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5.

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„Ich sage dir, das war vielleicht ein Horror. Wir sind mitten in ein Gewitter gekommen, schon kurz nach dem Start. Und hier ist immer noch diese schreckliche Hitze.”

Sie schob sich eine feuchte blonde Strähne aus der Stirn. Ihr Gesicht war gerötet und wies ein paar dieser hektischen Flecken auf, die sie manchmal bekam, und sie verzog es bei dem vergeblichen Versuch, sich etwas Abkühlung zu verschaffen, indem sie den Ausschnitt ihrer verschwitzten weißen Bluse in einer hilflosen Geste hin und her bewegte.

„Ich muss unbedingt duschen und mir frisches Zeug anziehen”.

„Möchtest du erst zu dir oder gleich zu mir?”, fragte er, ihre schwere Reisetasche über der Schulter und den ebenso schweren Koffer in der linken Hand.

„Gleich zu dir. Ich habe genug dabei.”

Als er die Sachen im Kofferraum verstaute, hatte er unwillkürlich die Szene vor Augen, wie er und Julia Gerlach den toten Oliver Rensing erst ein- und später wieder ausgeladen hatten.

„Und? Wie ist es mit dem dem Job gelaufen?”, fragte er, nachdem sie eingestiegen waren. Sie klappte den Spiegel herunter, musterte sich, verzog abermals das Gesicht, holte das Etui mit dem Schminkzeug aus ihrer Handtasche hervor, überlegte kurz und steckte es wieder weg, wobei sie mehr zu sich selbst murmelte: „Das bringt's jetzt auch nicht.”

An ihn gewandt erklärte sie: „Auch Horror. Ich bin wirklich froh, wenn wir diesen Mist hinter uns haben. Es nervt. Diese Fernsehleute dort, ich sage dir, das sind vielleicht Typen. Ich habe ein paarmal gedacht, was du wohl machen würdest, wenn du dich mit solchen Leuten abgeben müsstest. Aber das Ende ist ja nun allmählich abzusehen, und ich hoffe, dass wir doch irgendwie wieder auf eine andere Schiene kommen, weg von diesem Unterschichtenmüll.”

Der Wagen hatte keine Klimaanlage, nicht einmal elektrische Fensterheber, und sie mussten die Scheiben herunterkurbeln, um den Fahrtwind hereinzulassen.

Sie streifte ihren leichten, beigefarbenen Rock so hoch, dass ihre nahezu weißen Beine – sie hatte empfindliche Haut und vertrug die Sonne nicht gut – völlig frei waren und er die Ränder ihres Slips sehen konnte. Er schaute nur aus den Augenwinkeln hin und wandte den Blick gleich wieder ab.

„Und du? Was hast du getrieben in den letzten Tagen?”, wollte sie wissen. „Du warst am Telefon etwas komisch.”

„Ich habe nicht viel gemacht, nichts weiter Besonderes. Was soll man bei dieser Hitze auch schon großartig anfangen? Sie setzt mir ziemlich zu”, antwortete er.

„Jedenfalls bin ich froh, wieder hier zu sein, ich freue mich richtig auf unser Wochenende”, sagte sie und tätschelte sein Knie. Sie hatte bereits allerlei Pläne gemacht, aber er hörte ihr kaum zu.

Kurz nachdem die Tür seiner Wohnung hinter ihnen ins Schluss gefallen war und noch bevor er Tasche und Koffer abgesetzt hatte, klingelte das Telefon. Er ließ beides gleichzeitig zu Boden fallen und nahm den Apparat von der Station.

„Hallo? Hallo? Hier ist Julia.”

Und schon klickte es in der Leitung und die Verbindung war unterbrochen.

„Wer war denn das?”, fragte Eva.

„Nichts, niemand. Da hatte sich wohl jemand verwählt.”

Sie verschwand im Bad, er hörte das Rauschen der Dusche, und wenig später ging das Telefon erneut. Diesmal ließ er es läuten, acht, zehn, zwölf Mal, bis es endlich verstummte. Dann ging er in die Küche. Er atmete tief durch, um das unangenehme Gefühl innerer Anspannung loszuwerden.

Eva war in ein grünes Badelaken gewickelt, das sie über der Brust locker verknotet hatte, und trug auf dem Kopf ein gleichfarbiges, zu einem Turban geformtes Handtuch, als sie in der Küchentür erschien, und instinktiv verglich er ihren Anblick mit dem Bild Julias in ihrem kurzen Bademantel. Eva war etwas größer als sie und hatte eine sehr gute Figur; und sie sah jünger aus als fast einundvierzig, obwohl auch das längst kein Alter mehr für eine Frau war. Doch der Unterschied zu Julia, die ihrerseits viel jünger wirkte, als sie vermutlich war – genau wusste er ja gar nicht, wie alt sie tatsächlich war –, hatte nur sehr begrenzt mit den Lebensjahren zu tun. Eva war eine in jeder Hinsicht erwachsene Frau, all ihrem manchmal etwas allzu jugendlichen Gebaren zum Trotz, und Julia Gerlach war genau das nicht.

„Was denkst du gerade? Du guckst so, als würdest du furchtbar angestrengt über etwas nachdenken, das ganz enorm wichtig ist”, sagte sie und löste den Turban, um sich ihr Haar zu rubbeln.

„Ich denke darüber nach, was ich uns zum Essen machen könnte. Ich habe einiges eingekauft und könnte beispielsweise Seelachsfilet mit Bandnudeln und einem Bauernsalat anbieten.”

„Klingt nicht schlecht”, meinte sie mit einem Augenaufschlag. „Ich hätte heute gar nichts dagegen, nicht mehr auszugehen und mit dir zu Hause zu bleiben.”

Sie löste auch den Knoten des Badetuchs, ließ es mit demonstrativer Absichtslosigkeit und ein paar ironisch-koketten Bewegungen bis zur Taille herunterrutschen und begab sich dann wieder ins Bad, um all die Prozeduren ihrer Körperpflege zum Abschluss zu bringen.

Seine Kochkünste waren nicht besonders hoch entwickelt, aber immer noch höher als ihre, und von Zeit zu Zeit entdeckte er bei sich einen gewissen Ehrgeiz, sie wenigstens im Rahmen seiner beschränkten Möglichkeiten zu vervollkommnen. Von dem allenthalben grassierenden Kochwahn hielt er indes gar nichts. Ihm ging es lediglich darum, wenn er denn schon kochte, eine einigermaßen gesunde und schmackhafte Mahlzeit zustande zu bringen. Bisher war die Liste der Speisen, bei denen ihm das gelang, noch ziemlich bescheiden, aber er gab sich redlich Mühe, sie zu verlängern. Seelachsfilet, Bandnudeln und Salat fielen allerdings nicht unter die Rubrik Innovationen und Experimente, hier agierte er auf vertrautem Terrain.

Später, als sie an dem gedeckten Tisch im Wohnzimmer saßen, lobte sie ihn ausgiebig dafür. Sie hatte sich nur ein lockeres, tunikaähnliches Kleid übergezogen, kaum länger als ein zu großes T-Shirt, und tat sich Eiswürfel in den Chablis, den er eigens für sie gekauft hatte, wobei sie ausdrücklich betonte, dass dies im Prinzip selbstverständlich ein „absolutes No-go” sei und sie sich diesen Fauxpas allein der Hitze wegen ausnahmsweise gestatte.

Er schwankte für einen winzigen Moment, ob er sich ebenfalls ein Glas einschütten sollte, viel fehlte nicht und er hätte es getan. Doch zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens hatte er den Alkohol bereits aus seinem Leben verbannt; Eva Uhlenbrock hatte ihn noch nie welchen zu sich nehmen sehen, und wenn er jetzt plötzlich damit anfinge, würde das bei ihr erhebliche Verwunderung hervorrufen und Fragen nach sich ziehen – Fragen, von denen nicht abzusehen war, wohin sie letzten Endes führen würden. Dass er von Julia Gerlachs Rotwein getrunken hatte, konnte er vor sich selbst vertreten und als einmaligen Ausrutscher abhaken, zumal es im Zusammenhang mit Handlungen geschehen war, die deutlich weniger vertretbar waren.

Eine Viertelstunde, nachdem sie zusammen den Tisch abgeräumt hatten, gingen erst er und dann erneut Eva ins Bad, und dann lag er keuchend über ihr auf seinem Bett. Ihr gemeinsames Sexualleben hatte sich von Beginn an in Richtung bestimmter fester Rituale entwickelt, die schon früh eine zumindest unterschwellige Tendenz zur Routine aufwiesen. Er wurde nie ganz den Eindruck los, dass sie bestrebt war, ihren Mangel an echtem Enthusiasmus durch eine pragmatische, in seinen Augen allerdings etwas zu forsche Zielstrebigkeit zu verbergen, so als handele es sich auch beim Geschlechtsakt um eines ihrer Projekte.

Eine weitere Viertelstunde später, als es vorüber und sie wie immer stumm geblieben war – fast stumm, er meinte gegen Ende hin etwas wie einen kleinen Laut gehört zu haben –, erklärte sie ihm, es sei anders gewesen als sonst, „irgendwie besonders“.

Er fragte sich insgeheim, ob sie das auch gesagt hätte, wenn sie gewusst hätte, wie schwer er sich die ganze Zeit damit getan hatte, das Bild ihres nackten Körpers unter sich tatsächlich auf sich wirken, es an sich heran, sich von ihm erregen zu lassen, weil sich vor sein inneres Auge ständig das Bild eines anderen weiblichen Körpers drängte, der zwar nicht vollständig nackt, sondern mit einem kleinen Hemd bekleidet war, was ihn jedoch nur umso entblößter hatte erscheinen lassen.

Die Frau am Tor

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