Читать книгу Besser fix als fertig - Bernd Hufnagl - Страница 5
ОглавлениеUm zu verstehen, nach welcher Logik und Dynamik unser Gehirn werkt, benötigen wir Einblick in die biologischen Prozesse und deren Logik, die zur Ausbildung dieses speziellen Organs im Laufe der Evolution geführt haben. Wir sollten unsere Herkunft – also unser biologisches Erbe – betrachten, um nachvollziehen zu können, warum wir so denken und handeln, wie wir es tun. Sie werden sehen, dass sich bestimmte Teile unseres Gehirns zu völlig unterschiedlichen Zeiten und Rahmenbedingungen in der Evolutionsgeschichte differenziert und spezialisiert haben. Ich möchte Ihnen gleich im ersten Kapitel schildern, um welche Netzwerke es sich dabei handelt, wie diese Bereiche „denken“ und die Welt um uns interpretieren. In den folgenden Kapiteln werde ich immer wieder auf deren Vernetzung und Kommunikation untereinander hinweisen.
Die im Folgenden geschilderten Hirnteile sind natürlich keine unabhängig voneinander funktionierenden Bereiche. Sie arbeiten nach heutigem Wissen vielmehr als Netzwerk mit spezialisierten Arealen. Verstehen wir aber die speziellen „Eigenheiten“ jener Bereiche, die durch die Umstände und Rahmenbedingungen ihrer Entstehung geprägt wurden und zum Teil jahrmillionenlang annähernd unverändert funktioniert haben, so können wir wichtige Verhaltensweisen unseres Gehirns besser nachvollziehen.
Ein Prinzip der Evolution ist es, altbewährte Strukturen nicht mehr aufgeben zu können, sondern in Funktion und Struktur, immer angepasst an neue Anforderungen, zu ergänzen oder zu überlagern. Ist der Keller eines Hauses also einmal gebaut und tragfähig, so kann das Erdgeschoss nur mehr darauf errichtet werden, wenn zuvor der Keller ganz fertiggestellt wurde. Das gilt auch, wenn man im fertigen Haus dann eigentlich gar keinen Keller mehr brauchen würde.
Bei der Entwicklung eines Menschen (von der Befruchtung der Eizelle bis zum Neugeborenen) wird wie im Zeitraffer unsere gesamte stammesgeschichtliche Entwicklungsgeschichte durchlaufen. Man kann das in der Embryonalentwicklung deutlich sehen. Und es lässt einen fast schaudern, wenn man sieht, dass wir in einem bestimmten Entwicklungsstadium genauso ausgesehen haben wie Hai-Embryos. Von den Fischen und Amphibien zu den primitiven Säugetieren und schließlich zum Menschen durchläuft jeder von uns im Mutterleib die gesamte Evolutionsgeschichte. Es sollte also eigentlich alles an Struktur und Funktionen noch in uns vorhanden sein, was bereits vor Jahrmillionen „erfunden“ und erfolgreich eingesetzt wurde.
Wo sind denn nun die praktischen Kiemen, das einfache Gehirn der Frösche und die (überaus männliche) Ganzkörperbehaarung geblieben? Die Kiemen gibt es bei uns Menschen wirklich, sie treten bei manchen, quasi als „Entwicklungsfehler“, wieder in Erscheinung. (Ich kenne sogar jemanden, der diese Kiemenanlagen ausgebildet hat. Hübsch sind sie jedenfalls nicht. Und ihre ursprüngliche Funktion erfüllen sie leider auch nicht. Schade). Bei der Ganzkörperbehaarung gilt Ähnliches, und wenn man Pech hat, ist auch noch das gesamte Gesicht behaart. Da wird die morgendliche Rasur zu Ganztagsbeschäftigung. Auch bei Frauen.
Bei der Suche nach dem Verbleib des Froschgehirns wird es nun spannend und es soll uns zum eigentlichen Thema leiten.