich geschafft sie umzubringen? Traurig streichelte sie ihrer Freundin über die Wange und erschrak. Die Haut fühlte sich noch warm an. Ihre Nebennieren stießen augenblicklich das Stresshormon Adrenalin in ihre Adern aus und sie spürte ihren Blutdruck ansteigen. Sie war hellwach und wurde aus ihrer noch soeben vorherrschenden Trauer herausgerissen. Sie wusste, jetzt war sie gefordert. Sie kramte hastig einen Taschenspiegel aus ihrem Shopper und hielt ihn unter Cindys Nase, er beschlug leicht. Monique hechtete ins Wohnzimmer zum Telefon und wählte die Notrufnummer der Feuerwehr. In routiniert erscheinender Manier gab sie kurz und knapp die notwendigen Informationen dem diensthabenden Beamten durch, vergaß auch nicht einen Notarzt und die Polizei anzufordern, da die Überfallene mutmaßlich noch lebte. Sie bat auch um absolut vorrangige Weitergabe an den Mediziner, dass die Atmung zwar schwach aber existent sei und sie möglicherweise noch gerettet werden könnte.
Erst jetzt gewann das brustzuschnürende Gefühl bei Monique wieder Oberhand, mehr konnte sie in diesem Augenblick nicht für ihre Freundin tun. Sie stellte sich ans Fenster, zog die Vorhänge zurück und ballte die Hände zu Fäusten, derart fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie beachtete nicht die einkaufswilligen Flaneure auf der gegenüber liegenden Straßenseite, obwohl sie ansonsten gerne aus beruflichem Interesse beobachtete, welche Schaufensterauslage die Aufmerksamkeit der kaufwilligen Damen erregte. Sie erinnerte sich wieder an die häufigen Mahnungen, den Kerl in die Wüste zu schicken. Die Wut kochte in ihr schon wieder hoch, sobald sie an diesen unsympathischen gefühllosen Schläger dachte. Wie oft hatte sie Cindy vor dem verschlagenen Verbrecher gewarnt? Jawohl, in ihren Augen war er ein Verbrecher, sonst hätte er nicht mit einem Laden, in dem man nie Kundschaft sah, derart viel Geld scheffeln können. Seine Geschäfte hielten garantiert keiner polizeilichen Überprüfung stand, an Verstöße gegen die Steuergesetzgebung wollte sie erst gar nicht denken. Monique schossen erneut ihre Mahnungen an Cindy durch den Kopf, sie hatte mit Engelszungen versucht, ihre Freundin aus den Fängen des Scheusals loszueisen, ihr eine vielversprechende Zukunft ohne diesen Typen ausgemalt, Liebe und Geborgenheit waren doch wesentlich mehr wert als Wohlstand und Konsum in einer Knechtschaft.
Sie sah den Rettungswagen vorfahren und stürzte so schnell sie konnte die Treppe herunter, öffnete die Haustüre, fixierte sie und wies den Sanitätern den Weg zum Opfer. Schon Sekunden später trafen Notarzt und Polizei wie auf Verabredung ein. Der Mediziner stellte auf Anhieb fest, dass Cindy noch lebte, sie habe viel Blut verloren und sei infolge der Schläge auf den Hinterkopf oder an die Schläfe ohne Bewusstsein. Die Strangulation mit der Strumpfhose schien frühzeitig unterbrochen worden zu sein, vielleicht sei der Täter unerfahren gewesen oder einfach nur gestört worden, jedenfalls sei der Kehlkopf noch intakt. Nach Einschätzung des Notarztes bestanden noch gewisse Chancen, dass das Opfer den Überfall überlebte, aber sicher sei das keinesfalls. Jedenfalls bestünde akute Lebensgefahr. Als Cindy auf der Krankentrage lag und eine Kreislaufstärkende Infusion in ihre Vene tropfte, nahm Monique das ganze Ausmaß der Gewaltanwendung wahr, sie sah, wieviel Blut ihre Freundin verloren hatte. Das Kopfkissen war dunkelrot eingefärbt, also blutgetränkt und an den Rändern bereits eingetrocknet. Sie wandte sich ab, sie konnte es nicht begreifen, wie brutal und ohne Rücksicht auf Verluste dieser Rohling mit ihr umgegangen sein musste, dass sie derart zugerichtet war. In ihrem Hirn spielten sich Racheszenen ab, was sie mit diesem Kerl gerne anfangen würde. Langsam, ganz langsam zu Tode quälen. Kastration ohne Narkose war noch das Harmloseste. Ihr fielen Folterszenen des Mittelalters ein, die sie in Filmen gesehen hatte. Die Folterknechte waren einfallsreich gewesen. Ein Streckbett oder auch Daumenschrauben erschienen ihr im Moment als viel zu human. Aber was wollte sie als schwache Frau schon gegen diesen kräftigen Kerl tun? Sie wollte keinen dieser Rachepläne verwerfen, sie musste etwas tun, ihr würde schon das Passende einfallen. Sie musste nur den richtigen Moment abwarten, sie war wild entschlossen, bei passender Gelegenheit würde sie zuschlagen. Bei diesem Gedanken war ihr gleich wohler.
***
Polizeioberkommissar Wohlfarth stellte sich bei der Anhörung der Zeugin im Polizeipräsidium gestenreich mit geschwellter Brust vor. Es schien, als wollte er beweisen, dass er der richtige selbstbewusste Mann für die Aufklärung dieses Mordversuchs war. Er zeigte mit einer missachtenden Handbewegung des Daumens auf einen jungen Polizisten in einem Jeansanzug und meinte, das sei Polizeimeister Gasser, der drei Pappbecher mit Kaffee balancierte. Zucker und Milch mit Plastikstäbchen standen bereits auf dem Schreibtisch.
Monique wurde aufgefordert zu berichten, warum sie Cindy aufsuchen wollte, wie sie sie vorgefunden hatte. Sie berichtete knapp und wahrheitsgemäß, dass sie sich fast täglich sahen oder zumindest einmal, wenn nicht mehrmals täglich miteinander telefonierten. Sie verbrachten regelmäßig Moniques Pausen gemeinsam entweder in einem Café, von denen es einige in der näheren Umgebung gab, oder auch gelegentlich bei Cindy zu Hause. Dann erkundigte sich der Beamte nach der Intensität der Freundschaft und Monique erzählte von einigen Urlauben, die sie gemeinsam verbracht hatten. Neben Mallorca hatte es noch eine längere Flugreise gegeben nach Florida, Westküste, Venice Beach am Golf von Mexico, sie hatten sich gut verstanden und sehr viel Spaß gehabt. Sie verschwieg, dass sie sich anlässlich der Reisen sexuell mit ein paar jungen Burschen ausgetobt hatten, um ihren heimischen Frust auszuschwitzen. Viele College Studenten verbrachten gruppenweise ihre Urlaube in diesem unerträglich heißen und schwülen Bundesstaat.
Wohlfarth blickte von seinem Notizbuch auf: „Zunächst einmal, haben Sie an dem Tatort etwas verändert oder angefasst, als Sie die Wohnung betraten und das Opfer fanden?“
„Nein, ich bin zwar in allen Zimmern gewesen, um Cindy zu suchen, ich hatte sie um diese Zeit nicht im Schlafzimmer erwartet, zumindest nicht alleine. Deshalb hatte ich geklingelt, geklopft und gerufen. Beim Suchen nach ihr habe ich logischerweise alle Türklinken berührt. Als ich sie schließlich entdeckte, habe ich einen wahnsinnigen Schreck bekommen, mein erster Impuls war gewesen, sie mit einem Handtuch oder Bademantel zu bedecken, habe mich aber dann daran erinnert, dass in den Kriminalfilmen immer dazu gemahnt wird, am Tatort nichts zu verändern. Um mich von ihr zu verabschieden, ich glaubte, sie sei tot, habe ich zum Glück ihre Wange gestreichelt. Als ich gespürt habe, dass ihre Wange noch nicht erkaltet war, hatte ich sofort die Hoffnung, sie lebe noch. Ich habe mit einem Taschenspiegel getestet, ob sie atmete und hoffte, dass sie noch genug Leben in sich hatte, dass man sie retten könnte. Dann habe ich ohne zu zögern den Notruf der Feuerwehr angerufen, ach ja, das habe ich von ihrem Festnetztelefon aus gemacht, weil mein Akku fast leer war durch die vielfachen Versuche, Cindy zu erreichen. Wie geht es ihr, haben Sie neuere Informationen über ihren Gesundheitszustand?“
„Wir haben erfahren, sie sei in ein künstliches Koma versetzt worden. Sie scheint wohl nicht mehr in akuter Lebensgefahr zu schweben, wenn man den Ärzten glauben darf, obwohl ihr Zustand nach wie vor sehr ernst ist. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben. Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Monique lief rot an: „Wenn ich das Schwein zu fassen kriege, werde ich ihn eigenhändig erwürgen. Ich hasse diesen Kerl. Das war nicht das erste Mal, dass er sie übel zugerichtet hat. Aber diesmal war das wohl der Gipfel an Brutalität. Und dann auch noch zu versuchen, sie zu erwürgen, ich kann das einfach nicht glauben. Das übersteigt meine Vorstellungskraft.“
Die Köpfe der Polizisten flogen hoch und fixierten die Zeugin. „Von wem sprechen Sie, wer ist der Kerl?“
„Das ist ihr Beschäler, ein brutales Dreckschwein, er heißt Peter mit Vornamen, den Nachnamen kenne ich nicht, er hat ein Antiquitätengeschäft irgendwo hier in der Innenstadt. Er hat sie schon unheimlich oft geschlagen, ich habe ihr immer wieder gesagt, sie soll ihn zum Teufel schicken. Darauf hat sie immer gesagt, er sei normalerweise äußerst zärtlich und sie würden sich lieben, nur relativ selten bekäme er einen Koller und würde sie schlagen. Aber ich weiß es besser, sie hat sich selbst belogen, weil sie eine Menge Geld von ihm zugesteckt bekommt. Kein Mensch weiß, aus welchen dubiosen Quellen sein Reichtum stammt.“
„Wie heißt er denn mit Nachnamen und wo ist sein Laden?“
„Ich sagte doch, ich weiß nicht mehr, wie er mit Nachnamen heißt, er ist aber auch tschechischer Herkunft und für sein Geschäft habe ich mich nie interessiert. Ich weiß nur, dass es nicht weiter als fünfzehn Minuten zu Fuß von Cindys Wohnung entfernt liegen kann. Er hat seine Besuche immer telefonisch angekündigt und war dann kurz darauf bereits bei ihr. Ich meine mich erinnern zu können, Cindy hätte mal gesagt, der Laden sei irgendwo in der Nähe des Römerturms, aber Genaueres weiß ich nicht.“
„Wie oft hat er sie denn misshandelt oder ist es zu Gewaltanwendungen gekommen? Können Sie das abschätzen?
Monique schaute gedankenverloren aus dem Fenster, als könne sie dort die gesuchte Zahl finden. „Also, im Verlauf des letzten Jahres ist das bestimmt schon viermal passiert, wenn nicht sogar öfter. Ich rede aber nur von sichtbaren Verletzungen, wenn sie am Körper Blessuren hatte, habe ich die natürlich nicht wahrgenommen. Sie hat mir erzählt, dass er bei seinen Sexspielchen gerne Schläge verteilt. Er hat mit Vorliebe während des Geschlechtsaktes, Doggy Style, ihren Hintern derart bearbeitet, dass er knallrot war und oft mit geschwollenen blutunterlaufenen Striemen übersät. Dann konnte sie manchmal stundenlang nicht ruhig sitzen. Sie hat mir das einmal gezeigt, als er gerade weg war. Das hätte ich keinen Tag ausgehalten. Aber sie war ja wie verblendet. Der Mistkerl hat nicht nur eine Macke, der ist aus Macken und Perversionen zusammengesetzt. Zum Beispiel wollte der nie ohne Präservativ mit ihr schlafen. Sie musste ihm immer vorher ein Kondom überstreifen, das muss wohl so eine Art Ritual zwischen den beiden gewesen sein.“
Wohlfarth horchte auf: „Das ist ja sehr interessant. Sie sagen, er hat nie ohne Kondom mit ihr geschlafen? Gab es nach Ihrem Wissen keine Ausnahmen?“
„Ja, das hat sie mir jedenfalls erzählt. Oftmals haben sie an einem Tag auch mehrere benutzt, er muss wohl recht potent sein, trotz seines exzessiven Alkoholgenusses. Das Kondom gehörte laut Cindy zu dem Geschlechtsakt genau wie die Schläge dazu. Das waren nicht so genannte Sado – Maso Spielchen, das war das Ausleben seiner Brutalität.“ Erneut lief Monique im Gesicht rot an: „Ich kann ja noch verstehen, wenn er ihr im Eifer des Gefechtes mal einen Klaps auf den Po gibt, aber ein Mordversuch, das ist eine andere Kategorie, für die ich keinerlei Verständnis aufbringen kann.“
Der Oberkommissar blickte wieder in seine Aufzeichnungen und suchte wohl eine bestimmte Notiz: „Zurück zu den Kondomen, es gibt da noch eine Unstimmigkeit. Erachten Sie es für möglich, dass ausnahmsweise von dem Verdächtigen keine Gummis zur Verhütung benutzt wurden?“
„Wie ich bereits betont habe, war der Kerl ein Gewohnheitsmensch, der laut Cindy nie von seinen Ritualen abwich. Somit muss ich Ihre Frage verneinen. Welcher Art sind denn ihre Verletzungen?“
Wohlfarth blätterte wieder in seinen Unterlagen. „Die Wunde am Hinterkopf stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Sturz auf eine Kommode, die entsprechende Blutreste und ausgerissene Haare aufweist. Ob sie allerdings gestoßen wurde oder im Rückwärtsgehen beim Ausweichen eines Schlages gestolpert ist, muss noch geklärt werden. Die restlichen Verletzungen an der Schläfe und Hämatome am Körper stammen wahrscheinlich von Schlägen oder Tritten. Wir müssen leider warten, bis sie aus dem Koma aufwacht, um sie dann befragen zu können. Ohne sie sind wir auf Mutmaßungen angewiesen. Zunächst gehen wir mal den gefundenen Hinweisen nach.“
„Was gibt es denn noch für Hinweise?“
Wir haben in der Wohnung etliche Spuren gefunden, die wir noch auswerten müssen.“ Der Polizist machte eine Pause, in der er wieder die Papiere der dünnen Akte umblätterte. „Wissen Sie, ob Frau Pátková Drogen genommen hat oder sogar süchtig war?“
Monique sah ihr Gegenüber entrüstet an: „Nein, keinesfalls. Wir haben uns oft darüber unterhalten. Sie hatte eine wahnsinnige Angst, abhängig von dem Zeug zu werden. Sie hat auch nur gelegentlich mal eine Zigarette geraucht, aber nur in Gesellschaft, wenn alle geraucht haben. Sie hat mal ein Glas Wein oder einen Cocktail getrunken. Sie war in solchen Dingen immer äußerst zurückhaltend. Über Drogen jeglicher Art hat sie geschimpft und hatte auch keinerlei Verständnis für die Konsumenten. Sie hatte als junge Frau wohl mal ein Erlebnis gehabt, von dem sie mir erzählt hatte, nach einem gewissen Alkoholkonsum hat sie ein Freund angestiftet, mit ihr einen Joint zu rauchen, Haschisch oder Marihuana, ich kenne mich damit nicht so gut aus, danach ist ihr wohl so schlecht geworden, dass sie sich die Seele aus dem Leib gekotzt hat. Möglicherweise hatte das eher am Alkohol als an dem Haschisch gelegen, jedenfalls war das, wie sie mir sagte, das erste und das letzte Mal gewesen. Auf einer Party wurde mal ein Joint rumgereicht, sie war die einzige, die nicht an dem Ding gezogen hat. Nein, ich bin mir sicher, Drogen hat sie nicht genommen. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.“
„Laut Gerichtsmedizin hat die Untersuchung des Opfers ergeben, dass sie noch Spuren von Ketamin im Blut hatte. Entweder sie hat es selber gespritzt oder es wurde ihr von jemandem intravenös verabreicht. Die Einstichstelle der Injektionsnadel konnte klar erkannt werden. Wahrscheinlich war das Ketamin noch mit anderen Kurzzeitnarkotika gemischt, das wird gerne gespritzt, um die Wirkung noch zu erhöhen. Nachteil oder Vorteil ist, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet, man kann es nicht nach längerer Zeit nachweisen, es verflüchtigt sich. Sie sind also absolut sicher, dass sie sich diese Injektion nicht selbst gespritzt hat?“
„Was ist das denn für ein Zeug, ich kenne mich damit nicht aus. Ist das auch eine Droge? Jedenfalls muss das woher auch immer stammen. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, sich Drogen zu spritzen.“
„Eigentlich ist es ein anerkanntes Medikament. Je nach Dosierung, sagt man ihm eine schmerzlindernde Wirkung nach, es könnte aber auch bis zur Bewusstlosigkeit führen. Auch ist bekannt, dass es, wie andere Drogen, eine Rauschwirkung verursachen kann. Das Ketamin sollte nur von Fachleuten, die sich mit Wirkung und Dosierung auskennen, injiziert werden, wovon man aber in unserem Fall nicht ausgehen kann. Das Arzneimittel ist neben anderen Substanzen auch als K.O. Tropfen bekannt.
Es wäre noch denkbar, dass diese Droge von einem Laien als Schmerzmittel nach dem Sturz eingesetzt worden ist, das ist zwar weit hergeholt, aber denkbar, wogegen allerdings spricht, dass die Kopfwunden nicht fachmännisch versorgt wurden. Ein Experte hätte dies garantiert getan.
Wahrscheinlich sollte sie nach meiner Einschätzung gefügig gemacht werden und damit wurde auch der Tod der Frau Pátková billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar ein Totschlags- oder Mordversuch vorliegt. Aber wir werden das hoffentlich herausfinden, spätestens dann, wenn das Opfer aus dem Koma erwacht oder wenn wir den Täter gefasst haben. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Klarheit haben. Zunächst müssen wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen abwarten, wenn wir es mit einem Stammkunden zu tun haben, sollte der Täter im Handumdrehen identifiziert werden.“