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Doping im Spitzensport? Ein Thema, mit dem man sich nicht unbedingt Freunde macht. Darum vorneweg gleich das Wichtigste: Das A und O des Dopings ist, darüber zu schweigen. Demzufolge wird ein Sportler nur in extremen Ausnahmefällen den Missbrauch zugeben. Redet jemand, fällt ein ganzes Konstrukt in seiner Existenz zusammen. Im Zweifelsfall also besser das Maul halten. Oder lügen, denn niemand außerhalb des Dopingzirkels darf jemals erfahren, wie die Abläufe im System funktionieren.

Dieses Buch ist kein Werk, das über Spekulationen im Gebrauch von Doping im Sport berichtet. Wer Enthüllungen von neuen Methoden oder Beschuldigungen erwartet, kann möglicherweise enttäuscht werden. Aber das Buch zeichnet einen Teil der Geschichte des Dopings im Spitzensport auf. Es fasst bestehende Fakten aus vielen verschiedenen Quellen pragmatisch zusammen. Es erzählt von gescheiterten Stars, von Gaunern, von privaten und staatlich geförderten Systemen, die im Hintergrund gegen jegliche Ethik verstoßen. Gewidmet ist das Buch vor allem sportbegeisterten Kindern und Jugendlichen. Es soll aber auch jene ehrgeizigen Eltern empfindsam und feinfühlig machen, die unbedingt wollen, dass ihre Sprösslinge als Spitzensportler große Erfolge feiern sollen. Die Inhalte sollen zum Nachdenken anregen und wollen die Frage stellen, inwiefern man junge Menschen ohne schlechtes Gewissen in die Fänge des Leistungssports entlassen kann. Sport kann und muss zu einem wichtigen Inhalt für Heranwachsende werden. Lassen wir es jedoch nicht zu, dass aus diesem Inhalt eine Geschichte wird, die kriminell endet. Denn die Recherchen zu diesem Buch bestätigen eindrücklich und rückhaltlos, dass unlautere Methoden im Spitzensport zum Tagesgeschäft gehören und es dabei völlig einerlei ist, von welcher Sportart man ausgeht. Für viele ist diese Erkenntnis überaus ernüchternd und für viele vielleicht auch neu – aber sie gehört leider zur furchterregenden Realität des Spitzensports. Der Druck, den die Athleten aushalten verunmöglicht es, die weltbesten Leistungen ohne den Gebrauch von Doping zu erbringen.

Der Begriff Doping kommt aus dem Englischen und entspricht der Aussage „to dope“ – Drogen zu verabreichen oder Drogen zu konsumieren. Sein Ursprung liegt allerdings im Afrikaans, einer vom Niederländischen abgeleiteten Sprache in Südafrika: Bei Dorffeiern der Einheimischen wurde ein schwerer Schnaps, der so genannte „Dop“, getrunken. Als der Wortgebrauch „Doping“ 1889 zum ersten Mal in einem englischen Lexikon auftauchte, bezeichnete er die Verabreichung einer Mischung aus Opium und verschiedenen anderen Arzneien an Rennpferde. Doping wurde dann um die Jahrhundertwende schrittweise in die Welt des Humansports eingeführt. Man kann den Begriff als ein von der Sportwelt eingeführtes Wort für Drogen sowie deren Missbrauch bezeichnen. Doping oder dopen tönt jedoch harmloser, anständiger und vielleicht auch naiver und genau so versucht sich die Sportwelt gerne, die Namen ihrer Aufputschmittel zu verschönern und meint dabei trügerisch, dass es doch nicht so unglaublich schlimm ist, wie es tatsächlich ist.(1)

Thomas James Hicks gilt als eine Art Pionier im Missbrauch von Doping. Der US-Amerikaner gönnte sich während der Olympischen Spiele 1904 in St. Louis, USA eine Portion Brandy mit Strychnin, einem Alkaloid, das ganz früher auch mal als Rattengift verwendet wurde. Hicks gewann, trotz oder gerade wegen seines Griffs in den Arzneikoffer, den Marathonlauf. Und obwohl er nachweislich gemogelt hatte, durfte er seine Medaille behalten, denn damals gab es für Sportler noch keine klaren Regeln, die besagen, was Dopingmittel sind.(2) Zudem gab es zu jener Zeit keine Dopingkontrollen. Das änderte sich erst rund 60 Jahre später, nachdem der Radfahrer Tom Simpson 1967 während der Tour de France tot vom Rad fiel. Nach dieser spektakulären Tragödie wurden die ersten Dopingkontrollen eingeführt, aber es dauerte weitere 40 Jahre sowie ein paar entseelte Sportler mehr, bis es eine gewisse Systematik im Kampf gegen das Doping gab. Erst dann inszeniert das Internationale Olympische Komitee im Jahre 1999 die Welt Anti Doping Agentur WADA. Seitdem kontrolliert diese WADA in allen Sportarten jährlich weltweit und unabhängig Tausende von Sportler – sowohl in Trainings als auch während der Wettkämpfe.

Für viele der künftigen Athleten findet die erste Begegnung mit Doping bereits im Kindesalter statt. Albert Uderzo zeigt zusammen mit René Goscinny in Asterix bei den Olympischen Spielen beinahe zu spielerisch den Missbrauch von unerlaubten Mitteln im Sport. Weit zäher war die Realität im staatlich verordneten Förderprogramm der Deutschen Demokratischen Republik für Minderjährige. Zwischen 1961 und 1990 sah und nutzte die DDR die Möglichkeit, auf dem Gebiet des Sports internationales Ansehen zu gewinnen. Natürlich mit allen Mitteln. Noch jetzt leiden ehemalige Sportler körperlich und seelisch unter den Spätfolgen eines Systems, das perfekt und systematisch organisiert war, um junge Menschen über Jahrzehnte wie eine überreife Zitrone auszupressen.

Wer jedoch glaubt, dass mit dem Fall innerdeutschen Mauer die Zeiten des planvollen Dopings längst Geschichte sind, glaubt falsch. Die Balco-Berichte in den USA erschütterten im Jahre 2003 die gesamte Sportwelt bis ins Mark. Die Doping- und Korruptionsgeschichten der russischen Leichtathletik bewiesen 2015, dass der Sport die Schatten des Dopings der Norm entsprechen. Oder im Jahre 2013, als die nationale Kommission zur Verbrechensbekämpfung flächendeckendes Doping durch sämtliche Sportverbände Australiens aufdeckte. Auch in der Bundesrepublik Deutschland hob man vergiftete Dopinggeschwüre aus. Im Zentrum der staatlichen Ermittlungen stand immer wieder die Universitätsklinik Freiburg im beschaulichen Breisgau. Da hatte man über Jahre nicht nur für Radsportler, sondern auch für Schwimmer, Turner, Fußballer, Leicht- und Schwerathleten ausgeklügelte Dopingprogramme verschrieben und somit sichergestellt, dass Deutschland auch nach dem Wegfall der DDR zu einer der erfolgreichsten olympischen Nationen aufstieg.

Gedopt wird auf vielen Leistungsstufen und gedopt wird schon immer. Mal raffinierter, mal weniger. Doping macht zwar aus einem Kartoffelsack keinen Weltmeister, aber es verleiht einem guten Athleten das Quäntchen mehr, was es zum Siegen braucht. (3) Und Doping ist vor allem eines: Betrug. Betrug an sich selbst. Betrug an seinen Mitstreitern. Betrug an den eigenen Fans, an Vater und Mutter. Doch steckt hinter dem „Schneller- höher-weiter-Prinzip“ weit mehr als nur der sportliche Wettkampf?

Kann es sein, dass der Spitzensport heutzutage von Geld, Macht und Politik gesteuert wird und die Athleten zu Marionetten verkommen? Stellen für Sportärzte und Mediziner, Funktionäre oder Chemiefirmen die aktive Leistungsoptimierung alternative sowie lukrative Geldquellen dar? Fördern gar Nationen ganze Dopingkulturen und Systeme?

Mit der Auflösung der DDR schien das staatlich verordnete Doping von der Bildfläche verschwunden. Frankreich, Italien, Finnland und andere europäische Länder zogen um die Jahrtausendwende konsequent einen Schlussstrich und passten die jeweiligen nationalen Verfassungen an, um den Handel sowie den Missbrauch von unerlaubten Mitteln im Sport für strafbar zu erklären. Das Ergebnis: Athleten dieser Länder verschwanden für eine gewisse Zeit von den oberen Teilen der Ranglisten. Doch welcher Staat möchte bitteschön über längere Zeit für sportliche Erfolglosigkeit stehen und den Medaillenspiegel der Olympischen Spiele von unten anführen? Kein Staat will das. Frankreich ist spätestens mit der Sarkozy-Regierung nach einem dopingfreien Jahrzehnt längst wieder zum alten Motto „Brot und Spiele“ zurückgekehrt und gesellt sich wieder zu den großen Sportnationen. Italiens organisierte Dopingrazzien sind rar geworden und es gibt nun seit Jahren keinen neuen Fall wie jenen des Radstars Marco Pantani zu vermelden. Das einzige europäische Land, in dem die gesamte Bevölkerung geschlossen gegen die Dopingmachenschaften seiner Elitesportler protestiert, war und ist Finnland. Da haben die Menschen gelernt, sinnvoll mit dem Misserfolg umzugehen. Die einst dominierenden Langläufer vom Polarkreis sind seit 2001 und dem damaligen Skandal lückenlos von der Bildfläche der Topnationen verschwunden.

Als Gegenentwurf schnappen wir uns die spanischen Wettkämpfer, die sich im Namen von „El Rey“, König Juan Carlos, in allen wichtigen Sportarten mit glänzenden Resultaten hervortun. Egal, ob beim Fußball, im Tennis, Handball, in der Leichtathletik oder beim Radfahren: Spanische Sportler glänzen durch Athletik und Ausdauer. Das ist kein Beweis für Doping – aber es erhärtet den Verdacht, dass mit unlauteren Mitteln nachgeholfen wird. Zumal es der spanische Staat mit den Kontrollsystemen sowie der Dopingfahndung nicht so genau nimmt. Gleiches gilt übrigens auch für die Sportorganisationen in Kenia, Eritrea oder Jamaika, wo Wunderathleten regelmäßig durch verblüffende Leistungen erstaunen. Die Frage, ob die gesamte Sportwelt von unlauteren Manipulationen betroffen ist, lässt sich sehr einfach mit einer überaus kernigen Aussage etikettieren: „Wer nicht das Beste aus sich herausholt, wird auf Kurz oder Lange stillstehen und im Kampf mit jenen Gegnern den Kürzeren ziehen, welchen alle Mittel und Konsequenzen recht sind.“(4) Das „Schneller, Höher und Weiter“ wurde schon vor Jahrhunderten in den Sportarenen des alten Roms gefördert und gelebt. Auch damals mit allen Mitteln. So ist es heute und so ist jetzt. Und so wird es aus auch in Zukunft sein.

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