Читать книгу Zimmer 122 - Beatrice Schweingruber - Страница 8

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Pünktlich auf den Glockenschlag traf Peter Caduff im Seeblick ein. Er hatte schlecht und viel zu wenig geschlafen, was man ihm auf den ersten Blick ansah. Seine blauen, normalerweise wachen Augen waren zwei verquollene Schlitze. Wie immer trug er schwarze Jeans und ein übergrosses schwarzes Hemd, das um seinen Körper schlotterte. Darunter verbarg sich ein muskulöser und durchtrainierter Körper. Der Schlabberlook war sein Markenzeichen und im Team wurde gemunkelt, er versuche noch heute, Schimansky zu kopieren. Im Gegensatz zu Schimansky legte Caduff jedoch Wert auf eine gepflegte Sprache. Nur selten hörte man ihn fluchen. Er galt als kompetent, klug und zuverlässig. Seiner sprichwörtlichen Intuition war es zu verdanken, dass es ihm schon oft gelungen war, die raffiniertesten Täter zu überführen.

In den letzten Monaten hatte er sich definitiv verändert. Er war oft übellaunig und sein beissender Spott, unter dem hauptsächlich Sanja zu leiden hatte, konnte verletzend sein. Philipp kannte seinen Chef gut und vermutete, dass dies mit seiner bevorstehenden Pensionierung zusammenhing.

»Wo steckt unsere Kommissarin?«, fragte er Philipp mit einem Blick auf die Uhr genau in dem Moment, als Sanja ins Foyer stürmte. Sie war ausser Atem und ihr streng zurückgebundener Pferdeschwanz wippte bei jedem Schritt munter auf und ab. »Ist sie im Beauty-Salon oder liegt sie im Schönheitsschlaf?«

Natürlich hatte Sanja die Bemerkung gehört. Philipp warf ihr einen aufmunternden Blick zu. Ihm waren die Sticheleien der beiden unangenehm und er vermied es tunlichst, hineingezogen zu werden. Er blieb lieber still und versuchte Sanja mit Blicken zu signalisieren, dass er auf ihrer Seite stand. Die abschätzigen Äusserungen von Caduff empfand er als unfair. Caduff hatte allen Grund stolz zu sein, dass er eine so fähige Nachfolgerin aufgebaut hatte.

An Sanja schienen solche Spitzen abzuprallen. Sie bedachte Caduff mit einem hämischen Blick: »Du siehst aus wie ausgekotzt. Schlecht geschlafen?«

Philipp zuckte zusammen. Unglaublich, dieser schnippische und forsche Ton gegenüber ihrem Chef. Kein anderes Teammitglied erlaubte sich solche Bemerkungen. Im Gegensatz zu Caduff liebte sie Kraftausdrücke und benutzte diese hauptsächlich in seiner Gegenwart. Vielleicht wollte sie durch die rüde Sprache beweisen, wie unerschrocken sie war und es auch sprachlich mit ihren männlichen Kollegen aufnehmen konnte.

Philipp streckte seinen Rücken durch, ein untrügliches Zeichen, dass er sich gleich zu Wort melden würde: »Möchtest du jetzt mit Peter Meierhans sprechen? Er ist im Vernehmungszimmer, das Sägemann direkt neben dem Treppenaufgang für uns eingerichtet hat.«

Caduff sah Philipp fragend an. Er hatte keine Ahnung, wer Peter Meierhans war. Philipp reagierte sofort. »Meierhans ist der einzige Zeuge, der Klara Niedermann und Kim Lacher gestern Abend beim Verlassen des Hotels beobachtet hat.«

Caduff nickte und bedeutete Sanja, ihm ins notdürftig eingerichtete Vernehmungszimmer zu folgen. Philipp bat er, in der Zwischenzeit die Videobänder, die ihm Sägemann ausgehändigt hatte, einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Vielleicht war ja jemand beim Betreten von Zimmer 122 aufgezeichnet worden. Caduff hoffte es.

Peter Meierhans, der Zeuge, erhob sich schwerfällig. Mit einem tiefen Schnaufer versuchte er, nach dieser Kraftanstrengung wieder Luft zu bekommen. Der mindestens einsfünfundachtzig grosse Mann war von einer enormen Körperfülle. Er erinnerte Caduff an einen Elefanten.

Die Kommissare begrüssten Meierhans per Handschlag und Caduff bat ihn, wieder Platz zu nehmen. Sanja bedankte sich zunächst für seine Gesprächsbereitschaft, was ihr einen erstaunten Blick von Caduff einbrachte. Natürlich war Meierhans gesprächsbereit. Er hatte keine andere Wahl. Sanja liess sich vom Blick ihres Vorgesetzten nicht beirren.

»Herr Meierhans, Sie haben gestern Abend Frau Niedermann und Frau Lacher beim Verlassen des Hotels beobachtet. Erinnern Sie sich an die exakte Uhrzeit?«

»Noch besser erinnere ich mich an die Damen. Beide sehr attraktiv. Ich könnte nicht sagen, welche mir besser gefiel.« Er lachte laut und dröhnend.

Sanja verdrehte die Augen. Primitives Arschloch, dachte sie und betrachtete ihn angewidert. Sie bemerkte, wie ein Lächeln Caduffs Lippen umspielte, und versuchte es zu ignorieren.

»Ich habe Sie nach der Uhrzeit gefragt, Herr Meierhans, und nicht nach Ihrem Schönheitsideal.« Sanja bemühte sich um einen gelassenen und freundlichen Tonfall, obwohl sie den selbstgefälligen Kerl am liebsten am Kragen gepackt und geschüttelt hätte.

»Es war kurz nach 20:00 Uhr. Da bin ich mir sicher. Ich verkaufe Luxusuhren und schaue regelmässig, wie spät es ist.« Er streckte seinen fleischigen Arm aus und präsentierte eine luxuriöse, protzig wirkende Uhr.

»Die beiden Damen verliessen Arm in Arm das Hotel und spazierten auf der Seepromenade. Ich schaute ihnen nach, bis sie um die Ecke verschwanden, was ich sehr bedauerte. Ein erfreulicher Anblick, die beiden Prachtweiber.«

»Wie wirkten die Prachtweiber auf Sie? Waren sie entspannt?« Caduff liess sich auf das Niveau des Zeugen herab.

»Absolut entspannt. Sie flüsterten und schwatzten wie Teenager. Weshalb fragen Sie das? Stehen sie unter Verdacht?«

»Hier steht jeder unter Verdacht. Auch Sie«, antwortete Sanja genervt.

»Sahen Sie auch auf die Uhr, als die beiden Damen zum Essen auf die Terrasse zurückkamen?«, wollte Caduff wissen.

»Natürlich. Das war exakt zwanzig Minuten später.«

Sanja hatte genug von diesem Typen, der glaubte, unwiderstehlich zu sein. »Halten Sie sich weiter zu unserer Verfügung.« Sie erhob sich und verliess hocherhobenen Hauptes den Raum. Ihr Pferdeschwanz wippte wieder bei jedem Schritt. Zu ihrem Erstaunen folgte ihr Caduff, ohne Meierhans weitere Fragen zu stellen. Ein kurzes Dankeschön reichte als Verabschiedung.

»Ein ausgesprochen sympathischer Mensch.« Er lächelte Sanja zum ersten Mal an diesem Morgen an. Sanja lächelte zurück. Ihr war der ständige Machtkampf, der zwischen Caduff und ihr entstanden war, ebenso unangenehm wie Philipp. Sie liess sich nur darauf ein, weil er sich ausschliesslich gegen sie richtete, und sie war eine Kämpferin, die sich nichts gefallen liess. Auch nicht von ihrem Vorgesetzten. Seit ihrer Kindheit war sie daran gewohnt, nicht aufzugeben und sich durchzusetzen.

Zimmer 122

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