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1.2.5 Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto und die Beziehung zwischen Sparen und Investieren

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Bildung und Finanzierung von Produktivvermögen

Der gesamtwirtschaftliche Vermögensbegriff ist produktionsbezogen, d. h., als Vermögensbildung gilt nur, was entweder direkt der Produktion dient wie die Nettoinvestitionen (Sachvermögensbildung) oder ihr zumindest indirekt als Finanzierungsquelle der Nettoinvestitionen über das Sparen (Reinvermögensbildung) zugute kommt. Übersteigt die Reinvermögensbildung die Sachvermögensbildung und treten demnach Finanzierungsüberschüsse (FÜ) auf, so kommt es zur Geldvermögensbildung. Das Vermögensänderungskonto macht diese Vorgänge sichtbar und übernimmt dabei wiederum die Funktion, die Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto aufzunehmen, und zwar in Gestalt der Bruttoinvestitionen und Abschreibungen bzw. in Gestalt des Sparens.

Allerdings tritt dabei das Problem auf, dass die Bruttoinvestitionen (Ib) und Abschreibungen (D) bzw. deren Differenz, die Nettoinvestitionen (In), nach dem Inlandskonzept, das Sparen (S) aber nach dem Inländerkonzept ermittelt worden sind. Ist es also zu einem Finanzierungsüberschuss gekommen, weil das Sparen größer als die Nettoinvestitionen war (S > In), so kann dieser Finanzierungsüberschuss nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass ein Exportüberschuss (Ex > Im) entstanden ist, sondern es können auch Finanzierungsmittel aus der Differenz von Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) und Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW) zugeflossen sein. Für den Fall S > In muss also für den Saldo des Vermögensänderungskontos gelten: FÜ = Ex + Im + PEN←üW − TrN→üW. Die einzelnen Komponenten des Saldos sind gleichsam die noch fehlenden Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto, die wir aber noch gesondert auf dem Konto der übrigen Welt erfassen werden.

Wird das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto auf die beschriebene Weise gefüllt und saldiert, so wird es auf das Inländerkonzept vereinheitlicht und erhält folgende Gestalt:


Sparen gleich Investieren

Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto führt uns zu der wichtigen Einsicht, dass die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Sparens aufgrund der Begriffswahl in einer geschlossenen Volkswirtschaft (d. h., ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen Welt wie z. B. durch Export und Import) am Ende der Rechnungsperiode immer den Nettoinvestitionen entsprechen muss: S = In.

Investitionen ohne Sparen nur durch internationale Verschuldung oder Geschenke

Positive Nettoinvestitionen und damit eine Ausdehnung des Sachkapitalbestandes bzw. der zukünftigen Produktionskapazitäten sind also in einer geschlossenen Volkswirtschaft nur durch Konsumverzicht möglich. Länder, die sich aufgrund eines ohnehin geringen Versorgungsniveaus der Bevölkerung mit Konsumgütern keinen weiteren Konsumverzicht leisten können und demnach Schwierigkeiten mit dem Sparen haben, können Investitionen daher zwangsläufig nur durch Öffnung ihrer Volkswirtschaft und über einen Importüberschuss (Im > Ex) und damit durch Verschuldung in der übrigen Welt finanzieren. Die Verschuldung lässt sich lediglich durch empfangene Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) oder/und durch empfangene Nettotransferzahlungen („Geschenke“) aus der übrigen Welt (TrN←üW = − TrN→üW) mildern. Für diejenigen, die es genau wissen wollen:

In einer offenen Volkswirtschaft gilt nach den bisherigen Begriffen bzw. Symbolen:

S = Yv − C = NNE − TrN→üW − (Cpr + Cst) = NIP + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Cpr + Cst + Ibpr + Ibst + Ex − Im − D + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)

S = Ibpr + Ibst − D + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW

S = In + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW

Wenn S = 0, dann gilt:

In = (Im − Ex) − PEN←üW + TrN→üW = (Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW

Die Nettoinvestitionen (In) sind in diesem Fall mit einem Finanzierungsdefizit ((Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW) auf der rechten Seite des gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskontos verbunden. Es entspricht dem Leistungsbilanzdefizit, wie wir im 8. Kapitel bei der Darstellung der Zahlungsbilanz noch sehen werden. Das Land ist also in diesem Fall voll auf die Hilfe aus der übrigen Welt angewiesen.

Situationsbezogene Antwort 5

Unter volkswirtschaftlichem Blickwinkel liegt eine Vermögensbildung nur dann vor, wenn es sich um Produktivvermögen handelt, d. h., wenn sich die Produktionsmöglichkeiten erhöhen. So stellt z. B. die Wohnzimmereinrichtung, selbst z. B. ein wertvoller Kunstgegenstand, kein Produktivvermögen dar, da sie nicht wieder der Produktion dient. Produktivvermögen wird direkt durch die Bildung von Sachvermögen über Investitionsgüter geschaffen, indirekt durch die Bildung von Reinvermögen durch Sparen zur Finanzierung des Sachvermögens. Daneben dienen auch durch Abschreibung gewonnene Finanzierungsmittel der Sachvermögensbildung.

Installationsmeister Röhrl hat zunächst dadurch zur volkswirtschaftlichen Sachvermögensbildung beigetragen, dass er mit der Erweiterung seines Firmengebäudes eine Bruttoinvestition und unter Abzug der bereits angefallenen Abschreibung auf dieses Gebäude auch eine Nettoinvestition getätigt hat. Sie wurde mit Eigenmitteln durch das Sparen (Reinvermögensbildung) seines Unternehmens finanziert, das seinem verfügbaren Selbständigeneinkommen als versteuertem, nicht ausgeschüttetem Gewinn entspricht. Sollten die Eigenmittel bzw. das Sparen zur Finanzierung nicht ausgereicht haben, so muss es zu einem Finanzierungsdefizit, also zu einer negativen Geldvermögensbildung, gekommen sein, d. h., es muss z. B. eine Kreditfinanzierung vorgelegen haben.

Ein weiterer Beitrag zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung könnte über den privaten Haushalt von Installationsmeister Röhrl außerhalb seines Unternehmensbereichs dadurch erfolgt sein, dass sein weiteres verfügbares Selbständigeneinkommen als versteuerter, ausgeschütteter Gewinn von ihm nicht voll zum Konsumgüterkauf (z. B. Anschaffung einer neuen Wohnzimmereinrichtung) verwendet, sondern zum Teil gespart wurde (z. B. als Bankguthaben oder durch Aktienerwerb). Dieses Sparen würde dann (z. B. unter Vermittlung des Bankensektors) zur Finanzierung von Nettoinvestitionen in anderen volkswirtschaftlichen Produktionsbereichen (z. B. auch im staatlichen Sektor durch den Erwerb von Staatsanleihen) dienen.

Situationsbezogene Frage 6

Wie stellen sich die Geldbewegungen bzw. die eingesetzten Finanzierungsmittel bei der Betriebstätigkeit von Installationsmeister Röhrl und bei seinen Kunden aus volkswirtschaftlicher Sicht dar?

Volkswirtschaft, 4. Auflage

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