Читать книгу REJ - Der spezielle Gefangene - Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke - Страница 8
5 - Der Müde, der Köter und der Experte
ОглавлениеDie Mittagspause verging ziemlich schnell. Sajan hatte auf dem Datenpad etwas gelesen und Rej war im Rollstuhl sitzen geblieben und hatte noch einige Atemzüge gebraucht, bis das unkontrollierbare Zittern aus seinem Körper verschwunden war.
Er wusste, dass diese Situation, die er als so fürchterlich erniedrigend empfunden hatte, nicht die letzte gewesen war. Viel mehr war dies der erste Tag einer Aneinanderreihung von unangenehmen Erlebnissen. So hatte er es auch nicht über sich gebracht, den Krankenpfleger darum zu bitten, ihm zurück auf das Bett zu helfen, wo es bequemer gewesen wäre. Darum spürte er nun seinen Rücken rebellieren, denn seine Muskeln waren es nicht mehr gewohnt, so lange aufrecht zu sitzen. Rej wusste, dass das kindisch war, aber er konnte es nicht zugeben und so blieb er im Rollstuhl sitzen, bis die ShaoSetFai erneut die Ruhe störten. Das Treffen mit dem Verhörteam stand bevor.
Wie hatte Dr. Bianco diese Personengruppe genannt? Die ShaoSetFai-Vollstrecker. Das klang ja wunderbar ermutigend. Obwohl Rej wusste, dass dies sicher kein Spaß für ihn werden würde, war er neugierig, mit was die AneLAAN aufwarten werde, um ihn zum Sprechen zu bringen. Denn jeden Tag, den er ohne ein Wort über die Song zu verlieren durchhielt, machte die Informationen weniger nützlich. Auch die Song bewegten sich fort und schmiedeten neue Pläne, in die Rej nicht mehr eingeweiht war. Und das wusste auch die AneLAAN und ihre Schergen.
Sajan erhob sich schwungvoll von seinem Bett, schnallte seinen Patienten wieder am Rollstuhl fest und schob diesen dann zur Tür hinaus, als die Wärter sie dazu aufforderten. Wieder ging es auf dem Weg zurück, wo man auch auf der gegenüberliegenden Seite über eine Reling ins Erdgeschoss blicken konnte. Doch die Soldaten führten sie nicht zur Treppe, sondern schlossen ein Tor an der Hinterwand auf, durch das ein langer Gang erreicht wurde. Rej hatte sich also doch nicht getäuscht. Als man ihn zum ersten Mal hier her gebracht hatte, waren sie über einen anderen Weg gekommen. Über mehrere lange Gänge und nach einigen Wegkreuzungen erreichten sie eine Tür, hinter der eine Kammer mit einer Küchenzeile, Tisch und Sitzgelegenheiten und zwei weitere Türen lagen. Die ShaoSetFai dirigierten den Krankenpfleger durch die linke und dieser schob Rejs Rollstuhl in ein abgedunkeltes Zimmer.
Es entsprach ziemlich genau dem, was er sich vorgestellt hatte. Nicht sonderlich groß, ein Tisch war in der Mitte am Boden befestigt, ein paar Stühle standen darum herum und in der rechten Wand war eine große Glasscheibe eingelassen, durch die man nicht hindurchsehen konnte. Aber er war sich sicher, dass man von der anderen Seite aus einen hervorragenden Ausblick auf die Szenerie haben würde. Dort würden sich also die reinen Beobachter aufhalten, die, die nur Fragen stellen ließen, sich selbst aber nicht die Hände schmutzig machen wollten.
Einer der XSF-Männer deutete auf den Stuhl, der direkt gegenüber des Fensters hinter dem Tisch aufgestellt war und Sajan warf Rej einen fragenden Blick zu. "Schon in Ordnung", meinte der und erntete dafür einen mitleidigen Blick. Aber Sajan gehorchte, löste ein weiteres mal die Gurte und half seinem Zellengenossen auf den für ihn vorgesehenen Platz. Der Stuhl war nicht sonderlich bequem und es fehlte die Nackenstütze, die ihm das aufrechte Sitzen erleichtert hätte. "Bis nachher", grüßte der Song-Kommendan locker, als die ShaoSetFai den Krankenpfleger wieder zur Tür hinaus schoben. Der schien sich mehr Sorgen zu machen, als Rej selbst. Denn der Widerständler war relativ gelassen. Die letzten Tage waren so hart gewesen, er wusste, dass er auch die Befragung hier überstehen konnte. Immerhin hatte er sich in einem Bett ausruhen können, seine Wunden waren frisch versorgt worden und er hatte Medikamente und etwas zu Essen erhalten.
Zwei der Soldaten fesselten ihn an den Stuhl, als ob sie fürchteten, dass er davon laufen würde. Mit Kabelbinder befestigten sie seine Arme auf den Stuhllehnen, zogen die Plastikstreifen fest, bis sie am linken Handgelenk und an der Ellenbeuge unangenehm in die Haut schnitten. Rej unterdrückte ein Fluchen, als sie ihm den rechten Arm so hin bogen, dass auch der einigermaßen parallel zu der Lehne ausgerichtet war. Stechende Schmerzen strahlten bis hinauf in seine Schulter und er versuchte sich etwas zu drehen, um die geschundene Gliedmaße zu entlasten. Einer der XSF-Soldaten registrierte seine Bewegung als störend und hielt ihn an die Rückenlehne gedrückt, während der andere mit den Kabelbindern auch den rechten Arm fixierte. Dann wurden auch seine Fußgelenke an die Stuhlbeine festgezurrt. Der Rollstuhl mit der Sauerstoffbatterie stand noch neben ihm, aber Rej war bewusst, dass er die Atemmaske nicht lange behalten werden würde. Immerhin wollte man ja, dass er ungehindert sprechen konnte. Die ShaoSetFai überprüften noch einmal die Fesseln, dann verließen sie den Raum und schlossen hinter sich die Tür.
Eine Weile saß der Gefangene im Halbdunkeln und wartete. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Er konnte nur wenig erkennen und in dem Verhörraum gab es auch so nicht viel zu sehen. Und nach nur wenigen Minuten wurde das Sitzen in dieser vorgegebenen Position immer unangenehmer. Er konnte das Gewicht nicht gut von einer Seite auf die andere verlagern, weil seine Arme fixiert waren, und den Kopf aufrecht zu halten, fiel ihm auf die Dauer sehr schwer. Und dann klopfte auch das unangenehme Gefühl wieder bei ihm an, dass er die Tage, besonders aber heute, schon öfter verspürt hatte. Es ließ sein Herz schneller schlagen und stellte ihm die Nackenhaare auf. Es war, als quoll eine düstere Masse auf ihn zu und hüllte ihn mehr und mehr darin ein. Er kippte nach hinten, wurde nach unten in einen gierigen Sog gezogen. Und es kam ihm gerade überhaupt nicht gelegen.
Vor Sajan in Panik zu geraten, oder zusammen zu brechen, das war schon peinlich genug, in diesem Rahmen hier konnte er es sich aber absolut nicht leisten. Er erinnerte sich an die Worte, die der Krankenpfleger zuvor zu ihm gesagt hatte. Atmen, er solle tief atmen. Rej schloss die Augen und versuchte sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Seine Atemzüge waren nicht sonderlich lang, mit nur einem Lungenflügel fehlte ihm das nötige Volumen dafür, aber tatsächlich hatte es etwas beruhigendes an sich, nur auf den Sauerstoff zu hören, der sich in seinem Körper ausbreitete.
Leik Kataruh saß neugierig nach vorne gelehnt auf einem der Stühle und starrte durch die Glasscheibe, die ihn vor Blicken von der anderen Seite verbarg. Er beobachtete, wie der Pfleger den inhaftierten Song-Kommendan brachte und wie die ShaoSetFai diesen auf den Platz hinter dem Tisch fixierten. Er vermutete gespielte Gelassenheit in den Aussagen des Terroristen, deutete auch seinen desinteressierten Gesichtsausdruck als Schutz davor, verletzlich zu wirken. In dem Raum hinter dem Fenster hörte man verdammt gut, was dort gesprochen wurde. Zusätzlich zeichneten im Tisch verborgene Mikrophone alles auf. Auch Kameras lieferten Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln von dem Inhaftierten, zeigten ihn auf Monitoren, hielten jede noch so kleine Regung von ihm fest.
Aber Leik hatte nicht vor, die Befragung von diesem Zimmer aus zu beobachten. Gerade weil er hier nur beobachten konnte und nicht Teilnehmender des Geschehens war, war es ihm lieber, näher an dem Widerständler dran zu sein. Er wollte ihn live sehen, dreidimensional, direkt vor ihm sitzend, nicht durch eine Glasscheibe von ihm getrennt und auch nicht nur über eine Aufzeichnung davon aus mehreren Blickwinkeln. Nur Auge in Auge konnte er sich selbst am besten einen Eindruck von dem gefürchteten Mann machen und so konnte er auch intervenieren, wenn die Befragung begann und in eine ungünstige Richtung zu laufen drohte. Und die Videoaufnahmen liefen nicht davon, die konnte er sich auch im Nachhinein nochmals betrachten und sie ausgiebig analysieren. Aber der echte wahrhaftige Eindruck blieb der entscheidende. Davon war Leik überzeugt. Er saß nur noch in dem Beobachtungsraum, weil er auf den Rest des Teams warten wollte.
Die Soldaten hatten mittlerweile den Raum verlassen und den Inhaftierten in gedimmtem Restlicht zurückgelassen. Erst blickte der sich um, dann zog er an seinen Fesseln, dann verharrte er in der Position, aus der er nicht entkommen konnte. Sein Beobachter hätte ein Königreich dafür gegeben, welche Gedanken in dem Kopf des Song vorgingen. Aber er musste sich für den Moment damit begnügen, was er beobachten konnte und später dann damit, was er ihnen zu erzählen bereit war. Und Leik erwartete nicht, dass Rej Lio'Ta leicht zu knacken war. Der Mann hatte schon bei seinem Prozess nicht viel Verwertbares von sich gegeben - zu hohe Erwartungen würden nur zu großen Enttäuschungen führen.
Nun schloss der Inhaftierte die Augen, sein Kopf war leicht nach vorne gesunken. Mund und Nase des Gefesselten konnte Leik nicht sehen, sie waren hinter einer Atemmaske verborgen. Vielleicht war er eingeschlafen. Leik Kataruh warf einen Blick auf das Chronometer an seinem Flugring und stellte fest, dass die beiden XSF-Beamten, mit denen er für die Befragung zusammen arbeiten sollte, sich schon um über zehn Minuten verspäteten. Für den ersten Termin war das etwas unverschämt, aber der Beobachter nahm es ihnen nicht übel. Er war als Spezialist her beordert worden, als Spezialist für Song-Angelegenheiten. Als Angehöriger vom Volk der Ttog fühlte er sich kaum emotional involviert in die Konflikte mit der Terrororganisation, aber das Gerangel um Xiantiao hatte ihn schon immer fasziniert und insbesondere die wehrhafte Gruppierung der enteigneten Norms aus Son'Gashania, die sich nun Song nannten.
Schließlich wurde die Tür aufgestoßen und zwei vom äußeren Erscheinungsbild ziemlich unterschiedliche Männer betraten den Raum. Leik waren sie schon einmal vorgestellt worden, nachdem man beschlossen hatte, den Anführer der Terroristen hier im Xiantiao Hauptgefängnis unterzubringen, aber es war nur eine kurze hektische Begegnung gewesen. Der Spezialist hätte es vorgezogen, die beiden XSF-Beamten außerhalb der Befragungen schon besser kennen gelernt zu haben, da er so nur von ihren unterschiedlichen Charakterzügen von seinem eigentlichen Beobachtungsobjekt abgelenkt werden würde, aber die Gelegenheit hatte sich nicht ergeben.
Der kleinere der beiden hatte ein rundliches Gesicht mit blassen Sommersprossen über der Nase und freundlichen, extrem übermüdet wirkenden braunen Augen unter dichten Augenbrauen. Er war ein Norm und hatte das dunkelbraune Haar gescheitelt und im Nacken zu einem Knoten zusammen gebunden. Er hatte vier Kaffeebecher aus Pappe in einem Halter bei sich, unter dem Arm eine Tasche geklemmt und hielt in der anderen, mit der er auch die Tür geöffnet hatte, eine Tüte mit Gebäck. Er redete angeregt mit dem größeren braungebrannten Mann, der ihm in den Raum folgte, und bemerkte Leik erst gar nicht. "Und dann sagt sie, sie tauscht nur mit mir Schicht, wenn ich mit ihr den Parkplatz tausche und das war es mir dann doch nicht wert. Ich meine, so ein Parkplatz ist immerhin für immer."
Der Größere erspähte den Spezialisten sofort und machte eine nickende Geste, um ihn zu grüßen und zeitgleich seinem Kollegen anzudeuten, dass sie nicht alleine waren. Er hatte kurzgeschnittenes schwarzes Haar und einen gepflegten Drei-Tage-Bart, ein schlankes attraktives Gesicht mit dunklen Augen, dem es irgendwie aber an Menschlichkeit und Güte mangelte. Auch er war wohl ein Norm, vermutlich versuchte die AneLAAN Alaver aus der Sache größtmöglichst heraus zu halten, damit kein falscher Eindruck entstehen konnte.
"Ah, wie schön, Herr Kataruh, Sie sind schon da", meinte der Kleinere freundlich, stellte Kaffee und Gebäck auf den Tisch und reichte ihm dann die Hand. Leik erwiderte den Gruß und stand vom Stuhl auf. "Agent Taisen, Agent Kailani." Er gab auch dem anderen die Hand und deutete dann zum Fenster. "Es ist alles schon vorbereitet. Wir können anfangen, sobald Sie soweit sind."
"Wunderbar", gab der mit Kailani angesprochene zurück und warf einen Blick durch das Glas. "Den Mistkerl bringen wir schon zum Reden. Früher oder später. Erstmal brauche ich aber einen Kaffee." Er griff nach einem der Becher, seine Hand schwebte für einen Moment über dem Becherhalter, dann zählte er demonstrativ. "Silan, das sind vier. Hast du dem Song etwa auch einen mitgebracht?"
Der braunhaarige Mann verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Geste. "Der ist für Erikadia. Die kann aber doch noch nicht zu uns stoßen. Es gab Verzögerungen in ihrem alten Fall und ich hab' das vorhin erst erfahren. Du kannst den übrigen gerne haben, wenn du willst." Sein Blick fiel auf die braune Papiertüte, in der die Gebäckstücke verpackt waren. "Du kannst auch den übrigen Kuchen haben, wenn du noch nichts gegessen hast", meinte er dann lapidar und schnappte sich den Pappkarton mit den Bechern. Die beiden schienen sich gut zu kennen und waren ein eingespieltes Team. Möglicherweise auch mit der Frau namens Erikadia. Diese war Leik ebenfalls schon zwischen Tür und Angeln vorgestellt worden, aber er erinnerte sich nicht mehr an ihren vollen Namen.
Silan streckte ihm die Kaffeebecher entgegen. "Sie können auch einen haben. Ist mit Milch. Zucker und Strohhalme liegen hier." Mit dem Kinn deutete er auf die Papiertütchen und die abgepackten Halme in der Mitte des Halters. "Es ist ein Klischee, aber ohne Kaffee läuft so etwas einfach nicht." Leik nickte und nahm sich einen der Becher, dann folgte er Kailani durch die Tür, da dieser im selben Moment beschlossen hatte, das Verhörzimmer nun aufzusuchen. "Legen wir los! Der Drecksack scheint schon eingeschlafen zu sein. Dann wecken wir ihn mal auf."
Rej zuckte innerlich zusammen, als die Tür aufgerissen wurde und mit dem grellen Licht von draußen energisch auch drei Personen herein schwappten. Im Gegenlicht konnte er sie nicht besonders gut erkennen, aber er wusste, dass er dafür noch genug Zeit mit ihnen bekommen würde. Er war dankbar, dass sie ihn nicht länger warten ließen, denn mit ihrem Erscheinen trat das bedrohliche Gefühl, mit dem er überhaupt nicht klar kam, fürs erste wieder deutlich in den Hintergrund.
"Na endlich", warf er den drei Männern sogleich übertrieben gelangweilt entgegen, "ich hab' mir schon überlegt, ob ich wieder gehen soll, weil niemand gekommen ist." Seine Stimme wurde von der Atemmaske gedämpft, trotzdem war er aber gut genug zu verstehen.
Der Kleinste von den Dreien setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, stellte sein Getränk vor sich ab und klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. "Das mit dem Gehen ist ja nicht mehr so Ihr Ding, oder?", ließ er sich sofort auf Rejs spöttische Ansage ein. Der größte und auch am sportlichsten aussehende Mann umrundete derweil die Sitzgruppe, der dritte, ein weizenblonder Ttog mit lindgrüner Hautfarbe, hielt sich etwas im Hintergrund und beobachtete nur.
"In zweierlei Hinsicht sogar", ergänzte der Gefangene amüsiert, obwohl er das Thema eigentlich nicht zum Lachen fand. "Aber Sie können sich sicher sein, wenn ich diese zwei kleinen Probleme nicht hätte, dann wäre ich nicht mehr hier." Der kleinere Mann hob die Schultern und blickte ihn mit gespielter Ratlosigkeit an. "Sie haben diese zwei kleinen Probleme allerdings am Hals. Und das ist auch gut so. Sonst könnten wir uns die nächste Zeit nicht mit Ihnen beschäftigen und das wäre doch zu schade."
Rej fixierte den Blick seines Gegenübers. "Ja", echote er mit sarkastischem Unterton, "zu schade wäre das. Wirklich."
Wie aus dem Nichts packte ihn plötzlich von hinten eine Hand am Kinn und riss seinen Kopf zurück. In dem Halblicht und aufgrund seiner verminderten Sehkraft hatte Rej nicht bemerkt, wie der schwarzhaarige Mann hinter ihn gelangt war. Nun hielt er seinen Kopf in einem Schraubstockartigen Griff zwischen seiner Hand und seinem Körper eingeklemmt und zwang ihn dazu, zu ihm nach oben zu sehen. "Ich garantiere dir, du Missgeburt, dass es keine zehn Minuten dauern wird, bis du ganz andere Wünsche hast!" Er riss ihm die Atemmaske vom Gesicht und ließ sie achtlos neben sich zu Boden fallen. "Da du dich ja so sehr auf das Gespräch freust, wollen wir nicht, dass es durch so etwas Lästiges wie ein Atemgerät behindert wird."
Rej fand die Position, in der er sich befand, nicht sonderlich angenehm und sein Rücken rebellierte mit aufflammenden Schmerzen gegen die Verdrehung seines Kopfes. Er musste ziemlich nach oben blicken, um dem Mann ins Gesicht sehen zu können. Und ohne die Atemmaske fühlte er sich ein ganzes Stückchen schutzloser. Er hatte ja nicht vor, groß zu plaudern, wusste aber auch, dass er seine Position verstärken konnte, wenn er ihnen wenigstens verbal die Stirn bot. Aber schon in den Diskussionen mit dem Medic am Vormittag hatte der Gefangene schnell gemerkt, dass ihm sein vermindertes Lungenvolumen dabei nicht sonderlich entgegenkam. "Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Herr... wie soll ich Sie nennen? Achselschweiß?"
Der andere Mann ließ sich von der Beleidigung nicht beirren, schob mit dem Fuß die Atemmaske noch ein Stück zur Seite und ließ Rej dann los. Der genoss seine zurückgewonnene Bewegungsfreiheit. Achselschweiß gegen Missgeburt? Er war ja noch wirklich freundlich geblieben.
Der Mann ihm gegenüber lehnte sich zu ihm vor und sah ihm direkt ins Gesicht. "Gut, Herr Lio'Ta, jetzt hatten beide Seiten ihren Spaß, jetzt fangen wir mal mit der offiziellen Sache an. Wir vier werden die nächsten Wochen jeden Tag miteinander verbringen." Er deutete auf seine Kollegen und dann auf Rej. "Eine Kollegin wird die Tage noch zu uns stoßen, sie ist vorerst aber leider verhindert." Das interessierte den Widerständler relativ wenig, wer ihn verhörte war ihm ziemlich egal. Er merkte schon, der braunhaarige Typ wollte zumindest im Ansatz sein Programm durchziehen, während der Große einen auf bösen Bullen machte. Den Dritten konnte er innerhalb der kurzen Zeit noch überhaupt nicht einschätzen, da dieser sich zurückhielt und das Geschehen aus der Distanz verfolgte.
"Ich bin Silan Taisen, Spezialbeauftragter von den ShaoSetFai. Sie können mich gerne Silan nennen." Dann deutete er auf den großen Norm, der immer noch seitlich in der Nähe von Rej stand. Seine Körperhaltung verriet deutlich, dass er sich Frechheiten von ihm nicht groß gefallen lassen würde. "Das ist mein Kollege Jari Kailani, ebenfalls Spezialbeauftragter. Ich werde die Vernehmungen leiten, aber es kann auch sein, dass einer meiner Kollegen für eine Weile das Ruder übernehmen wird. Das ist..."
Der Mann mit den übermüdeten Augen wollte gerade dazu übergehen, auch den dritten Anwesenden vorzustellen, da fiel ihm Rej frech ins Wort. "Ah, Sie sind also der große Boss. Kein Wunder, dass sich Ihr Köter so aufplustert, muss er doch das Machtgefälle zu Ihnen wieder wett machen."
Weder Kailani noch Taisen ließen sich auf die Provokation ein. "Und wir sind in der Grundschule stecken geblieben, weil wir mit Beleidigungen um uns werfen müssen?", fragte Taisen stattdessen rhetorisch und bot Rej damit eine günstige Vorlage.
"Ich dachte mir schon, dass Sie es nicht weiter geschafft haben, mit 'ner Intelligenz nur knapp im zweistelligen Bereich. Ich hingegen habe nie eine Grundschule besucht." Das spöttische Lächeln verschwand aus Rejs Gesicht. "Weil die Regierung dort, wo sie uns hin verfrachtet hat, nämlich keine Schulen bauen ließ!" Trotz seiner in ihm aufkeimenden Wut entging Rej nicht, dass der grünhäutige Mann anerkennend eine Augenbraue hob. Der Punkt ging also an ihn. Silan Taisen schien das anders zu sehen.
"Das erklärt natürlich, warum Sie nicht in der Lage sind, sich höflicher und sachlicher auszudrücken. Man hat es Ihnen nicht beigebracht."
Rej schnaubte verächtlich. Ihm war klar, dass der XSF-Spezialbeauftragte ihn in ein emotionales Gespräch ziehen wollte, denn in der Emotionalität platzte so einiges heraus, was man eigentlich lieber für sich behalten hätte, aber der Widerständler behielt diese Gefahr kritisch im Auge. Außerdem ließ er nur ungern eine Gelegenheit verstreichen, in der er verdeutlichen konnte, warum die Song dazu genötigt worden waren, auch Gewalt gegen Xiantiao einzusetzen. Und es gab ihm zeitgleich die Möglichkeit Kailani und Taisen besser kennen zu lernen. Wenn er sich schon körperlich nicht vor ihnen schützen konnte, dann zumindest, indem er Informationen sammelte und sie einzuschätzen lernte.
"Glauben Sie bloß nicht, wir hätten keine Bildung genossen, nur weil wir auf die AneLAAN-indoktrinierten Einrichtungen verzichten mussten! In Son'Guin haben wir sehr wohl selbstständig dafür gesorgt, dass wir intellektuell nicht auf der Strecke bleiben!" Der Widerständler registrierte unzufrieden, dass das viele Sprechen unheimlich viel Atemluft benötigte - Atemluft, die er nicht hatte.
Taisen lehnte sich gelassen zurück und nahm einen Schluck von dem Becher, den er mitgebracht hatte. "Und wo ist dann Ihr Problem?", fragte er mit unschuldigem Blick. Rej runzelte die Stirn und verzog das Gesicht. "Mein Problem?", echote er verständnislos. Er sah nicht, worauf der Mann hinaus wollte. Dieser stellte das Getränk wieder auf den Tisch und hob die Handflächen in einer Geste, als ob glasklar wäre, was er meinte. "Wenn Sie in Son'Guin selbstständig für schulische Bildung sorgen konnten und sowieso keine Integration in die Xiantiaoschen Bildungseinrichtungen wünschen, wo liegt dann das Problem der Song?"
Rej blieb eine deftige Erwiderung im Hals stecken. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Das war plump. Das war äußerst plump. Sie befanden sich hier doch nicht in einer Diskussionsrunde, die öffentlich im Fernsehen ausgestrahlt wurde, und in der es galt, auf möglichst simple Art und Weise Argumente des Diskussionsgegners tot zu schlagen, um möglichst viele einfach gestrickte Leute auf die eigene Seite zu ziehen. Er schüttelte mehrere Male den Kopf und sah seinen Gesprächspartner dabei verächtlich an. "Das ist nicht Ihr ernst?", fragte er und blickte dann zu dem dritten Mann, der bis jetzt gar nichts gesagt hatte und sich auch noch nicht vorstellen hatte können. "Das ist nicht sein ernst, oder?" Dieser blickte erwartungsvoll zu Taisen, der mit einer einfachen Handgeste deutlich machte, dass er ihm für einen Moment das Feld überließ.
Der grünhäutige Mann mit dem weizenblonden Haar trat näher an den Tisch heran und nahm dann links des XSF-Spezialbeauftragten Platz. Auch er hatte einen Becher bei sich - seit die drei den Raum betreten hatten, roch es verlockend nach Kaffee, aber er hatte noch kein einziges Mal davon getrunken. "Das ist eine gute Frage, Herr Lio'Ta", eröffnete er das Gespräch, ohne sich zu positionieren. "Erzählen Sie mehr. Erzählen Sie mir von Son'Guin. Erzählen Sie mir von Ihrer Lösung des Problems mit den Schulen", forderte er Rej interessiert auf.
Dessen Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Diesem Typen würde er gar nichts sagen, erst recht nicht, solange er nicht wusste, wo er ihn einordnen sollte. Möglicherweise war er von der Cadence und die Typen konnte er sowieso nicht leiden. "Vergessen Sie's!", wiegelte er unfreundlich ab, "das geht Sie überhaupt nichts an. Sie haben ja keine Ahnung. Und ich weiß nicht einmal, wer Sie sind!" Mit der Zeit wurde die Luft dünner im Raum, hatte Rej das Gefühl. Und mit jedem Wort, dass er den drei Männern entgegenbrachte, verließen ihn mehr und mehr die Kräfte.
"Leik Kataruh", stellte sich der Ttog nun endlich vor, "nennen Sie mich einfach Kataruh. Ich bin Spezialist für Song-Angelegenheiten."
Dem Widerständler entwich ein finsteres Lachen. "Spezialist für Song-Angelegenheiten", wiederholte er die Worte - sie schmeckten ihm nicht. "Was soll das sein? Halten Sie sich für einen Experten für 'wie man uns am schnellsten mundtot kriegt'? Oder was für ein Spezialist wollen Sie sein? Sie glauben tatsächlich irgendetwas über uns zu wissen? Dazu müssten Sie in Son'Gashania aufgewachsen sein und so sehen Sie nicht aus." Erneut schüttelte er ungläubig den Kopf. "Kann man 'Song' jetzt als Wahlfach an der Xiantiaoer Uni studieren, oder was?" Irritiert bemerkte er, dass Sterne in seinem äußeren Gesichtsfeld zu tanzen begannen. Er brauchte dringend mehr Sauerstoff. Auf der anderen Seite war es sicher nicht die übelste Methode, um diesem idiotischen Gespräch zu entgehen, wenn er einfach aus den Latschen kippte. Er hatte jetzt schon genug von Silan Taisen und seinem komischen Gefolge.
Der Ttog nahm die Provokationen mit einem Achselzucken und einem Lächeln im Mundwinkel hin und beobachtete Rej weiter. Es machte den ehemaligen Song-Kommendan rasend, dass er hier mit seiner Wut gegen die AneLAAN wie ein Tier in einem Zoo begafft wurde. Aber diese Wut war im Moment seine einzige Möglichkeit, zu reagieren. Missmutig registrierte er auch, dass sein Rücken mehr und mehr schmerzte und sich sein Nacken verspannte. Er war tatsächlich in einer äußerst miesen Position, aber plötzlich musste er lachen. Die drei konnten ihm gar nichts. Wenn er nicht reden wollte, hatten sie keinerlei Macht über ihn. Dann saßen sie nichtsnutzig Stunde für Stunde hier mit ihm fest und vergeudeten auch ihre eigene Zeit.
Fragend hob der leitende XSF-Spezialbeauftragte die Augenbrauen, er selbst schien damit keine Probleme zu haben, dass sie hier für einen Moment schweigend da saßen. "Wollen Sie uns mitteilen, was Sie so amüsiert, Herr Lio'Ta?"
Rej schloss für einen Augenblick die Augen, grinste ihm dann breit ins Gesicht. "Die Zeit, sie verstreicht. Tick tack! Während wir hier sitzen und darüber wetteifern, wer der coolste Typ im Raum ist, oder noch schlimmer, während Sie versuchen, sich mit mir anzufreunden, sind da draußen meine Leute." Er zeigte mit dem Finger in Richtung der Tür, wenn er die Hand auch nicht dorthin bewegen konnte. "Und meine Leute sitzen ihre Zeit sicherlich nicht dumm ab und schlürfen Kaffee aus Pappbechern in einem schlecht beleuchteten Raum, in der Hoffnung, etwas in Erfahrung zu bringen. Meine Leute tun was! Jetzt, in dem Moment! Und ihr alle seid nicht dazu in der Lage, sie aufzuhalten." Er schüttelte erneut mit gespieltem Mitleid den Kopf. "Und trotzdem versucht ihr es. Putzig!"
"Ach, wenn du kleiner Drecksack der Meinung bist, dass wir hier nur Zeit tot schlagen, dann sollte es doch wenigstens Spaß machen", meinte der Schwarzhaarige neben ihm mit einem ebenso blasierten Grinsen. Der Hohn blieb Rej in der Kehle stecken, als Jari von der Seite an ihn heran trat, zielstrebig nach seinem Hals griff und direkt unterhalb der Kiefernknochen kräftig mit Daumen und Zeigefinger die Schmerzpunkte seiner Speicheldrüsen drückte.
Agonie explodierte hinter Rejs Augen, breitete sich über seinen Nacken und bis unter die Schädeldecke aus und er verkrampfte sich noch mehr. Das musste er dem Norm lassen, er hatte wirklich gut getroffen.
"Na, immer noch am Lachen, Drecksack?", fragte Kailani und nun troff der Spott aus seiner Stimme. "Aber sicher", brachte der Widerständler ächzend hervor und mühte sich, die Augen offen zu halten, um seinen Peiniger herausfordernd ansehen zu können. "Ich hatte... selten... soviel Spaß!", kamen die Worte vereinzelt über seine Lippen, während sich die schmerzhaften Sekunden in seinem Bewusstsein zu Minuten dehnten. Dunkelheit wogte von den Seiten seines Gesichtsfeldes heran. Aus einem Reflex heraus kämpfte er dagegen an, schnappte nach Luft, versuchte sich vergeblich dem Griff zu entziehen. Dann begann es in seinen Händen zu kribbeln, sie wurden taub, sein Gehör machte dicht und etwas hinter seiner Stirn riss ab, wie ein überstrapazierter Faden. Er kippte, fiel nach hinten, seine Hand griff ins Leere, sein Bewusstsein stürzte in die Tiefe und schwarze Wellen schlugen über ihm zusammen.
Die Ohnmacht dauerte nicht lange. Er tauchte aus dem Sumpf der Bewusstlosigkeit auf, weil ihm jemand mit der flachen Hand auf die Wange schlug. Der immense Schmerz war weg, war stattdessen einem dumpfen Nachklang in seinem Kopf und an den malträtierten Stellen am Hals gewichen. Ihm war eisig kalt und das Zittern seines Körpers ließ sich nicht unterdrücken. Jemand hatte das Licht über ihm angemacht und es blendete ihn fürchterlich und stach ihm in die Augen. Er schaffte es nicht, sie zu öffnen. Ihm war flau im Magen und seine Hände fühlten sich immer noch taub an, aber die Fingerspitzen der linken Hand meldeten sich langsam mit einem unangenehmen Kribbeln zurück. Sein Kreislauf war völlig weg gesackt und musste erst wieder in Schwung kommen. Jemand drückte ihm seit einer Weile die Sauerstoffmaske auf Nase und Mund.
"Na, sind Sie wieder bei uns?", drang eine ruhige Stimme an sein Ohr. Er hatte sie schon mal gehört, aber es dauerte eine Weile, bis er sie jemandem zuordnen konnte. Mühsam blinzelte er aus halb geschlossenen Lidern und versuchte das verschwommene Gesicht vor sich zu erkennen. Zu seinem Leidwesen war es nicht das von Dr. Bianco und auch nicht das von Sajan, sondern das des XSF-Spezialbeauftragten, Silan Taisen. Er konnte die Begeisterung darüber kaum aus seiner Mimik zurückhalten. Der Agent klopfte ihm noch einmal mit der Hand auf die Wange, dann schien er davon überzeugt, dass der Inhaftierte wieder bei Bewusstsein war. Er legte die Sauerstoffmaske bei Seite und verschränkte lässig die Arme.
Rej registrierte, dass der Mann nicht mehr auf dem Stuhl hinter dem Tisch saß, sondern es sich auf der Tischkante direkt vor ihm bequem gemacht hatte. Kailani saß in Reichweite auf einer Sitzgelegenheit links von ihm und beschäftigte sich übertrieben auffällig mit seinen Fingernägeln. Der Mann, der sich als Spezialist für Song-Angelegenheiten vorgestellt hatte, war noch immer an seinem Platz und ließ sich ein Gebäckstück schmecken, beobachtete ihn aber auch weiterhin.
Toll, während er hier ausgeknockt wurde, schlugen die sich bei einem Kaffeekränzchen die Ranzen voll. Der Gefangene bemerkte, wie sich leise, aber doch wahrnehmbar der Ärger wieder bei ihm meldete. Das war ein gutes Zeichen. Wenn die Wut zurück kam, dann brachte sie auch die Widerstandskraft mit sich. Und so kraftlos und ausgelaugt, wie er sich im Moment fühlte, konnte er die jetzt wirklich gut gebrauchen.
"Mir war nach einem kleinen Nickerchen", brachte er gepresst über die Lippen und zwang sich zu einem Lächeln. Es kostete ihn einiges an Mühe, den Kopf einigermaßen aufrecht zu halten und dem Zittern seines Körpers nicht die Überhand gewinnen zu lassen. Silan verdrehte genervt die Augen und schüttelte dann den Kopf. "Sie halten sich für einen ganz Großen, Herr Lio'Ta, aber in Wahrheit sind Sie ein kleiner erbärmlicher unbedeutender Mensch."
"Wenn Sie es sagen", keuchte Rej, "aber übertragen Sie nicht Ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf mich." Sobald er wieder mehr von sich gab, begannen auch die Sterne wieder vor seinen Augen zu tanzen. Die Wut in seinem Inneren wurde größer. Das Einzige, mit dem er sich hier wehren konnte, war doch seine große Klappe, er sah nicht ein, dass seine schlechte körperliche Verfassung ihn mundtot machte. Vor diesen Leuten erneut das Bewusstsein zu verlieren, war kein angenehmer Gedanke, zumal er sich seitdem noch mieser fühlte, aber er hatte nicht vor, seinen Peinigern das Gefühl der Überlegenheit zu lassen.
"Meine Leute haben mich immerhin zu ihrem Anführer gemacht. Und wenn ich ehrlich bin, so schlecht ist es doch nicht gelaufen, oder? Sonst hätte ich jetzt sicherlich nicht diesen hohen Gefahrenstatus unter euch. Und das, obwohl ich ein körperliches Wrack bin." Rej musste innerlich zugeben, dass das Gesagte nicht ganz stimmte. Er hatte Hanma Cerasela heraus gefordert, weil sie der Organisation als Anführerin nicht gut getan hatte. Und dann hatte er sie von der Spitze gestoßen und ihren Platz eingenommen, was sie ihm auch heim gezahlt hatte. Aber die Übernahme wäre ihm nicht gelungen, wenn die anderen Song nicht geschlossen hinter ihm gestanden hätten und schließlich hatte auch Cerasela ihn akzeptiert und in ihn ihr ganzes Vertrauen gelegt. Mittlerweile zählte er sie sogar zu seinen engsten Freunden.
"Ein körperliches Wrack", wiederholte der schweigsame Ttog nachdenklich und brachte sich dadurch zum zweiten Mal in das Gespräch ein. "Die ärztlichen Berichte legen nahe, dass Sie noch nicht lange in diesem Zustand sind, diese aber schon bei der Enterung der 56N6 Tahemetnesut bestanden haben. Wollen Sie erzählen, wie es dazu gekommen ist?"
"Es war ein Unfall", grollte Rej. Anders wie Shen To, schrieb er nicht Magister Navis Noritchcka Uakappan von der Cadence die gesamte Schuld daran zu, was mit ihm geschehen war. Sicherlich, es war durch den Kampf gegen ihn passiert, aber er war äußerst unglücklich gefallen und das war ein reiner Zufall und sicherlich nicht von dem Eindringling geplant gewesen.
"Das wühlt Sie emotional auf. Das macht Sie wütend, oder?", bohrte Kataruh nach. Und es stimmte. Natürlich machte es ihn wütend, wütend und verzweifelt. Es kostete ihn seine gesamte Willenskraft, nicht einfach aufgrund seiner bescheidenen Situation in sich zusammen zu brechen und auch noch zu einem seelischen Wrack zu werden. "Glücklich macht es mich nicht", gab er patzig zurück und hatte Mühe, nicht zu viel von seinen wahren Gefühlen an die Oberfläche kommen zu lassen.
"Sie sagen, es war ein Unfall, Herr Lio'Ta. Lag es daran, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf der 56N6 Tahemetnesut nicht auf dem neuesten Stand waren?" Allein der Zorn darüber, dass der Spezialist über sein Schiff sprach, schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihn die Faust ballen. Die Wut tat seinem Kreislauf gut, brachte seinen Puls wieder in Schwung. "Schauen Sie doch selbst nach!", forderte er den Mann frech auf. "Sie haben doch mein Schiff! Fragen Sie nicht mich!" Selbstverständlich waren die Sicherheitsvorkehrungen auf einem angemessenen Level gewesen, wenn man nicht auf einer Konsole herum lief, über die Reling stolperte und aus fünfzehn Metern Höhe und mit vollem Gewicht durch eine Abschirmung krachte und auf einem Stromführenden Maschinenteil landete.
Trotz des Ärgers entging dem Song nicht der Gesichtsausdruck der anwesenden Männer. Es war nur ein kurzes Zögern in Leik Kataruhs Mimik gewesen, zeitgleich hatte Silan Taisen den Blick gehoben. In Gedanken spulte Rej noch einmal zurück, was er gerade eben gesagt hatte. Darin musste etwas Wichtiges gelegen haben. Hatte er den Verhörspezialisten versehentlich eine Information zugespielt? Nein, es war etwas anderes. Seine Worte hatten sie an einen Punkt geführt, an dem ihnen für einen kurzen Moment ihr Pokerface abhanden gekommen war. Dann ging ihm ein Licht auf und über den Ärger hinaus gewann ein breites Grinsen auf seinem Gesicht die Oberhand.
"Sie haben mein Schiff gar nicht, nicht wahr?", fragte er frech und blickte zwischen den beiden schweigenden Männern hin und her. Erneut wechselten Taisen und Kataruh einen Blick, dann rollte der Verhörleiter genervt mit den Augen. Das wurde ja immer schöner. Sie hatten ihn zur Befragung in diese finstere Kammer gebracht und am Ende kam er mit mehr Informationen heraus, als er zuvor gehabt hatte. "Ist sie Ihnen entwischt?", setzte er hinterher, obwohl er das kaum glauben konnte, doch nun ließen sich die drei Männer nicht mehr in ihre Karten schauen. "Oder hat die Cadence sie?" Er konnte nicht erkennen, ob eine der beiden Vermutungen zutraf. Kataruhs Gesicht konnte er nicht gut genug erkennen und Taisens Miene verzog sich keinen Millimeter. Jari widmete sich noch immer seinen Fingernägeln.