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2.2 Die wichtigsten Krisen des Bankenwesens im Laufe der Geschichte

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Von einer Bankenkrise spricht man dann, wenn finanzielle Probleme einer oder mehrerer Kreditinstitute so groß sind, dass Ansteckungseffekte auf andere Banken, auf die Entwicklung der Realwirtschaft und auch auf die Finanzierung des Staates durch hohe zusätzliche Verschuldung drohen. Massenhafte Kreditausfälle oder große Börsenverluste können zum Verlust der Solvabilität einer Bank führen, der Fähigkeit, all ihre Verpflichtungen jederzeit erfüllen zu können. Meist geht hiermit ein Verlust an Liquidität einher, der zur Zahlungsunfähigkeit und damit zum Zusammenbruch einer Bank führt. (Die folgenden Zusammenfassungen beruhen hauptsächlich auf Artikeln in Wikipedia).

Die Berner Bankenkrise von 1720, in deren Folge mehrere Berner Bankhäuser kollabierten, wurde ausgelöst durch das Platzen einer Spekulationsblase mit Wertpapieren, die die besagten Banken z. B. an der Londoner Börse gehandelt hatten.

Die Wirtschaftskrise von 1857, die von den USA ausging aber auch nach Europa ausstrahlte, gipfelte in der Zahlungseinstellung der Ohio Life Insurance Co. Sie hatte sich in Bezug auf den weiteren Eisenbahnbau bzw. in Bezug auf erwartete höhere Frachtraten und auf die Erweiterung des Weizenanbaus im Nordosten der USA verspekuliert. Dieser Bankenzusammenbruch zog im Sinne eines Dominoeffektes weitere Zusammenbrüche von Banken, die auch mit Siedlungsland spekuliert hatten, nach sich. Die US-Regierung finanzierte sich zu dieser Zeit hauptsächlich durch Zölle und aus dem Verkauf von Land an Siedler. Da aber durch die Bankenzusammenbrüche der Handel mit Europa zurückging, fielen die Zolleinnahmen. Außerdem fanden sich weniger Siedler, die Land von Banken oder vom Staat kaufen wollten, und so fielen auch die Einnahmen in diesem Bereich. Die Folge war eine gravierende Finanzkrise der US Regierung.

Die Weltwirtschaftskrise von 1929ff wurde ausgelöst durch einen heute unvorstellbaren kreditfinanzierten Konsum - während die Kredite in den USA für Konsumzwecke 1919 noch 100 Mio. US Dollar ausmachten, waren es 1929 mehr als 7 Milliarden US Dollar. Außerdem wurden auch Aktien von Personen ohne jedes Vermögen auf Kredit gekauft, immer in der Hoffnung, den Kredit aus den immer weiter steigenden Aktienkursen zurückzahlen zu können - Dienstmädchen-, Friseurinnen- oder Taxifahrerhausse. Als die NY Börse wegen dieser Überspekulation im Oktober diesen Jahres zusammenbrach, kam es zu zahlreichen Selbstmorden von jetzt zahlungsunfähigen Einzelpersonen - die Banken verlangten Kreditrückzahlungen, da die als Sicherheiten hinterlegten Aktien dramatisch an Wert verloren hatten - mit der Folge, dass ein Drittel aller US-Banken, nachdem sie zunächst "Bankfeiertage" eingelegt hatten, liquidiert werden mussten. Die Krise wurde vertieft, weil die US Notenbank, die Federal Reserve Bank (FED) nicht genügend Liquidität in den Finanzsektor pumpte. 1930 argumentierte ein Vertreter der FED, dass durch Verbilligung und Ausweitung von Krediten die wirtschaftliche Erholung nicht beschleunigt werden könne, und er stand mit dieser Meinung nicht allein.

In den USA wurde in Folge dieser Krise zur Kontrolle der Finanzwirtschaft bzw. präziser zur Überwachung des Wertpapierhandels 1934 die Securities and Exchange Commission (SEC) als "Independent Regulatory Commission" gegründet. Ihr erster Vorsitzender war Joseph Kennedy, der Vater des späteren Präsidenten der USA. Sein Nachfolger war William O. Douglas, ein späterer langjähriger Richter am Obersten Gericht.

"The Securities and Exchange Commission has often been described as the product of a national protest against financial misbehavior. But abuse had been a factor in finance for years and the protest was not against that alone but the growing acceptance of malpractice as the normal thing in the world. … Of the many forces which breed insecurity, perhaps the most dangerous are the exploitation and dissipation of capital at the hands of what is known as ´high finance`…. who may be accurately termed as financial termites. …They destroy the legitimate function of finance and become a common enemy of investors and businesses. … Business becomes not service at a profit but a preserve for exploitation. The basic social and economic values in free enterprise disappear. For such reason one of the chief characteristics of such finance has been its inhumanity, its disregard of social and human values. High finance is interested solely in the immediate profit…. The danger of that concentration of power is that it is not accompanied by the assumption of social responsibility. … But the cycles and crises thus created are not inescapable. We may in Years to come look at them as monuments to the fall of the human race…. Complexities are made possible by notorious lax corporation laws - laws designed to suit the ingenuity of high finance and its lawyers, laws drafted in Wall Street for Wall Street`s purposes….There can be no question that the laxity in business morals has a direct relationship to the size of business" (James Allen aaO.).

Auf diese Zitate ist zurückzukommen, wenn in der Krise ab 2007 in Bezug auf Banken in Schieflage von "too big to fail" oder sogar "too big to prosecute" die Rede ist.

In Folge der Weltwirtschaftskrise, die auch auf Deutschland übergeschwappt war, kam es 1931 zur deutschen Bankenkrise, in der sowohl die Dresdner- als auch die Danat-Bank zusammenbrachen. Es kam zu Ansteckungseffekten in der Realwirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit, weil die Regierung Brüning, um eine weitere Staatsverschuldung zu verhindern, eine kontraktive Haushaltspolitik - weniger Steuereinnahmen, dann auch weniger Staatsausgaben - betrieb. So trug die Krise und das falsche Krisenmanagement der konservativen Reichsregierung zur Machterteilung an die Nationalsozialisten unter Hitler durch Teile der Großindustrie, die nur noch in der Ausweitung der Rüstungsindustrie in Deutschland eine wirtschaftliche Zukunft sahen, bei. In der wissenschaftlichen und medialen Diskussion wird die Frage gestellt, ob die internationale Finanzmarktkrise ab 2007 mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 vergleichbar sei (vgl. dazu Ritschl).

Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 wurde in den USA durch den "New Deal" unter Präsident Franklin D. Roosevelt überwunden. Er setzte große Infrastrukturprojekte wie den Bau von großen Staumauern durch, um in Tennessee Strom zu gewinnen. Finanziert wurden die Projekte auf Pump.

1985 Savings and Loan Krise in den USA: in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts brachen in den USA über 1000 Savings- and Loans Banken, vergleichbar deutschen Sparkassen, beschränkt auf die Hereinnahme von Spargeldern und die Ausleihe von Immobilienkrediten, zusammen. !982 in der Präsidentschaft des Republikaners Ronald Reagan, einem reinen Wirtschaftsliberalen, war die strenge Regulierung des Finanzsektors in Folge der großen Depression der 30er Jahre gelockert worden. Sparkassen durften nun Ratenkredite anbieten, Unternehmenskredite vergeben und Kreditkarten ausgeben. Lediglich das Investment Banking war ihnen verwehrt. Die Haftung der staatlichen amerikanischen Einlagensicherung (Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC) wurde von 70% auf 100% von Einlagen bis 250 000,-US Dollar angehoben. Dies verleitete die Savings and Loans zu riskantem Verhalten bei Kreditausleihungen insbes. bei der Ausgabe von sog. Junk Bonds, hochriskanten Unternehmensanleihen. Sie fühlten sich sicher, da ja im Ernstfall der Staat mit seiner Einlagensicherung einspringen würde - moral hazard, d. h. der Chance auf hohe Gewinne steht nicht mehr das Risiko eines Totalverlustes gegenüber. Als nun auch noch durch betrügerische Verhaltensweisen einzelner Manager die Blase hochriskanter Kredite platzte, brach als erste die Home State Savings Bank Cincinnati in Ohio zusammen. Weitere 999 und mehr folgten. Der Gesamtschaden wird auf 150 Milliarden US Dollar geschätzt, wobei ca. 125 Milliarden durch die öffentliche Hand aufgebracht wurden, insbes. durch den staatlichen Einlagensicherungsfonds. Infolgedessen kam es zu einem hohen Budgetdefizit im Bundeshaushalt der USA und zu einer anschließenden Rezession in der Realwirtschaft.

Schwedische Bankenkrise 1990-92: In Schweden gibt es eine vergleichsweise hohe Einkommenssteuerbelastung. Da die schwedischen Kreditnehmer in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zu 50% der Kreditzinsen vom zu versteuernden Einkommen absetzen konnten, gab es einen hohen Anreiz, kreditfinanzierte Immobilien zu erwerben. Diese Kredite wurden von den Banken im Vertrauen auf die Werthaltigkeit der Immobilien großzügig ausgegeben. Zwischen 1987 und 1993 wurden Immobilien im Gegenwert von 400 Milliarden schwedischen Kronen errichtet. Als sich die Konjunktur verschlechterte und die Immobilienpreise zu sinken begannen, platzte 1990 die Blase. Im Herbst 1991 stand die größte schwedische Bank "Nordbanken" (zum größten Teil im Staatsbesitz) vor dem Zusammenbruch. Der schwedische Staat führte frisches Geld zu und faule Kredite wurden in eine bad bank ausgelagert. Dies reichte zur Eindämmung der Krise jedoch nicht aus, denn 1992 stand die erste Sparkasse vor dem Konkurs. Jetzt übernahm der Staat eine Garantie für die Einlagen dieser Sparkasse, kurze Zeit später für sämtliche Einlagen bei allen Banken, auch für die bei der bad bank. So konnte die Krise relativ schnell überwunden werden. Die Folge aber war eine zunehmende Bankenkonzentration.

1994 wurde in den USA durch den Riegle-Neal Act das Verbot für Banken, über Einzelstaatsgrenzen zu fusionieren - geregelt im Bank Holding Act von 1954 -, aufgehoben. Dadurch wurde ab den 90er Jahren eine Fusionswelle im Finanzsektor begünstigt, die zu den großen Konglomeraten an der Wallstreet führten. Auf sie bezieht sich dann ab der Krise 2007ff der Ausdruck: too big to fail. Die Krise ab 2007 hat also einen Vorlauf in der staatlichen Deregulierung, zu der auch im Jahre 1999 die Aufhebung des Glass-Steagall Acts von 1933, der ein Trennbankensystem vorschrieb, gehört. Zu der Zeit war William (Bill) Jefferson Clinton Präsident. Er wollte mit derartigen Maßnahmen die demokratische Partei zur Mitte des politischen Spektrums öffnen, um so auch den im politischen System der USA dringend notwendigen Zugang zu Parteispenden von Unternehmen zu verbessern.

Der Zusammenbruch der britischen Barrings Bank 1995 hat eine lange wechselvolle Vorgeschichte. 1762 übersiedelten die Söhne des Bremer Kaufmanns Johann Barring nach London und gründeten daselbst das Bankhaus John & Francis Barring & Co. Es wurde im Laufe der folgenden Jahre neben der Rothschild Bank zur führenden Londoner Bank. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts stieg die Bank in die Finanzierung von Regierungsaktivitäten ein: So finanzierte die Bank 1803 den Kauf von Louisiana durch die USA von Frankreich. Die inzwischen in Barring Brothers and Company umbenannte Bank unterstützte Großbritannien bei der Finanzierung der Kriege gegen Napoleon und war in den folgenden Jahrzehnten an umfangreichen Geschäften mit der französischen und der russischen Regierung beteiligt. Ab 1880 vergab die Bank u. a. Anleihen an südamerikanische Banken, vor allem an Argentinien. Nachdem in den Folgejahren die weltweiten Rohstoffpreise zurückgingen, konnte Argentinien 1890 seine Auslandsschulden nicht mehr zurückzahlen und die Barring Bank blieb auf wertlosen argentinischen Anleihen im Wert von 21 Millionen britischen Pfund sitzen - die große Panik von 1890 brach aus. Der Bank von England gelang es, ein Konsortium von über 100 Banken und vermögenden Einzelpersonen zusammenzubringen, das genügend Kapital aufbrachte, um die Verbindlichkeiten der in Schieflage geratenen Barring Bank zu befriedigen. Damit waren die befürchteten weitreichenden Auswirkungen auf die Wirtschaft im britischen Empire abgewendet. Trotzdem verringerten sich die britischen Auslandskredite, was sich auf die Wirtschaftskrisen in Südafrika, Australien und den USA 1893 negativ auswirkte. Die Bank ging in Konkurs, wurde jedoch unmittelbar danach als Aktiengesellschaft neu gegründet und übernahm einen Großteil der verbliebenen Geschäfte.

Mehr als 100 Jahre später führten unerlaubte Zins- und Indexspekulationen des Terminhändlers Nick Leeson in Singapur 1995 zu einen Verlust von 1,4 Milliarden US Dollar und dem endgültigen Zusammenbruch der Barring Bank. Die niederländische Ing Group erwarb das Unternehmen für den symbolischen Preis von 1 britischem Pfund und führt seither Teile des Investment Banking weiter.

Eine Lehre, die aus diesem Bankrott gezogen wurde, war, eine bessere Zusammenarbeit zwischen Frontoffice (Handel am Markt) und dem BackOffice (Abwicklung, Marktfolge) und dem Risikocontrolling einer Bank zu fordern. Ob dadurch die Machenschaften von Nick Leeson unterbunden oder zumindest früher aufgedeckt worden wären, bleibt dahingestellt.

Fazit:

Finanzmarkt- bzw. Bankenkrisen sind kein neues Phänomen der Wirtschaftsgeschichte. Sie wiederholen sich in unregelmäßigen Abständen.

Bei praktisch allen erwähnten Bankenkrisen ging eine unverantwortliche Spekulation voraus - Spekulation mit Wertpapieren bzw. mit Immobilien bzw. Immobilienkrediten (die erste Spekulationsblase, - diesmal mit Tulpenzwiebeln - platzte 1637 in den Niederlanden). Unter Spekulation wird die mit der Spielsucht vergleichbare Verhaltensweise von Einzelpersonen oder auch Institutionen verstanden, in dem gierigen Drang nach Gewinn hohe Risiken ungeachtet des möglichen Totalverlustes des eingesetzten Geldes einzugehen. Es handelt sich nicht um Einkommenserwerb durch Arbeit, sei es in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen sei es im Handel, sondern um reine Zockerei, wobei in Banken oft einzelne Händler Roulette spielen, sie aber stillschweigend von ihren Vorgesetzten geduldet, oft sogar angetrieben werden. Es wird immer wieder unterstellt, dass Trends wie z. B. das Ansteigen von Immobilienpreisen oder von Aktienkursen ad infinitum anhalten, obwohl Alltagswissen lehrt, dass Trends, je länger sie anhalten, umso schneller kehren sie sich um. Es scheint so, als ob marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaften nur sehr schwer dazu lernen: Neues Spiel, neues Glück. Für jede neue Generation gehört offenbar das Ausreizen von Risiken zum Leben dazu. Der Casino-Kapitalismus scheint international immer wieder eine kaum zu bremsende Faszination auf Banken und Banker auszuüben bzw. sie prägen ihn durch ihr verantwortungsloses Handeln.

In den meisten Fällen hatte der Zusammenbruch einer Bank einen Domino-Effekt, sodass das gesamte Finanzsystem in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dieses ist das Besondere am Finanzsektor: alle Banken hängen eng zusammen; ist das Vertrauen in eine Bank erschüttert, vertrauen Kunden auch den anderen Banken nicht mehr und lösen einen panikartigen bank run aus.

Die Bankenkrise hatte jeweils verheerende negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft, und zwar umso stärker, je weniger weit die Krise aus heutiger Sicht zurückliegt.

Die jeweilige Krise ist nicht auf das "Ursprungsland" beschränkt geblieben, sondern hat sich international ausgewirkt.

Die Folgen einer Banken- und dann Weltwirtschaftskrise haben die Finanzierung der Staaten massiv negativ beeinflusst.

Staatliche Reaktionen auf die Krise, die nicht mit antizyklischer Geld- und Fiskalpolitik wie in den USA unter Franklin D. Roosevelt gegengesteuert haben, haben die Krise weiter vertieft und den Erholungsprozess verlängert. Negative soziale und politische Folgen haben in Deutschland - Brüningsche kontraktive Haushaltspolitik als Reaktion auf die Banken- und die ihr folgende Weltwirtschaftskrise Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts - die nationalsozialistische Gewaltherrschaft begünstigt und sind mit ursächlich für den 2. Weltkrieg.

Phasen der strikten staatlichen Regulierung und der Deregulierung haben sich immer wieder abgelöst, jeweils als Reaktion auf die gerade vorherrschende wirtschaftliche Situation, ohne die vorhandenen historischen Erfahrungen zu berücksichtigen. Sozio-ökonomisch ist zu klären, wie derartige Zyklen zustande kommen; welchen wirtschaftlichen und politischen Kräften gelingt es immer wieder erneut - bes. in den USA - , ordnungspolitische Vorgaben zur sicheren Funktionsweise des Finanzsektors auszuhebeln, um eine neue Runde der Spekulation und der Bankenzusammenschlüsse auszulösen. Galbraith geht davon aus, dass sich die Geschichte der Finanzkrisen in regelmäßigen Abständen wiederholt: Alle 20 Jahre hat das finanzielle Gedächtnis alles wieder vergessen, und es betritt eine neue Generation von Händlern den Markt - ebenso von der eigenen Genialität überzeugt wie die gescheiterten Vorgänger. Und so kommt es immer wieder zum Platzen von Blasen mit einem lauten Knall und desaströsen Folgen! Ebenso sind freilich immer wieder staatliche Regulierungen und Konjunkturprogramme festzustellen, die zumindest für eine bestimmte Zeitspanne eine positive wirtschaftliche Entwicklung ermöglichten.

Das wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Umfeld der internationalen Finanzkrise ab 2007 war in den USA nicht nur durch die Deregulierung in der Clinton Ära sondern auch durch große Skandale außerhalb des Finanzsektors wie bei ENRON, Global Crossing, Tyco und Xerox gekennzeichnet. Es ging u.a. um Bilanzfälschungen im großen Stil.

Der ENRON Skandal ist insofern interessant, als er viele Parallelen zur späteren internationalen Finanzmarktkrise aufweist. Der Energieriese ENRON war bis zum Jahr 2000 das 7. größte Unternehmen der USA. 1992 hatte Präsident George H.W. Bush eine Deregulierung des Strommarktes durchgesetzt. Bis dahin waren Parteispenden von Energieunternehmen verboten und diese hatten die Pflicht, die Versorgungsnetze in gutem Zustand zu halten. Durch die Deregulierung erhielten Unternehmen wie ENRON mehr unternehmerische Freiheiten und so stiegen in Kalifornien die Strompreise in kurzer Zeit um 300 %. ENRON war mit der Politik eng verbunden: So unterstützte der ENRON Chef Kenneth Lay den Präsidentschaftswahlkampf von George Walker Bush - also Bush Junior - mit 550 000,- US Dollar. Insgesamt hatten 188 von 435 Kongressabgeordnete und 71 Senatoren von insgesamt 100 laut New York Times Geld von ENRON erhalten.

Nachdem ENRON im Oktober 2001 einen Verlust von 638 Mio. US Dollar gemeldet und über Abschreibungen im Wert von 1,2 Milliarden US Dollar berichtet hatte nach dem Ausstieg aus Investmentgeschäften, leitete die SEC ein Verfahren zur Überprüfung der Buchführung und der Bilanzierung ein. Daraufhin vernichtete der für ENRON verantwortliche Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen eine Vielzahl von Papieren und tausende E-Mails, ENRON betreffend. ENRON hatte Gewinne zu hoch angegeben und Schulden in Höhe von 30 Milliarden verheimlicht. Nachdem das Management von ENRON seine gesamten ENRON Aktien verkauft hatte und die Verluste des Konzerns bekannt wurden, fiel die Aktie von 90 US Dollar auf einen Kurs von wenigen Cent. Im Dezember 2001 meldete ENRON Konkurs an. Bis kurz vor der Pleite hatten Ratingagenturen ENRON eine "vorzügliche Bonität" bescheinigt. Im Januar 2002 gab Arthur Andersen zu, ENRON Akten vernichtet zu haben, musste wegen Behinderung der Justiz 500.000,- US Dollar Strafe zahlen und ging Pleite.

Im Zuge der Aufarbeitung des ENRON Skandals zahlte ENRON im Insolvenzverfahren für wertlos gewordene ENRON Anleihen 222,5 Mio. US Dollar Entschädigung an Lehman Brothers, 2000 Mio. an die Citigroup und 2.200 Mio. an J.P.Morgan. Den im Rahmen der bisher gezahlten Entschädigungen in Höhe von 7,1 Milliarden US Dollar steht ein durch die Insolvenz vernichteter Börsenwert von 50 Milliarden US Dollar gegenüber. 2006 wurde ENRON Chef Kenneth Lay in einem Strafverfahren wegen Betrugs durch Bilanzfälschung für schuldig erklärt; Er verstarb jedoch vor Festlegung des Strafmaßes. J. Skilling, CEO vor Lay, wurde zu 24 Jahren Haft verurteilt. 2010 einigte sich der mittlerweile zu 80 % dem Staat gehörende Konzern - Enron war 2008 für 170 Milliarden vom US amerikanischen Staat gerettet worden - auf die Zahlung von 725 Millionen US Dollar an eine Gruppe von Aktionären, die ENRON u. a. Betrug vorgeworfen hatten (tagesschau.de, 18.7.2010: US-Konzern zahlt 725 Millionen Dollar für Vergleich).

Bei dem World Com Skandal ging es auch um betrügerische Bilanzmanipulationen: es wurden 2000/2001 Fehlbuchungen von 11 Milliarden US Dollar aufgedeckt und der CEO wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Auf Grund dieses und der anderen Skandale wurde 2002 der Sabanes-Oxley Act verabschiedet, der die Rechnungslegung Börsen notierter Unternehmen transparenter gestalten und die internen Kontrollsysteme verbessern sollte. So wurde vorgeschrieben, dass die CEOs die Richtigkeit des Jahresabschlusses durch eine eidesstattliche Versicherung bestätigen müssen. Auch wurden die Strafvorschriften für Bilanzmanipulationen verschärft. Die Securities and Exchange Commission (SEC) wurde beauftragt, Verordnungen zur Durchführung des Gesetzes zu erlassen. Insgesamt ging es um eine neue Qualität von corporate governance.

Krisenspirale oder Neustart?

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