Читать книгу Ein schönerer Schluss - Bekim Sejranović - Страница 9

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VI

1.

Als ich aufwache, ist es still in der Wohnung, es scheint, als wäre ich allein. Alle sind schon zur Uni oder zur Arbeit. In der Wohnung lebt, außer Egil, noch ein Norweger, ein Student, den ich gestern Abend, als ich ankam, kaum zu Gesicht bekommen habe. Er ist es, der demnächst auszieht und dessen Zimmer ich in einer Woche übernehmen kann. Im letzten Zimmer, gleich neben der Küche, wohnt ein Franzose, Korrespondent mehrerer französischer Zeitungen. Ihn habe ich gestern Abend kennengelernt. Er ist groß und kräftig, mit seinen roten Bäckchen erinnert er an ein wohlgenährtes verwöhntes Kind.

Ich stehe auf und rolle den Schlafsack zusammen. Ich gehe ins Badezimmer und dusche lange und heiß. Ich rasiere mich, putze mir die Zähne, nehme frische Wäsche, ziehe Hose, T-Shirt, das Oberteil des Trainingsanzugs an, sehe mich im Spiegel an, denke an nichts.

Ich setze mich im Wohnzimmer aufs Sofa und weiß nicht, was ich tun soll. Ich sehe durchs Fenster auf die Straße hinaus. Es ist bewölkt und die Straßen sind nass. Der Regen hat mit Sicherheit schon mehrere Male angefangen und wieder aufgehört. Ein kleiner, kalter, vorhersehbarer Regen. Autos fahren vorüber und halten vor der Ampel an der Kreuzung gleich vor dem Haus. Ein paar eilige Passanten klammern sich an ihre Schirme.

2.

Fünf Tage sind vergangen. Ich stehe auf, sobald Egil, der Franzose und der Dritte, der ausziehen soll und dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, weggegangen sind, um ihren täglichen Verpflichtungen nachzukommen. Ich dusche, rasiere mich, ziehe mich an, als würde ich rausgehen, setze mich aufs Sofa am Fenster und sehe auf die Straße hinunter. Draußen hat sich nichts geändert. Derselbe graue Himmel, dieselbe nasse Straße, dieselbe Kreuzung, die Ampel, an der die Lichter wechseln, eilige Silhouetten, die mit großen Schritten zu ihren Bestimmungsorten eilen. Zu einer bestimmten Zeit, kurz nach Mittag, gehe ich zum Laden, kaufe eine Zeitung, Brot und eine Dose Makrelen in Tomatensoße, kehre nach Hause zurück, lese die Zeitungsüberschriften, kaue den Fisch. In einer Dose Makrelen in Tomatensoße ist alles, was der Mensch für einen Tag braucht.

Wenn meine Mitbewohner nach Hause zurückkehren, nachmittags gegen fünf, grüßen sie mich flüchtig und gehen sich in der Gemeinschaftsküche etwas zu essen machen. Ich warte ab, bis sie ihre Speisen angerichtet haben, dann gehe ich hinaus, um sie beim Essen nicht zu stören. Sie essen im Wohnzimmer und sehen dabei fern. Egil lädt mich ein, mit ihnen zusammen zu essen, aber ich bedanke mich höflich und lehne ab. Ich sage, dass ich Makrele in Tomatensoße gegessen habe und dass das alles ist, was ich für einen Tag brauche. Er antwortet nicht, sondern isst ruhig weiter. Auch der Franzose hat mir angeboten mitzuessen. Er spricht verhältnismäßig schlecht Norwegisch, und so verständigen wir uns auf Englisch. Er spricht wie René aus der britischen Sitcom ’Allo ’Allo!. Der dritte Mitbewohner hat mir weder Essen angeboten noch etwas gesagt. Am sechsten Tag meines Aufenthalts in der Wohnung, am Samstag, ist er aus dem Zimmer ausgezogen, und ich ziehe ein.

3.

Ich habe meine zwei Rucksäcke hineingetragen und sie in die Ecke gestellt. Das Zimmer ist geräumig, mit einem Bett, einem Arbeitstisch, zwei Stühlen und einem Schrank. Die Fenster sehen auf dieselbe Straße hinaus wie die im Wohnzimmer. Ich stehe da und sehe auf die ursprünglich weißen Wände, die eine schmutzig gelbe Farbe angenommen haben. Hier und da sind kleine Löcher oder abgerissene Stückchen Tapete zu sehen. Ich gehe zum Bett und setze mich. Ich sehe aus dem Fenster und sehe die gleiche Szenerie, die ich die letzten paar Tage gesehen habe.

Mir kommt der Gedanke, dass sich doch etwas bewegt hat. Jetzt hast du dein Zimmer und kannst es dir einrichten, wie es dir gefällt. Du kannst auf dem Bett sitzen und den ganzen Tag auf die Straße hinaussehen. Du brauchst ihnen nicht mehr aus dem Weg zu gehen, wenn sie zum Essen nach Hause kommen. Du brauchst nicht mehr hinauszugehen und auf das Dach des Hauses zu steigen, von wo sich der Blick auf Oslo öffnet. Vom Dach aus ist auch die Moschee zu sehen, die die Muslime vor ein paar Jahren gebaut haben. Im Ostteil von Oslo gibt es genügend Zuwanderer aus muslimischen Ländern. Die Moschee ist aus Steinen gebaut, die aus dem Nahen Osten gebracht wurden. Sie hat zwei schlanke Minarette, aber die norwegischen Behörden erlauben nicht, dass der Gebetsruf erschallt, denn sie nehmen an, dass das die Mitbürger, die keine Muslime sind, beunruhigen könnte.

Ich erhebe mich vom Bett und gehe zu meinen Rucksäcken. Den großen Rucksack schiebe ich zum Schrank und fange an, meine Kleidung herauszunehmen und sie auf den Regalen zu verteilen. Als ich fertig bin, ist der kleine Rucksack dran, ich nehme den Laptop, die paar Bücher und meine Schreibhefte heraus und lege alles auf den Arbeitstisch. Ich schalte den Laptop ein, lasse einen kurzen Porno laufen und onaniere. Als ich fertig bin, setze ich mich wieder aufs Bett und sehe aus dem Fenster hinaus auf die Straße.

Ein schönerer Schluss

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