Читать книгу Die Service-Public-Revolution - Beat Ringger - Страница 16
WIE UNGLEICH IST DIE WELT?
ОглавлениеZu den wichtigen Aspekten der Corona-Krise gehört, dass das Virus alle Menschen gleichermaßen trifft und sie dennoch sehr ungleich davon betroffen sind. Ob jemand zum Beispiel ein Ausgehverbot gut übersteht, hängt wesentlich von den Wohnverhältnissen, der Einkommenssicherheit und der gesellschaftlichen Infrastruktur ab. Für viele Betroffene im globalen Süden waren die Lockdown-Maßnahmen oft ebenso bedrohlich wie das Virus selbst. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Auswirkung von Pandemien auf die Ungleichheit innerhalb von Staaten untersucht, namentlich von SARS (2003), H1N1 (2009), MERS (2012), Ebola (2014) und Zika (2016). Die Forscher*innen stellen für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Pandemie einen erheblichen Effekt auf die Ungleichheit fest. Der Gini-Koeffizient der Nettoeinkommen (nach Steuern und sozialstaatlichen Transfers) lag im Schnitt um 1,5 Prozent höher als vor der Pandemie. Das ist in der Einschätzung des IWF ein ziemlich starker Effekt für eine Kennzahl, die sich normalerweise nur über sehr lange Zeiträume verändert. Die Forscher*innen weisen insbesondere darauf hin, dass das Resultat umso überraschender ist, weil alle Regierungen versucht hätten, der drohenden Zunahme der Ungleichheit mit politischen Maßnahmen entgegenzuwirken.
Die Untersuchung zeigt auch, dass verschiedene Klassen der Bevölkerung ganz unterschiedlich von Pandemien betroffen sind. Tatsächlich verändern sich Einkommen und Arbeitsverhältnis der am besten ausgebildeten Bevölkerungsgruppen (tendenziell jene mit den höchsten Löhnen) auch während Pandemien kaum, während schlechter ausgebildete Menschen (mit tendenziell tieferen Löhnen) deutlich häufiger ihre Arbeit verlieren.12
Ein solcher Verlauf zeigt sich in erschreckender Deutlichkeit auch in der Corona-Krise. In einem Bericht vom 3. Juli 2020 nennt das UN-Welternährungsprogramm die Zahl von 121 Millionen Menschen, die wegen der Folgen der Corona-Pandemie schwerwiegenden Hunger leiden müssen.13 Die Weltbank wiederum geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die mit weniger als 5,5 US-Dollar am Tag auskommen müssen, Covid-19-bedingt um bis zu 560 Millionen ansteigen, die Zahl der Menschen unterhalb der internationalen Grenze für extreme Armut (weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag) um bis zu 100 Millionen zunehmen wird. Diese Prognosen haben sich innerhalb eines guten Monats wesentlich verdüstert.14 Am anderen Ende der Skala stehen die reichsten 25 Milliardär*innen der Welt. Gemäß einer Untersuchung des Wirtschaftsmagazins Forbes haben sie ihr gemeinsames Vermögen in nur zwei Krisenmonaten bis Ende Mai um insgesamt 255 Milliarden US-Dollar vergrößert, wenig überraschend allen voran die Tech-Milliardäre Zuckerberg (Facebook, WhatsApp), Jeff Bezos (Amazon) oder Colin Zheng Huang (Gründer des zweitgrößten chinesischen Onlinehandelsplatzes Pinduoduo).15