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Kapitel 6
ОглавлениеPetr Stádnik saß mit seinem Geschäftsfreund Ludvik Grusa zusammen in der Hotelbar des Maritim Hotels am Heumarkt, mitten in Köln. Etliche Leute umrundeten den Tresen, darunter auch einige Damen, nicht nur paarweise, sondern auch vereinzelt ohne Begleitung. Die geschwungene Theke nahm trotz ihrer Verwindungen eine grobe U-Form ein und schwang sich durch die Hälfte des abgedunkelten Raumes. Ob die Damen, die dort vor bunten großen Cocktailgläsern hockten und jede Bewegung in der Lokalität genau beobachteten, auf einen Tänzer warteten oder der mittelmäßigen Bandmusik lauschen wollten oder simpel auf Freiersuche waren, konnte der neutrale Beobachter nicht ausmachen. Der einzige Anhaltspunkt für die Absichten der Bargäste waren die mehr oder weniger schreienden Gesichtsmalereien und die Blickrichtungen der Damen. Die Schminke mancher Frauen war derart auffällig, dass man an das misslungene Werk einer Klasse von Kosmetikschülerinnen glauben konnte. Die aufgeklebten Wimpern schienen ein Gewicht zu haben, dass die Trägerinnen wohl Mühe hatten, die Augenlider geöffnet zu halten. Der so genannte Schlafzimmerblick herrschte vor.
Petr flegelte sich breitbeinig auf seinem Barhocker, dass man glauben mochte er könne jeden Moment das Gleichgewicht verlieren. Sein Sonnenstudio gebräuntes Gesicht, umrahmt von grau melierten strähnigen Haaren, war seinem Nebenmann zugewandt, obwohl seine rastlosen Augen jede Bewegung in der Umgebung wahrnahmen. Vor ihm stand ein Dry Martini Cocktail, Ludvik hatte einen übergroßen Gin Tonic bevorzugt. Dass es nicht die ersten Getränke des Abends waren, sah man an den abgenagten Olivenkernen auf Petrs dunkelrotem Untersetzer, die Oliven sollten den Barkunden vorgaukeln, es handele sich um ein äußerst gesundes Getränk. Nach diesem Irrglauben war der Vitaminhaushalt für die nächsten Tage gerettet.
Petr erzählte seinem Freund sichtlich amüsiert eine Begebenheit der jüngeren Art. „Du kennst doch meinen langjährigen Lieferanten aus Teplice, Jáchim Sobotka? Ich meine, ich hätte ihn Dir einmal in meinem Laden vorgestellt.“
„Ja, ich erinnere mich, würde ihn aber wahrscheinlich nicht wiedererkennen. Du hast auch schon gelegentlich von ihm gesprochen. Der beliefert Dich doch mit Antiquitäten und alten Schmuckstücken, wenn ich mich recht erinnere.“
„Genau der, der hatte vor ein paar Tagen wieder eine größere Lieferung für mich. Der ist ja so doof, der kann unmöglich der Sohn seines Vaters sein.“
Petr klopfte sich dabei laut lachend auf den Oberschenkel.
„Der Alte ist ja mit allen Wassern gewaschen, ein richtig cleveres Kerlchen. Aber der Sohn beherrscht nicht mal die einfachsten Sachen. Ich glaube, der würde drei mal drei in seinen Taschenrechner eintippen und sich dann noch über das Ergebnis wundern.“
„Das verstehe ich nicht, Dir sollte doch eigentlich egal sein, wie intelligent der ist, die Hauptsache ist doch, dass Du gute Geschäfte mit ihm machen kannst. Je dümmer der Kerl ist, desto besser kannst Du ihn doch beschummeln und das machst Du doch leidenschaftlich gerne, wie Du mir schon oft genug berichtet hast.“
Petr Stadnik schlug seinem Nebenmann auf die Schulter und lachte dröhnend, dass trotz der ziemlich lauten Musik die Thekennachbarn aufmerksam wurden. „Und was für Geschäfte Du mit dem machen kannst, das glaubst Du nicht. Als der jetzt da war, habe ich ihm gesagt, die Lieferung sei diesmal weniger wert gewesen als bisher, deshalb könne ich ihm auch nur entsprechend weniger zahlen. Ich habe gejammert, der Markt sei eingebrochen und es würde von Jahr zu Jahr schwieriger die Sachen zu verkaufen. Ich habe dann ein bisschen geschauspielert, ich sei ein bettelarmer Mann, dem das Wasser bis zum Hals stehe und müsse die Lieferungen jahrelang vorfinanzieren, bis sie schließlich einen Weg zum Käufer fänden. Der hat zwar blöd geguckt, aber den verminderten Betrag letztlich doch akzeptiert. Als Jáchim Sobotka den Laden verlassen hatte, habe ich bestimmt eine halbe Stunde laut gelacht, ich bin nach einem geschäftlichen Treffen selten so fröhlich gewesen. Du musst Dir vorstellen, ich habe ihm zum Beispiel den Schmuck weit unter dem Börsenpreis für Gold abgenommen, die noch brauchbaren Steine habe ich gar nicht bewertet. Mit dem eingesparten Geld hatte ich endlich genügend zusammen, um mir meinen Ferrari zu kaufen, den ich auch gleich bestellt habe, weißt Du, den neuen Ferrari California-T. Der wird zwar erst in neun Monaten geliefert werden, aber ich freue mich schon darauf, das ist ein unheimlich geiles Gerät. Am nächsten Tag habe ich meine gewohnte Kasino-Tour gemacht, Bad Neuenahr, Aachen und Hohensieburg, um zu zocken, Du weißt, wegen Geldwäschegesetz und so, ich musste wieder ein paar Belege für meine Ausgaben haben. Auch da hatte ich etwas Glück, jedenfalls war es ein ertragreicher Tag gewesen.“
„Aber, dass der Verkäufer das einfach so geschluckt hat, verstehe ich irgendwie nicht. Bei Deinem Angebot hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre auf der Stelle abgezogen, es gibt ja schließlich noch andere Interessenten. Auch Du hast neben mir noch eine Unzahl von Konkurrenten, obwohl die meisten davon keine Tschechen sind. Ich hätte das als langjähriger und ständiger Lieferant auf keinen Fall ohne weiteres geschluckt.“
Peter ließ erneut sein schadenfrohes Lachen in voller Lautstärke ertönen und schlug sich auf seine abgewetzten Jeansoberschenkel. „Es war ein Heidenspaß, das Gesicht des Sobotka Junior zu sehen. Am nächsten Tag hat mich der Senior angerufen und wurde ziemlich unverschämt, der hat natürlich meine Finte sofort durchschaut. Dann hat er mir doch tatsächlich Rache angedroht, soll er mal kommen, ich habe keine Angst.
Weißt Du, der hat sich so eine aristokratische Art angewöhnt, der redet jetzt auch so gestelzt. Es fehlt nur noch, dass er von sich selbst in der dritten Person spricht. Der bedroht Dich nicht direkt, sondern sagt dann höchstens, man solle vorsichtig sein, sonst werde man das eventuell bereuen.“
Ludvik sah sein Gegenüber kritisch mit gerunzelter Stirn an und sagte mit gedämpfter Stimme, als dürften die anderen Barbesucher diese Worte und nur diese Worte nicht hören: „Ist der Kerl mächtig? Hat er überhaupt eine Möglichkeit, Dich anzugreifen? Solche Leute geben im Allgemeinen keine leeren Drohungen von sich.“
Der Antiquitätenhändler lachte erneut, wenn auch nicht so ausgelassen wie vorher. „Ach was, Deine Sorge ist unbegründet. Meine zwei Freunde werden mich schon beschützen können.“
Er deutete auf seine Ausbuchtung im weißen Jackett, die auf eine Handfeuerwaffe schließen ließ und auf den bulligen Glatzkopf, der in Eingangsnähe saß und unabhängig vom Geschlecht jeden mit Blicken prüfend verfolgte, der die elektrische Schiebetüre passierte.
„Den Leibwächter buche ich stundenweise, wenn ich abends ausgehen und beschützt sein will, ich kann mir aber auch selbst gut helfen. Mein Problem ist nur, dass ich mir keine Schlägerei oder Ähnliches mehr erlauben darf, das könnte vor Gericht auf Grund meiner Vorstrafen in der Richtung fatale Folgen haben. Andererseits finde ich es toll, dass es jemanden wie Dich gibt, der sich Sorgen um mich macht. Das nenne ich wahre Freundschaft.“
Bei diesen Worten schlug er seinem Nebenmann erneut lachend auf die Schulter, diesmal schwang etwas Anerkennung mit. Trotz dieser freundschaftlich gemeinten Geste war er im Geiste schon abwesend. Er hatte Augenkontakt zu einer Superoxyd Blondine aufgenommen, die in einem silbrig glitzernden Kleid mit übergeschlagenen Beinen und hoch gerutschtem Minirock vor einem fruchtigen Cocktail in einem blauen Kelchglas saß. Petr war völlig gleichgültig, ob die Damen käuflich waren oder nicht, solange sie bereit waren, ihm seine sexuellen Gelüste zu befriedigen, war ihm alles recht. Die silbrige Dame wandte sich zu Petrs Missfallen einem hereinkommenden Mann zu, der sie mit Mund-Kuss begrüßte. Bei Petr erlosch das Interesse schlagartig.
Er hatte zwar eine feste Beziehung zu einer Frau, ansonsten betrachtete er aber alle weiblichen Wesen als Sexobjekte ohne tiefer gehende Gefühle seinerseits. In seinen Augen bestanden Frauen fast ausschließlich aus sexdienlichen Körperteilen und willig sollten sie sein, alles andere war zweitrangig. Die einzige feste Beziehung, die er regelmäßig aufsuchte, war ebenfalls eine Tschechin, Petra Pátková, sie nannte sich den mitteleuropäischen Zungen näherliegend schlicht Cindy. Zu der ging er immer dann, wenn er sich aus unerfindlichen Erwägungen abreagieren wollte, sei es sexuell oder auch aus Gründen von angestauter Aggression. Es sollte sogar vorgekommen sein, dass er sie besuchte, um mit ihr seine Hochstimmung zu teilen. Im Normalfall war er jedoch völlig frustriert, wenn er sie aufsuchte, um sich abzureagieren. Dann liebte er es, ihren nackten Hintern zu versohlen, bis ihre hinterwärtigen Backen farblich an einen Pavian erinnerten und sie nicht nur gerötet, sondern auch geschwollen waren. Ihm war völlig gleichgültig, ob sie dabei schrie, ob sie tagelang nicht sitzen konnte und auch, dass er sie hinterher doppelt oder dreifach entlohnen musste, um sie halbwegs zu besänftigen. Nach diesen gewalttätigen Ausbrüchen, fühlte er sich immer besser als vorher und war zu neuen Untaten bereit, wenn er Cindy alleine ließ.
Bei einigen Besuchen, so wie bei dem letzten, beließ er es nicht bei einer Malträtierung ihres Hinterteils, sondern schlug sie auch ins Gesicht, es machte ihm eine ungeheure Freude, sie weinen, winseln oder um Einhalt betteln zu hören. Dann hatte er das gestillte Gefühl von Macht, Macht wenigstens über einen Menschen. Oft genug trug Cindy erhebliche Verletzungen davon, die er dann mit einem besonderen Geschenk auszugleichen versuchte. Beim letzten Treffen hatte er ihr einen Schlag versetzt, der sie rückwärts auf die spitze Kante eines Möbelstücks geschleudert hatte. In diesem Moment hatte er sogar etwas wie Mitleid empfunden und sie vorsichtig, fast liebevoll aufs Bett gelegt. Schlagartig war seine Wut auf die Welt und die Menschheit verflogen.
Einmal hatte Cindy bei einer solchen Gewaltorgie vor Angst unter sich gepinkelt, was ihn derart sexuell erregt hatte, dass er sie auf der Stelle rektal vergewaltigte, ohne ihre Bitten um Schonung zu erhören oder sich durch ihre Tränen von seinem Tun abhalten zu lassen. Als Wiedergutmachung hatte er hinterher wieder ein besonders teures Geschenk machen müssen, damit sie wenigstens halbwegs versöhnt war und er sie auch weiterhin besuchen durfte.
Auch wenn er Ludvik Grusa seinen Freund nannte, hatte er keine echten Freunde, dafür war er viel zu unsozial und rücksichtslos eingestellt. Unter Freundschaft verstand er, Vorteile durch einen anderen Menschen zu haben, wobei er dies als Einbahnstraße erachtete und sich schwertat, jemandem einen Gefallen ohne Gegenleistung zu tun. Sollten sie doch selbst sehen, wie sie klarkamen, ihm wurde auch nichts geschenkt, ihm war nie etwas in den Schoß gefallen. Oftmals war es ihm schon passiert, dass er einem „Freund“ oder auch „Feind“ seine Faust ohne größeren Anlass ins Gesicht gedonnert hatte und nachher mit einem beträchtlichen Betrag dessen Schweigen gegenüber den Ordnungshütern erkauft hatte.
Zweimal war der Schweigegeldversuch bereits fehlgeschlagen und es war zu Anzeigen gegen ihn gekommen. Jetzt war er einschlägig vorbestraft. Bei der ersten Anzeige war er noch mit einer Bewährungsstrafe davongekommen und bei der zweiten Anzeige hatte er zu seinem Glück ausreichend Zeugen kaufen können, die aussagten, der Gegner habe den Streit begonnen und er habe nur aus Notwehr zugeschlagen. Da das Gericht gewisse Zweifel an den Zeugenaussagen nicht völlig ausräumen konnte, war er schließlich mit einer Niederschlagung des Verfahrens gegen eine beträchtliche Geldbuße mehr als glimpflich davongekommen. Seitdem versuchte er mit aller Kraft eine Selbstbeherrschung aufzubauen, damit es nicht bei Zwistigkeiten erneut zu einem Verfahren wegen der gleichen Anklage kommen konnte. Wenigstens hatte er es bisher geschafft, seinen metallenen Freund, die Handfeuerwaffe, nicht aus der Tasche zu ziehen und zu benutzen, wenn man einmal von gelegentlichen Drohgebärden absehen wollte.
Nach seiner eigenen Einschätzung war er weder aggressiv noch jähzornig, lediglich leicht erregbar. Objektiv betrachtet war er wohl äußerst reizbar und konnte aus nichtigem Anlass völlig ausrasten. Vor nicht langer Zeit hatte er einen angetrunkenen Gast in einer Bar angegriffen, weil er ihn etwas seltsam mit glasigen Augen fixiert hatte. Seitdem hatte er in der Lokalität Hausverbot und er musste für einen Nasenbeinbruch und großflächige Hämatome fünftausend Euro zahlen, damit dieser Vorfall nicht zur Anzeige kam. Etliche Hausverbote in Gaststätten betrachtete er als vernachlässigbar, Kneipen gab es immerhin genügend, in Köln alleine rund viertausend, wie er einmal gelesen hatte. Da fielen die Handvoll Hausverbote nicht ins Gewicht.
Schlägereien und Gewaltanwendung waren für ihn ein Kavaliersdelikt. Summa Summarum hatte ihn seine Unkontrolliertheit - oder wie viele Leute sagen würden „Jähzorn“ - schon ein kleines Vermögen gekostet. Er kannte die Regeln, Grenzen durften nicht überschritten werden. Dennoch ließen gewisse Situationen seinen Verstand aussetzen, er dachte dann nicht mehr über seine Taten nach, er ließ sich gehen und seine Fäuste ihre Sprache sprechen.
Petr war mit elterlicher Gewalt schon als Kleinkind konfrontiert worden. Sein Vater war Alkoholiker und hatte wenig geredet. Wenn er mal wieder betrunken nach Hause gekommen war und sein Sohn sich erlaubt hatte, ein wenig zu weinen oder zu quengeln, wurde das Kind aus dem Bett geholt und geschüttelt. Mutter hatte immer größte Mühe gehabt, das Schlimmste zu verhindern, wobei sie meist auch eine ordentliche Portion Schläge einstecken musste. Dieses Umfeld hatte ihn geprägt und gezeigt, dass nur der Stärkere eine Chance im Leben hatte.
Sein Gebaren hatte er als junger Tscheche, der als Kleinkind bereits im Gepäck seiner Eltern nach Deutschland geflohen war, im sozialen Umfeld der heruntergekommenen Trabantenstadt Chorweiler im Kölner Norden erworben. Die Straße betrachtete er als seine Heimat, innerhalb der Gruppe von Kleinkriminellen fühlte er sich zu Hause. Hier konnte er jemand sein, man erkannte ihn an. Unter türkischen und slawischen arbeitslosen Jugendlichen konnte er Mut und Verachtung der Gesellschaft beweisen. Nicht wie in der Schule, wo er gehänselt, von den Lehrern nicht anerkannt wurde. Wenn dann sein Vater vom Lehrer in die Schule gerufen wurde, um ihn davon zu überzeugen, dem Sohn die Notwendigkeit des Schulbesuches nahezubringen, erschien sein Vater erst gar nicht und bevorzugte das Bier und den Schnaps, die es am Kiosk billig zu kaufen gab. Die Gleichgültigkeit gegenüber seinem Sohn wurde von der Lehrerschaft entsprechend interpretiert: „Wenn du deinen Eltern egal bist, brauchen wir uns auch keine Mühe mit deiner Erziehung zu machen.“ Nach eindringlicher Mahnung durch das Lehrerkollegium ging Petr dann meist ein paar Wochen regelmäßig in die verhasste Lehranstalt, um kurz darauf wieder in den gewohnten Trott zu verfallen. Dies geschah regelmäßig nach schlechten Schulnoten, die ihm prinzipiell gleichgültig waren, er konnte sich nun einmal nicht für die unendlich lange Zeit von mehr als dreißig Minuten konzentrieren. Die Schule für das Leben war in seinen Augen die Straße und nicht dieses steife und humorlose Pauken in diesem städtischen Lehrinstitut.
Den letzten Schliff seines unsozialen Gebarens erhielt er dann, als er sich bei der französischen Fremdenlegion verdingte. Hier hatte er neben Kämpfen auch rudimentär Fremdsprachen erlernt. Neben Deutsch und Tschechisch konnte er sich in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch mehr oder weniger gut verständlich machen. Diese Sprachkenntnisse waren für seine jetzige Tätigkeit sehr hilfreich. Er machte regelmäßige Einkaufsfahrten nach England, Spanien, Italien und Ex-Jugoslawien, geliefert wurde dann vornehmlich nach Frankreich, Holland und in die Schweiz. Dort traf er zwar im Allgemeinen auf mehrsprachliche Geschäftspartner, die jedoch gerne den Verkäufer radebrechen ließen.
Er war nicht sonderlich intelligent, sondern eher gerissen, er hatte sich allzeit mit Gaunereien während und nach seiner erfolglosen Schulzeit über Wasser gehalten. Dabei hatte er sorgsam darauf geachtet, keine Kapitalverbrechen zu begehen, oft war er an Einbrüchen beteiligt, wenn auch immer als Fahrer oder Wächter, nie als aktiver Täter. Mit einigem Glück hatte er es verstanden, seine Abfindung von der Fremdenlegion durch Betrügereien zu mehren. Bei seinen Sparbemühungen war es stets nützlich gewesen, dass er nicht wie die anderen, seinen Legionärssold in Pokerpartien oder in Bordellen verprasste. Im Gegenteil, er war seinen Kameraden immer behilflich gewesen, wenn diese ihre Barschaft in dubiosen Unternehmungen verschleudert hatten, er lieh ihnen dann bis zur nächsten Soldauszahlung Geld zu Wucherzinsen. Die Kameraden waren ihm dann auch noch dankbar gewesen, wenn er ihnen aus der Patsche geholfen hatte und sie sich wieder Schnaps und Tabakwaren kaufen konnten oder sich vergeblich in dem Versuch erproben konnten, den Sold durch Glücksspiele aufzubessern oder sogar zu vervielfachen. Einer seiner Stammkunden stand einmal mit dem Mehrfachen seines Monatssolds in der Kreide und konnte seine monatlichen Zahlungen komplett an Petr abführen, wobei mehr als die Hälfte dieser Zahlung Zinsendienst darstellte. Petr führte genauestens Buch über seine Außenstände und war stets penibel darauf bedacht, das geschuldete Geld auch einzutreiben. Zu diesem Behuf spielte er regelmäßig Kiebitz bei den allabendlichen Pokerpartien. Wenn einer seiner Schuldner dann einmal gewann, stand er sofort in den Startlöchern, um einen erheblichen Teil des Gewinns als Schuldentilgung einzustreichen. Mit den Rücklagen aus seiner Abfindung, den Gewinnen aus Gaunereien und den Wucherzinsen baute er nach seiner Entlassung aus der Fremdenlegion ein Entrümpelungsunternehmen auf, später dann kombiniert mit einem Antiquitätengeschäft, in dem er wertvoll erscheinende Gegenstände aus den Entrümpelungen verkaufte. Mangelnde Sachkenntnisse hatte er durch eifriges Studium der einschlägigen Literatur von Zeit zu Zeit verringert, bei Zweifelsfragen ließ er sich von einem Auktionator beraten. Die Gewinnspanne aus diesen Geschäften war ihm allerdings nicht lukrativ genug erschienen und so kaufte er auch Sore aus Einbrüchen und Überfällen auf, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass die Schmuckgegenstände und Kunstobjekte nicht allzu bekannt waren. Er lehnte grundsätzlich jeden Kauf von Gegenständen ab, die von der Polizei als gestohlen veröffentlicht worden waren. Alles, was er aus inoffiziellen Quellen erwarb, verbuchte er als aus Entrümpelungen stammend. Er führte auch für solche Gegenstände genauestens Buch, wobei er bei besonders wertvollen Stücken jeweils einen realen Verkäufer einsetzte, der den kompletten Nachlass an ihn veräußert hatte. Es war nicht selten geschehen, dass die Verkäufer keine Ahnung von dem Wert einzelner Objekte hatten und er in diesen erworbenen Nachlässen wahre Wertstücke entdeckte. Hier scheute er aber auch keine buchhalterischen Tricks bis hin zur Urkundenfälschung. Auf diese Weise hatten ihm die Ordnungsbehörden in Form der Polizei bisher keine Hehlerei oder andere illegalen Aktionen nachweisen können.
Finanziell ging es ihm seit einigen Jahren gut, so richtig gut, trotzdem verspürte er eine ständige Gier, sein Vermögen zu mehren. Seine Handelsspanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis kalkulierte er, wenn eben möglich, mit tausend Prozent: Erwarb er also einen Artikel für zweihundert Euro, verkaufte er ihn für zweitausend Euro. Diese Spanne konnte sich nur durch die Umschlagsgeschwindigkeit ändern. Bei geringer wertigen Gütern setzte er die Spanne auch schon mal noch höher an. Bei Waren, die risikolos gehandelt werden konnten, gab er sich auch gelegentlich mit kleineren Aufschlägen zufrieden. Zu diesen Waren zählten auch die Stücke, die er von dem Sobotka Klan aus Teplice erwarb. Diese Familie steuerte ohnehin in erheblichem Maße zu seinem Vermögen bei.
Seine Brutalität und seine Angriffslust hatten auch in seinem Gesicht Spuren hinterlassen. Halbwelt und Fremdenlegion waren eben kein Ponyhof, insbesondere, wenn man keinem Konflikt aus dem Wege ging. Er sah muskulös aus und seine Augen waren zu Schlitzen mutiert. Die Falten seines Gesichts entstammten nicht vom Lachen, sondern seiner ungezügelten Lebenswut, Lebenswut auf alles und allen, denen es gut ging, wobei das sich nicht nur auf monetäres Wohlergehen beschränkte. Trotz seines mittlerweile stattlichen Vermögens war er von Grund auf unzufrieden und neidisch, neidisch auf jeden, der nicht am Boden lag. Neid krampfte immer wieder seine Brust zusammen. Neid war in ihm immerzu gegenwärtig, fröhliche und glückliche Menschen hasste er abgrundtief.
Darüber hinaus freute es ihn, wenn er einen Menschen sah, der eine schlimme Krankheit hatte, er las sogar die Todesanzeigen und stellte mit Befriedigung fest, wenn jemand gestorben war, der wesentlich jünger war als er. Eine Freude bereiteten ihm auch Sätze wie „nach langer schwerer Krankheit ist XY von uns gegangen“. Er hatte noch nie einem Bekannten oder Freund zu etwas gratuliert, sei es zum Geburtstag, zur Hochzeit oder der Geburt eines Kindes. Auch hasste er den seligen Gesichtsausdruck schwangerer Frauen, dieses Mona Lisa Lächeln, er musste dann die Faust in der Tasche ballen, damit er nicht mit einem Schlag den Gesichtsausdruck der Fremden vertrieb. Er schaffte es meist, aber nur, wenn er sich sofort abwendete und gegen etwas trat oder die Faust gegen einen Baum knallte. Den Schmerz oder eine Verletzung nahm er dabei billigend in Kauf.
Er hatte nie in seinem Leben geliebt, weder eine Frau noch seine Eltern oder Geschwister, also sollten auch nicht andere lieben oder geliebt werden. Liebe war Spinnerei von Esoterikern. Liebe setzte er in seinem Leben gleich mit Sex und der war schnell vorbei.