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5. Am Anfang ein Mord: Was geschah mit Agrippa Postumus?

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Ein weiteres Ereignis überschattete den Beginn der Herrschaft des Tiberius. Wenige Tage nach dem Tod des Augustus wurde sein letzter lebender Enkel und Adoptivsohn Agrippa Postumus ermordet. Ob dieser Mord noch von Augustus in Auftrag gegeben worden war oder von Tiberius befohlen wurde, lässt sich kaum abschließend klären. Der Mord wirft allerdings ein Schlaglicht auf die Probleme beim Herrscherwechsel im Prinzipat.

Agrippa Postumus war im Jahr 12 v. Chr. nur wenige Monate nach dem Tod seines Vaters Agrippa geboren worden. Aus diesem Grund erhielt dieses fünfte Kind der Augustus-Tochter Julia und des engsten Wegbegleiters des ersten Prinzeps den ungewöhnlichen Namen Agrippa Postumus. Er hatte nie die prominente Rolle seiner Brüder Gaius und Lucius in den Nachfolgeplänen des Augustus eingenommen. Die Quellen berichten wenig Positives über ihn, was nachträgliche Konstruktion sein mag. Nach dem Sturz seiner Mutter Julia, die 2 v. Chr. von Augustus verbannt worden war, und dem Tod seiner Brüder geriet dieser letzte Augustus-Enkel zwar in der großen Familienrochade 4 n. Chr. noch einmal in den Fokus, als er von Augustus adoptiert wurde, im Jahr 8 n. Chr. aber folgte er seiner Mutter in die Verbannung. Ebenso wie seine Mutter und seine Schwester, die jüngere Julia, war er unter dem Vorwand unmoralischen Verhaltens, wahrscheinlicher aber wegen eines geplanten Umsturzes gegen Augustus in die Verbannung geraten.

Einige Autoren überliefern, Augustus habe sich kurz vor dem Ende seines Lebens heimlich zu ihm begeben, es habe eine tränenreiche Versöhnung gegeben und Agrippa sei wieder in den Kreis der Nachfolgekandidaten gerückt. Tiberius und seine Mutter Livia hätten dies erfahren und daraufhin sowohl den Augustus als auch den Agrippa Postumus umgebracht. Diese Erzählungen können wohl getrost als tiberiusfeindliche Überlieferung klassifiziert werden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, Augustus habe sich von Tiberius entfernt und den jungen, unerfahrenen und aufgrund illoyalen oder sogar umstürzlerischen Verhaltens verbannten Agrippa Postumus als Nachfolger vorgesehen. Neben Augustus werden in der Forschung trotzdem auch Tiberius und Livia als Auftraggeber des Mordes diskutiert. Aber auch außerhalb der Familie hat man die Hintermänner vermutet: Sallustius Crispius, einer der engsten Berater des Augustus, – so eine These in der Forschung – habe die Anweisung im Namen des Augustus gegeben, um eine reibungslose Übergabe der Herrschaft zu garantieren. Letztlich muss man konstatieren, dass unsere Quellen viele Spekulationen, aber keine gesicherte Aussage zulassen, wer nun hinter der Ermordung des jungen Agrippa zu vermuten ist.

Dass dieser Mord im Sinne der Nachfolgesicherung keine unbegründete Tat war, zeigen Ereignisse, die einige Zeit später zu verorten sind: Ein Sklave namens Clemens trat als Agrippa Postumus auf, erklärte, er sei in Wahrheit den Mördern entkommen, und forderte nun die Herrschaft ein. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Pseudo-Agrippa von einer Gruppe von Senatoren benutzt wurde, um die Herrschaft des Tiberius zu stürzen. Ein plötzlich auftretender Augustus-Erbe schien ihnen dazu geeignet. Es deutet einiges darauf hin, dass diese Gruppe bereits zu Lebzeiten des Augustus die Enkelsöhne – zunächst Gaius, dann Agrippa – gegen Tiberius in Stellung bringen wollte. Vor diesem Hintergrund scheint die vorsichtige Zurückhaltung des Tiberius im September 14 n. Chr. vielleicht ein wenig erklärbarer zu werden. Im Senat existierten Kräfte, die ernsthaft an der Wiederherstellung alter republikanischer Verhältnisse interessiert waren. Auch die Ermordung des seit 1 v. Chr. verbannten Senators Ti. Sempronius Gracchus, der im Zusammenhang mit der Exilierung der älteren Julia verurteilt worden war, fällt in die Monate nach der Regierungsübernahme 14 n. Chr. Die neue Herrschaft des Tiberius sah sich einer Bedrohung gegenüber, die mit jenen Namen verbunden war, die schon von Augustus als Feinde seines Prinzipats wahrgenommen und verurteilt worden waren. Das problematische Verhältnis des Tiberius zum Senat mag daher nicht nur ihm und seinem unglücklichen Agieren geschuldet gewesen sein.

Auf einen Blick

Der Tod des Augustus kam nicht unerwartet. Der erste Prinzeps hatte durch die Übertragung zentraler Kompetenzen und Amtsgewalten, frühzeitige Adoptionen sowie testamentarische Regelungen – nicht zuletzt zu seiner Divinisierung und kultischen Verehrung – die Nachfolge durch Tiberius staatsrechtlich wie privatrechtlich langfristig vorbereitet. Dennoch erwies sich die Übertragung der Macht des Prinzeps als problematisch. Die Widersprüchlichkeiten einer vordergründig als Republik konzipierten Monarchie traten nun offen zutage, und es zeigte sich, dass der für das augusteische Prinzipat so zentrale Faktor der persönlichen auctoritas des Prinzeps kaum übertragbar war, sondern einer stetigen individuellen Erneuerung bedurfte. Hinzu traten persönliche Fehler des Tiberius, innerfamiliäre Konflikte und schwer fassbare Widerstände im Senat. Dieses Konglomerat von Problemen entwickelte sich zu einer schweren Hypothek der tiberianischen Regentschaft in den folgenden Jahren.

Das Römische Reich von Tiberius bis Nero

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