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Kapitel 3

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„Verdammt nochmal!“ Der Alte schlug mit der flachen Hand auf den schweren antiken Mahagonischreibtisch, dass die wenigen Utensilien, die sich darauf befanden, klirrend tanzten.

Von seinen gegelten weißen Haaren, die er stets streng nach hinten kämmte, hatte sich eine Strähne gelöst und hing ihm seitlich am Kopf über die Schläfe herunter. Er war eine gepflegte Erscheinung in seinem hellgrauen Flanellanzug, darunter trug er ein in sich gemustertes hellblaues Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Er rieb sich die Hand, der Schreibtisch war wohl doch einige Grade härter gewesen als früher der Po seines mittlerweile erwachsenen Sohnes.

„Ich lasse mir nicht kaputt machen, was mein Vater in jahrelanger mühevoller Arbeit aufgebaut hat. Ich und auch Du haben viel zu viel Ideen und Arbeit in den Laden gesteckt, dass wir ihn jetzt aufgeben können. Es gibt eine undichte Stelle und Du musst sie herausfinden, sonst bricht die ganze Familiendynastie zusammen und unsere scheinbar gesicherte Zukunft löst sich in Luft auf.“

Ladislav Sobotka strich sich jetzt nach seinem Wutausbruch akribisch die widerspenstige Haarsträhne zurück zu einer makellosen Frisur. Mit dem Ergebnis seiner Bemühungen schien er zufrieden zu sein, denn die Strähne versuchte nicht, wieder ein Einzelleben führen zu wollen. Er war stolz auf sein volles Haar, obwohl er sich schon bedenklich seinem achtzigsten Geburtstag näherte.

Sein Gegenüber, Milos Zikmund, war erschrocken hochgeschnellt, als der Alte den Schreibtisch lautstark malträtiert hatte. Milos war auch nicht mehr der Jüngste, obwohl er erst auf seinen sechzigsten Geburtstag wartete. Mangels vollen Haupthaars hatte er sich den schwarzen spärlichen Kopfschmuck auf zwanzig Millimeter Länge trimmen lassen und die Haare standen spärlich von seiner Kopfhaut ab. Auch er trug einen eleganten Anzug, dunkelblau mit weißem Hemd und grellroter Krawatte. Sein dunkelbrauner Teint hätte jedem Araber zur Identifikation gereicht. „Ich glaube nicht, dass wir lange nach der undichten Stelle suchen müssen, ich bin mir ziemlich sicher, dass Dein schwatzhafter sauberer Sohn sich mal wieder mit Alkohol vernebeltem Hirn verplappert hat und in Deutschland die Begehrlichkeiten bei gewissen Leuten geweckt hat. Wir kennen doch zur Genüge seinen Hang zum Alkohol und dem weiblichen Geschlecht, da vermute ich, dass er sich und uns postkoital verraten hat.“

„Glaubst Du wirklich? Wird der denn nie erwachsen? Hat der denn hier nicht genug Weiber, mit denen er sich herumtreiben kann? Ich habe den Überblick verloren, wieviel Alimente er in dieser Stadt bezahlen muss für die Bankerts, die er schon von seinen sogenannten Damen hat in die Welt setzen lassen. Ich glaube, er alleine könnte eine Wöchnerinnen-Station mit seinen so genannten Freundinnen bevölkern. Hol ihn sofort her, ich will ihn jetzt sprechen. Er soll mir ins Gesicht sagen, ob die Informationen von ihm stammen, oder nicht. Und ich schwöre Dir, wenn er mich belügen sollte, ist er ein für allemal raus aus dem Geschäft und braucht auch keinen Fuß mehr in dieses Haus zu setzen. Irgendwann ist das Maß voll.“

Das Wort Haus war untertrieben. Ursprünglich handelte es sich um eine Villa im viktorianischen Stil in Teplice. Ein wohlhabender Bankier jüdischer Herkunft hatte sich das Gebäude nach englischem Vorbild in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts errichten lassen. Die Nazis hatten dann die Bankiersfamilie mit unbekanntem Ziel abtransportiert und das Anwesen als regionale Verwaltungseinheit okkupiert, wobei sie nicht versäumt hatten alles, was an der Fassade viktorianisch anmutete zu beseitigen und das Gebäude schmucklos mit einem tristen grauen Verputz zu versehen. Ladislavs Vater hatte die Immobilie mit allem Interieur nach dem langersehnten Abzug der Deutschen für ein beachtliches Vermögen erworben. Sein Vater war während des Krieges im Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht gewesen und hatte diese Zeit, wie durch ein Wunder, im Wesentlichen unbeschadet überstanden. Die Nazis hatten zwar nach ihm gefahndet, aber durch seine Verbindungen zum Landvolk und deren Hass auf die Besatzer hatte es immer wieder besondere Verstecke für ihn gegeben. Mal waren die Verstecke Erdgruben, natürliche Höhlen, auch Scheunen oder Keller. Etliche Bauern oder Handwerker hatten Verstecke unter Stroh oder Heu vorbereitet oder kaum zugängliche Erdgruben unter den Kellern ausgehoben, deren Tarnung meist so perfekt war, dass selbst bei Hausdurchsuchungen diese Schlupfwinkel unentdeckt blieben. Seine Aktivitäten waren ausschließlich auf den Schutz der Dunkelheit beschränkt und durch seine Ortskenntnisse konnten die Hitlerschergen seiner nicht habhaft werden.

Nicht ein einziges Mal wurde ihm oder seiner Organisation von den Einheimischen vorgeworfen, dass die Deutschen wie die Berserker in der mittelböhmischen Region gewütet hatten. Als Rache für die Aktionen des Widerstandes waren Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht und die Bewohner ausradiert worden. Zunächst war zwar von der Bevölkerung insgeheim gejubelt worden, als Reinhard Heydrich infolge eines erfolgreichen Attentates 1942 acht Tage später seinen Verletzungen erlegen war. Als die Vergeltungsmaßnahmen der SS in Zusammenarbeit mit der Polizei jedoch mit Brutalität und Grausamkeit einsetzten, gefror der Jubel zu Sorgenfalten und die Euphorie wurde zu Angst.

Das Anwesen, das Lubomir Sobotka erworben hatte, barg ein bisher gut gehütetes Geheimnis. Um dieses Arkanum war es dem Widerstandskämpfer gegangen, als er das Gebäude mit allen Möbeln und sonstigen Ausstattungen erwarb. Zu diesen Zeiten hatte sich in dem verwaltungstechnischen und organisatorischen Chaos der Region niemand darum gekümmert, welchen Wert das Gebäude hatte. Als Eigentümer war im Grundbuch noch das Deutsche Reich eingetragen und der mutmaßliche Rechtsnachfolger, nämlich die noch in Gründungsunsicherheit befindliche Tschechoslowakische Republik, hatte nur Interesse an den Geldeinnahmen und nicht an dem Gebäude gehabt. Die Verantwortlichen hatten das Haus nicht einmal besichtigt, worauf der alte Sobotka sogar gehofft hatte. Die Verwaltung hatte nach Zahlung von nützlichen Zuwendungen an die verantwortlichen Beamten lediglich einen Quadratmeterpreis zu Grunde gelegt und schon war der Kaufvertrag abgeschlossen. Er hätte alleine für dieses Geheimnis jeden Preis bezahlt, nur um an das Eigentum der alten Bankiersvilla zu kommen. Der Wert des Hauses und des ausladenden Grundstücks an sich waren für ihn schon enorm gewesen, doch der des Geheimnisses übertraf um ein Vielfaches den der Immobilie. Nur wenige kannten das Geheimnis, zu denen gehörte Ladislavs Vater. Das Fundament des Hauses war ein mittelalterliches undatiertes Granitgewölbe gewesen, das ursprünglich nur durch gut versteckte Zugänge erreichbar gewesen war. Später wurde dann eine Zufahrt zu dem Gewölbe gebaut, um dort landwirtschaftliche Erzeugnisse lagern zu können.

Das Mysterium wurde seit der Entdeckung durch Lubomir Sobotka nur an wenige bevorzugte Vertrauenspersonen weitergereicht. Dieser Personenkreis war handverlesen, von den lebenden Eingeweihten gehörten mittlerweile neben Ladislav Sobotka als Erbe nur noch Milos Zikmund und der Junior des Hauses, nämlich Jáchim Sobotka. Die Gefahr, vor der sich die Familien Sobotka und Zikmund fürchteten, bestand darin, dass, wenn das Geheimnis gelüftet und irgendwie publik würde, das komplette Vermögen, auf dem der Reichtum von zwei Familien begründet war, für immer verloren wäre.

***

Jáchim Sobotka klopfte zaghaft und offensichtlich ehrfurchtsvoll an die schwere dunkle Eichentür des „Allerheiligsten“. Er hatte wie gewöhnlich zu leise geklopft, denn von innen schallte kein sonor gebelltes „Herein“. Er wusste, der Alte war dominant und je nach Laune auch herrschsüchtig und das nicht nur familienintern. An seinem Sohn brachte er besonders gerne sein Missfallen zum Ausdruck, er durfte sich seinem Vater gegenüber keinen Lapsus erlauben, schon wurde er abgekanzelt wie ein dummer Junge, selbst vor Ohrfeigen schreckte der Patriarch nicht zurück, und das in seinem Alter von fast fünfzig Jahren. Nun, wie hieß es so schön, der Alte hatte die Hosen an, und zwar in jeder Situation und in jeder Beziehung. Der einzige Vertraute des Seniors war Milos Zikmund, sein Vetter, mit ihm besprach er alle Einzelheiten der Vorgehensweise wie das Vermögen gemehrt und bewahrt werden konnte.

Selbst in Lokalen, egal wie gut oder schlecht sie waren, hatte man den Eindruck, es müsse sich alles nur um den Patriarchen und dessen Gäste drehen und jeder müsse nach seiner Pfeife tanzen. Er erwartete offensichtlich, dass die Kellner, sobald er die Räumlichkeiten betrat, alles stehen und liegen lassen sollten, nur um sich sofort um ihn und sein Anliegen zu kümmern.

In den Restaurants, in denen er häufiger verkehrte, waren sein Gebaren und seine Präferenzen bekannt, man ging auf ihn ein und die servilen Bediensteten kümmerten sich fast ausschließlich um den Patriarchen und seine Begleitung. Meist kam der Geschäftsführer des Betriebes sofort mit ausladenden Schritten herangeeilt und fragte devot mit einem tiefen Kotau nach den Wünschen des Gastes und ob der reservierte Tisch den Vorstellungen des Herrn entspräche. Diese Unterwürfigkeit des Personals wurde am Ende des Besuchs immer mit einem üppigen Trinkgeld belohnt.

Auch zu seinem Hauspersonal hatte er im Allgemeinen einen recht rüden Ton, obwohl er unerwarteterweise großzügig sein konnte, wenn ein Mitarbeiter Probleme hatte, die er nicht lösen konnte. In solchen Fällen ließ er auch gerne sein Herz erweichen und half ohne Federlesens. Als vor einigen Monaten der Gärtner ein zu bedrücktes Gesicht zeigte und die Rosen um das Haus nicht zur vollen Zufriedenheit des Chefs beschnitten waren, bekam der Gärtner zunächst einmal die Meinung des Seniors zu hören und dies nicht zu knapp. Als er dann wie ein getretener Hund abziehen wollte, fragte Sobotka, ob etwas nicht in Ordnung sei und der Bedienstete gab zögerlich zu, dass sein Sohn einen Unfall mit dem Fahrrad verschuldet habe und er keine Versicherung habe, die für den Schaden an dem Auto des Unfallgegners aufkäme. Dazu kämen noch die Behandlungskosten des Sohnes, der das Schultergelenk gebrochen habe, für die er auch privat aufkommen müsse. Geld, das er nicht habe, und die Bank wolle ihm keinen Kredit gewähren. Sobotka hatte kurz auf seine Schuhspitzen geblickt, dann den Gärtner fixiert und gemeint, er solle sich im Büro einen Scheck abholen, der die Kosten wohl decken werde. Der Scheck deckte nicht nur die Kosten des Unfalls, sondern es blieb sogar noch etwas übrig. Von Rückzahlung des Betrages war danach nie die Rede gewesen. Also hatte die raue Schale auch ein weiches Innenleben, was aber nicht allzu oft nach außen gekehrt wurde.

Jáchim klopfte abermals, diesmal kräftiger und er hörte einen gedämpften Laut, den er als Aufforderung interpretierte einzutreten. Seine Schritte in dem Raum wurden durch dicke orientalische Teppiche gedämpft. Grußlos trat er näher an den Schreibtisch heran. Der Alte thronte in seinem gepolsterten Bürosessel und telefonierte, der Schreibtisch war fast leer, was der Sohn als kein gutes Zeichen ansah, wahrscheinlich bekam er mal wieder die Launen des Alten zu spüren. Der Vater telefonierte auf Deutsch, was er fast akzentfrei beherrschte, wie die meisten im Norden Tschechiens, nicht nur wegen der Nähe zu Deutschland, sondern immer noch als Folge der historischen häufigen Besetzungen deutschsprachiger Mächte.

Obwohl Jáchim das Zimmer nur zu gut kannte, sah er sich um, nichts war verändert, alles war wie immer. Das „Allerheiligste“ war spärlich möbliert. Der dunkelgrüne Wandanstrich und der dichte bordeauxrote Teppichboden dämpften sowohl den Lichteinfall als auch den Geräuschpegel. Das Ticken einer alten Wanduhr entließ ein überlaut erscheinendes monotones Geräusch, das die Grabesstille des Zimmers noch betonte. Vor der großen Fensterfront stand der massive abgegriffene Schreibtisch mit dunkelgrünen Ledersesseln im englischen Stil. Eine Wand wurde von einem bedeutungsschweren Bücherregal eingenommen, in dem nicht nur alte ledergebundene ungelesene Bücher verstaut waren, sondern auch Unmengen von Ausstellungskatalogen aus aller Welt, die von des Alten Leidenschaft zeugten. Wann immer es möglich war, besuchte er eine Kunstauktion oder eine museale Ausstellung berühmter Maler, vornehmlich Expressionisten. Einige seiner Lieblingsbilder hingen an den Wänden, ob Originale oder Fälschungen war dem Junior nicht bekannt, aber eigentlich auch egal, jedenfalls sahen sie in ihren üppigen Rahmen extrem teuer und exklusiv aus. Die Motive der Bilder hatten keinen sinnhaften Zusammenhang, es gab gemalte Landschaften neben verzerrten Porträts oder nackten Frauen auf einem Diwan oder einem Sofa. Auch wenn die Bilder nicht echt sein sollten, verschafften sie doch dem Besucher einen Respekt einflößenden Eindruck.

An der gegenüber liegenden Wand war eine Bar aufgebaut, genau wie die restlichen Möbel in einem dunklen Holz gehalten, wahrscheinlich Mahagoni, ein Imitat hätte der Alte bestimmt nicht akzeptiert. Auf dem Tresen stand wie immer, so auch heute, eine Großflasche von dem eklig süßen Kräuterschnaps Becherovka. Das Zeug trank der Alte leidenschaftlich gerne, mindestens drei Mal täglich aus einem schweren kristallenen Whisky-Tumbler.

Das Telefonat beendete der Senior mit einem unfreundlichen Grunzen. Mit einer Kopfbewegung in Richtung Sitzmöbel forderte er seinen Sohn auf, sich zu setzen. Auch das war kein gutes Zeichen. Der Patriarch fixierte mit seinen stahlblauen Augen seinen leichtlebigen Sprössling. Er schwieg. Er sah ihm in die Augen und schwieg. Man hätte den Eindruck gewinnen können, er wolle seinen Sohn hypnotisieren. Jáchim fühlte sich zunehmend unwohl, die Gewitterluft des Zimmers nahm bedrohliche Formen an, er fistelte nervös an dem Reißverschluss seiner Fleecejacke herum und versuchte erfolglos dem strengen Blick seines Vaters auszuweichen.

Der Alte erhob drohend seine sonore Stimme: „Was zum Teufel hast Du in Köln gemacht?“

„Wieso, was soll ich schon Großartiges gemacht haben? Das Übliche, was ich immer da mache. Geschäfte abgewickelt, genau wie Du das wolltest.“ Dabei blickte er hilfesuchend in Richtung Becherovka, wenigstens das liebte der Alte.

Der Patriarch zeigte am ausgestreckten Arm mit dem Zeigefinger auf ihn, eine Geste, die Jáchim schon als Kind gefürchtet hatte. „Erzähle genau, was Du alles gemacht hast. Lasse nichts aus und belüge mich nicht. Ich habe bereits Kenntnis von einigen Vorgängen in Köln. Falls Du mich belügen solltest, fliegst Du für alle Zeiten aus diesem Tempel und kannst Dir einen Job als Müllmann suchen, falls Du Dich wenigstens dazu eignen solltest, was ich bezweifele.“

Der Junior begann zögerlich und stammelnd, sein Kopf war bis auf die halblangen dunklen Haare mit Mittelscheitel rot angelaufen. War es Aufregung oder Schuldbewusstsein? „Ich habe mich, genau wie Du wolltest, mit Stádnik getroffen und die Lieferung übergeben. Dann hat er behauptet, die Marktlage hierfür sei äußerst schlecht und der Marktpreis sei erheblich gesunken. Er wollte nicht mehr den bisher üblichen Preis bezahlen. Ich habe vehement protestiert, aber er zeigte mir die kalte Schulter, er ließ sich nicht erweichen. Ich habe damit gedroht, die Geschäftsbeziehungen abzubrechen, aber er blieb stur. Er meinte ich könne getrost versuchen, bei einem anderen Händler mehr aus der Lieferung herauszuschlagen. Schließlich habe ich zähneknirschend den angebotenen Preis, den er auf mein Drängen hin noch etwas nach oben korrigiert hatte, akzeptiert. Ich hätte nicht gewusst, an wen ich mich ansonsten hätte wenden können. Der Aufbau neuer Vertriebswege lässt sich nicht innerhalb kürzester Zeit bewerkstelligen. Dann habe ich das Geld genommen und bin zu unseren Banken gegangen, habe die Scheine auf die verschiedenen Konten eingezahlt und die Überweisungen für die Teilbeträge auf wieder andere Konten veranlasst, genauso wie immer. Das war´s, was war denn daran so schlimm? Ich befand mich in einer Zwangslage. Stádnik hatte mir noch gesagt, er wolle Dich anrufen und die Preise neu verhandeln.“

Der Alte schwieg und sah nur starr in die Richtung seines Sohnes und dachte nach, nippte an seinem Tumbler und schüttelte den Kopf: „Das meine ich nicht. Das mit dem Verhandeln kriege ich schon geregelt, auf ein paar tausend Euro kommt es mir dabei nicht an. Ich will wissen, was Du in Deiner Freizeit gemacht hast. Und denk daran, ich betrachte Weglassung als Lüge.“

„Na ja, hinterher, als ich alles erledigt hatte, bin ich eine halbe Stunde spazieren gegangen, die Kölner Innenstadt hat immer was zu bieten, in einer Bar habe ich dann ein paar Glas getrunken und dann, ab ins Bett.“

„Was und wieviel hattest Du getrunken? Und in wessen Bett bist Du gelandet?“

„Ist das hier ein Verhör, oder was?“

„Wenn Du so willst, dann ist es ein Verhör, ich will die Wahrheit herausfinden. Also rede!“

„Och, der Abend plätscherte so dahin. Ich habe nicht viel getrunken, vielleicht fünf oder sechs Whisky und ein paar Glas Bier.“

„Wie ich Dich kenne, waren das doppelte Whisky gewesen und gegessen hattest Du auch noch nichts.“

„Nur ein bisschen Fingerfood und ein paar Erdnüsse, was so in den Hotelbars zur Happy Hour angeboten wird. Ich war nicht hungrig, ich hatte ausgiebig gefrühstückt.“

„Der Patriarch stützte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich angriffslustig vor. „Ich verliere langsam die Geduld, ich habe Dich gebeten, mir alles zu berichten und zwar lückenlos. Du hast auch meine Frage nicht beantwortet, in wessen Bett Du geschlafen hast und mit wem.“

Der Junior war jetzt denn doch nervös, er wusste genau wie wild sein Vater werden konnte, er neigte stark zu jähzornigen Attacken, diese Ausfälle taten ihm oft hinterher leid, aber dann war es meist zu spät. Während dieses Jähzorns wusste er oft nicht, was er tat oder besser nicht tun sollte. Ihm war absolut klar, dass es jetzt auf jede Kleinigkeit in seinem Bericht ankam. „Ich bin ja manchmal zu dieser Ludmila gegangen, Du erinnerst Dich, sie nennt sich Yvonne, aber diesmal hatte ich eher Lust auf die Freundin von ihr, eine Chantal, die war aber nicht verfügbar, also bin ich an den PC in der Hotellobby gegangen und habe im Internet nach einem blonden Mädchen gesucht. Alles nicht mein Geschmack oder nicht verfügbar. Also habe ich doch Ludmila wieder angesteuert, um ein bisschen Spaß zu haben. Da wusste ich zumindest, was auf mich zukam.“

„Und die war verfügbar, wie Du es ausdrückst?“

„Ja, allerdings, ich hatte sie bereits von hier aus gebucht, sonst wäre sie wahrscheinlich auch nicht frei gewesen. Ich hätte immer noch unter einem Vorwand absagen können. In Köln war eine Lebensmittelmesse, alle Hotels waren belegt und die Mädels beschäftigt, es war selbst schwierig, einen Tisch in einem besseren Restaurant zu reservieren. Die Jungs aus dieser Branche scheinen ziemlich hungrig und potent zu sein.“

„Bleib bitte sachlich. Du warst also grundsätzlich bereit gewesen, zwei Damen gleichzeitig zu bezahlen? Na, mir soll es gleich sein, wo Du dein Geld verplemperst. Erzähle weiter.“

„Ja also, dann bin ich zu Ludmila gefahren und habe die Nacht bei ihr verbracht. Ich habe auch nicht bereut, dass keine Blondine verfügbar war, bei der Klasse der Dame. Aber das war auch schon alles, ich schwöre. Am nächsten Tag habe ich mich dann in mein Auto gesetzt und bin zurückgereist.“

„Was habt ihr denn besprochen, ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr die ganze Nacht im Bett aktiv wart. Jetzt soll alles auf den Tisch. Ich will alles wissen. Ich will wissen was und wieviel ihr getrunken habt, wie oft ihr gebumst habt, wieviel Du ihr bezahlt hast und nicht zuletzt, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, ich will wissen, was Du ihr erzählt hast.“

Wieder stockte der Junior, es war offensichtlich, dass er etwas zu verbergen hatte. Er pflückte einige imaginäre Flusen von seinem Ärmel. „Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Also sie ist eine phantastische Professionelle, sie hat mich drei Mal zum Orgasmus gebracht, obwohl ich schon was getrunken hatte. Wir haben zwei Flaschen Champagner getrunken und bezahlt habe ich das Übliche, tausend Euro, sie war es aber auch wert. Alles war sauber, wie immer und es ging alles in allem sehr gesittet zu. So, jetzt kennst Du alle Details. Bist Du jetzt zufrieden? Mir ist immer noch nicht klar, was das Verhör bringen soll, willst Du auch mal bei ihr buchen?“

Der Alte lachte kurz und trocken auf. „Aus dem Alter bin ich heraus. Nebenbei, bei einem Besuch im Bordell von gesitteten Zuständen zu sprechen, ist ja wohl ein Witz. Das zeigt mir nur, dass Du die Relation zum normalen Leben verloren hast. Wie oft habe ich Dir schon vorgebetet, Du sollst Dir eine nette Frau suchen und ein anständiges Leben führen, aber auf mich hörst Du ja nie. Und jetzt letztmalig, w a s

h a b t I h r b e s p r o c h e n? Als Ihr das französische Blubberwasser getrunken habt, hast Du doch garantiert nicht nur auf ihre Titten gestarrt. Was hast Du über uns und unser Unternehmen erzählt?“

Auf der Stirn Jáchims war eine Ader dick geschwollen, sein Kopf war wieder rot angelaufen, feine Schweißperlen sammelten sich zu feinen Bächen. Er kramte umständlich ein Papiertaschentuch aus seiner Jeans und tupfte seine Stirn trocken. Ihm war mittlerweile völlig klar, was sein Vater wollte, nun überlegte er krampfhaft, wie er sein Gerede in Köln in einem möglichst unverfänglichen Licht darstellen konnte. Irgendetwas hielt der Alte in der Hinterhand, was er ihm nach einem Geständnis um die Ohren knallen würde. „Sie hat mich gefragt, was ich so beruflich mache, und da habe ich ihr gesagt, ich sei in der Finanzbranche ein Bote für besondere Fälle. Sie wollte dann mehr wissen und bohrte weiter. Ich habe ihr dann nur noch gesagt, dass ich aus Teplice stamme und wir dieses Haus hier

besitzen. Mehr habe ich ihr nicht gesagt.“

Der Patriarch knallte zum wiederholten Mal die flache Hand auf den Schreibtisch, so dass sein mittlerweile leerer Tumbler hochkatapultiert wurde. „Verdammt nochmal, ich habe Dir gesagt, Du sollst nicht lügen. Du hast doch garantiert mehr gesagt. Die junge Frau hat mich nämlich angerufen und sie kannte etliche Einzelheiten über dieses Haus und das Geheimnis, das es birgt. Sie hatte derart viel Insiderwissen, dass das Geheimnis jetzt keins mehr ist. Und Du willst nichts gesagt haben? Das glaube ich Dir nie und nimmer, ich lasse mich von Dir nicht für dumm verkaufen!“

Erschrocken starrte Jáchim seinen Vater an. So richtig konnte er sich gar nicht mehr erinnern, was er dem Mädchen so alles erzählt hatte, denn dafür hatte er denn doch etwas zu viel getrunken an dem besagten Abend. Wenn er versuchte, die Alkoholmenge des Tages zu summieren, kam er schon zu dem Schluss, dass seine Erektionen einem mittleren Wunder gleichgekommen waren. Vielleicht war es aber auch nur die perfekte Handwerkskunst der tschechischen Schönheit in Köln. Er begann langsam und stotternd sein Geständnis: „ich glaube, ich habe ihr ein bisschen von Deinem Haus erzählt und von der Geschichte Deines Vaters als Widerstandskämpfer.“

Der Alte schüttelte verständnislos den Kopf, er verdrehte die Augen und ließ dann seinen Blick durch den Raum wandern. Er konnte jetzt nicht seinem Sohn in die Augen blicken, zu groß war sein Groll. „Und was ist mit der Geschichte des Gewölbes und dessen Inhalt, hast Du auch darüber etwas preisgegeben?“

Sein Vater konnte deutlich bemerken, wie unwohl sich der Sohn in seiner Haut fühlte, der sich derart in die Enge getrieben fühlte, dass er nur noch wie ein verletztes Wildbret die Flucht nach vorne antreten konnte und das auf Gedeih und Verderb. „Das ist hier eine Atmosphäre wie bei einem Polizeiverhör. Was soll ich denn in Deinen Augen schlimmes getan, dass Du mich derart angreifst? Es ist doch wohl kein Verbrechen, mit einer wunderhübschen Frau ein bisschen zu knutschen. Das gehört nun mal zu meiner Natur und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Was hat Ludmila denn am Telefon gesagt, dass Du mich auf diese Art attackierst?“

Sichtlich um Fassung bemüht strich der Patriarch die Schreibtischplatte glatt. Dann stand er auf, ging zur Bar und goss sich einen Fingerbreit Becherovka in sein Glas. Er blieb an der Bar stehen, als wolle er zu seinem Sohn den geistigen Abstand auch in das Räumliche übertragen. Diesen Abstand hatte er bereits seit geraumer Zeit auch gefühlsmäßig aufgebaut. Langsam und kaum hörbar fuhr er fort: „Ich habe Beweise, dass Du ihr mehr erzählt hast, als Du jetzt zugibst.“ Er trank einen kleinen Schluck. „Die Dame, wie Du sie nennst, erpresst uns oder versucht es jedenfalls. Sie kennt genügend Details über unser Geschäft und unser Vermögen, dass sie uns ruinieren könnte, wenn sie sich an die Presse oder die Polizei wendet, womit sie uns droht. Sie will eine Million Euro haben, damit sie nicht an die Öffentlichkeit tritt oder die Polizei einschaltet.“

„Meinst Du, sie droht nur damit, oder glaubst Du, sie würde das wirklich tun? Ich kenne sie etwas besser, man kann sie bestimmt mit einem kleineren Betrag zufriedenstellen. Ich denke ein paar tausend Euro würden ihr auch reichen.“

Sobotka Senior machte eine wegwerfende Handbewegung. „Und wenn nicht? Wenn sie alle paar Monate wieder mit weiteren Forderungen kommt? Willst Du die etwa hier als Partnerin haben? Und wenn Du, mein Sohn, weiterhin als Partner hier im Geschäft bleiben willst, gebe ich Dir einen guten Rat. Du hast die Suppe eingebrockt und jetzt kannst Du sie auch auslöffeln, und zwar sofort. Und noch etwas, ich will, dass Du über jeden Schritt, den Du planst, Milos informierst. Ich persönlich will nichts mehr davon wissen. Und denk dran, das ist nun wirklich Deine letzte Chance!“

Er versuchte noch einen letzten Tropfen aus seinem Glas zu trinken, setzte es schwungvoll ab und ging für sein Alter erstaunlich kraftvoll hinaus. Die Tür fiel krachend ins Schloss. Er ließ einen eingeschüchterten Sohn ratlos zurück.


Rachegold

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