Читать книгу Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden - Axel Stommel - Страница 10

2 Ein bedenklicher Sonderfall und ein Extremereignis: Haushaltsüberschüsse als Mangelerscheinung, Corona als äußerliche Herausforderung

Оглавление

Der Sonderfall: Haushaltsüberschüsse als Mangelerscheinung

2019 war es soweit: Nachdem der deutsche Bundeshaushalt seit fünf Jahren erstmals nach Jahrzehnten wieder mit einer Schwarzen Null abgeschlossen hatte, erzielte der Bund im ersten Halbjahr 2019 plötzlich sogar einen Überschuss von 17,7 Milliarden Euro.6

Der Bundesfinanzminister war von dieser Entwicklung keineswegs begeistert. Überschüsse zu erzielen war weder seine Absicht noch ist es seine Aufgabe; wie später noch zu begründen sein wird, soll ein Finanzminister vielmehr grundsätzlich und deshalb sogar grundgesetzlich einen ausgeglichenen Haushalt, sprich: die Schwarze Null anstreben. Außerdem hatte der Finanzminister zuvor wiederholt vor Haushaltsrisiken gewarnt: Die fetten Jahre seien vorbei, 2019 drohe eine globale Konjunkturschwäche. Mit ihrer extremen Exportorientiertheit – Deutschland stellt seit Jahren den Weltmeister im Exportüberschuss7 – ist die deutsche Wirtschaft bei globalen Wirtschaftseinbrüchen besonders leicht verwundbar.

Tatsächlich war der Haushaltsüberschuss auch gar nicht auf unerwartet hohe Einnahmen zurückzuführen, sondern in erster Linie darauf, dass bewilligte Ausgaben in großem Umfang nicht abgerufen worden waren. Dies wiederum hatte im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen hatte sich die seit Jahren ausgedünnte öffentliche Verwaltung außer Stande gezeigt, ihre Planungen bis zur Vergabereife zu führen; zum anderen fehlte es, soweit es sich um vergabereife öffentliche Baumaßnahmen handelt, immer wieder an Bauunternehmen, die über hinreichende freie Kapazitäten verfügen.

Exemplarisch: »Jeder dritte Euro für den Schulbau bleibt liegen«, notiert Der Tagesspiegel auf Seite 1 aus der deutschen Hauptstadt und fährt mit seinem Bericht aus der vergleichsweise beschaulichen, vorcoronaischen Zeit fort: »Von knapp 360 Millionen Euro blieben demnach allein 2018 rund 120 Millionen Euro liegen… Als Gründe für die Verzögerungen nennen die Bezirke Personalmangel, Insolvenzen und unwirtschaftliche Angebote. In rund 100 Fällen blieben Angebote sogar ganz aus. ›Die Liste erfolgloser Ausschreibungsverfahren zeigt ganz deutlich: Ausschreibungen müssen vereinfacht und Verfahren entbürokratisiert werden.‹«8

Ein Beispiel von brutaler Banalität: »Entschleunigung – Seit Jahren stockt die Erweiterung der Busspuren. Den Bezirken fehlt das Personal für die Markierungen.«9 Seit 2001 sind deshalb lediglich Busspuren in der Länge von 6,5 Kilometer in der deutschen Hauptstadt hinzugekommen, also durchschnittlich 361 Meter pro Jahr; die Fahrpläne mancher Linienbusse sind Makulatur. Der Ausbau des Fahrradwegenetzes wartet mit ähnlichen Zahlen auf.10 Ausführungen deutlich höherer Komplexität, darunter Beispiele dafür, wie einer öffentlichen Verwaltung in den Jahren der marktradikalen Verblendung ganze Organisations- und Steuerungsfähigkeiten hoffentlich nicht unwiderruflich abhandengekommen sind, findet man in schöner Sammlung z. B. in der »Ökonomie des Alltagslebens«, insbesondere im Kapitel zur »Begutachtung der Schäden«.11

Diese und jede Menge ähnlicher Berichte aus den deutschen Landen zeigen, dass Haushaltsüberschüsse einerseits Folgen einer kaputtgesparten öffentlichen Verwaltung sind, die mit ihrem unzureichenden und abschnittsweise mangelhaften Personal sogar schon unfähig ist, aus ihren bürokratischen Verstrickungen herauszufinden. Zum anderen machen die Berichte deutlich, dass die Überschüsse Folgen einer disproportionalen sektoralen Wirtschaftsentwicklung sind – zu viel Exportindustrie, zu wenig Bauwirtschaft und Handwerk, um es auf eine kurze Formel zu bringen.12

Dass sich mit den überschüssigen, weil nicht verausgabten Milliarden keineswegs all jene Projekte finanzieren und all jene Mängel beseitigen lassen, die MARCEL FRATZSCHER auf seine auszugsweise wiedergegebene lange Liste gesetzt hatte, liegt auf der Hand. Dabei ist FRATZSCHERS Liste noch nicht einmal vollständig.

Demgemäß fällt auf, dass klimawandelbedingte Investitionen fehlen. Das freilich entspricht dem Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Praxis – cosi fan tutte/so machen’s alle (etwaige Ausnahmen bestätigen die Regel). Alsdann fehlen in FRATZSCHERs Liste so wichtige Positionen wie der erbarmungswürdige innere und äußere Zustand unserer Schulen, Hochschulen, der Jugendämter, der Gesundheitsämter, der Lebensmittelüberwachung, der Justiz und der Polizei, die Beseitigung der verheerenden Ausrüstungs- und sonstigen Mängel einer Bundeswehr, bei der kaum etwas fährt, schwimmt oder fliegt, halbwegs angemessene Mittel für die Entwicklungshilfe, die Entschuldung der vielen weiterhin notleidenden Kommunen, die Entwicklung des ländlichen Raumes einschließlich seiner zwölf Millionen zunehmend abgehängter Bewohner sowie die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ganz allgemein.13

Alle genannten Sachverhalte stehen selbst wieder nur stellvertretend für weitere Auf- respektive Ausgaben, die in FRATZSCHERs Mängelliste fehlen – trotz ihrer Länge ist sie zu kurz geraten, zumal es sich bei den soeben genannten Positionen ausnahmslos um ureigene Staatsaufgaben handelt. Dabei kann man dem Staatsapparat nicht einmal vorwerfen, dass er vor seinen Aufgaben weitgehend versagt. Denn sein Versagen ist maßgeblich jener Unterfinanzierung geschuldet, der er seit Jahrzehnten ausgesetzt ist; unter dem Einfluss des Schönheitsideals maßgeblicher gesellschaftlicher Gruppen, die höchstes Gefallen an einem »schlanken«, treffender: einem abgemagerten, schwachen, verschuldeten Staat finden, der ihnen nicht gewachsen ist, ist das Wachstum seiner Einnahmen weit hinter das Wachstum seiner Aufgaben, folglich auch seiner Ausgaben zurückgefallen.

FRATZSCHERs Liste muss deshalb unbedingt um einen weiteren Sachverhalt ergänzt werden. Dieser Sachverhalt nimmt sogar eine Schlüsselposition ein. Er heißt: »Aufstockung und abgestimmte, ertüchtigende Entwicklung der öffentlichen Verwaltung« in ihren verschiedenen Gliederungen und auf ihren verschiedenen Ebenen. »Wir haben zu wenig Personal«, erschallt die Klage überall – auf der Geburtsstation, bei der Lebensmittelüberwachung, in den Gerichtsstuben, vor allem aber in der Verwaltung im engeren Sinn. Hier sind im Zuge der jahrzehntelangen Sparpolitik grundlegende Sach-, Verfahrens- und Organisationskenntnisse und -erfahrungen verloren gegangen, am Ende sogar der Anschluss – die Digitalisierung der Verwaltung zum Beispiel ist ganz offensichtlich grob vernachlässigt worden. Funktionierende Ämter? »Stimmt, es gibt solche Fälle. Aber sie sind die Ausnahme und nicht die Regel«, konstatiert Der Tagesspiegel, kein durch eine systemkritische Haltung aufgefallenes Blatt, recht nüchtern auf Seite 1;14 und Die Welt schlägt Alarm: »Öffentlicher Dienst: ›Wir steuern auf einen Systemkollaps zu‹«.15

Deshalb stauen sich die diversen Mängel dort; der öffentliche Dienst stellt gewissermaßen das Tor dar, durch das viele Posten auf den langen Aufgabenlisten hindurch müssen, wenn sie erledigt bzw. wenigstens endlich in Gang gesetzt werden sollen. Ohne Aufstockung und qualifizierender Entwicklung der öffentlichen Verwaltung droht dieses Tor zum Nadelöhr zu werden.

Hinzu kommt, dass die Mängelverwaltung von den Menschen in Stadt und Land zunehmend als alltägliches Staatsversagen wahrgenommen und »populistisch« verarbeitet wird. Wer kann es den Menschen verdenken,

•wenn reihenweise Schwimmbäder schließen, weil Geld für Bademeister und Instandhaltung fehlen,

•wenn nach dem Muster der deutschen Hauptstadt Heiratswillige monatelang auf einen Termin beim Standesamt, die Eltern von Neugeborenen monatelang auf Geburtsurkunden warten, die ihnen erst das Antragsrecht auf verschiedene gesetzliche Leistungen eröffnen,

•wenn ein den sozialen Zusammenhalt gefährdendes, privates Schul- und Hochschulwesen als schichtenspezifischer Ausweg aus der Misere der öffentlichen Schulen und Hochschulen erblüht,16

um es bei drei Beispielen zu belassen? Staatsversagen gebiert Staatsverdruss. Dass es gerade die Kommunen am unteren Ende der Finanzierungskette sind, aus denen die Zivilgesellschaft ihre Kraft bezieht, wird dabei je nach Einschätzung entweder großzügig oder dümmlich-verblendet übersehen.

Investitionen in eine quantitative, qualitative sowie organisatorische Sanierung und Entwicklung des öffentlichen Dienstes sind – um zum Ausgangspunkt der Überlegungen zurückzukehren – jedoch vor allem deshalb so dringend, weil es ja gerade die Mängel der langsamen und widersprüchlichen öffentlichen Planung, Umsetzung und Verwaltung sind, welche die verspätete, unzureichende, fehlerhafte bzw. ausbleibende öffentliche Auftragsvergabe sowie die daraus resultierenden, aktuellen öffentlichen Haushaltsüberschüsse maßgeblich verursachen.

In einer verdienstvollen Untersuchung hat CORNELIA HEINTZE die Personalausgaben für den öffentlichen Dienst in Deutschland mit denjenigen Ausgaben verglichen, die zum einen im kontinentaleuropäischen, zum anderen im skandinavischen Durchschnitt in den Jahren 1996–2016 verzeichnet sind.17 Im kontinentaleuropäischen Durchschnitt hat sie die Länder Österreich, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Slowakei zusammengefasst, im skandinavischen die Länder Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Sodann hat sie ermittelt, um welche Beträge Deutschland hinterherhinkt bzw. wie viel es Deutschland kostet, den jeweiligen Durchschnittswert zu erreichen.

Das Ergebnis lautet: Um kontinentaleuropäisches Mittelmaß zu erreichen, hätte Deutschland 2016 117,2 Milliarden Euro mehr in sein Verwaltungspersonal, seine Entwicklung sowie seine sachliche und räumliche Ausstattung investieren müssen; um skandinavisches Niveau zu erreichen, wären sogar Mehrausgaben in Höhe von 221,2 Milliarden Euro erforderlich gewesen.18

Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache.19 Sie lautet:

1.Die besagten deutschen Haushaltsüberschüsse sind zu einem erheblichen Teil Folgen seiner unterfinanzierten öffentlichen Dienste – die Überschüsse sind eine Mangelerscheinung, schmälern den Wohlstand und behindern die sozioökonomische Entwicklung des Landes.

2.Um die Mängel, sprich die Überschüsse zu beseitigen und wieder eine öffentliche Verwaltung aufzubauen, die dem Entwicklungsstand des Landes entspricht, werden Mittel namentlich für Personal, Personalentwicklung und Organisation benötigt, welche die wegfallenden Überschüsse weit übertreffen.

Fazit: Die fraglichen Haushaltsüberschüsse stellen die einleitenden Ausführungen über die besorgniserregende Unterfinanzierung des deutschen Staates und seine seit Jahrzehnten praktizierte Sparpolitik nicht in Frage. Vielmehr unterstreichen sie die vorangehenden Ausführungen. Es klingt verwirrend, aber diese Überschüsse sind eine Erscheinungsform der Unterfinanzierung unseres Staates.

Leider stellen solche Haushaltsüberschüsse jedoch stets auch ein Geschenk für all jene dar, die auf oberflächliches Unverständnis bauen und selber an einem schwachen, abgemagerten Staat politisch bzw. ökonomisch, letztlich finanziell interessiert sind. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Es lohnt, einen kurzen Blick auf das zu werfen, was die Berliner Politik mit dem unverhofften Jahresüberschuss geplant hatte, bevor Corona alle Pläne über den Haufen warf. Und zwar sollten 500 Millionen Euro an das Verteidigungsministerium gehen, ein Teil in die Asylrücklagen; 17 Milliarden Euro wollte Finanzminister OLAF SCHOLZ investiert sehen; wo, blieb noch offen. Wirtschaftsminister PETER ALTMAIER plädierte für eine weitere Absenkung des Körperschaftssteuersatzes und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nun auch für jene obersten 3,5 % der Einkommensbezieher, die den Zuschlag derzeit noch zahlen müssen.

Zwar gehört wahrlich nicht viel dazu, um zu erkennen, dass ALTMAIERS Plädoyer absolut keinen Beitrag zur Modernisierung der Wirtschaft darstellt, sondern die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreibt. Trotzdem wurde der Wirtschaftsminister vom scheidenden Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zugleich Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, CHRISTOPH SCHMIDT, nach Kräften unterstützt. Der nämlich erklärte zur Verwendung der Überschüsse: »Neben einer Senkung der Unternehmenssteuern wäre die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages eine Möglichkeit, rasch die richtigen Weichen zu stellen.«20 Davor, dass die Überschüsse auf die mangelhafte Leistungsfähigkeit eines unterfinanzierten Staates zurückzuführen sind, verschlossen die hochrangigen Steuersenkungsbefürworter in bewährter Entschlossenheit die Augen. »Nicht mal ignorieren«, wie man in Wien sagt, lautet die Maxime ihres Verhaltens.

Das Extremereignis: Corona als epochale, exogene Herausforderung

Doch dann kam Corona wie aus heiterem Himmel.21 Mit der Kraft der Kleinen, Winzigen machte es Plänen und Berechnungen auf einen Schlag den Garaus. Aus den 17 bzw. 37 Mrd. Euro Überschuss wurden innerhalb von drei Wochen 600 Milliarden Euro Neuverschuldung.22 Außerdem überfällt die Pandemie eine ausgezehrte Verwaltung im Allgemeinen und ein Gesundheitswesen im Besonderen, das seit Jahren verstärkt Rentabilitätskriterien unterworfen ist. Das Ergebnis: eine Offenbarung, erschreckend; für ganze Regionen der Verwaltung gilt: Land unter; die schönen Überschüsse: Peanuts, den Bach runter; das hochwillkommene Steuersenkungs-Argument für die Freunde des abgemagerten Staates: zerfetzt und vom Winde verweht.

Im Gesundheitswesen, in weiten Teilen zur Privatisierung freigegeben, zeigt sich der Schaden über Nacht; schon am nächsten Morgen tritt zutage, dass das ganze Anreizsystem für Krankenhäuser, Pharmaindustrie und Personalrekrutierung verfehlt ist, ja dass es an der simpelsten Schutzausrüstung für das Klinikpersonal mangelt. Die medizinische Versorgung muss eingeschränkt werden, es droht eine ›Triage‹, d. h. eine Patientenauswahl nicht nach medizinischen Erwägungen, sondern nach denen der Kapazität. Wer soll die wenigen, verfügbaren Schutzmasken erhalten: Die Altenheime, in denen besonders viele Tote zu beklagen sind, die Krankenhäuser, die Gesundheitsämter, die niedergelassenen Ärzte…? Die bayerische Landesregierung verfügt, dass in Bayern produzierter Mundschutz ausschließlich in Bayern veräußert werden darf. In Apotheken wird Kunden anfangs empfohlen, aushilfsweise Heftpflaster der Größe 4 auf den Mund zu kleben.

Plötzlich wird bekannt, dass Deutschland, einst die Apotheke der Welt, infolge bedenkenloser Produktionsverlagerungen in eine fatale Abhängigkeit von chinesischen und indischen Pharmaherstellern geraten ist; einzelne Medikamente werden knapp. Währenddessen fließen Krankenhauskeime ungefiltert in Kanäle und Oberflächengewässer. Die personellen Untergrenzen und Qualifikationen auf Intensivstationen, so erfährt eine erstaunte Öffentlichkeit, können schon im Normalbetrieb nicht eingehalten, die Beatmungsgeräte, soweit vorhanden, nicht rundum sachgerecht bedient werden – wie erst bei Überlast? Personalknappheit in Gesundheitswesen und Altenpflege ist eh schon Dauerthema.

Als »(d)ie offizielle Zahl der Infizierten [am 16. März in der deutschen Hauptstadt] auf 15 Fälle steigt, … sind die bezirklichen Gesundheitsämter damit überfordert, alle Kontaktpersonen zu informieren. Menschen waren tagelang in ihrer Wohnung auf Tests«, notiert Der Tagesspiegel.23 Wer kein Symptom aufweist, wird nicht getestet, und wer eins aufweist, muss Glück haben. Und das, obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) »testen, testen, testen« als erfolgreichste Maßnahme empfiehlt, um die Entwicklung in den Griff zu bekommen.24 Eine repräsentative Stichprobe testen? Ausgeschlossen. Eine Weile später lobt man sich dafür, dass man es geschafft habe, die Kapazität enorm zu erhöhen (auf täglich 3.000 Tests). Der Sonntagskolumnist des Tagesspiegel hat nachgerechnet: »Nach spätestens drei, vier Jahren ist jeder an die Reihe gekommen. Leute, die krank wurden oder tot sind, brauchen ja keinen Test mehr. Anderswo gibt es Drive-ins. Man fährt im Auto hin (oder lässt sich fahren), es ist sicher, dauert Minuten« und sei enorm effizient, konstatiert er konsterniert auf Seite 1.25

Aber dieses Anderswo liegt im Fernen Osten. Noch wochenlang lässt man Flugzeugreisende aus Hochrisikogebieten ohne jede medizinische Kontrolle ins Land, die im Flugzeug auszufüllenden Informationsbögen sammelt mangels Zuständigkeitsregelung niemand ein.26 Der Planungshorizont rückt auf Tagesdistanz heran: »Die Berliner Polizei steht, Stand heute, absolut stabil und ist gut ausgerüstet«, versichert die Polizeipräsidentin in beruhigender Absicht auf Seite 1 der Tagespresse.27

Das medizinische Personal wird in Deutschland, einem der reichsten Staaten dieser Erde, ohne auch nur halbwegs angemessene Schutzkleidung in den Kampf gegen das Virus geschickt. Weil kein Mundschutz für die Bevölkerung verfügbar ist, obwohl das Robert-Koch-Institut noch 2013 darauf hingewiesen hatte, wird dessen Sinnhaftigkeit anfangs offiziös bestritten. Gleichwohl veröffentlichen Massenmedien Bastelanleitungen für einen Basis-Mundschutz im Eigenbau – eine fast schon kuriose Variante der von Corona ins Spiel gebrachten Deglobalisierung.

Im Schengenraum verriegelt man die nationalen Durchgangstüren, dasselbe übrigens auch zwischen einzelnen Bundesländern, ja sogar zwischen einzelnen Landkreisen (in der Ostprignitz dürfen sich nur noch als ansässig gemeldete Ostprignitzer aufhalten, selbst auswärtige Ferienhauseigentümer dürfen ihr Eigentum nicht mehr betreten), der Warenverkehr wird gestaut, Lieferketten zerbrechen, die schöne Just-in-time-Belieferung28 wird auf einmal kritisch hinterfragt. Kooperation, international, regional? Geht unter im ubiquitären Aufschrei des »Wir zuerst«; engste Verbündete bezichtigen einander der Schurkenstaaterei;29 die Erosion der EU- & Euro-Vision schreitet weiter voran.30

Außerhalb des Gesundheitswesens können 200.000 Stellen für Spezialisten und Experten im Öffentlichen Dienst, darunter Amtsärzte, seit Jahren zu den Gehältern, die von Amts wegen gezahlt werden, nicht besetzt werden; die Justiz steht mit der weißen Fahne in der Hand kurz vor der Kapitulation, wichtige Prozesse werden ohne Urteil eingestellt.31 Eine Kuriosität am Rande: Kurzzeitig wurde in Fachkreisen in Erwägung gezogen, ein Bedingungsloses Grundeinkommen zeitlich befristet einzuführen, und zwar schlicht und einfach deshalb, weil die Verwaltung wohl kaum in der Lage sei, sachgerechte Bedingungsprüfungen durchzuführen. Die Mängelliste ließe sich seitenweise fortführen.

Eine Verwaltung aber, die außer Stande ist, Einreisekontrollen auf Flughäfen, Atemmasken, Desinfektions- und Testmittel zu organisieren und repräsentative Testungen u. a. durchzusetzen, ist gezwungen, entschlossene Handlungsfähigkeit mit Hilfe autoritärer Verordnungen unter Beweis zu stellen. Fabrikschließungen, Kontaktverbote, Ausgangssperren – die große Stilllegung (»Lockdown/Shotdown/Shutdown«) zu verordnen fällt ihr unter den gegebenen Umständen deutlich leichter als Atemmasken zu beschaffen, ein Tempolimit auf Autobahnen, ein Werbeverbot für die tödliche Droge Tabak durchzusetzen, den unsäglichen säkularen sanitären Notstand in deutschen Schulen zu beenden oder eine sach- und sozialgerechte Erbschaftsteuerregelung zu gewährleisten.

Um es gehörig zuzuspitzen: Stilllegung der Wirtschaft und physische Distanzierung der Menschen mit all ihren wirtschaftlichen und persönlichen Folgen müssen als bitterer Ersatz für unzureichende Tests, Schutzausrüstungen, Fachpersonal und Krankenhausausstattungen herhalten, damit die Kurve der neu Infizierten abflacht und die diversen Kapazitätsgrenzen und Mängel überbrückt werden können. Eine komplette Verkehrung der Verhältnisse: Bettenzahl und Testkapazität verfügen über Wirtschaft und Gesellschaft! Und enorm kostspielig, dieses Verkehrt-herum!32

Flankierend wird der Regierung die verheißungsvolle Verkündung froher Botschaften wie »Deutschland wird aus der Krise gestärkt herauskommen«, verbunden mit dem Hinweis, man mache es besser als der Nachbar, zum billigen Anfangsgebot der Stunde.

Sowie gigantische Kreditausweitung, Staatsverschuldung und Geldflutung – auch das in der Stunde der Not ein leicht zu erfüllendes Gebot. Besonderen gesetzgeberischen Aufwand fordert es jedenfalls nicht. Vielmehr genügt gewissermaßen ein Fingerschnippen der Exekutive, um dieses Projekt von bisher einzigartiger Größe aus der Taufe zu heben.

Dessen Für und Wider verdient, näher betrachtet zu werden. Dafür gilt es zunächst, den erwähnten zentralen und grundlegenden, den gesamten Blick verstellenden Denkfehler aus dem Weg zu räumen.

6Bund, Länder und Gemeinden erzielten sogar einen Überschuss von zusammengerechnet 37,6 Milliarden Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/08/PD19_322_813.html, zuletzt aufgerufen am 19.2.2020.

7Exportüberschuss-Weltmeister, wohlgemerkt, nicht Exportweltmeister. Für nähere Ausführungen zur Exportüberschuss-Weltmeisterschaft und den Problemen, die sie schafft, s. z. B. AXEL STOMMEL, Basics…, S. 227–262.

8Der Tagesspiegel vom 3.2.2020, Seite 1. Ein paar Seiten weiter hinten, im Lokalteil, kommt das nächste Versagen einer ausgemergelten Verwaltung ans Licht der Öffentlichkeit: »Bei der Ausschreibung für das Schulessen der nächsten vier Jahre ist ein Fehler passiert, der gravierende Auswirkungen haben könnte.« (Ebd., S. 8.) Eigentlich erstaunlich, wie viel trotzdem immer noch klappt. »Routine hält den Laden zusammen«, bieten gestresste Insider als Erklärung an. Leider versagen Routinen gegenüber Neuem, ja sie verhindern angemessenes Handeln. Am Ende droht der Anschluss verloren zu gehen.

9Der Tagesspiegel vom 4.3.2020, S. 8.

10»Spreeradweg verläuft im Sande – Seit 40 Jahren wird über die wichtige Verlängerung nach Spandau diskutiert. Nun soll es losgehen – im Jahr 2024.« (Der Tagesspiegel vom 12.4.2020, S. 12)

11Foundational Economy Collective, Die Ökonomie des Alltagslebens – Für eine neue Infrastrukturpolitik, mit einem Vorwort von WOLFGANG STREECK, Berlin 2019, passim; Anschauungsobjekt ist das Vereinigte Königreich.

12Nähere Ausführungen zur überdimensionierten deutschen Exportwirtschaft und den Schäden, die sie im Lande, in der EU und weltweit anrichtet: s. Anm. 7.

13Es gibt wohl 2.500 einnahmeschwache, überschuldete Kommunen in Deutschland. Besonders häufig sind sie im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Hessen, Nordrhein-Westfalen sowie in Sachsen und Sachsen-Anhalt anzutreffen (so z. B. der saarländische Ministerpräsident TOBIAS HANS im Interview mit dem Deutschlandfunk vom 17.1.2020). In Ortschaften unter 5.000 Einwohnern leben derzeit noch zwölf Millionen Menschen. Ihre Versorgung mit Einkaufs-, Medizin-, Beförderungs-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen wird immer lückenhafter; Stadt und Land klaffen immer weiter auseinander, ganze Landstriche veröden, während die großen Städte überquellen und sich tagebauähnlich ins Umland hineinfressen.

14Der Tagesspiegel vom 4.2.2020.

15Die Welt vom 7.1.2020. Weiter heißt es dort: »Der Beamtenbund schlägt Alarm: Der öffentliche Dienst in Deutschland sei ein ›Sanierungsfall‹, Hunderttausende Staatsdiener fehlen.«

16Mehr dazu bei KLAUS KLEMM u. a., Privatschulen in Deutschland – Trends und Leistungsvergleiche, Schriftenreihe des Netzwerk Bildung, Berlin 2018, S. 17 ff. GABOR STEINGART berichtet: »Die Zahl der Studierenden in Deutschland steigt – eine erfreuliche Nachricht, vor allem für den privatwirtschaftlich organisierten Bildungssektor. Zum Wintersemester 2018/2019 war die Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen mit fast 250.000 so hoch wie nie und fast zehnmal höher als noch im Jahr 2000. Gefragt sind vor allem private Fachhochschulen, an denen fast neun von zehn Studierenden, hauptsächlich in den Fächern Wirtschafts-, Rechts- oder Sozialwissenschaften, eingeschrieben sind. … So wird das staatliche Versagen in der Bildungspolitik zum Geschäft. Die Zukunftsperspektiven für den privaten Bildungssektor sind rosig. Auf den partiell unfähigen Staat als Zulieferbetrieb ist Verlass.« (Steingarts Morning Briefing vom 23.1.2020.)

17Cornelia Heintze, Öffentlicher Dienst zwischen fortgesetzter Auszehrung und Renaissance, Online-Manuskript 2017, http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m1817.pdf sowie http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/170704-C-Heintze-oed-lf-220617.pdf, zuletzt aufgerufen am 19.1.2020. Die Autorin war Lehrbeauftragte für Statistische Methodenlehre an der Freien Universität Berlin sowie Stadtkämmerin in Detmold; weitere Untersuchungen zu der hier vorliegenden Fragestellung sind dem Verf. nicht bekannt.

18Ebd., S. 20.

19Zwar stellen derartige Rechnungen im sozioökonomischen Feld prinzipiell lediglich Schätzungen, Näherungen dar, die immer auch subjektiv beeinflusst sind – in den Sozialwissenschaften gilt auch aus diesem Grunde: Präzision ist Illusion. Aber im vorliegenden Fall liegen die Größen so weit, so signifikant auseinander, dass sie Gewissheit gewähren.

20CHRISTOF SCHMIDT in: Der Tagesspiegel vom 19.1.2020, S. 8.

21Genau genommen, war der Himmel nicht ganz wolkenlos und Corona kein eindeutig exogenes, d. h. außerhalb der Sozioökonomie entstandenes Phänomen. Denn im Ausbruch von Sars im Jahre 2003, sodann von Mers, der Schweine- und der Vogelgrippe H1N1, Ebola u. a. hatte sich die erhöhte Wahrscheinlichkeit pandemischer Ausbrüche einschließlich endogener Ursachen (unablässige Landnahme des Menschen begünstigt das Überspringen gefährlicher Viren von Tieren auf Menschen u. a.) bereits mehrfach angedeutet.

22»Insgesamt hat der Staat die gewaltige Summe von 600 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt«, hat PAUL KIRCHHOF, der ehemalige Verfassungsrichter und Steuerexperte, Stand 6.4.2020 ausgerechnet. »Die Verschuldungsobergrenze wurde um 100 Milliarden Euro erhöht, die Gewährleistungsermächtigungen um 357 Milliarden Euro. Und die Tilgung soll ab 2023 beginnen und 19 Jahre dauern. Das ist ein kühner Zugriff auf die Zukunft.« (PAUL KIRCHHOF in: Steingarts Morning Briefing vom 6.4.2020.) Das das noch nicht alles ist, ist durchaus absehbar.

23Am 22. 4.2020, S. 3.

24»›Wir haben eine einfache Botschaft: Testen, testen, testen‹, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf. ›Man kann ein Feuer nicht mit verbundenen Augen bekämpfen.‹« (Focus vom 16.3.2020, https://www.focus.de/finanzen/boerse/wirtschaftsticker/virus-dringender-appell-der-who-testen-testen-testen_id_11777795.html) »Eine deutliche Ausweitung der Virus-Testkapazität ist entscheidend für die Beherrschung der medizinischen und wirtschaftlichen Herausforderungen und daher für eine tragende Exit-Strategie«, sekundiert die »Mittelständische Initiative – Covid 19« z. B. in einer ganzseitigen Anzeige in: Der Tagesspiegel vom 4.4.2020, S. 15.

Dabei ist zu beachten, dass fast die Hälfte der Infizierten keine Symptome zeigt. Das erhöht die Anzahl der erforderlichen Testungen beträchtlich; es fordert möglichst große und vor allem repräsentative Studien zu den Infiziertenzahlen und den Dunkelziffern, um die echten Infiziertenzahlen halbwegs präzise zu ermitteln. Eine entsprechende, bundesweite bevölkerungsrepräsentative seroepidemiologische Studie kann jedoch frühestens Mitte Mai anlaufen; mit ersten Ergebnissen ist nicht vor Ende Juni zu rechnen.

25HARALD MARTENSTEIN in: Der Tagesspiegel vom 29.3.2020, S. 1.

26So noch am 3.4.2020: »Tatsächlich gab es lediglich eine Passkontrolle – die war allerdings noch an der Flugzeugtür beim Aussteigen. Danach konnte sie direkt nach Hause fahren.« https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/wie-geht-es-uns-/rueckholaktion-japan-berlin-tokio-studentin-kontrolle.html.

27In: Der Tagesspiegel vom 5.4.2020 (Hervorhebung: AS).

28Unter »Just-in-time-Belieferung« ist eine Anlieferung von Rohstoffen, Komponenten und Halbfertigprodukten direkt an die Fertigungsstätte, also möglichst ganz ohne Lagerhaltung, zu verstehen. Just-in-time-Belieferung ist im Zuge digitalisierter Warenwirtschaftssysteme daten- bzw. organisationsablauftechnisch möglich geworden. Aber eben nicht unbedingt realwirtschaftlich.

Grundsätzlich erhöht die Anlieferung ohne jeden zeitlichen Puffer die wechselseitigen Abhängigkeiten in einer Volkswirtschaft enorm, indem alsdann schon lächerlich kleine Ausfälle, gleich ob sie technisch, natürlich oder sozial bedingt sind, genügen können, um große Folgen auszulösen. Die Kölner Ford-Werke können davon ein Lied singen: Hatte sie doch ihr kleiner Zulieferbetrieb aus dem oberbergischen Hinterland mächtig unter Druck gesetzt, als er sich zur Verbesserung seiner Vertragsposition plötzlich geweigert hatte, die vereinbarten und bereitliegenden Kofferraumschlösser zu liefern, und damit die Auslieferung tausender, ansonsten fertiger Pkw verhindert hatte.

29»Die USA fangen Schutzmasken für Berlin ab – Innensenator spricht von moderner Piraterie«, von »Wildwest-Methoden« und vom »Konfiszieren« bestellter und bezahlter Schutzausrüstung durch die USA auf fremden Territorium; der Landesvater legt nach und bezeichnet das Verhalten der Gegenseite »unmenschlich«.

Der Beschuldigte kontert mit dem zwar wenig konkreten, dafür aber umso heftigeren Vorwurf, der Berliner Senat entfalte eine regelrechte »Desinformationskampagne« gegen den Realisator der Luftbrücke: SoDer Tagesspiegel vom 4.4.2020, S. i, bzw. vom 22.4.2020, S. 3.

30Konnten sich besonders hart von der Epidemie getroffen EU- bzw. Euro-Mitglieder wie Italien der Hilfe ihrer besser gestellten EU-Partner sicher sein? Dass sie medizinische Hilfe schicken, dass sie endlich in die Logik einer Währungsunion einwilligen und gemeinsam für die gemeinsame Währung bürgen? Keineswegs. Deutschland verhängte umgehend ein Ausfuhrverbot für medizinisches Gerät.

Wirkungsvolle, erste Hilfe erhielten die Italiener aus China, Russland und Kuba. Aufgrund des katastrophalen Eindrucks, den dieser Vorgang in Zeiten der Not erweckte, erklärte sich Deutschland später zwar schon noch zu halbherzigen Hilfsleistungen bereit – dennoch werden eh schon EU-skeptisch gewordenen Italiener diese Vorfälle nicht vergessen, solange sie leben.

Mit Corona tritt wieder einmal das Grundproblem der EU an den Tag: Während im Bundesstaat USA der New Yorker im Kalifornier einen Landsmann sieht, sieht der Deutsche im Italiener, der Lette im Zyprioten einen Fremden; Polen und Portugiesen verbindet wenig mehr als ihre beiden Anfangsbuchstaben. Für ein »Hier wächst zusammen, was zusammengehört«, fehlt die Grundlage. Für EU und Euro wird die Luft dünner, Corona wird zu einem weiteren Streitpunkt, der die dominanten Merkmale der Politik eines jeden Mitglieds verstärkt hervorkehrt. Es gibt kein ›europäisches Volk‹, sondern nur viele (und viele sind mitunter weniger als eins).

Mehr zu Problemen von EU und Euro bei AXEL STOMMEL, Basics…, S. 227 ff., sowie AXEL STOMMEL, Die Reichen, die Banken, die Schulden und wir, Bad Homburg 2012, S. 15–66.

31So z. B. der Prozess wegen der fahrlössigen Tötung von 21 Teilnehmern der Duisburger Loveparade von 2011.

32Physische Distanz, wohlgemerkt, nicht »soziale Distanz«, wie es auch die promovierte Physikerin im Kanzleramt in grober Verkennung der Unterschiede nennt, ist Ersatz- bzw. Folgegebot. Während die Kosten der physischen Distanzierung nicht quantifizierbar sind (jedenfalls nicht kardinal), sind die Stillstandskosten der Wirtschaft als prozentualer Rückgang des Bruttoinlandsproduktes zumindest grob bezifferbar. Die diesbezüglichen Schätzungen der Experten bewegen sich bei Abfassung dieser Schrift mehrheitlich in einem Korridor zwischen 2,5 und 25 % des Bruttoinlandsproduktes – bereits der kleinere ist ein enormer Wert!

Übrigens kritisiert auch die Denkfabrik der Bundeswehr, das German Institute for Defense and Strategic Studies (GIDS), diesen Preis; in ihrer Studie zur Corona-Pandemie vom 5.4.2020 bemerkt sie mit der ihr gebotenen Zurückhaltung in betriebswirtschaftlicher Sprache und ebensolchem Denkmuster: »Die Fixkosten für die Aufrechterhaltung einer strategischen Reserve, sei es beim Personal oder Material, könnte am Ende weit geringer anfallen als die unmittelbaren Kosten und vor allem die daraus resultierenden Folgekosten, die in einer Krise entstehen. Hier muss Deutschland dringend nachbessern… (I)n Zukunft muss mehr auf die Diversität der Zulieferer, auf Vorratshaltung und Vermeidung von Redundanzen geachtet werden.« Weiterhin wird beklagt, dass alle Welt »offensichtlich blind in eine Katastrophe gerauscht ist.« Mehrfach warnt das Institut vor der Gefahr von Wiederholungen; ein »Nach der Krise ist vor der Krise« durchzieht den ganzen Bericht.

En passant befürchten die militärischen Vordenker, ihrem Auftrag entsprechend, einen Bedeutungsverlust des Militärischen als Folge der Pandemie, nämlich weil »der Begriff ›Sicherheit‹ für die meisten Menschen jetzt und wohl auch auf absehbare Zukunft fest mit Gesundheit, sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit in Verbindung gebracht werden dürfte.« Und ihre Warnung vor dem Antimilitaristen erweist sich übrigens umgehend als begründet; wendet sich doch schon zwei Tage später die deutsche Sektion der mit einem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Ärzteorganisation IPPNW z. B. mit folgendem Aufruf an die Öffentlichkeit: »Es kann nicht sein, dass wir im Dauereinsatz gegen die Folgen der Coronapandemie sind und es überall an medizinischer Ausrüstung fehlt, während gleichzeitig Milliarden in atomare Aufrüstung investiert werden.« (https://kurzlink.de/Brief_IPPNW)

Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden

Подняться наверх