Читать книгу Immer im Rampenlicht - Bernd R. Hock - Страница 15
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ZÖGERN ODER WEITERGEHEN?
Stufe für Stufe steige ich innerlich in meinen seelischen Keller hinab, bis ich vor der Tür stehe, durch die der Lichtschein strahlt. Auch wenn ich nur in meiner Vorstellung hier bin, frage ich mich, ob ich wirklich hindurchgehen soll. Wenn ich dies tue und mich meinen unbewussten Mechanismen stelle, wird das einiges verändern. Manche Tür, vor der ich im Laufe meines Lebens gestanden habe, hätte ich besser verschlossen lassen sollen, während ich mich bei manch anderer durchaus schneller hätte entschließen sollen, sie zu öffnen und durchzugehen.
Gern hätte ich auf dieser inneren Reise einen Begleiter. Conny wäre toll! Sie hätte ich jetzt gerne an meiner Seite.
Und während ich an Conny denke, höre ich sie förmlich schnaufen. Schnaufen und schmatzen.
Conny hatte in meiner Kindheit meiner Tante gehört und ich hatte diese Boxerhündin sehr gemocht. Ich bin generell ein großer Hundefreund, und wenn ich mir jemals einen anschaffen sollte, dann wird es tausendprozentig ein Boxer sein. Da ist sie wieder: die Prägung. Das asthmatische Schnaufen, das ständige Schmatzen und auch das Sabbern dieser Hunderasse sind in meinem Inneren absolut positiv besetzt.
So wie Conny sich freute, wenn mein Vater und ich sie besuchten, um mit ihr spazieren zu gehen, konnte sich kein weiteres Lebewesen auf diesem Planeten freuen.
Hunde wedeln ja bekanntlich mit dem Schwanz, wenn sie sich freuen. Doch früher wurden bei Boxern und anderen Hunden Ohren und Schwänze kupiert. Gott sei Dank ist dies heute nicht mehr so! Weil also Conny keinen Schwanz zum Wedeln hatte, wedelte ihr ganzer Körper! Trotz ihres Übergewichts bewegte sie sich wild, drehte sich um ihre eigene Achse, hüpfte auf und ab und schnaufte, schmatzte und sabberte dabei, dass es eine wahre Pracht war.
Als Kind musste ich immer lachen, wenn ich mir vorstellte, dass Menschen sich wie Hunde begrüßen und sich gegenseitig am Po beschnuppern würden. Wie unangenehm! Eine solche Begrüßungsform wollte ich um keinen Preis aus dem Tierreich ins menschliche Leben übernehmen. Absolut keine Alternative zum Handgeben oder Sichanlächeln!
In puncto Freudezeigen-Können allerdings wäre Conny heute noch als Vorbild für uns Deutsche geeignet! Es täte unserer gesamten Nation unheimlich gut, wenn wir regelmäßig unsere Freude so zum Ausdruck bringen würden wie eine übergewichtige Boxerhündin.
Meine Gedanken wandern zu anderen Hunden, die in meinem Leben wichtig waren. Mein Umgang mit Hunden war generell immer sehr unerschrocken und ich hatte stets einen guten Draht zu den Vierbeinern. Sie waren meine guten Freunde.
Der erste Hund in meinem Leben war Buzzo, eine tiefschwarze Schnauzermischung aus dem Tierheim, ein Hund von großartigem Charakter. Er gehörte unseren Nachbarn, einem kinderlosen Künstler-Ehepaar, bei dem ich mich sehr gerne aufhielt. Sie war Malerin und er Schriftsteller und ich erhielt von den beiden Inspirationen für mein Leben, von denen ich später noch etwas mehr berichten werde. Haus und Garten waren voller Tiere, ein Paradies für mich. Enten, Schildkröten und eben immer ein schwarzer Hund aus dem Tierheim. Buzzo durfte ich sogar alleine ausführen. Wenn ich ihn abholte und die Leine in die Hand nahm, sprang er mir vor Freude bis zum Kinn. Dann ging er mit mir spazieren und büxte regelmäßig aus. Buzzo war ein echter Casanova, der in zahlreichen Stadtteilen Landaus Welpen zeugte. Sein Herumstreunen brachte ihm leider irgendwann den Tod. Frühmorgens kam er einmal schwer verletzt nach Hause und von diesen Verletzungen erholte er sich nicht mehr.
Auf Buzzo folgte Tazzo, ein schwarzer Irish-Setter-Mix, der ebenfalls aus dem Tierheim kam. Mit ihm drängte es mich auf die Bühne. Tazzo war absolut zirkusreif. Er war äußerst gelehrig und ich studierte Kunststücke mit ihm ein, an denen er sichtlich Freude hatte. Ich veranstaltete mit Tazzo kleine Zirkusvorstellungen mit spektakulärer Akrobatik. Unsere Bühne war die Terrasse und unser Publikum waren Frauchen und Herrchen und deren Freundinnen und Freunde. Einmal stapelte ich drei Küchenstühle aufeinander und der schwarze Mischling sprang tatsächlich erfolgreich auf den obersten! Gott sei Dank ist nie was schiefgegangen! Für mich gab es Applaus und für Tazzo »Frolic«, das berühmte »Hunde-Leckerli«.
Dann schafften wir uns als Familie selbst eine Hündin an: Anka. Leider bekam ich zu der kleinen Münsterländerin keinen guten Draht, denn Anka war absolut auf meine Mutter fixiert und ließ niemand anderen richtig gelten.
Während meines Studiums lernte ich Axel kennen, einen Schäferhund-Collie-Mischling, der für mich aussah wie ein richtiger Wolf. Er war so groß, dass er aus dem ganz normalen Stand heraus seine Schnauze auf den Tisch legen konnte, ohne sich zu strecken. Er gehörte dem Besitzer der Tankstelle, bei der ich einen Nebenjob hatte.
Ich liebte Axel! Und Axel liebte mich! In meiner Freizeit zeigte ich ihm die große, weite Welt. Ich holte ihn ab und fuhr mit ihm in die Natur. Erst durch mich lernte er Wald und Wiesen kennen. Der Geruch nach Tannengrün, Hasen und anderem Getier machte ihn sichtbar glücklich, kannte er doch sonst nur den Gestank von Benzin, Gummi und Frostschutzmittel.
Axel machte aber auch mich glücklich. Machte meine Arme in Situationen, in denen ich sonst viel unsicherer war, ein Stückchen länger. Gaffte jemand gar zu lange oder sprach mich komisch von der Seite an, dann knurrte Axel auch mal. Das half immer! Außerdem hatte der Mischling eine solch eindrucksvolle Figur, dass mich die Passanten nicht wie gewohnt wegen meiner Arme, sondern wegen des schönen Hundes ansprachen.
Mit einem Hund an meiner Seite war ich immer ein wenig mutiger als sonst, vielleicht habe ich mich deshalb gerade jetzt an diese beiden Vierbeiner erinnert. Doch so richtig feige war ich eigentlich nie. Kneifen gehört nicht zu meinem Verhaltensrepertoire und so gehe ich nun innerlich weiter auf die Tür im Keller meines Unterbewusstseins zu. Schritt für Schritt werde ich ein Stück entschlossener, ähnlich wie in Koblenz, in der Rhein-Mosel-Halle, als ich mich entschlossenen Schrittes aus der Deckung des Seitenvorhanges heraus auf die Bühne, mitten ins Rampenlicht, gewagt habe. Nur mit dem Unterschied, dass ich jetzt auf dem Weg hinter die Kulissen bin. Ich will einen Bereich betreten, von dem ich nicht genau weiß, ob es mir wirklich guttun wird, wenn ich mich dort genauer umsehe. Dieses unbekannte Terrain ist mir nicht geheuer, auch wenn ich sonst gerne immer wieder Neues erkunde und schon so viele Schritte in die Freiheit gewagt habe.