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Fähre nach Amrum, kurz vor der Ankunft, 12:24 Uhr

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»Wir bitten Sie, zu Ihrer eigenen Sicherheit in den Gängen oder in Ihren Autos zu warten, bis das Schiff angelegt hat. Es könnte etwas holprig werden, also halten Sie sich bitte fest. Danke«, lautete die kaum verstehbare Durchsage des Kapitäns über die Lautsprecher. Martin war mit seiner Familie auf dem Weg nach unten, wo die Gäste, die zu Fuß auf die Insel wollten, schon dicht an dicht standen. Er trug Piet auf dem Arm und wurde am Ende des Ganges von einem Schiffsmitarbeiter aufgehalten, der an der schweren Eisentür »Wache« stand.

»Wir wollen zum Auto«, rief Martin gegen das Rauschen des Wassers und den Wind an. Der Mann nickte und ließ sie durch.

Martin legte schützend eine Hand auf Piets Kopf und drückte ihn fest an seine Brust. Der Wind packte und schüttelte sie, dass die Kleidung nur so flatterte. Sie mussten aufpassen, nicht gegen eins der Autos zu stoßen. Eilig stiegen alle ins Auto ein und schlossen die Türen. Dicke Tropfen klatschten auf die Scheibe, durch die man kaum noch etwas sehen konnte.

»Puh«, sagte Martin nur und sah nach Piet. Der verzog das Gesicht, schniefte und fing lauthals an zu weinen. »Schon gut, Pieti«, flüsterte er.

»Gib ihn mir«, sagte Alexandra und streckte ihre Hände aus. Martin reichte ihr ihren Sohn nach hinten und wischte sich übers nasse Gesicht.

»War ja ’ne tolle Idee, nach Amrum zu fahren über Weihnachten«, ätzte Joshua.

»Jetzt pass mal auf, Joshi«, begann Martin ungehalten und wandte sich seinem Sohn zu. »So langsam gehen mir deine Kommentare auf den Zeiger. Fahr einfach mal einen Gang runter und versuch, nicht den ganzen Tag nur rumzumosern wie ein beleidigtes Prinzesschen, okay?«

Daniela unterdrückte auf der Rückbank ein Lachen.

Joshua machte große Augen und zog eine gekünstelte Grimasse. »Uhh, da hab ich aber Angst.«

»Übertreib’s nicht. Meine Geduld ist langsam am Ende«, sagte Martin, und es klang so ernst, dass Alexandra und Daniela aufblickten. Joshua erwiderte nichts mehr und wandte sich ab.

Dann herrschte Stille im Wagen.

Als die Fähre beim Anlegemanöver gegen die Stoßdämpfer an der Kaimauer stieß, ging ein heftiger Ruck durch die Fahrzeuge auf der Ladefläche. Der Mitarbeiter, der vorn am Bug bereitstand, wäre fast umgefallen. Es gab noch einen weiteren Aufprall, und der Bug hob und senkte sich ständig, bis die Landungsbrücke das Schiff endlich wie ein Feststellmechanismus zum Stehen brachte. Aus Sicherheitsgründen durften die Autos heute zuerst von Bord fahren, anschließend gingen alle Gäste, die zu Fuß unterwegs waren, an Land.

Ein merkwürdiges Gefühl ergriff von Martin Besitz, als er den Wagen über die Brücke auf das Eiland lenkte. Sie waren nicht zum ersten Mal hier, aber diesmal schien es endgültiger als sonst. Die Reise auf eine Insel war immer etwas Besonderes, vor allem, wenn man sie nur per Schiff erreichen konnte. Ein wenig wie die Reise zu einem anderen Stern. Nie war dieses Gefühl stärker gewesen als heute. Martin empfand eine tiefe Verbundenheit mit allen Menschen, die gerade mit ihm diese Insel betraten. Sie war nun ihr aller Schicksal. Er lachte schnaubend, weil ihm dieser Gedanke kitschig vorkam. So kannte er sich nicht. Es war schließlich nur ein Urlaub über die Feiertage.

Aus dem Augenwinkel fiel ihm ein Mann in Uniform auf, der zwischen den beiden Gebäudeteilen des Hafenhäuschens stand und der Autoschlange zusah. Es war ein Polizist. Und dieses Gefühl wollte einfach nicht von ihm lassen.

Inseldämmerung

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