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„Ich will aber beide haben!“ Die ersten klaren Worte in meiner Welt. „Ich will, ich will, ich will!“ „Nein, eins ist genug, hab‘ ich gesagt. Jetzt entscheide dich und dann gehen wir. Du kannst dir die anderen ja von Oma zum Geburtstag wünschen.“ „Aber das dauert doch noch so lang!“

„Ich bin noch im Buchladen, ja, ich komme gleich. Du sitzt schon im Café? In Ordnung, ja, ich beeile mich. Bis gleich, Mama.“

Ein mühsam unterdrücktes Schluchzen. „Wie ist das passiert? Heute Morgen schien doch alles gar nicht so schlimm zu sein. Hat der Tierarzt dir das genauer erklärt?“

„Hast du mitgekriegt, wie Markus dich angesehen hat eben? Das war nicht normal, der will was von dir, bestimmt!“

Worte, viele Worte, Gespräche, Gesprächsfetzen, einzelne Sätze, kurze Erzählungen, kleine Anekdoten, ja, auch emotionale Ausbrüche – War es eine Katze? Ein Hund? Das arme Tier hat hoffentlich nicht leiden müssen! –, große Menschen, kleine Menschen, einige gehetzte Menschen, entspannte Menschen, schlafende Babys in ihren Kinderwagen, gelangweilte Kinder, ratlose Gesichter, Unentschlossenheit, und ach, die grausam fettigen Finger ... Ich sah viel in dieser Zeit. Oder hörte vielmehr, fühlte, spürte. Es war eine spannende Phase, meine ersten Lehrjahre der Menschenkunde – und ja, auch der Bücherkunde. Es gab so viele, ein Wirrwarr von Geschichten, Gedichten, Berichten, Abhandlungen, Kitsch, Lebenserfahrung, inhaltlose Schwafelei und ein Überschwang an Wortfolgen. Es war wie in einem Meer aus Buchstaben, treibend auf Wellen von Satzmelodien. Ich genoss diese Zeit, anfangs zumindest, ich sog alles in mich auf, ohne mir einen Reim darauf machen zu können – oder doch, ich hätte hunderte Reime machen können! Aber ich blieb meistens ruhig und hörte zu, lauschte dem Durcheinander. Erhaschte Fetzen von Worten, von Geschichten, von Leben. Und ließ meine Phantasie die fehlenden Brocken ergänzen.

„Lebt wohl!“ Wie altmodisch. Das war wieder ein kleines gelbes Heft, ein Schiller, wie so oft in den hastigen Händen eines Schülers. Lebte er wohl oder wurde er genauso fahrig behandelt, wie es bereits jetzt schon den Anschein hatte? „Wir sehen uns bald wieder, weint nicht! Morgen ist ein neuer Tag.“ So ungefähr klangen die überladenen Grüße aus einer anderen Ecke. Eifersucht! Ich gebe es zu, ich war eifersüchtig. Auf die beliebten Fantasiewelten, die Schnäppchen nahe der Kasse und die Saisonware, „hübsch“ dekoriert. Diese aufgeblasenen Schnösel! Das war fast immer das Gleiche, farblich abgestimmt: gelb und braun im Oktober, grün und rot im Frühjahr, von Dezember ganz zu schweigen, und mit allerlei stummen Krimskrams aufgefüllt links und rechts. Aber die Leute liebten es! Wie sind die Menschen doch so einfach zu beeinflussen. Sie durften raus, die Welt sehen, von der ich immer nur kleine Auszüge zu hören bekam.

Die Menschen hatten meine Neugier geweckt, immer größer wurde mein Hunger nach mehr, nach neuen Geschichten, nach Leben, und ja, nach Liebe, die so präsent war bei unseresgleichen. Überall war das Wort zu finden, es hallte quasi durch die Räume, besonders laut aus dem Bereich „Frauenliteratur“, war jedoch auch sonst allgegenwärtig. Und Abenteuer! Es gab einen Bereich, in dem sich gegenseitig überboten wurde an Abenteuergeschichten, Reisen in ferne Länder, nein, ICH habe mehr erlebt, ich bin um die ganze Welt gereist! Aber ich bin auf den höchsten Berg geklettert! Und ich habe die Wüste durchquert! Ich habe auf einem Katamaran gegen die Wellen gekämpft!

Wie wunderbar musste es dort draußen sein, wie bunt und voller Inspiration, wenn die Menschen tagtäglich diese Welt erfahren durften! Wenn das alles stimmte, was ich dort in dieser Ecke hörte – und das meiste war glaubwürdig geschildert – dann musste die Welt da draußen das Paradies sein! Oh ja, ich beneidete sie, Tag um Tag, hilflos, oftmals traurig, und sehr hungrig. Und mit der Hoffnung, eines Tages selbst in die spannende Welt der Menschen einzutauchen, ihre Geschichten aus erster Hand zu hören, ihr Leben vielleicht sogar mit zu gestalten. Und dafür wurde ich ausgelacht. Eine bittere, auszehrende Zeit.

Von Menschen und der Liebe

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