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Der Zaubertrank

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Im französischen Comic „Asterix bei den Olympischen Spielen“ naschen die römischen Gegner von Asterix heimlich am Zaubertrank, um nach dem vermeintlichen Sieg vor Julius Cesar gut dazustehen. Der gallische Druide Miraculix jedoch mischt Lebensmittelfarbe in den Trank, die blaue Zungen verursacht. Alle Römer werden erwischt und disqualifiziert. Der Versuch, die Leistungsgrenzen eines Athleten auszubauen, ist so alt wie der Sport selbst. Während der Olympischen Spiele der Antike war die Realität natürlich kein Zaubertrank. Doch auch damals gab es schon ein Wundermittel: Man glaubte, dass der Verzehr von Stierhoden übermenschliche Kräfte verleiht.

Später wurden die Methoden raffinierter und chemische Substanzen helfen mittlerweile allenthalben. Testosteron, Wachstumshormone, Äther, Kokain, Insulin, EPO – alles, was das Sportlerherz begehrt. Die Pharmaindustrie jubelt und profitiert von der Doppelmoral der Athleten und ihren Trainern, Managern und Ärzten. Lästig jedoch bei den so genannten Dopingkuren ist: Man muss sich immer wieder eine Ladung dieser subversiven Mittel entweder intravenös, intramuskulär oder oral setzen. Neben den gesundheitlichen Schäden besteht dabei permanent die Gefahr, während der Therapien von Kontrolleuren erwischt zu werden.

In einem derart angespannten Umfeld wäre es doch für jeden Sportler geradezu ein Traum, wenn man mit einem einzigen Wundermittel die Regulierung der Muskel- und Sauerstoffversorgung und die Verbesserung von Kraft, Stehvermögen und Ausdauer auf einen Streich und anhaltend optimieren und die Leistung zum Nulltarif erheblich verbessern könnte. Die Suche nach diesem Wundermittel, dem Heiligen Gral der Leistungsoptimierung, scheint bereits erfolgreich. Es geht um Gendoping. Jene Art von Doping, die von der Welt-Anti-Doping-Agentur und dem Internationalen Olympischen Komitee als „Doping des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wird. Die gentechnischen Grundlagen, die jegliche Art des Gendopings überhaupt möglich machen, wurden ursprünglich zu medizinischen Zwecken entwickelt. Forscher arbeiten an unterschiedlichen Ansätzen für Gentherapien: Dazu werden zum Beispiel defekte Gene ausgeschaltet oder in ihrer Funktion manipuliert. Wissenschaftler hoffen, auf diese Weise eines Tages auch Patienten mit Blut- oder Muskelkrankheiten heilen zu können.(1) Bislang überwogen aber bei allen klinischen Tests fast immer die Risiken. Gentherapien sind also weiterhin auch im Sport eine Zukunftsvision. Doch: Irgendein Arzt wird es bei irgendeinem Sportler an irgendeinem Ort auf unserem Planeten tun und zur Spritze greifen und das erste Gendoping für die Optimierung der sportlichen Leistung verabreichen.(2)

Gerüchteweise ist das bereits geschehen. Überführt wurde keiner, denn Beweise sowohl aus Urin- als auch aus Blutproben gibt es keine und man darf sich berechtigt fragen: „Ist der ‚Gen-Athlet‘ der Olympiasieger der Zukunft?“ Wer will den perfekt mutierten Körper für die vollkommene sportliche Leistung? Und ist es tatsächlich realistisch, dass Gendoping bereits heute im Gebrauch ist? Und was können die Folgen genetisch eingepflanzten Dopings sein? Versuchen wir, Licht in diese Fragen zu bringen. Dabei gehen wir zurück ins Jahr 1982. Damals befragte der amerikanische Wissenschaftler Bob Goldman mithilfe einer langjährigen Umfrage Spitzensportler, ob sie bereit wären, ein Mittel einzunehmen, das ihnen eine olympische Goldmedaille garantiert, auch wenn sie fünf Jahre später daran sterben würden. Beinahe dreizehn Jahre führte Goldman die Erhebung durch und die Ergebnisse waren stets dieselben: Weit mehr als die Hälfte der befragten Spitzensportler würde sich auf ein solch unmoralisches Angebot einlassen, denn Hochleistungssportler wollen siegen und zwarsiegen, und zwar um jeden Preis. In der Sportwissenschaft nennt man diese Untersuchung das „Goldmann-Dilemma“ und es zeigt deutlich auf, dass man unter diesen Umständen auch bereit ist, auch mit Genen zu spielen, um zu siegen. Doch was macht genetisch manipuliertes Doping so begehrenswert?(3)

Anhand von zwei Langläufern wollen wir den Vorteil des Gendopings darstellen. Der Deutsche Jens Filbrich, Weltmeister 2001, und Eero Mäntyranta, der finnische Mehrfach-Olympiasieger in den sechziger und siebziger Jahren, teilen das gleiche Schicksal. Beide wurden offiziell des Dopings überführt. Doch beide stritten den Gebrauch von unerlaubten Mitteln ab. Beide konnten nach vielen Tests eine angebliche Punktmutation im Gen für den Erythropoeting-Rezeptor, also einen Fehler in der Produktion von natürlichem EPO, vorweisen. Ein genetischer Makel. Beide hatten demzufolge von Geburt her mehr rote Blutkörperchen als andere Athleten. Durch diese Fehlbildung bekommen die Muskeln mehr Sauerstoff. Ein unbeschreiblich hoher Wettbewerbsvorteil, den sich andere Sportler nun auch verschaffen können. Und zwar dergestalt, dass man dieselben Fehler wie bei Filbrich und Mäntyranta kopieren und künstlich in die Gene einbaut. Mit einer derartigen Methode erreicht man, dass der Körper nach dieser Manipulation selbst den steigernden Stoff entwickelt. Im Falle von Ausdauersportlern könnte das EPO sein. Bei Kraftsportlern könnten es Testosteron oder Wachstumshormone sein, die sich nach einer Genbehandlung verselbstständigen.(4) Das Positive für die Doper: Nur über aufwändige Muskeluntersuchungen ließen sich solche Genmanipulationen nachweisen.

Doch welche Funktionen übernehmen einzelne Gene? Das zu bestimmen, ist für alle Dopingexperten eine scheinbar unlösbare Arbeit. „Nehmen wir das Muskel-Gen Myostatin. Myostatin ist ein Eiweiß, das im menschlichen oder tierischen Körper gebildet wird. Es hemmt das Muskelwachstum, sodass die Muskeln nicht unkontrolliert wachsen. Follistatin wirkt hingegen antagonistisch, indem es sich an Myostatin bindet. Eine Inaktivierung der natürlichen Proteinfunktion von Myostatin führt zu überschießendem Muskelwachstum. Bei Mäusen, Rindern, Schafen und Hunden der Rasse Whippet sind Individuen bekannt, die aufgrund verschiedener Mutationen des Myostatin-Gens eine erheblich größere Muskelmasse als gesunde Tiere entwickeln.“(4)

Im Jahre 2004 wurde bei einem deutschen Jungen eine Mutation des Myostatin-Gens festgestellt, welche die Bildung eines verkürzten und somit nicht voll funktionsfähigen Myostatin-Proteins zur Folge hat. Der Junge ist seit seiner Geburt ungewöhnlich muskulös und die Muskeln hören nicht auf zu wachsen – demzufolge schlummert in diesem Jungen ein echter Superathlet. Dass Gentherapien mit Myostatin das Wachstum der Muskulatur beschleunigt belegen Pharmastudien eindeutig.(5) Die „Schwarzenegger-Mäuse“ wurden mit Labortests bei der Produktion des Myostatins manipuliert. Die Muskelberge der Mäuse wuchsen unverhältnismäßig und die Leistungsbereitschaft erhöhte sich um ein Vielfaches im Vergleich zu normalen Mäusen.(6) Doch die Sache hat ein Problem: Die Lebensdauer der behandelten Mäuse reduzierte sich um die Hälfte. Das Herz der Mäuse war schlichtweg nicht mehr in der Lage, die stets wachsenden Muskelberge mit genügend Blut zu versorgen. Denn wer bei Genen manipuliert, muss sich bewusst sein, dass man das nicht mehr rückgängig machen kann. Die Muskeln wachsen und wachsen und wachsen – auch dann, wenn man nicht trainiert. Denn beim Gendoping spritzt man sich nicht wie bei den bisherigen Dopingpraktiken eine Substanz als Anreicherung der natürlichen Entwicklung, sondern man bringt die Erbanlage der Proteine in den Körper.(7)

Dafür braucht man eine Zelle, welche die Erbinformationen in unserem Körper steuert. Es existieren viele verschiedene Zellen. Nehmen wir zum Beispiel Muskelzellen. Weiß man, wo diese Informationen liegen, kann man sie gezielt herausschneiden. Der gleiche Schnitt wird nun auf einem künstlichen Gen wiederholt. Dort setzt man den zuvor herausgeschnittenen Baustein ein. Das dadurch entstandene Gen wird nun genährt und durch Bakterien im Körper verteilt. Diese Mutation erweitert den Bauplan des Muskelaufbaus beliebig oft und die dabei entstehenden Genduplikate spritzen die Wissenschaftler zurück in den Körper.(8) Nur klar, dass die hungrigen Zellen die neu geschaffene Muskelnahrung gierig aufnehmen und im Falle des Myostatins die Muskeln bis um das Doppelte wachsen lassen. Ein ähnlicher Vorgang kann auch der Anreicherung von roten Blutkörperchen dienen und die Sauerstoffaufnahme eines Ausdauersportlers um ein Vielfaches verbessern. Aber wie bei der Genmanipulierung des Muskelhormons geschieht Folgendes: Die Produktion der roten Blutkörperchen kann nicht mehr gestoppt werden und das Blut wird dicker und zähflüssiger und das Herz wird nicht mehr die notwendige Kraft aufbringen, um dieses Blut mit einer Viskosität von Honig in die Blutbahnen zu pumpen. Die Folgen sind absehbar. Thrombosen, Herzversagen und Tod. Doping durch Genmanipulation ist hocheffizient und in nächster Zeit nicht nachweisbar(9), weder in Urin- noch in Bluttests. Nur Gewebeproben der Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA, könnten das. Forscher hoffen mithilfe von Gewebeproben Antikörper zu finden, um die Manipulationen künftig auch in Blut und Urin aufzuspüren. Diese Forschungsarbeit wird von der WADA unterstützt. In absehbarer Zeit, so hoffen die Forscher, ist Gendoping nachweisbar.(10)

Patrick Diel von der Sporthochschule in Köln meint jedoch ernüchternd: „Gendoping kommt aktuell nur auf Grund von Denunzierung, Verrat oder durch Reden und indirekten Informationen an das Tageslicht. Durch Nachweisverfahren die existieren kann man es nicht nachweisen.“(11) Es ist somit sehr gut möglich, dass die Olympiasieger von Morgen mit den Genen manipulieren, es sei denn, ihnen ist wie Jens Filbrich und Eero Mäntyranta gleich bei der Geburt der heilige Gral der Gene in die Wiege gelegt worden.

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