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2.1.1 Grundlegendes zum Spracherwerb

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Es steht heute kaum mehr in Frage, dass beim Spracherwerb von Kindern sowohl anlagebedingte (Inside-out Theorien) als auch umgebungsbedingte Faktoren (Outside-in Theorien) eine Rolle spielen. Die heute in der Spracherwerbstheorie dominante interaktionistische Theorie geht davon aus, dass Sprache in einem Wechselspiel aus anlagebedingten Entwicklungsprozessen und der Interaktion des Kindes mit seiner sozialen Umgebung erworben wird (Bruner, 1983; Tomasello, 2003). Zu unterscheiden sind dabei verschiedene Ebenen des Spracherwerbs. Adler (2011) differenziert bspw. die semantisch-lexikalische, die morphologisch-syntaktische, die phonetisch-phonologische und die pragmatisch-kommunikative Ebene. Die semantisch-lexikalische meint die Fähigkeit, Wörter und ihre Bedeutung zu kennen sowie Wörter unter begriffliche Konzepte zuordnen zu können. Unter der morphologisch-syntaktischen Ebene werden Kenntnisse der Struktur von Wörtern und Sätzen sowie des Zusammenfügens von Wörtern zu Sätzen verstanden. Die phonetisch-phonologische Ebene bezieht sich auf Laute als kleinste bedeutungsunterscheidende Elemente von Sprache sowie deren akustische Merkmale. Das Verstehen und Interpretieren sprachlicher und nicht-sprachlicher Inhalte in konkreten Situationen, die Fähigkeit zur situationsangemessenen Reaktion sowie sach- und inhaltsadäquate Gespräche initiieren, aufrechterhalten und zu einem Ergebnis führen zu können wird schließlich als pragmatisch-kommunikative Ebene bezeichnet.

Eine Vielzahl längsschnittlicher Studien hat Bedingungsfaktoren der sprachlichen Kompetenzentwicklung in der Kindheit und deren Wechselspiel differenziert nach Spracherwerbsebene in den Blick genommen. Sowohl individuelle Faktoren auf Ebene der Kinder, wie z. B. das Arbeitsgedächtnis, als auch Faktoren der Umgebung, wie z.B. die Qualität der Unterstützung der sprachlichen Entwicklung, zeigen sich dabei als bedeutsam. Weiter zeigen sich Zusammenhänge des sprachlichen Kompetenzstands der Kinder vor der Einschulung mit dem sprachlichen Kompetenzstand in der Grundschule (z. B. Guhn, Gadermann, Almas, Schonert-Reichl & Hertzman, 2016). Ebenso gut belegt sind Unterschiede im sprachlich-kognitiven Entwicklungsstand von Kindern, die mit der sozialen Herkunft in Zusammenhang stehen und bereits in der frühen Kindheit deutlich werden (z. B. Ip et al., 2016). Ursachen hierfür sind sowohl in den strukturellen Lebensbedingungen wie z. B. Lärmbelastungen oder der zur Verfügung stehende Wohnraum, als auch den prozessualen Entwicklungsbedingungen wie z. B. ein lernanregender Umgang mit Sprache in der Familie zu suchen (Kluczniok, Lehrl, Kuger & Rossbach, 2013; Garrett-Peters, Mokrova, Vernon-Feagans, Willoughby & Pan, 2016). Angesichts dieser Befunde wird der Unterstützung der sprachlichen Entwicklung der Kinder in der Kita eine hohe Bedeutung zugemessen. Unter anderem wird dabei der Anspruch formuliert, zu einer Verringerung von Bildungsungleichheit nach sozialer Herkunft beizutragen (Burger, 2010; Ip et al., 2016).

Bezüglich der Sprachentwicklung mehrsprachig aufwachsender Kinder zeigt die Forschung beim Eintritt in die institutionelle Kindertagesbetreuung einen niedrigeren Kompetenzstand in der Instruktionssprache1 im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden Kindern auf (McLeod, Harrison, Whiteford & Walker, 2016; Relikowski, Schneider & Linberg, 2015). Zentral für den Sprachstand mehrsprachiger Kinder im Kindergartenalter ist die Sprachverwendung in der Familie. Die Qualität und Quantität des sprachlichen Inputs durch die Eltern steht neben dem Sprachstand auch mit der Weiterentwicklung der Sprachen der Kinder in Zusammenhang. Wie eine US-amerikanische Studie zeigte, steht mehrsprachig aufwachsenden Kindern in der Familie eine geringere Zahl von Kinderbüchern zur Verfügung als einsprachigen Kindern, außerdem finden in den Familien seltener Literacy-Aktivitäten wie gemeinsames Singen, Bücherlesen und Geschichtenerzählen statt. Dies erklärt einen großen Teil der Unterschiede bzgl. Fähigkeiten wie Schriftwissen, Buchstabenkenntnis und phonologische Bewusstheit, die zwischen ein- und mehrsprachig aufwachsenden Kindern im Kindergartenalter festzustellen sind (Feng, Gai & Chen, 2014; vgl. auch Lewis, Sandilos, Hammer, Sawyer & Mendez, 2016). Tiefer gehende Analysen zeigen aber auch einen bedeutsamen Einfluss der Geschwister und der Peer-Group auf den Spracherwerb mehrsprachig aufwachsender Kinder (Rojas et al., 2016; Hindman & Wasik, 2015).

Lange bekannt ist die hohe Bedeutung von Kompetenzen in der Instruktionssprache im Kindergartenalter für den späteren Entwicklungsverlauf in der Grundschule (Dennaoui et al., 2016; Gonzalez et al., 2016). Die Notwendigkeit des Erwerbs der Instruktionssprache ist daher unbestritten. Für Kontroversen sorgt eher die Frage nach der Bedeutung der Familiensprache für die weitere (mehr)sprachliche Entwicklung der Kinder (Winsler et al., 2014; Hindman & Wasik, 2015). Unstrittig ist die grundsätzliche Fähigkeit von Kindern, zwei sprachliche Systeme gleichzeitig aufzubauen, auch wenn die Entwicklung in den einzelnen Sprachen eines Kindes sehr heterogen verlaufen kann (Hammer et al., 2014). Bildungsinstitutionen in der frühen Kindheit zeigen zwar Effekte im Hinblick auf die Entwicklung der Instruktionssprache, sie tragen jedoch nicht zum Erhalt der Familiensprache bei. Dies steht im Widerspruch zu einem positiven Blick auf Mehrsprachigkeit, der vor dem Hintergrund der Anerkennung von Heterogenität als ein wichtiges pädagogisches Ziel formuliert ist (z. B. Prengel, 2006).

Aufgrund der Erkenntnisse über die Bedeutung der Lernumgebung für die (mehr)sprachliche Entwicklung in der Kindheit kommt der Lernunterstützung in der Kita eine hohe Bedeutung zu. Konzepte wurden daher in den letzten beiden Jahrzehnten entwickelt und auf ihre Wirksamkeit geprüft. Dies waren zunächst eher angebotsorientiert in Kleingruppen durchgeführte Maßnahmen, die jedoch zunehmend von alltagsintegrierten Konzepten abgelöst wurden. Zentrale Erkenntnisse werden im Folgenden skizziert.

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