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1. August 14 n. Chr. – Eine Ära geht zu Ende und ein Gott wird geschaffen
ОглавлениеTod und Bestattung
Der Imperator Caesar Divi Iulii filius Augustus verstarb am 19. August 14 n. Chr. Bei seinem Tod war er fast 76 Jahre alt und hatte die Geschicke des römischen Reiches 58 Jahre lang bestimmt. 44 Jahre davon (ab 31 v. Chr.) war er im Grunde unumstrittener Alleinherrscher gewesen. Kaum ein Bewohner des römischen Reiches konnte sich im Sommer 14 n. Chr. an eine Zeit ohne Augustus erinnern oder war gar in der Zeit vor den Bürgerkriegen, die in Abgrenzung vom Prinzipat in Anlehnung an Cicero als libera res publica (freier Staat) bezeichnet wurde, politisch aktiv gewesen. Sein Tod stellte eine Zäsur dar, und die Ereignisse um die Bestattung des Augustus werden in den Quellen daher auch detailreich geschildert.
Quelle
Bestattung des Augustus Suet. Aug. 100, 2–4
Im Senat entbrannte in dem Bemühen um eine prachtvolle Ausrichtung der Beisetzungsfeierlichkeiten und darum, dem Andenken des Toten Ehre zu erweisen, ein regelrechter Wettstreit, so dass es so weit ging, dass unter vielem anderen einige Senatoren den Antrag stellten, der Leichenzug sollte durch das Triumphtor ziehen, dabei solle das Bild der Siegesgöttin vorangetragen werden, das in der Curia stehe, und Kinder beiderlei Geschlechts aus den vornehmsten Familien sollten das Trauerlied singen. Andere beantragten, am Tage des Begräbnisses solle man die goldenen Ringe ablegen und eiserne anstecken. Einige schlugen vor, die Priester der obersten Kollegien sollten die Gebeine aufsammeln. Einer empfahl, den Namen des Monats Augustus auf den September zu übertragen, weil in diesem Augustus geboren sei, in jenem gestorben. Ein anderer war der Meinung, man solle den gesamten Zeitraum vom Tag seiner Geburt bis zu seinem Todestag das Augusteische Zeitalter nennen und es so in den Kalender aufnehmen. Den Ehrungen hat man aber das rechte Maß gesetzt und nur zwei laudationes gehalten: die eine hielt Tiberius vor dem Tempel des Divus Julius, die andere Drusus, der Sohn des Tiberius, vorn auf der alten Rednertribüne, und Senatoren trugen den Leichnam auf ihren Schultern bis zum Marsfeld, dort wurde er verbrannt. Und es gab auch einen Mann im Range eines Prätors, der schwor, dass er gesehen habe, wie das Abbild des Verbrannten in den Himmel aufgestiegen sei. Die sterblichen Überreste sammelten die vornehmsten Angehörigen des Ritterstandes in der Tunika, ohne Gürtel und mit bloßen Füßen auf und setzten sie im Mausoleum bei. (Übersetzung H. Martinet)
Augustus hatte für den Fall seines Ablebens sowohl politisch wie auch persönlich präzise Vorkehrungen getroffen. Möglicherweise leitete ihn dabei die Erinnerung an Caesars plötzlichen Tod 44 v. Chr. und die chaotischen Szenen bei dessen Bestattung. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Augustus das von ihm erschaffene Herrschaftsgefüge nach seinen Vorstellungen weitergeführt wissen wollte und daher über den eigenen Tod hinaus Anweisungen hinterlassen hatte, die unter anderem einen Tatenbericht (res gestae) enthielten, der sein Leben in der eigenen Deutung darstellte und prominent am Mausoleum in Rom angebracht werden sollte.
Schon der Leichenzug (pompa funebris) erinnerte eher an einen Triumphzug als an die großen Leichenzüge berühmter Männer der Republik. Denn neben den üblichen Bildern der berühmten Vorfahren wurden auch die Bilder der von Augustus unterworfenen Völker mitgetragen. Der vergöttlichte Caesar fehlte zwar im Leichenzug, da die Leichenreden (laudationes funebris) des Adoptivsohnes und designierten Nachfolgers Tiberius und seines Sohnes Drusus des Jüngeren aber vor dem Tempel des Divus Julius gehalten wurden, war dieser wichtigste der augusteischen Vorfahren doch prominent genug vertreten. Cassius Dio berichtet, Tiberius habe den Augustus mit dem Halbgott Herakles verglichen, der wegen seiner Leistungen vom Scheiterhaufen auf den Olymp entrückt worden war. Diese Rede zielte bereits stark darauf ab, Augustus zum Staatsgott zu erheben. Nach Cassius Dio beendete Tiberius seine Rede mit den Worten: „Wir dürfen ihn darum auch nicht betrauern, sondern sollen nunmehr seinen Leib der Natur zurückgeben, während wir seine Seele gleich der eines Gottes für alle Zeit verherrlichen.“ (Cass. Dio 56, 41, 9) Nach der Zeremonie auf dem Forum trugen die Senatoren den Toten zum Marsfeld, wo außerhalb des pomerium, der sakralen Stadtgrenze, ein riesiger Scheiterhaufen errichtet war. Es folgten die Magistrate, die Priesterkollegien, die übrigen Senatoren, die Ritter, die Soldaten und die Bevölkerung. Der Leichnam des Augustus wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt und man ließ einen Adler steigen, um darzustellen, dass die Seele des Verstorbenen von den Göttern in den Himmel geholt worden sei. Es blieb damit auch kein Zweifel, dass die Erhebung zum Staatsgott ein Akt göttlichen Willens war, den der Senat nur bestätigte. Ein Mann im Rang eines Prätors schwor einen Eid, dass er den Aufstieg des Augustus vom Scheiterhaufen in den Himmel gesehen habe. Nachdem der Scheiterhaufen abgebrannt war, sammelten die führenden Ritter die Knochen des Toten ein und setzten diese im Mausoleum des Augustus bei.
Konsekration
Am 17. September fand dann die erste Senatssitzung der nachaugusteischen Epoche statt, in der beschlossen wurde, dem Augustus einen offiziellen Staatskult einzurichten. Ähnlich wie bei der Divinisierung Caesars durch die lex Rufrena 42 v. Chr. wurde sicherlich ein Gesetz erlassen, das den Beschluss zur Vergöttlichung regelte und für alle Bürger verbindlich die Einrichtung eines neuen Kultes festschrieb. Augustus wurde nun zum Divus Augustus, zum göttlichen Augustus, er erhielt einen Priester, einen Tempel und Opfer zugesprochen. Leider gibt es von dem monumentalen Tempel, der in der Senke zwischen Palatin und Kapitol lag, keine Reste, sondern nur Abbildungen auf Münzen. Die relativ späte Weihung der aedes im Jahr 37 n. Chr. durch Kaiser Caligula, den Nachfolger des Tiberius, führt zu der Vermutung, dem Tiberius habe wenig an der Vergöttlichung und kultischen Verehrung seines Vorgängers gelegen. Die Priesterschaft, die nun eingerichtet und mit dem Kult des Augustus betraut wurde, trug den Namen sodales Augustales, nach dem Vorbild einer Priesterschaft, die für den Stadtgründer Romulus in mythischer Zeit eingerichtet worden war. Zu den ersten Mitgliedern dieser neuen Augustus-Priesterschaft gehörten die Angehörigen des Kaiserhauses (Tiberius, Germanicus, Claudius, Drusus der Jüngere) und wohl die höchste Führungsschicht des Reiches. Der erste Priester des Augustus (flamen Divi Augusti) wurde sein Adoptivenkel Germanicus, designierter Nachfolger des Tiberius. Interessanterweise wurde auch Livia, die Witwe des Augustus, zur Priesterin ihres verstorbenen Mannes ernannt (sacerdos divi Augusti). Zu den weiteren Ehrungen für den neuen Gott Augustus gehörte es, dass mehrtägige Feste und Spiele zu seinen Ehren in den römischen Festkalender integriert wurden: So feierte man von nun an die Augustalia zwischen dem 3. und 12. Oktober und die ludi Palatini vom 17. bis zum 19. Januar.
So weit gab es im Senat Einigkeit, was die Beschlüsse über den toten Herrscher anging. Wie aber sollte es nun mit der Herrschaft, dem Prinzipat, weitergehen? Der 17. September 14 n. Chr. erscheint als historisch bedeutsamer Moment, denn zum ersten Mal musste das von Augustus geschaffene Herrschaftssystem an einen Nachfolger aus der Familie übertragen werden. Jenes Herrschaftssystem, das die moderne Forschung Prinzipat nennt, war eine kaum verhüllte Monarchie. Die Kaiser selbst stellten es aber als Fortsetzung der römischen Republik dar.
Stichwort
Prinzipat
Bezeichnet die von Augustus 27 v. Chr. geschaffene Herrschaftsform, die als Kompromiss zwischen dem aus dem Bürgerkrieg siegreich hervorgegangenen Prinzeps Augustus und dem Senat inszeniert wurde. Rechtlich abgesichert wurde die führende Position des Prinzeps durch republikanische Amtsgewalten und Befugnisse, die allerdings modifiziert und damit ihres republikanischen Charakters entledigt wurden. Faktisch beruhte die Macht des Augustus auf seiner Kontrolle des Militärs, seiner Herkunft, seiner sakralen Sonderstellung, seinen Klientelbeziehungen und seinem Reichtum. Sozial resultierte die Führungsrolle aus der im pater patriae-Titel verankerten Schutzfunktion für das gesamte Reich.
Wie sollte die Herrschaft weiter ausgeübt werden? Gab es überhaupt einen Spielraum? Entscheidende Regelungen waren von Augustus bereits zu seinen Lebzeiten in die Wege geleitet worden: Er hatte dafür gesorgt, dass der designierte Nachfolger Tiberius die beiden entscheidenden Kompetenzen der Herrschaftsausübung bereits innehatte – seit seiner Adoption 4 n. Chr. besaß er die tribunicia potestas und seit 13 n. Chr. war er Inhaber des imperium proconsulare maius. Entsprechend hatten bereits unmittelbar nach dem Tod des Augustus die beiden Konsuln sowie der Prätorianerpräfekt den Treueeid auf Tiberius abgelegt.
Stichwort
tribunicia potestas
Beinhaltet sämtliche Befugnisse und Privilegien der Volkstribunen, vor allem das Antragsrecht vor der Volksversammlung bezüglich Gesetzesinitiativen und Strafanklagen, das Recht, Senatssitzungen anzuberaumen, ein allgemeines Hilferecht gegenüber jedermann, das vor allem eine Schutzfunktion für betroffene Bürger gegenüber Willkürakten einzelner Magistrate einschloss, sowie das Vetorecht gegenüber allen Handlungen sämtlicher Magistrate bis hinauf zu den Konsuln.
imperium proconsulare maius
Erstreckte sich auf das ganze Reichsgebiet und ermöglichte es dem Prinzeps, auch in Senatsprovinzen dem jeweiligen Statthalter übergeordnet zu sein.
Mit dieser staatsrechtlichen Übertragung der Macht musste auch die privatrechtliche einhergehen. Denn der Prinzipat beruhte eben nicht ausschließlich auf potestas, also Machtbefugnissen, sondern zu einem großen Teil auch auf weiteren zentralen Pfeilern: der auctoritas des Prinzeps, seinem sozialen Prestige und seinem wirtschaftlichen Vermögen.