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1.1.6 Volkswirtschaftliche Sektoren

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Die am volkswirtschaftlichen Güterversorgungsprozess beteiligten Spezialisten treffen tagtäglich millionenfache Entscheidungen. Nach dem offiziellen, auch in Deutschland gültigen Begriffsystem des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG 2010), das auf dem weltweit gültigen „System of National Accounts 2008“ (SNA 2008) der Vereinten Nationen (UN) beruht und durch eine entsprechende Verordnung der Europäischen Union (EU) allen Mitgliedsländern vorschreibt, in ihrer nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die vorgegebenen Begriffe und Buchungssysteme zu verwenden, werden fünf Grundsektoren unterschieden:


Private Unternehmen konsumieren nicht, sondern investieren nur.

Private Unternehmen

Die privaten Unternehmen werden in Unternehmen mit eigener und ohne eigene Rechtspersönlichkeit unterteilt. Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Personen) sind nichtfinanzielle (z. B. ein Automobilproduzent) und finanzielle (z. B. eine Geschäftsbank) Kapitalgesellschaften wie z. B. eine AG oder GmbH, aber auch Quasi-Kapitalgesellschaften wie z. B. eine OHG oder KG. Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind die Selbstständigen wie z. B. ein Handwerksbetrieb oder ein Rechtsanwalt. In den privaten Unternehmen werden mittels des Einsatzes und der Kombination von Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) und der gegebenen Produktionstechnologie Güter hergestellt. Für die Nutzung der Produktionsfaktoren müssen die Unternehmen an die Eigentümer der Produktionsfaktoren ein Entgelt – letztlich wiederum Güter – zahlen, d. h., es entstehen ihnen Kosten, z. B. Arbeitnehmerentgelte als Lohnkosten (Lohnsatz × Arbeitsmenge). Für die Eigentümer der Produktionsfaktoren, die in sämtlichen Sektoren angesiedelt sein können, sind diese Zahlungen Einkommen (Faktoreinkommen). Für den Verkauf ihrer erzeugten Produkte am Markt (Marktproduktion) erzielen die Unternehmen einen Erlös oder Umsatz (= Preis × Absatzmenge). Der Gewinn als Betriebsüberschuss (für die Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit) bzw. als Selbstständigeneinkommen (für die Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit) ergibt sich aus der Differenz von Umsatz und Kosten und fließt als Einkommen den Eigentümern des Unternehmens bzw. der entsprechenden Produktionsfaktoren als verteilter Gewinn zu oder verbleibt als unverteilter Gewinn im Unternehmen.

Private Haushalte konsumieren vor allem, aber investieren auch.

Private Haushalte

Die privaten Haushalte sind Eigentümer von Produktionsfaktoren, stellen diese den privaten Unternehmen, den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck und dem Staat zur Verfügung und beziehen für ihre Nutzung ein Einkommen als Arbeitnehmerentgelt (z. B. Löhne und Gehälter) für die Nutzung ihrer Arbeitskraft oder ein Selbstständigeneinkommen für die Nutzung ihres Bodens oder/und Kapitals. Die Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zählen als Selbstständige zu den privaten Haushalten, da in der Praxis häufig eine klare Trennung zwischen privatem Haushaltsbereich und Unternehmensbereich nicht möglich ist. In diesen Fällen stellen also die privaten Haushalte ihre Produktionsfaktoren gleichsam sich selbst zur Verfügung. Über ihr Einkommen verfügen die privaten Haushalte, indem sie Konsumgüter kaufen und den Rest sparen, um damit z. B. den eigenen Kauf von Investitionsgütern in ihren Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu finanzieren oder anderen den Kauf durch Kreditvergabe (auch z. B. durch den Erwerb von Aktien) zu ermöglichen.

Private Organisationen ohne Erwerbszweck investieren und konsumieren.

Private Organisationen ohne Erwerbszweck

Die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck umfassen z. B. die Gewerkschaften, politischen Parteien, Kirchen, Forschungseinrichtungen, Hilfswerke, Sportvereine etc. Ihre Dienstleistungsproduktion ist – bis auf ganz wenige Ausnahmen (z. B. Wohnungsvermietung) – nicht für den Markt (Nichtmarktproduktion) bestimmt und wird daher als ihr Eigenverbrauch und damit als Konsum interpretiert und mit den Herstellungskosten bewertet. Die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck werden auch als „Dritter Sektor“ bezeichnet (engl.: Non-Governmental Organizations („NGOs“)).

Der private Sektor hat keine hoheitlichen Befugnisse

Private Unternehmen, private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck bilden zusammen den privaten Sektor. Die im privaten Sektor tätigen Wirtschaftssubjekte („Private“) handeln meist nach ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse (Egoismus), dürfen dabei aber keine Gewalt gegenüber anderen Wirtschaftssubjekten ausüben. Dies bleibt dem Staat vorbehalten.

Der Staat investiert und konsumiert.

Der staatliche Sektor hat hoheitliche Befugnisse

Der Staat (auch „öffentlicher Sektor“ oder „öffentliche Haushalte“ genannt) hat im Gegensatz zum privaten Sektor hoheitliche Befugnisse (Gewaltmonopol mit Legislative, Exekutive und Judikative), d. h., er darf die Privaten zwingen und in ihrem Eigeninteresse (Individualinteresse) einschränken, wenn es dem öffentlichen Interesse, dem Interesse aller in einem Gemeinwesen (Gemeininteresse), dient. Was darunter zu verstehen ist, legt die Verfassung, in Deutschland das Grundgesetz, fest. Sind die hoheitlichen Befugnisse nicht an einer Stelle konzentriert (Zentralstaat), sondern werden sie wie in Deutschland als Bundesstaat auf verschiedenen, abgestuften Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) eingesetzt, so sprechen wir von Föderalstaat oder Föderalismus.

Private und öffentliche Güter

Im wirtschaftlichen Bereich erhebt der Staat als Träger der Finanzhoheit z. B. Steuern (= „Zwangsabgaben“ = Güterentzug für den Steuerzahler) von den privaten Haushalten und Unternehmen. Dafür stellt er öffentliche Güter zur Verfügung. Bei ihnen handelt es sich um ökonomische (knappe) Güter als Dienstleistungen (z. B. Bildungsleistungen durch Schulen, Sicherheitsleistungen durch militärische Einrichtungen, Rechtsprechung durch Gerichte, Nutzung des Verkehrsnetzes etc.), die jedes Gesellschaftsmitglied nutzen kann. Eine direkte Gegenleistung durch Preiszahlung muss nicht erbracht werden, d. h., es gilt – im Gegensatz zu den privaten Gütern – kein Ausschlussprinzip. Es handelt sich demnach bei den öffentlichen Gütern um eine Nichtmarktproduktion, die wie bei den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck als Eigenverbrauch des Staates und damit als Konsum (Staatskonsum) interpretiert und ebenfalls mit Herstellungskosten (darunter z. B. die Gehälter der Beamten) bewertet wird. Nur bei staatlichen Genehmigungen und entsprechenden Gebühren gilt das Ausschlussprinzip. Sie gelten daher als Marktproduktion und werden zu Vorleistungen oder privatem Konsum (Genaueres unter Abschnitt 1.2.2). Außerdem ist der Staat als wirtschaftspolitische Instanz tätig, indem er für Ordnung in der Wirtschaft sorgt (Ordnungspolitik), Ungleichgewichte (Instabilitäten) im Güterversorgungsprozess zu verhindern versucht (Prozesspolitik) und die Aufteilung der gesamten Gütermenge auf die und in den verschiedenen Sektoren korrigiert (Strukturpolitik). Im 4.7. Kapitel werden wir darauf näher eingehen.

Die übrige Welt sind das Ausland oder die Ausländer.

Übrige Welt

Die übrige Welt umfasst alle Tauschpartner einer Volkswirtschaft (z. B. über den Export und Import von Gütern), die sich außerhalb der geographischen Grenzen des Landes befinden (Inlands-Auslands-Konzept) oder die als Gebietsfremde ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben (Inländer-Ausländer-Konzept).

Situationsbezogene Antwort 6

Die Kunden von Installationsmeister Röhrl sind zunächst private Haushalte, die die Pelletheizung nicht in einem Produktionsprozess, sondern z. B. zur Beheizung der Wohnräume einsetzen. Es sind aber auch private Haushalte, die sie als Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (z. B. als Bäckerei) im Produktionsprozess (z. B. zur Beheizung der Backstube bei der Semmelproduktion) einsetzen. Installationsmeister Röhrl produziert demnach private Konsumgüter, aber auch private Investitionsgüter. Private Organisationen ohne Erwerbszweck (z. B. die örtliche Kirchengemeinde) und der Staat (z. B. die örtliche Gemeindeverwaltung) zählen nicht zu seinen Kunden. Auch im Auslandsgeschäft (z. B. durch die Lieferung (= Export) der Pelletheizung an einen österreichischen Betrieb oder den Bezug (= Import) von Ersatzteilen von einem österreichischen Händler) ist er nicht tätig.

Situationsbezogene Frage 7

Welche Geschäftsbeziehungen bestehen zwischen Installationsmeister Röhrl und seinen Geschäftspartnern im privaten Haushaltssektor?

Volkswirtschaft, 4. Auflage

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