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2. Das Testament des Augustus
ОглавлениеMit seinem Testament hatte Augustus auch privatrechtlich den Schritt der Machtübertragung abgesichert. Um einerseits verstehen zu können, wie Augustus über seinen Tod hinaus weiterwirkte, um andererseits aber auch zu begreifen, welche Zwänge auf Tiberius lasteten, muss man sich die Regelungen jenes privaten Testamentes vor Augen halten, das Augustus 13 n. Chr. verfasst hatte und das nun in der ersten Senatsdebatte nach seiner Konsekration verlesen wurde. Grundsätzlich muss man dem Testament eines Römers eine hohe soziale und kommunikative Bedeutung beimessen. Es repräsentiert nicht nur individuelle Wünsche, sondern gleichermaßen seine gesellschaftliche Eingebundenheit.
Erben und Legate
Dieser letzte Wille verfügte, dass der Adoptivsohn Tiberius und die Witwe Livia als Haupterben – Livia zu einem Drittel, Tiberius zu zwei Dritteln – eingesetzt wurden. Die Enkel Germanicus und Drusus der Jüngere wurden als Erben zweiten Ranges bedacht. Daneben verfügte Augustus, dass 40 Millionen Sesterzen von seinen Erben an die stadtrömische Bürgerschaft (die tribus), die Militärs der Stadt (Prätorianer, römische Kohorten) und schließlich an alle in den Legionen dienenden Bürgersoldaten ausbezahlt werden sollten. Bei diesen Regelungen waren ihm sicherlich die positiven Auswirkungen der Legate (Vermächtnisse) im Testament Caesars in Erinnerung, die er selbst als Haupterbe im Jahr 44 v. Chr. ausgezahlt und mit denen er sich die Loyalität der zivilen und militärischen Anhänger Caesars gesichert hatte. Das private Testament stand also ganz klar unter der Maßgabe des reibungslosen Übergangs der Macht innerhalb der Familie an den vorgesehenen Nachfolger Tiberius. Sowohl staatsrechtlich als auch privatrechtlich hatte Augustus ihm den Weg geebnet.
Adoption der Livia
Die Rolle, die der Witwe des Augustus und Mutter des Tiberius, Livia (58 v. Chr.–29 n. Chr.), eingeräumt wurde, bedarf allerdings einiger Erklärungen: Das Testament legte nämlich für viele sicherlich überraschend fest, dass Livia in die julische Familie adoptiert werden und fortan den Namen Julia Augusta tragen sollte. Sowohl die hohe Summe der Erbschaft als auch diese testamentarische Adoption einer Frau bei gleichzeitigem Vorhandensein eines männlichen Erben und Nachfolgers waren in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Seit 169 v. Chr. existierte infolge der Punischen Kriege ein Gesetz (lex Voconia), das es verbot, Frauen als Erben von Vermögen über 100.000 Sesterzen einzusetzen. Im Falle der Livia berichtet Cassius Dio (56, 32, 1), dass der Senat diese Erbschaft durch eine Ausnahmeregelung abgesegnet hatte – der Senat war also in die Abfassung des Testaments zumindest in diesem Punkt eingebunden. Allerdings scheint es, als sei die testamentarische Adoption der Livia ein sozialer Akt ohne rechtliche Konsequenzen gewesen. Hätte Livia auf einem für Männer belegten Arrogationsverfahren bestanden, wären wohl die innerfamiliären Konsequenzen zu problematisch gewesen, schließlich wäre sie dann die Schwester ihres Sohnes geworden. Die Adoption der Livia muss daher weniger in einem juristischen Sinne verstanden werden, sondern mehr als Versuch, ihre Position sozial und sakral zu festigen. Die Versuche der Livia, aus dem neuen Namen Julia Augusta Kapital zu schlagen, veranschaulichen dies: Sie plante unter anderem einen Adoptionsaltar, eine ara adoptionis, zu errichten, was Tiberius allerdings verhinderte. Hier wird das Muster, das sich hinter dieser Adoption und Livias Einsetzung als Erbin verbarg, deutlich. Augustus scheint eine Art Kontrollinstanz für den von ihm wenig geliebten und vielleicht auch für wenig geeignet erachteten Tiberius geplant zu haben. Dafür stattete er Livia zusätzlich zu ihrem bereits bestehenden Besitz mit großen finanziellen Ressourcen, aber auch mit symbolischem Kapital in Form der Übertragung seines Namens und in Form des Priesteramts in seinem Kult aus. Dies sicherte ihr eine aktive Rolle im Prinzipat über seinen Tod hinaus.
Stichwort
Augustus-Name
Der erstmals am 16. Januar 27 v. Chr. übertragene Name Augustus (der Erhabene) wertet seinen Träger sakral auf, da er an den mythischen Stadtgründer Romulus und das erste Augurium (augurium augustum), also die Einholung und Deutung des Götterwillens, erinnert und etymologisch in das religiös aufgeladene Wortfeld des Verbs augere (vermehren) gehört.
Mit der Adoption Livias setzte Augustus nicht nur ein Gegengewicht zu Tiberius innerhalb der Familie, es entstand auch – ob intendiert oder nicht – ein Graben zwischen Mutter und Sohn, der der Kaiserherrschaft des Tiberius real und in der Wahrnehmung der Zeitgenossen wie der antiken Autoren schadete. Denn die Erhebung Livias zur Augusta schuf ein machtinternes Gegengewicht, das auch vom Senat, von den Provinzen und den herrschaftsrelevanten Gruppen als Herabsetzung des Tiberius wahrgenommen wurde. Gleich nach der Bekanntmachung der Adoption Livias trug ihr dann auch der Senat den Titel der mater patriae an. Der Senat nahm also den Ball, den Augustus ins Feld geworfen hatte, auf und unterstützte dieses Gegengewicht zum neuen Kaiser. Die Senatoren forderten ferner, in Zukunft sollte Tiberius sich in seiner offiziellen Nomenklatur nicht nur Sohn des Augustus, sondern auch Sohn der Julia nennen. Außerdem sollte ein Monat nach ihr benannt werden, so wie es bereits mit Augustus und Caesar (Juli) geschehen war. Ihre Stellung sollte also über derartige kultische und soziale Ehrungen eine Art Verrechtlichung erfahren. All dies war ein Affront gegen Tiberius. Wäre er ein wenig souveräner gewesen, hätte er diesen ins Leere laufen lassen. Stattdessen lehnte er alle diese Vorschläge sofort und rundherum ab, indem er sagte, „die Ehrungen für Frauen seien einzuschränken“ (Tac. Ann. 1, 14, 2).