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Amrum, Inselstraße, 11:34 Uhr
ОглавлениеNils war in seinem Dienstwagen in Richtung Hafen unterwegs und passierte gerade die Tankstelle. Rechts tauchte der Leuchtturm über den im Wind wogenden nackten Bäumen und Büschen auf. Gleich würde die letzte Fähre für heute ankommen und wieder zurückfahren, danach waren sie vollkommen abgeschnitten vom Rest der Welt. Ein Gefühl, das Nils eigentlich mochte. Es war das Elementare einer Insel, die Abgeschiedenheit von allem anderen, völlig auf sich allein gestellt zu sein. Und jetzt, über die Weihnachtsfeiertage, fand er die Vorstellung besonders schön. Sie würden es sich zu dritt im Haus gemütlich machen, der Ofen würde bullern und draußen der Regen gegen die Scheiben trommeln. Sie würden sich beschenken, gut essen und trinken und einfach zusammen sein. Etwas Besseres konnte er sich nicht vorstellen.
Im Hafen angekommen, parkte er geschützt hinter dem Gebäude und rannte mit gesenktem Kopf die Stufen hinauf.
»Moin, Nils«, grüßte ihn die gelangweilt dreinschauende Mitarbeiterin Ines hinter dem Verkaufsschalter. Hier drin war natürlich nichts los.
»Moin. Komm, pack deine Sachen und geh nach Hause. Der Hafen wird doch gleich dichtgemacht.
»Ich bleibe, bis alle von Bord sind. Man weiß ja nie.«
Die Schiebetür hinter Nils öffnete sich, und Rüdiger, ein weiterer Mitarbeiter der Reederei, trat ein. »Moin, Nils. Gleich haben wir Ruhe für ’n paar Tage.«
»Wie hoch ist der Wasserstand?«
»Jetzt sind’s eins zwanzig. Heute Nachmittag kommen wir auf über zwei Meter, dann ist hier Land unter.«
Nils nickte und blickte aus dem Fenster hinaus auf die graubraune Nordsee.
»Was macht ihr über die Feiertage? Ist Anna da?«, fragte Rüdiger.
»Ja, wir werden ein ganz ruhiges Fest haben. Keine Gäste, nur wir drei und der Sturm.«
»Klingt nett. Mein Sohn kommt dieses Jahr nicht nach Hause. Meine Frau heult sich seit einer Woche die Augen aus. Aber der Junge hat einfach keine Lust, mit seinen alten Eltern zu feiern. Jetzt sind die Kumpels wichtiger und die Mädchen.« Er schaute traurig auf seine nassen Stiefelspitzen.
»Dann könnt ihr doch mal schön zu zweit, so ganz romantisch feiern.« Nils zwinkerte ihm zu.
»Jaa. Muss man sich erst mal dran gewöhnen, ne?«
»Ach, wenn er erst ’ne Frau und Kinder hat, kommt er wieder zu euch, keine Angst.«
Rüdiger ließ die Kinnlade fallen. »Dann bin ich Opa, oder was?«
»Jou.«
»Schietkram.« Er fuhr sich mit der Hand über seinen grauen Schnäuzer.
Nils lachte und legte einen Arm um Rüdigers Schultern. »Ich versteh dich ja. Kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn Anna nicht mehr zu uns kommt. Vielleicht sperr ich sie einfach ein und nehm sie lebenslang als Geisel.«
»Schöner Gedanke für einen Polizisten«, bemerkte Ines, grinste aber.