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ОглавлениеWie lange noch ? – Lebenserwartung / Alt werden wie Methusalem / Methusalem-Gen / Wer war der älteste Mensch ? / Jugend schützt nicht vor Herz- und Gefäßschäden / Englischer Arzt entdeckt Blutkreislauf / Syrischer Gelehrter entdeckt Herz / Entdecker des Cholesterins / Cholesterin – alles Lüge oder was ? / Braunes Fett frisst die Kalorie – weißes Fett bunkert sie / Jo-Jo-Effekt entschlüsselt / Pille gegen Pölsterchen ? / Leben „Dicke“ länger ? / Wie schläft das Gehirn ? / Sommer- oder Winterzeit ? / Sonnenvitamin D für die Nacht / Experimente am Herzen von Enthaupteten / Fleißiges Herz kennt keinen Muskelkater / Risikofaktoren / Die ersten „Säufer“ / Wer trinkt wieviel – Länderkonsum im Vergleich / Andere Länder – andere Grenzwerte / Blutspende senkt Risiko für Dickdarmkrebs / Fingerlänge und Testosteron / Größtes Wunder der Medizingeschichte / Aderlass im Altertum / Zur Ader lassen – falsch gemacht / Nahtoderfahrungen – Blick ins Totenreich / Wie lange lebt das Hirn, wenn das Herz schon tot ist ? / Wie tot ist Hirntod ?
Wie lange noch ? – Lebenserwartung
Trotz mancher Sünden gegen unsere Gesundheit steigt die Lebenserwartung stetig an. Wir leben meist 10 Jahre länger als noch vor 50 Jahren und werden durchschnittlich schon etwa 80 statt 70 Jahre alt. Zurückzuführen ist dies auf bessere Arbeitsbedingungen und Einkünfte, große Fortschritte der ärztlichen Versorgung, gesündere Ernährungsgewohnheiten, sauberes Trinkwasser und optimierte Hygiene. Nach einer Statistik aus dem Jahre 2016 können Sie in Deutschland, den USA und Russland (durchschnittlich Männer und Frauen) auf 80, 79 bzw. 72 gesunde Lebensjahre hoffen.
OECD 2016; „Organisation for Economic Cooperation and Development“; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Internationale Organisation mit 35 Mitgliedstaaten und mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, gegründet 1960, seit 1948 als OECD.
Heute geborene Babys könnten im Durchschnitt 90–95 Jahre alt werden (statistisches Bundesamt, BRD, 2017). Voraussetzung wäre aber die Besinnung auf eine gesündere Lebensführung. Wir wissen nicht, ob unsere Prognosen für ein langes Leben noch zutreffen, wenn wir den bequemen Lebensstil und die „Diät“ der westlichen Welt beibehalten. Die Fitnessbegeisterung der Bevölkerung vieler Länder und auch das zunehmende Gesundheitsbewusstsein machen uns aber durchaus Hoffnung.
Wenn Sie in der BRD das 65. Lebensjahr schon erreicht haben, sind Sie schon 65 Jahre lang dem Tod von der Schippe gesprungen. Sie haben dann als Mann im Durchschnitt noch 18,2 Jahre und als Frau sage und schreibe noch 21,4 Jahre vor sich, bis Sie endgültig das Zeitliche segnen.
Prof. Dr. James Vaupel, US-amerikanischer Bevölkerungswissenschaftler und jetziger Direktor des Max-Planck-Instituts für demographische Forschung in Rostock berichtet, dass sich die Zahl der Menschen, die 100 oder 110 Jahre alt werden, weltweit alle sieben Jahre verdoppelt.
JAMES WALTEN VAUPEL, geb. 1945 in New York, Professor für Demographie, Epidemiologie und Gerontologie Arbeitsbereich Altern und Langlebigkeit, Universität Rostock; leitet seit 2013 das Max-Planck Odense Center zur Biodemographie des Alterns.
Eine absolute Obergrenze ist hier nicht in Sicht. Warum aber bleiben wir nicht ewig jung ? Ist das Alter therapierbar ? Eine Antwort darauf finden Sie später. Mit unserer jetzigen Lebenserwartung könnten Jung und Alt doch eigentlich zufrieden sein – oder etwa nicht ? Fragen Sie mal die 50-jährigen, auch „Best-“ oder „Silver-Ager“ genannt, wie alt sie werden möchten. Sie können sich die Antwort denken: Fast alle wollen dem Leben so viel gesunde Jahre abringen wie möglich. Einige schauen auch mit Sehnsucht in andere Länder und beneiden deren Bevölkerung wegen ihrer eisernen Gesundheit.
Im Alter von 187 Jahren zeugte Methusalem (hebräisch „Speerwerfer“; Altes Testament; Genesis 5,21–27) noch einen Sohn. Danach lebte er noch 782 Jahre.
Das in der Bibel berichtete Alter des Urvaters und Stammvaters der Menschheit erreicht natürlich keiner.
Schauen wir einmal auf die „blauen Zonen“, jene Regionen in der Welt, in denen besonders viele 100-Jährige leben („blau“ deshalb, weil die ersten Altersforscher diese Orte auf der Landkarte blau markiert haben). Der Ort Ogimi im Norden der japanischen Inselgruppe Okinawa gehört dazu. Er wird auch „das Dorf der Hundertjährigen“ genannt. Dort haben von 3.200 Einwohnern derzeit zwölf Menschen ein Alter von 100 Jahren oder mehr erreicht. In einer Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern wäre das in unseren Breiten eine Anzahl von 5.625 Hundertjährigen (aktuell bei uns „nur“ etwa 350). Da sind die jungen 90-Jährigen noch gar nicht dabei. Keine Angst. Es handelt sich in Okinawa nicht um Einwohner von Seniorenheimen. Diese „Alten“ stehen noch mitten im Leben.
Was trägt bei zum Älterwerden ? Sind es vor allem die Gene ? Gibt es so etwas wie ein einzelnes Methusalem-Gen ? Oder sind es eher der Lebensstil und die Umweltbedingungen, die uns alt oder jung aussehen lassen ? Gibt es vielleicht sogar einen Masterplan, um ein „biblisches Alter“ zu erreichen ? Wie heißt sie, die Methusalem-Formel ? Haben wir unser Schicksal selber in der Hand durch Optimierung unserer Lebensweise ? Oder ist es vergebliche Mühe, den Kampf aufzunehmen gegen frühe Gebrechlichkeit ? Fragen, die uns alle angehen.
Die Verpflanzung eines gesunden Kopfes von einem schwerkranken (unheilbarer Muskelschwund, Skelettverformung, Lähmung) Körper auf den gesunden Körper eines Hirntoten, der nur mit Maschinen am Leben erhalten wird, wie es der italienische Neurochirurg Sergio Canavero und sein chinesischer Kollege Ren Xiaoping von der medizinischen Universität der chinesischen Stadt Harbin vorhaben, wird in naher Zukunft sicher nicht die Lösung sein, Krankheit und Alter zu besiegen. Was ist das Leben überhaupt ? Ist die Persönlichkeit eines Menschen ausschließlich im Gehirn verankert ? Die Kopftransplantation beim Menschen – ein Vorhaben, welches sich ethisch nicht rechtfertigen ließe.
Im Tierversuch ist diese Operation bereits gelungen. Aufsehen erregte der russische Chirurg Wladimir Petrowitsch Demichow in den 1950er Jahren, der einen Hund mit zwei Köpfen erschuf, die sich beide bewegten, bellten und fraßen. Doch nach wenigen Tagen starb der Hund. Auch die Verpflanzung eines Affenkopfes auf den Körper eines anderen Affen durch den berühmten amerikanischen Neurochirurgen und Gründer des Komitees für Bioethik, Robert J. White (war streng katholisch, betete vor jedem Eingriff) in Cleveland, USA, misslang, da das Rückenmark nicht verbunden werden konnte. Der Affe konnte zwar immer noch sehen, hören, schmecken und essen. Das Tier starb aber nach neun Tagen an einer Immunreaktion. Der Kopf wurde abgestoßen. Zur Kopftransplantation am Menschen kam es nicht, obwohl man hoffte, dem Astrophysiker Stephen Hawking oder dem Schauspieler Christopher Reeve mit einer Kopftransplantation helfen zu können. Ein Horrorkabinett des chirurgisch Machbaren ?
Zurück zur Realität: Die Zahlen, wie starkes Rauchen, Stress, Übergewicht, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und übermäßiger Alkoholgenuss unser Leben verkürzen, liegen auf dem Tisch. Wir müssen dazu nicht ein kümmerliches Dasein führen und einen ausgemergelten Körper in ein Sportstudio zwingen, der morgens nur Müsli kaut und abends auf dem Stepper oder Laufband Möhren und Nüsse knabbert.
Wie wir ein gesundes und dennoch erfülltes Leben führen können, erfahren Sie in vielen Kapiteln dieses Buches. Wege zum „modernen Methusalem“. Voraussetzung ist das Zusammenspiel von Herz, Hirn, Darm und Gefäßen. Kein Blut in alten Schläuchen ! Unsere Gefäße müssen möglichst lange jung und elastisch gehalten werden. Wenn die Schläuche (Gefäße) brüchig sind, zerreißen sie und der neue, sprudelnde Wein wird verschüttet. („Neuer Wein in alten Schläuchen“; Gleichnis im Evangelium nach Matthäus 9, 14–17 oder Lukas 5, 33–39)
Übrigens: Das schauderhafte Canavero-Kopfmonster, welches an Frankenstein erinnert, wäre vom fünften Halswirbel abwärts gelähmt, wenn es überhaupt aus der Narkose erwachte. Da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Gibt es nicht vielleicht weniger grausame Methoden, die Architektur unseres Gehirnes und Beschaffenheit unseres Körpers lang und länger fit zu halten ?
Wir können aber die medizinische Entwicklung nicht aufhalten. In einer Hommage von Min Lang aus dem Jahre 2018, einem Neurochirurgen aus Cleveland, an Dr. Robert J. White, wird dessen Pionierleistung – der erste Kopfaustausch beim Affen – gewürdigt. Neueste Ergebnisse zur erfolgreichen Überbrückung des durchtrennten Rückenmarks mit Polyethylenglykol (PEG) sind vielversprechend. PEG bildet ein elektrisch aktives Netzwerk und stimuliert das Wachstum von Nervenzellen. Es wird in der Medizin vielfach eingesetzt.
Wird der Traum vom Homunkulus („künstlich erzeugter Mensch“) durch die Zuteilung von Gehirnregionen zu jungen Körpern („Kopfaustausch“) nicht doch irgendwann wahr ? Ein Methusalem der Superlative ? Wer weiß das schon …
Wer will es nicht besitzen – das Methusalem-Gen. Wissenschaftler haben das Gen der Hundertjährigen geknackt. Eigentlich handelt es sich um 150 Genvarianten, die ein hohes Alter versprechen. Gene für Fitness im Alter. Wer hat sie ? Wie können wir sie erwerben ? Nur durch Vererbung oder können wir selbst etwas dafür tun ? Und wenn ja, dann was ? Aber der Reihe nach:
Bei Langlebigen hat man genetische Varianten (mutierte, also veränderte Gene) im Cholesterinstoffwechsel gefunden, welche die Chancen erhöhen, hundert Jahre alt zu werden. Nicht nur das Ansammeln von möglichst vielen Lebensjahren, sondern auch geistige Frische bis ins hohe Alter. Schachweltmeister mit 110 Jahren. Das wäre doch ein Ziel. Keine Spur von Gebrechlichkeit oder Demenz. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen bis zuletzt. Wer dieses besondere polygenetisches Muster (mehrere mutierte Gene) in sich trägt, darf hoffen, körperlich und geistig rege zu bleiben, weit über die durchschnittliche Lebenserwartung hinaus. Bei Hundertjährigen wird das Cholesterin in ungewöhnlich großen Transportfahrzeugen im Blut verteilt. Sie verfügen über eine große Menge an HDL-C. Darin ist mehr Cholesterin in großen Partikeln gebunden. Der Druck des strömenden Blutes wirkt wie ein Dehnungsreiz auf die Arterien und reißt Minispalten in deren Wand. Die großen HDL-Partikel haben größere „Reifen“ und rollen darüber hinweg. Im Gegensatz zu den kleinen LDL-Partikeln kann sich HDL nicht an der Wand der Gefäße ablagern und wirkt sogar der Verkalkung entgegen, indem sie die kleinen LDL-Teilchen von der Gefäßwand aufpicken und sie zur Weiterverarbeitung in der Leberfabrik abliefern (s. Kapitel 5: Schlechtes und gutes Cholesterin).
Was bewirkt nun das Gesamtpaket der Methusalem-Gene, welches die vergrößerten Cholesterinpartikel produziert ? Vielleicht tragen wir diesen Jungbrunnen, die Altersbremse in unserem Erbgut und wissen es gar nicht ?
Normalerweise reguliert das Eiweiß CETP (CholesterinEster-TransferProtein) die Umwandlung von größeren HDL-Partikeln in kleinere LDL-Teilchen. Viel CETP würde also HDL abbauen und den Wert für LDL steigern. Das wäre nicht gut.
Menschen werden alt, weil dieser Eiweißstoff CETP nur an einer Stelle verändert ist. CETP bei einem Teil der Hundertjährigen ist nicht mehr CETP in der ursprünglichen Fassung. In der Gensequenz ihrer CETP-Biomoleküle ist nur eine Position umbesetzt. An Position 405 ist das Biomolekül Isoleucin durch Valin ausgetauscht. Die Aktivität des veränderten Genprodukts CETP ist wesentlich geringer als jene des unveränderten Originaleiweißes CETP. Dadurch wird alles anders. Die CETP-Wirkung zum Abbau von HDL-C und Aufbau von LDL-C verblasst. Träger des mutierten CETP-Typs behalten auch im hohen Alter ihre Frische und schneiden in Intelligenztests deutlich besser ab als jene mit der unveränderten Variante.
Wenig Original – CETP im Blut bedeutet weniger LDL-C und damit weniger Arteriosklerose. Hundertjährige, die mit Genen zur Abschwächung der ursprünglichen CETP-Wirkung ausgestattet sind, bilden viel gutes HDL-Cholesterin, besitzen ein gesundes Herz, gesunde Gefäße und leiden weniger an Demenz.29
Leider ist es bisher nur in aufwendigen Analysen möglich, alle Genvarianten zu bestimmen, die den Alterungsprozess hinauszögern. Wir können nur hoffen, möglichst viele davon in uns zu tragen. Gesundes Altern ist aber für die meisten unter uns dennoch möglich. Wer vor seinem genetisch determinierten Ende stirbt, ist häufig selbst schuld. Fehlende körperliche Aktivität, Rauchen und falsche Ernährung sind die bekanntesten Abkürzungen auf dem Weg zum Tod.
Nur jeder vierte Hundertjährige (25 %) ist Träger dieser speziellen Gen-Variante, des Methusalem-Gens, welches die Entstehung von CTEP hemmt und den Menschen alt werden lässt. Bei den 65-jährigen ist es nur jeder zwölfte. Also müssen noch weitere Faktoren eine Rolle spielen, um älter, alt, sehr alt und uralt zu werden.
Demnach ist der gesunde Lebensstil mit Vermeidung der Risikofaktoren für Arteriosklerose mindestens so entscheidend, um ein hohes Alter zu erreichen.
Übrigens, auch eine Kalorienrestriktion führt zu einer Erhöhung dieser günstigen Genvariante (verändertes CETP). Alt werden durch Enthaltung ! Alles hängt mit allem zusammen. Mit moderater Beschränkung der Kalorienzufuhr wird man älter. Ach, würde doch unser Gehirn nicht immer nach Nahrung suchen. Immerhin verbraucht es 40 % der Gesamtenergie an Kalorien. Das macht Askese nicht einfacher.
Große Arzneimittelfirmen haben einige CETP-Hemmstoffe in der Pipeline, welche den Spiegel von HDL-C im Blut erhöhen und jenen von LDL-C vermindern. Man darf auf weitere Ergebnisse gespannt sein. Vielleicht sind wir eines Tages in der Lage, die Beschwernisse des Alters zu heilen oder zumindest hinauszuzögern. Noch müssen wir die klinischen Studien abwarten.
Bei erhöhten LDL-C Werten bleibt uns immer noch die Gabe von Statinen. Leider erleiden etwa 10 % der Patienten unter dieser Therapie Nebenwirkungen. In den meisten Fällen sind dies muskuläre Beschwerden. Aber auch ihnen kann mit modernen Medikamenten geholfen werden. Zur Verfügung steht ein spezieller Antikörper (PCSK-9 Hemmer), der den LDL-Spiegel zuverlässig senkt. Ihr Arzt wird Sie beraten.
Der älteste Mensch, der jemals gelebt hat und dessen Lebensdaten belegt sind (obwohl in jüngster Zeit Zweifel angemeldet werden), ist die Französin Jeanne Calment. Die „Herrin der Zeit“, wie man sie auch nannte, wurde im 19. Jahrhundert geboren und lernte noch den berühmten Maler Vincent van Gogh (1853–1890; Niederlande) kennen – den Künstler mit dem abgeschnittenen Ohrläppchen.
Jeanne Louise Calment kam am 21. Februar 1875 in Arles (Südfrankreich) auf die Welt und ist dort am 4. August 1997 friedlich im Altersheim eingeschlafen. Sie wurde 122 Jahre und 164 Tage alt.
Die Berichte, dass der Indonesier Mbah Gotha mit 145 Jahren der älteste Mensch der Geschichte sei, werden von der international tätigen gerontologischen Forschungsgruppe nicht bestätigt, ebenso wenig, wie das Alter des Nigerianers James Olofintuyi mit 163 oder des Äthiopiers Dhaqabo Ebba mit gar 171 Jahren.
Madame Calment, die Seniorin des Altersrekordes, hat nicht weniger als 17 (siebzehn !) französische Staatspräsidenten erlebt. Während ihrer Kindheit gab es noch keine Autos, weder Telefon noch Flugzeuge. Der Eiffelturm stand noch nicht und auch nicht die Kathedrale Sacré-Coeur in Paris.
Ihr Geburtsjahr und Sterbedatum ist durch das Standesregister in Arles zweifelsfrei belegt. „Der liebe Gott muss mich einfach vergessen haben“, war die Antwort auf die Frage nach ihrem biblischen Alter.
SACRÉ-COEUR DE MONTMARTRE; Basilika, dem Heiligsten Herzen Jesu geweiht, Grundstein: 1875; eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten von Paris.
Ein 47-jähriger Notar kaufte ihr Appartement auf Leibrente, in der Hoffnung, sie möge bald das Zeitliche segnen. Madame Calment hatte zu diesem Zeitpunkt immerhin bereits ihr neunzigstes Lebensjahr erreicht. Doch er konnte nie darin wohnen, da er mit 77 Jahren an Krebs starb. Seine Witwe musste die Rentenzahlungen fortsetzen, die sich bis zum Tod der alten Dame auf ein schönes Sümmchen von insgesamt umgerechnet 250.000 DM anhäufte. Pech gehabt.
Um dies mal deutlich zu sagen: Madame wäre nie 122 Jahre alt geworden, wenn sie einer körperlich schädigenden Tätigkeit nachgegangen wäre oder nicht diszipliniert sondern ungesund gelebt hätte. Sie soll auch einmal gesagt haben: „Die einzige Falte, die ich jemals hatte, ist jene, auf der ich sitze.“ Und das sicher ohne Botox. Madame Calment trieb viel Sport. Wanderungen, Tennisspielen, Schlittschuh- und Rollschuhfahren waren ihre Leidenschaften. Fechten fing sie im Alter von 85 Jahren an und fuhr mit 100 Jahren noch Fahrrad. Auch der Opernkunst und dem Klavierspielen war sie zugeneigt. Ihr stolzes Alter führte sie selbst zurück auf Olivenöl, Knoblauch, Gemüse und Portwein in Maßen.
PORTWEIN, Vinho do Porto, roter und seltener auch weißer Süßwein aus der Region Alto Douro, Portugal.
Und ja, ich wage es kaum zu sagen: Erst mit 116 Jahren stellte sie das (moderate) Rauchen ein, als ihre Sehkraft nachließ und sie sich keine Zigarette mehr anzünden konnte. Aber deshalb sollten die Raucher unter uns nicht frohlocken. Warum die alte Dame gefeit war vor den schädlichen Wirkungen des blauen Dunstes, klären wir später.
Wenn Sie jetzt an Ihre Großväter, an Helmut Schmidt (1918–2015) oder andere Patriarchen denken, die viel geraucht haben und trotzdem über 90 Jahre alt wurden, dann vergessen Sie das. Dies mag schon der Wahrheit entsprechen, ist aber alles andere als ein Freibrief für die tödliche Gefahr des blauen Dunstes. Bitte lassen Sie es sich gesagt sein: Fast alle, die herz-, gefäß- oder lungenkrank sind, haben geraucht. Nicht alle, die rauchen, werden krank, aber die allermeisten.
Jugend schützt nicht vor Herz- und Gefäßschäden
Wenn Sie glauben, dass die Gefäßverkalkung eine Erkrankung der alten Leute ist und Sie das nichts anginge, weil Sie noch so jung sind, so täuschen Sie sich ! Schon in frühen Jahren lassen sich erste Verschleißerscheinungen des Kreislaufsystems und der Arterien erkennen.
Bei einem Großteil (77,3 %) der im Koreakrieg verstorbenen US-Piloten wurden bei Autopsien bereits im Alter von 20 Jahren ausgeprägte, streifige Fettablagerungen in den Gefäßen festgestellt („fatty streaks“, „fettige Streifen“). Die Verkalkung der Herzkranzgefäße – Koronarsklerose – setzt schon früh ein und kann über viele Jahre beschwerdefrei verlaufen. Männer bemerken sie meist jenseits des 60. Lebensjahrzehnts und Frauen in einem Alter von über 70 Jahren.
Wir wissen heute viel mehr als früher, also versäumen wir keine Zeit mehr und fangen umgehend an, das Schicksal an Arteriosklerose zu erkranken, möglichst lange hinauszuzögern. Nur mit den hier dargelegten Erkenntnissen können wir der vorzeitigen todbringenden Verkalkung ein Schnippchen schlagen. Und denken Sie immer daran: Alles, was wir Gutes tun für unsere Gefäße, ist auch gut für unser Herz und umgekehrt.
Warnsignale werden bagatellisiert – Bagatellen dramatisiert. Was können wir also tun ? Viele wissen es, wollen es aber nicht wahrhaben. Sie schauen weg. Der erhöhte Blutdruck ist zunächst nicht schmerzhaft. Bis der „Kessel so unter Dampf“ steht, dass der Druck entweicht. Schlaganfälle entstehen, Aneurysmen platzen, Herzen flimmern oder hören ganz auf zu schlagen.
Auch die Süße im Blut bereitet zunächst keine Beschwerden, bis die Körperzellen unempfindlich werden für Insulin. Das Hormon wirkt wie eine Pumpe, welche Zucker in die Zelle befördert. Durch Zucker im Überfluss kann der Pumpmechanismus auf Dauer erlahmen. Fällt der „Türöffner“ Insulin für die Zuckeraufnahme in die Zelle aus, weil die Bauchspeicheldrüse es nicht mehr bilden kann, oder Insulin nicht mehr auf die Zellen wirkt („Insulinresistenz), bleibt die Glukose außen vor. Diabetes entsteht. Diabetes macht nicht dick, aber ein dicker Bauch riskiert Diabetes. Bauchfett sondert Hormone ab, welche die Insulinresistenz ganz besonders fördern.
INSULIN ist ein Hormon, welches in spezialisierten Zellen erzeugt wird, die wie Inseln im Gewebe der Bauchspeicheldrüse verstreut liegen. Es schleust Zucker in die Zellen zur Energiegewinnung und hält so den Blutzuckerspiegel auf einem bestimmten Niveau. Bei Diabetikern fällt die Produktion von Insulin aus oder seine Wirkung ist durch Überkonsum von Zucker gestört („Insulinresistenz“).
Der Blutzuckerspiegel steigt und sinkt nicht mehr. Quälender Durst und häufiges Wasserlassen sind die ersten Anzeichen des Diabetes. Aber auch dann ist es noch nicht zu spät. Sie erfahren alles, wie Diabetes entsteht, was man dagegen tun kann und vor allem, wie man eines der größten und trotzdem unbekanntesten Körpergifte vermeiden kann, welches Herz, Gefäße und Nerven schädigt –„verzuckerte Eiweißstoffe“ (Advanced Glycation Endproducts,„AGE“).
Ohne Cholesterin gibt es keine Arteriosklerose. Zu viel Cholesterin in unseren Adern bleibt anfangs unbemerkt. Erst wenn die Ablagerungen Schicht für Schicht unsere Gefäße immer mehr einengen, wie eine Schlinge um den Hals, die sich immer mehr zuzieht, treten Symptome auf. Abnahme der körperlichen Belastbarkeit durch Kurzatmigkeit und Schwäche, Brennen hinter dem Brustbein, Schmerzen in den Waden beim Gehen sind unübersehbare Warnsignale. Wenn der Übertritt des Blutes vom Herzen in die Hauptschlagader durch eine verkalkte Aortenklappe behindert wird, bekommt der Körper zu wenig frischen Sauerstoff. Es ist wie bei einem Luftballon, der immer wieder aufgeblasen wird und bei dem man das Auslassventil zuhält und nur langsam freigibt. Je weniger Luft ausströmt, desto größer ist der Restdruck im Ballon. In den Herzkammern steigt dieser in ähnlicher Weise. Dann wird Blut daran gehindert von der Lunge zum Herzen zu fließen. Es kommt zum Rückstau. Wasser wird in das Lungengewebe gepresst und drückt auf die Lungenbläschen, in denen Sauerstoff aus der Luft ins Blut aufgenommen und Kohlendioxid abgegeben wird. Schon kleinere Anstrengungen führen zur Atemnot.
Trotz des steigenden Gesundheitsbewusstseins und der zunehmenden Fitnesswelle hören manche nicht auf mit der ungesunden Lebensweise. Sie bewegen sich nicht und bringen zu viel Gewicht auf die Waage. Sie ignorieren das weiße Bauchfett und kennen nicht seine unheilvolle Macht, uns zu töten.
Sie rauchen munter weiter und verdrängen alle Warnungen. Sie trinken zu viel Alkohol, obwohl sie die Folgen kennen. Auch die Leber leidet anfangs still und im Verborgenen. Keiner bemerkt die langsam immer schlimmer werdende Gefahr. Eine Fettleber und später eine Zirrhose sind der Preis für andauernde Völlerei. „Foie Gras“ („fette Leber“), die Gänse- oder Entenstopfleber entsteht durch Tierquälerei. Man sollte sie nicht essen und noch weniger bei sich selbst produzieren. Weder bei uns noch bei den geschundenen Tieren. Ein Viertel ( !) der Erwachsenen in unseren Breiten ist von ausgeprägten Fetteinlagerungen in der Leber betroffen. Bei einer Fettleber („Wohlstandsleber“) erhöht sich das Risiko für hohen Blutdruck, Herz- und Gefäßkrankheiten sowie Diabetes.
Einige lassen es zu sehr krachen. Besonders am Wochenende. Partys werden zu ausufernden Feierrunden. Viele interessieren sich mehr für die Frage, was gegen eine Katerstimmung hilft, als einen „Hangover“ zu vermeiden. Manch Katzenjammer endet in einem „Kotzenjammer“.
Wie ist das noch zu verstehen ? Viele glauben, dass alles Schicksal sei und das Schicksal interessiert mich nicht, so lange ich Spaß habe und noch gesund erscheine.
Bewegungsmangel, Übergewicht, falsche Ernährung, Rauchen und übermäßiges Trinken sind unser wahrer Feind auf Erden. Wenn wir diese apokalyptischen Reiter (in der Bibel: „Boten der nahenden Apokalypse“, z. B. des Jüngsten Gerichts), die zur Arteriosklerose führen, bekämpfen wollen, haben wir genug zu tun. Dazu brauchen wir keinen Nachbarschaftsstreit und keine Kriege.
Einige unter uns aber wollen um jeden Preis älter werden. Sollen wir der Fitness und Gesundheit alles opfern ? Müssen wir jede freie Minute planen und produktiv nutzen oder dürfen wir uns auch einmal gehen lassen ? Haben wir noch Spaß am Leben oder sind zu Dienern des Gesundheitswahns mutiert ? Stress im Studio – nein danke ! Fitness ja – aber mit Bedacht. Trotzdem können wir nicht alles auf die Gesundheit reduzieren. Leben und leben lassen gehören auch dazu.
Englischer Arzt entdeckt Blutkreislauf
Wenn wir vom Blut leben, sollten wir auf die Wohnung des Blutes achten – unser Herz und unsere Gefäße.
„Der Kreislauf tut nur seine Pflicht, solang er kreist, sonst tut er’s nicht.“ (Wilhelm Busch, deutscher humoristischer Dichter; 1832–1908)
Entdeckt hat den Blutkreislauf William Harvey (englischer Arzt und Anatom; 1578–1657; Wegbereiter der modernen Physiologie) im 16. Jahrhundert.
Markerschütternd müssen sie gewesen sein, die Schreie der Hunde, die er mit Fesselstricken an einen hölzernen Verschlag band und deren Brustkorb er bei lebendigem Leib ohne Narkose öffnete. Er sah das schlagende Herz und ritze ein Loch in die Aorta. Blut quoll rhythmisch in hohem Bogen hervor. Aus dem Fassungsvermögen der linken Herzkammer (70 ml) und der Anzahl der Schläge (70/Minute) berechnete er die in einer Minute ausgeworfene Blutmenge (70 × 70 = 4.900 ml; 4,9 Liter/Minute).
Diese Erkenntnisse waren revolutionär, hatte man doch bis ins 18. Jahrhundert hinein der „Säftelehre“ Galens angehangen (Galen, griechischer Arzt und Anatom; 2. Jahrhundert n. Chr.; Wundarzt der Gladiatoren, Leibarzt von Marc Aurel und dessen Sohn).
Galen vertrat noch die Ansicht, dass das Blut von der Leber gebildet würde und sich von dort aus über sämtliche Organe verteilt. Galen musste es ja wissen. Schließlich führte er Eingriffe durch an zum Tode Verurteilten und experimentierte an sterbenden Gladiatoren ohne Betäubung – die Narkose war längst nicht erfunden. Die großen Verdienste Galens als einer der bedeutendsten Ärzte in der Antike neben Hippokrates (griechischer Arzt und Vater der Medizin; 460–370 v. Chr.), sei es zur Erforschung der Anatomie von Mensch und Tier oder der Zubereitung von Arzneimitteln, sollen damit keineswegs geschmälert werden.
Bei der Beschreibung des Blutkreislaufes aber lag Galen völlig daneben. Seine Vorstellung vom Blutkreislauf war Gesetz und jeder ein Ketzer, der anders darüber dachte. Ohne den Mut und Forschungsdrang des jungen Harvey wären die modernen bahnbrechenden Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie unseres Herz-Kreislaufsystems undenkbar gewesen. Wenn auch die Opfer lebender Tiere für diese Erkenntnis unmenschlich waren.
Es hat noch vierzehn Jahrhunderte gebraucht, bis die „Viersäftelehre“ Galens durch die Entdeckungen Harveys abgelöst wurde. (Viersäftelehre: gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim).
Die Mischung macht’s. Galen und Hippokrates waren noch der Meinung, dass die „Ausgewogenheit“ der vier Säfte („Eukrasie“; griech. eukrasia, „richtige, gute Mischung“) unser Wohlbefinden bestimmt und die Ursache der Krankheiten im Ungleichgewicht der Säfte („Dyskrasie“; „schlechte, fehlerhafte Zusammensetzung“) begründet ist. Auch in unserer heutigen Sprache finden wir noch Reste dieser Lehre, wie z. B.: „Wenn ich an Montag denke, kommt mir heute noch die Galle (‚Galle‘, indogerm. ‚ghel‘, ‚gelb, grün‘) hoch.“ Oder: „Manche Menschen kommen auch saft- und kraftlos daher und andere werden grün und gelb vor Neid.“
Freilich besteht für uns wegen der mehr als grausamen Vivisektionen von Galen und Harvey keinerlei Anlass zur Überheblichkeit. Ein Blick in unsere jüngste Geschichte legt offen, welche qualvollen „medizinischen“ Versuche an Häftlingen in Konzentrationslagern ohne Narkose durchgeführt wurden. Diese Schergen experimentierten an Menschen wie an Meerschweinchen oder Mäusen.
Auch Tieren wurde und wird Leid angetan. Man denke nur an deren industrielle Züchtung, Mästung und Verwertung sowie nicht zuletzt an nicht immer notwendige Tierversuche in der Forschung.
Syrischer Gelehrter entdeckt Herz
Es war ein Arzt aus Damaskus in Syrien, der als erster das Herz anatomisch richtig beschrieb. Er nahm zum Teil die Entdeckung des Kreislaufes durch den englischen Arzt William Harvey im 17. Jahrhundert vorweg. Der Mann hieß Ibn an-Nafis (muslimischer Universalgelehrter aus Damaskus; 1213–1288 n. Chr.) und lebte vor 800 Jahren.
Er erkannte, dass sich im rechten Herzen „verbrauchtes Blut“ aus dem Körper sammelt und zum Gasaustausch (Abgabe von Kohlendioxid und Aufnahme von Sauerstoff) durch die Lunge und dann zurück in die linke Herzkammer gepumpt wird. Auch entdeckte er, dass das Herz selbst von Gefäßen – den Koronararterien – versorgt wird.
Schon der Marburger Pathologe Friedrich Wilhelm Beneke (1824–1882) erkannte 1866 in Cholesterin die Ursubstanz allen menschlichen und tierischen Lebens.
Der menschliche Körper kann große Mengen Cholesterin selbst herstellen (2/3 der Gesamtmenge werden in der Leber, der Nebenniere, den Eierstöcken und im Dünndarm produziert und nimmt zusätzlich noch Cholesterin aus der Nahrung auf). Zwischen der eigenen Synthese und der äußeren Zufuhr besteht ein ausgeklügeltes Regelsystem. Essen wir wenig Cholesterin, wird die Eigenproduktion angeregt und umgekehrt. Besonders tierische Lebensmittel sind reich an Cholesterin. Ist der lebenswichtige Stoff im Übermaß vorhanden, wirkt er als Zündstoff für unsere Gefäße. Cholesterin geht ans Herz. Schwimmt zu viel Fett im Blut, sind alle Gefäße, auch die Koronararterien, benetzt. Ohne Cholesterin gäbe es keine Arteriosklerose.
Je höher der Cholesterinspiegel im Blut, desto höher ist die Konzentration von Cholesterin in der Gefäßwand.
Zunächst sei bemerkt: Cholesterin ist nicht schlecht – nur ein Zuviel ist schädlich.
Wie wir wissen, ist Cholesterin ein natürlicher Stoff und existiert in allen Zellen unseres Körpers.
Der Körper des gesunden Menschen enthält 140 Gramm Cholesterin. 95 % davon befindet sich in den Zellen und den Zellmembranen (Zellhüllen). Cholesterin wurde erstmals von F. Poulletier als ein Fettwachs beschrieben (Francois Poulletier de la Salle, franz. Arzt und Chemiker; 1719–1788; isolierte als Erster Cholesterinkristalle aus Cholesterol; nicht publiziert; dokumentiert von seinen Mitarbeitern).
Erst der französische Chemiker Michel Eugene Chevreul (1786–1889; Begründer der Fettchemie) konnte die Substanz in menschlicher und tierischer Galle im Jahre 1816 nachweisen, ein Fett, welches sich nicht verseifen ließ.
Aus „Chol“ = Galle und „Sterin“ = Wachs entwickelte sich erst 1860 der Name Cholesterin.30
90 % des Cholesterins wird vom Körper selbst hergestellt (1–2 Gramm pro Tag) und nur zum Teil über die Nahrung aufgenommen. Tiere können Cholesterin nicht resorbieren, sondern nur selbst synthetisieren.
1843 beschrieb Vogel erstmals Cholesterin in menschlicher Plaque.31
Die Erkenntnis, dass Cholesterin als einer der Verursacher von Arteriosklerose gilt, verdanken wir der russischen Schule um Alexander Ignatowsky (russischer Pionier der Arterioskleroseforschung; 1875–1955; entwickelte als erster den Zusammenhang von cholesterinreicher Nahrung und dem Entstehen von Arteriosklerose im Experiment).32
Nikolai Anichkow und Semen Chalatow gelten als die Väter der Arteriosklerose.
N. Anitschkow (russ. Pathologe; 1855–1964) entdeckte, zusammen mit Semen Sergeevich Chalatow (1885–1964) in St. Petersburg, dass die Arteriosklerose der Beinarterien abhängig ist von der Menge Cholesterol im Blut.33
Die russischen Forscher sahen nach der Verabreichung von cholesterinreicher Nahrung an Kaninchen und Meerschweinchen zunächst hohe Cholesterininfiltrationen in inneren Organen und später Gefäßveränderungen.
Die chemische Identifizierung des Cholesterinmoleküls gelang erst Adolf Windaus 1928, der dafür den Chemienobelpreis erhielt.
Adolf Windaus hatte gezeigt, dass der menschliche Plaque (Ablagerungen im Gefäß) im Wesentlichen aus Cholesterin besteht (deutscher Chemiker und Biochemiker; 1876–1956; 1928 Nobelpreis für Chemie für die Erforschung der Sterine und den Zusammenhang mit Vitamin D; revidierte die Strukturformel für Cholesterol 1932).
Cholesterin – alles Lüge oder was ?
Eines vorweg: Schon 1994 erschien in einer der renomiertesten Wissenschaftszeitungen der Welt (Lancet) die sogenannte 4-S-Studie, ein Meilenstein in der Herz- und Gefäßforschung.34
Zum ersten Mal wurde dort nachgewiesen, dass die Senkung des Cholesterins durch Statine zu einer dramatischen Verminderung der Infarktgefährdung und einer Verbesserung der Überlebenschancen von Patienten führt, bei denen eine koronare Herzerkrankung (Herzkranzgefäßerkrankung) besteht.
Zur „angeblichen Cholesterinlüge“ (es sei eine Lüge, dass hohe Cholesterinwerte schädlich sind) sind viele Artikel und Bücher erschienen. Welcher Patient mit einer koronaren Herzerkrankung möchte nicht gerne hören, dass Cholesterin kein Risikofaktor ist und er seine Essgewohnheiten nicht ändern muss ? Leider tragen diese unkritischen Veröffentlichungen zur Verunsicherung vieler Menschen bei.
Es gibt kaum eine Erkenntnis in der Medizin, die so gesichert ist, dass bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung durch Senkung des Cholesterinspiegels nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch das Leben selbst verlängert wird.
In einer Studie von Frank M. Sacks, Internist und Professor für Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Harvard School of Public Health in Boston, profitierten vor allem auch Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, von einem Cholesterinsenker (40 mg Pravastatin). Ihre Quote, einen nochmaligen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, war um bis zu 30 % geringer als in einer Kontrollgruppe ohne Cholesterinsenker.35
In allen wissenschaftlichen Analysen ergab sich bei der Therapie mit Statinen kein erhöhtes Krebsrisiko.36
Braunes Fett frisst die Kalorie – weißes Fett bunkert sie
Jeder weiß: Bewegungsmangel führt zum Ansatz von Fett. Fett ist aber nicht gleich Fett. Es gibt drei Arten: das weiße Fett, das braune Fett und eine Mischform von beiden – das beige Fett. Weißes Fett ist für das Übergewicht verantwortlich. Braunes Fett wird braun durch die Farbe der eisenhaltigen Mitochondrien. Diese winzigen Kraftwerke in den Zellen unseres Körpers wandeln überschüssige Energiereserven in Wärme um. Braune Fettzellen sind Energiefresser.
Braune Fettzellen finden sich bevorzugt an der Brustwand, am Hals und entlang des Rückens. Sie sind wie Heizkraftwerke und produzieren Wärme. Der Kalorienverbrauch steigt. Wärme und Schweiß machen nicht dick. Die Pfunde schmelzen dahin. Wir nehmen ab. Leider lässt sich das braune Fett nicht so einfach aktivieren und vermehren. Das weiße Fett kann man aber sehr wohl zum Schmelzen bringen. Ernährungswissenschaftler empfehlen zusätzlich zur Umstellung der Lebensgewohnheiten mit modifizierter Kost und Bewegung natürliche Methoden wie weniger heizen, scharf würzen oder kalt duschen. Auch dadurch wird die körpereigene Wärmeproduktion befeuert und der Mensch verbrennt mehr Kalorien.
Fettsucht – Schicksal oder Völlerei ?
Klar, futtern sich manche die überschüssigen Pfunde nur an. Sie bewegen sich zu wenig und vertilgen zu viele Kalorien.
Die „Dicken“ sind aber nicht immer alleine schuld an ihrem stolzen Gewicht. Eine einzige genetische Variante hemmt die Fettverbrennung und verstärkt die Speicherung von Fett.
Ändert sich in der Bauanleitung der drei Milliarden Biomoleküle (Basen) unseres Erbgutes ein einziges Molekül, dann erhöht sich unser Risiko, dick zu werden, um ein Drittel.
Erst kürzlich wurde die Anlage für krankhafte Fettleibigkeit im Erbgut identifiziert – das FTO-Gen.37
Viel FTO-Gen bedeutet viel Fett. Das Dickmacher-Gen begünstigt die Speicherung der weißen Fettzellen. Diese sind wesentlich inaktiver als die braunen Fettzellen und verbrennen weniger Energie. Das kranke Gen macht süchtig nach Essen. Wir nehmen zu.
Knapp 50 % der Europäer sind Träger dieses Dickmacher-Gens. Allerdings ist diese Genvariante selten allein für Übergewicht verantwortlich. FTO ist die anlagebedingte Voraussetzung für die Gewichtszunahme. Der Hauptschalter im Erbgut „pfundiger“ (übergewichtiger) Menschen ist aber ein anderer:
Forscher der Technischen Universität München (Prof. Dr. H. Hauner, Lehrstuhl für Ernährungsmedizin TUM) und der US-University in Chicago haben verschiedene Proben aus Fettgewebe von Menschen untersucht. Nur in Proben, die bereits mit dem Risikogen FTO behaftet waren, fanden sie die wahren Auslöser für Fettleibigkeit – das IRX3- und IRX5-Gen. Nur wenn diese Gene aktiv waren, entstand Fettleibigkeit. FTO war also nur indirekt verantwortlich, aber Voraussetzung für Übergewicht.
Bei Menschen mit diesen Genen wird eine Hirnregion stimuliert, welche unseren Appetit fördert. Dadurch wird das Risiko für Übergewicht erhöht. Vorläufer der Fettzellen werden durch diese Gene aktiviert und verlieren die Fähigkeit der Fettverbrennung.
Sind diese Gene (IRX3, IRX5) nicht aktiv, dann verbrennen die Zellen Fett und erzeugen Hitze.
Die Forscher (s. o.) reparierten diese Fettzellen bei Menschen gentechnisch (machten die Fettverursacher also unschädlich) und normalisierten damit die Fettverbrennung. Beige und braune Fettzellen entstanden und die weißen Fettspeicherzellen nahmen ab. Die Probanden verloren Gewicht.
Die braunen Fettzellen besitzen mehr Kraftwerke (Mitochondrien bewirken die braune Farbe, da eisenhaltig), welche unseren Stoffwechsel anfeuern und uns einheizen.
Diese Mechanismen wurden auch an Mäusen nachgewiesen. Mäuse, bei denen das „IRX-Dickmachergen ausgeschaltet“ wurde, nahmen bei gleicher Kalorienaufnahme nicht zu. Im Gegensatz dazu legten Mäuse mit eingeschaltetem Gen rasch an Gewicht zu.
So gibt es auch beim Menschen, entsprechend der genetischen Ausstattung, schlechte und gute Futterverwerter. Der eine kann essen was er will und bleibt schlank. Der andere nimmt schon beim Zusehen zu.
Dennoch können auch „Dicke“ an ihrem Übergewicht arbeiten. Wir wissen, dass Bewegung das Dickmachergen blockiert. Wenn es auch schwer fällt. Auch Fettsüchtige können schlanker werden durch Sport und Kalorienverzicht.
Nicht mehr hungern und essen so viel man möchte ohne Gewichtszunahme wird wohl ein Traum bleiben. Die Forscher haben aber schon begonnen, Arzneimittel zu entwickeln, die aktiv in die Mechanismen der Fettentstehung und -verbrennung eingreifen und helfen, den Anteil von braunem oder beigem Fett im menschlichen Körper zu steigern.
Rauf, runter, rauf. Viele nehmen nach dem Abnehmen wieder zu. Schlimmer noch. Das neue Endgewicht ist nach einer Diät oft höher als das Ausgangsgewicht. Es ist so mühsam, das endlich erreichte Wunschgewicht zu erhalten. Warum ist das so ? Warum haben wir nach einer Diät so rasch die Pfunde wieder drauf ?
Einige Tipps können helfen, den Jo-Jo-Effekt zu vermeiden. Dazu gehört der Aufbau der Muskulatur. Muskeln verbrennen Zucker und Fett. Der Stoffwechsel wird angeregt. Auch in Ruhe verbrennen wir mit mehr Muskeln mehr Kalorien. Die gilt auch für den Schlaf und bei Nacht. Um den Muskelaufbau zu fördern, sollte viel Eiweiß mit der Nahrung zugeführt werden. Bewegung und Sport stabilisieren natürlich auch das Gewicht. Leere Kalorien wie Fast Food, Alkohol und Limonaden sollten gemieden werden. Sie sind „leer“, weil sie trotz vieler Kalorien keine wichtigen Nährstoffe enthalten. Ein Crashkurs zur Gewichtsabnahme ist nicht zu empfehlen. Der Körper glaubt, es stünde ihm eine Hungersnot bevor und verwertet die Lebensmittel besser als zuvor. Ein stabiles Körpergewicht war schon immer ein evolutionärer Vorteil für das Überleben. Ein Gewichtsverlust hingegen war ein Zeichen der existentiellen Bedrohung. Der Körper merkt sich das höchste Gewicht, welches er einmal erreicht hat, als „Set-Point“ für schlechtere Zeiten und versucht alle Regulationsmechanismen, um zu diesem Sollwert wieder zurück zu gelangen.
Ein Teil des Jo-Jo-Effekts wurde jetzt entschlüsselt. Übergewicht und Diät verändern die Bakteriengemeinschaft im Darm nachhaltig. Der Deutsche Dr. Christoph Thaiss forschte am israelischen Weizman-Institut in Rehovot und fand heraus, dass bestimmte Darmbakterien nach einer Diät eine unerwünschte Gewichtszunahme bewirken. Der Körper hat ein „Gedächtnis“ für Übergewicht, das Mikrobiom ist noch auf dick gepolt und beeinflusst den Energieumsatz. Nehmen wir zu, dann verändert sich auch die Zusammensetzung der Bakterien im Darm. Diese gewöhnen sich an die köstlichen Speisen und Dickmacher und „vergessen“ nicht so schnell, im Schlaraffenland gelebt zu haben. Die Zusammensetzung der Bakterien verschwindet deshalb nicht sofort nach einer Reduktionsdiät. Haben wir bereits abgenommen, befinden sich die auf dick gepolten Bakterien noch in unserem Darm und verlangen ihren Tribut, nämlich eine Nahrungszufuhr wie während der übergewichtigen Phase. Wir essen dann so viel wie vorher, um den „Hunger“ der Darmflora zu stillen. Die „übergewichtige Darmflora“ bleibt also auch dann noch eine Zeit lang bestehen, wenn das Gewicht bereits reduziert wurde. Besonders in den ersten Wochen nach Beendigung der Schmalkost haben sich die verwöhnten Darmbakterien noch nicht umgestellt. Bei Mäusen dauert dieser Prozess bis zu 21 Wochen. Dann erreicht die Darmflora wieder den Zustand eines normalgewichtigen Tieres. Wurden den Versuchstieren spezielle Flavonoide (sek. Pflanzenstoffe) zugesetzt, so schwächte sich der Jo-Jo-Effekt ab.
Das Normalgewicht wurde durch den Verzehr von sekundären Pflanzenstoffen früher erreicht. Eine wichtige Rolle für das Abnehmen spielen demnach die Flavonoide, da sie der Körper braucht, um das niedrige Gewicht zu halten. Eine auf Übergewicht programmierte Darmflora wirkt, beim Versuch abzunehmen, noch länger nach. Das „Mikrobiomgedächtnis“ der auf Übergewicht gepolten Darmbakterien verhindert zunächst die Wirkung der Flavonoide. Die sekundären Pflanzenstoffe, welche das Abnehmen fördern, werden von den „verwöhnten“ Mikroben eine Zeit lang zersetzt, bevor sie zur Gewichtsreduktion beitragen können. Die Darmflora selbst trägt also bei zur beschleunigten Gewichtszunahme nach einer Diät.38
Wie lange es beim Menschen braucht, bis sich das „dicke“ Mikrobiom wieder auf Normalgewicht umgestellt hat, versucht C. Taiss in den nächsten Jahren herauszufinden. Ein wenig Geduld müssen wir noch haben. Immerhin wissen wir jetzt, dass die Bakterien bei übergewichtigen Menschen ein Gedächtnis haben.
Die magische Pille zum Abnehmen, welche die Pfunde dahinschmelzen lässt, ist noch nicht entwickelt. Seien Sie äußerst vorsichtig mit der Einnahme dieser Medikamente. Die meisten haben schwere Nebenwirkungen und wurden vom Markt genommen. Eine Wunderwaffe gegen überflüssige Pfunde gibt es nicht. Nur wenige Arzneimittel sind zugelassen. Darunter z. B. Orlistat („Xenical“), welches die Aufnahme von Nahrungsfett vom Darm ins Blut um 25 % blockiert. Außerdem konnte gezeigt werden, dass Orlistat den Blutdruck senkt. Die Einnahme sollte nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.39
Beobachtungen liegen kaum vor. Orlistat kann zu Fettstühlen, Unterbauchbeschwerden, Blähungen und Diarrhoen führen. Deshalb sind diese Pillen wenig attraktiv.
Neue Hoffnung keimt auf. Forscher aus Singapur verabreichten Mäusen ein Pflaster mit einem Wirkstoff, der diese trotz reichhaltiger Nahrung in Form hielt. Die Tiere fraßen Kalorienbomben und wurden nicht dick. Im Gegenteil schrumpfte die Fettmasse sogar. Der Wirkstoff im Pflaster verwandelte weißes in braunes Fett. Letzteres fungiert wie ein Heizgewebe und verbrennt Kalorien. Fettzellen werden schon länger als Ansatzpunkt zur Entwicklung eines Medikaments zum Abnehmen erforscht. Wie Prof. Dr. Tobias Fromme vom Leerstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin an der TU in München berichtet, klappt der Prozess der Umwandlung des inaktiven Fetts in braune Zellen bei kleinen Säugetieren schon ganz gut. Der Forscher fand auch heraus, dass die Menge an brauner Fettsubstanz beim Menschen dreimal so groß ist wie bisher angenommen. Diese Erkenntnis entfacht das Interesse der Pharmaindustrie zur Entwicklung von „Fettverbrennern“.
Prof. Dr. Marcel Scheideler vom Helmholtz Zentrum München konnte im Experiment zeigen, wie sich menschliche weiße Fettzellen in die begehrte braune Substanz umwandeln lassen. Der Prozess wird begünstigt durch Adrenalin, Noradrenalin, Östrogene, Testosteron und Wachstumsfaktoren.
Vielleicht gelingt es – so Scheideler weiter, Fettvorläuferzellen umzupolen und eine schonende Erzeugung brauner Fettzellen zu erzielen. Es gibt bereits eine körpereigene Wirksubstanz, die MicroRNA-26, für die in Europa und den USA ein Patent erteilt wurde. Pflaster mit diesem Wirkstoff könnten direkt auf die Problemzonen aufgeklebt werden, um das darunter liegende Fett zur Schmelze zu bringen. Doch ist es noch nicht so weit. Wir dürfen gespannt sein.40
Über Jahre hielt sich die Mär, dass dickleibige Menschen im Vergleich zu Normalgewichtigen einen Überlebensvorteil hätten. Dies wurde auch noch durch wissenschaftliche Studien untermauert. Ein internationales Komitee von Forschern aus Asien, Australien, Neuseeland, Europa und Nordamerika wertete 240 Studien aus und kam zu einem völlig anderen Ergebnis. Der Haken in den bisherigen Veröffentlichungen war, dass auch dünne Raucher in die Vergleichsstudien einbezogen wurden. Raucher sind überwiegend dünner als Nichtraucher und erleiden meist schwere Erkrankungen mit starkem Gewichtsverlust am Lebensende. Werden solche Personen in Sterblichkeitsberechnungen eingeschlossen, werden diese zugunsten der Übergewichtigen verfälscht. Die „Schlanken“ kommen zu schlecht und die „Dicken“ zu gut weg. In den neuen Analysen wurden vier Millionen Probanden, die zeitlebens nie geraucht hatten und fünf Jahre nach Studienbeginn noch am Leben waren berücksichtigt. Im Verlauf von 14 Jahren waren etwa 10 % der Versuchsteilnehmer verstorben. Anders als in bisherigen Studien wiesen die korpulenten Probanden dabei die höchste und Normalgewichtige die geringste Sterblichkeit auf. Ausnahmen bestätigen die Regel.41
Wir brauchen die tägliche Bewusstlosigkeit für unser Gehirn. Wir sollten lieber nicht drehen an der inneren Uhr. Das könnte schlimme Folgen haben. Der zirkadiane Rhythmus sollte nicht zu oft unterbrochen werden. Was spielt sich aber nachts in unserem Gehirn ab ? In der Dunkelheit, wenn wir träumen oder nicht, reinigt sich unser Gehirn von dem täglich anfallenden biochemischen Müll. Hätten wir diese Ruhephase nicht, in der wir wie bewusstlos daliegen, würde sich unser Gehirn vergiften. Entsorgt werden müssen Eiweißstoffe, die sich am Tag aus dem Gehirnstoffwechsel in unserem Oberstübchen angesammelt haben. Dazu gehört auch der Proteinbestandteil Beta-Amyloid, ein „Eiweißklumpen“, der zur Alzheimer-Erkrankung führt. Bei zu viel zellulärem Unrat wird die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört. Die Schalter können nicht mehr umgelegt werde. Die Informationen können nicht mehr von einer Nervenzelle auf die andere übertragen werden. Das zerebrale Netzwerk bricht zusammen. Wir vergessen scheinbar Selbstverständliches und verlieren die Orientierung. Also, wie macht das Gehirn das ? Wie befreit es sich von dem Eiweißmüll ? Dazu muss man wissen, dass der Denkapparat über ein eigenes Müllentsorgungssystem verfügt, anders als der übrige Körper, der Giftstoffe über das Lymphsystem bis zur Leber, Niere und dem Darm leitet, wo sie umgebaut oder ausgeschieden werden. Das Gehirn entsorgt bis zu sieben Gramm biologischen Müll, der tagsüber anfällt. Dazu dient das sog. „glymphatische System“.
Das glymphatische System ist eine Wortneubildung zusammengesetzt aus „Glia“, dem Hirngerüst, und dem lymphatischen System.
Die Arterien ziehen in engen Kanälen („Virchow-Robin-Raum“) durch unser Gehirn. In diesem dreidimensionalen Raum, der die Gefäße umgibt, bewegt sich ständig ein Flüssigkeitsstrom. Dieser besteht aus Gehirnwasser („Liquor“), welches durch die Pulsationen der Arterien fortbewegt wird. Unser Gehirn muss schließlich vor Stößen geschützt werden. Schließlich brauchen wir diese Stoßdämpfer auch aus Schutz beim Boxen oder bei einem Kopfballtor. Dieser geheimnisvolle Raum um unsere Hirngefäße hat aber eine noch ganz andere wesentliche Funktion. Im Schlaf schrumpft unser Gehirn (schließlich müssen wir in dieser Zeit keine Mathematikaufgaben lösen) und der enge Raum um unsere Gefäße dehnt sich aus, damit mehr Flüssigkeit strömt und mehr Unrat abtransportiert werden kann. Der „Hohlkopf“ ist im Schlaf unverzichtbar. Geregelt wird die Größe dieses Raums von einem Hormon, dem Noradrenalin. Der Anteil des Raums um die Gefäße beträgt am Gesamtvolumen des Gehirns nachts 24 % und schrumpft auf 14 % im Wachzustand. So gelingt es, senile Plaques, die Beta-Amyloide (schädliche Eiweißstoffe), die sich bei Alzheimer in diese Zwischenräume drängen und dort ablagern, immer wieder zu entsorgen, bevor sie sich in der grauen Substanz dauerhaft ablagern. Dieser Entgiftungsprozess geschieht während des Schlafs doppelt so schnell als in Wachphasen. Leider schwindet die Transportkapazität dieses Abwasser-Kanalsystems im Alter. Eiweißschadstoffe bleiben zurück und nisten sich ein in unser Gehirn mit all den Folgen für unser Gedächtnis.42, 43, 44
Ohne Schlaf würde unser Gehirn in kurzer Zeit vermüllen und überschwemmt werden mit krankhaften Stoffwechselprodukten. Denken gibt es eben nicht umsonst. Jeder Denkprozess benötigt Energie. Abfall sammelt sich an wie im Auspuff eines Verbrennungsmotors. Der Liquor („Gehirnflüssigkeit“) steht übrigens mit dem Lymphsystem („Körperwasser“) in Kontakt. Der Liquor fließt in die Lymphbahnen. Diese münden in die Venen. Die Venen leiten das Blut zum rechten Herz, von wo es über die Lunge mit Sauerstoff angereichert ins linke Herz gelangt. Von dort aus wird es als arterielles Blut – unsichtbar beladen mit dem Hirnmüll – in den Körper gepumpt wird und schließlich zu den Ausscheidungsorganen transportiert. Jeder Gang zur Toilette befreit uns also auch vom täglichen Restmüll, der unser Gehirn sonst vergiften würde. Man könnte auch sagen, jeder Toilettengang macht uns etwas klüger bzw. bewahrt uns vor dem Verblöden.
Viele Menschen klagen über Probleme bei der Umstellung der Uhr um eine Stunde vor und zurück. Die Zeitumstellung wirkt sich bei manchen Erdenbürgern aus wie ein Mini-Jetlag. Der individuelle Biorhythmus des Menschen kann von der Gesellschaft nicht vorgegeben werden. Auch innerhalb Europas gehen die Uhren anders. Wenn die Sonne eine Stunde später oder früher aufgeht, verändert sich auch der Weckruf des Organismus. Unsere Netzhaut reagiert besonders empfindlich auf die Blautöne des Morgenlichtes. Diese Reaktion lässt sich nicht anpassen an die Sommer- oder Winterzeit. Hinzu kommt, dass nicht nur der Einfall und die Farbe des Lichtes, sondern ebenso Essgewohnheiten und die Umgebungstemperatur Einfluss nehmen auf den Schlaf. Auch kann man Eulen nicht zu Lerchen umerziehen.
Vor- und Nachteile der Zeitumstellung Winter- versus Sommerzeit werden kontrovers diskutiert. Schließlich gibt es keine exakte wissenschaftliche Analyse über den Einfluss der dauerhaften Sommer- oder Winterzeit auf unsere Gesundheit. Dazu müsste man, was unmöglich erscheint, zwei große Gruppen von Menschen bilden, die nach einer bestimmten Zeit leben und diese miteinander vergleichen. Ein unlösbares Unterfangen, bedenkt man zudem noch, dass die Sonne im Westen früher aufgeht als im Osten.
Viele Deutsche klagen bei der Umstellung auf die Winterzeit über Müdigkeit, Schlappheit, Einschlafproblemen oder längere Phasen, zwischendurch wach zu liegen. Man kann eben nicht auf Befehl von heute auf morgen später ins Bett gehen und länger schlafen.
Es mehren sich aber andererseits Hinweise, dass insbesondere im Frühling, also dann, wenn zur Sommerzeit die Uhren um eine Stunde nachgestellt werden und damit der Tag früher erwacht, die Rate der Verkehrsunfälle sprunghaft ansteigt und auch die Zahl der Herzinfarkte stark zunimmt. Dieses bisher kaum verstandene Phänomen macht sich bei der Umstellung auf die Winterzeit im Herbst nicht bemerkbar.
Klar scheint, dass der vorgegebene, verordnete, künstliche Zeitenwechsel der Biologie nicht entspricht.
Prof. Till Rönneberg vom Medizinischen Institut für Psychologie in München warnt vor dem „Cloxit“, der dauerhaften Umstellung auf Sommerzeit. Die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlafstörungen und Lernprobleme würden erhöht. Zu wenig Schlaf würde vor allem Schüler und Studierende betreffen, die das Gelernte weniger verarbeiten könnten. Bei dauerhafter Sommerzeit – so Rönneberg – müsse man an deutlich mehr Tagen im Dunklen aufstehen und eine Stunde früher arbeiten. Man solle sich doch eher an Russland orientieren, welches schon einmal versucht hätte, die Sommerzeit dauerhaft zu etablieren und damit nicht gut gefahren sei.
Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung spricht sich eher für die „Winterzeit“ aus, welche den natürlichen Lichteinflüssen für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus besser entspräche.
Ab dem 27. Oktober 2019 wäre, laut Europäischer Union, die Zeitumstellung für die Mitgliedsstaaten freiwillig. Lassen wir uns überraschen. Dass der Wecker in allen Ländern zur gleichen Zeit klingelt, scheint eher unwahrscheinlich. Schließlich geht in Paris die Sonne schon jetzt eine Stunde später auf als in Wien. Die Franzosen stehen also mehr im Dunklen auf als die weiter östlich lebenden Europäer. Man kann trotzdem wahrlich nicht behaupten, dass die Menschen in Paris – weil sie viel westlicher leben – dümmer oder dicker sind als die Wiener. Kompliziert ist die Welt und auch der Erdkreis. Die Zeitzonen sind eben grobe Einteilungen, welche dem fein abgestimmten Komplex aus Tag- und Nachtrhythmus im Gehirn des Menschen nicht gerecht werden können.
In der Mitte Europas stimmt die Uhrzeit besser überein mit dem 24-Stunden-Zyklus der Erdrotation als an den Rändern. Jedes Land muss sich für sich entscheiden.
Vitamin D ist nicht nur für unsere Knochengesundheit essentiell, sondern auch für erholsamen Schlaf.
Vitamin D finden wir in fettreichem Fisch wie Hering, Aal und Lachs. Der Vitamin D-Spiegel im Blut sollte 30–60 ng/ml (75–150 nmol/l) betragen, ein Mangel besteht bei einer Konzentration von < 20 ng/ml.
Senioren mit Vitamin D < 20 ng/ml schliefen signifikant schlechter als jene mit höheren Werten. Der Mechanismus ist noch ungeklärt.45
Ein Aufenthalt im Freien ist notwendig. Vitamin D braucht Sonne und Licht. Also Ärmel hochkrempeln und raus in die Natur. An einem Sommertag können in der Haut bis zu 250 Mikrogramm Vitamin D gebildet werden. Im Bikini oder der Badehose geht das schon nach 30 Minuten. Auf den UV-Index muss natürlich geachtet werden. Er sagt uns, wie lange das Bad in der Sonne dauern darf. Vitamin D wird im Hauttalg gebildet. Vermeiden Sie deshalb ein sofortiges Duschen nach dem Sonnenbad. Vorstufen von Vitamin D könnten dann leicht im Abfluss landen. Das wäre doch wirklich schade. Seife an den Achseln und im Intimbereich sollte natürlich Verwendung finden.
Vitamin D ist nicht nur wichtig für guten Schlaf, es hebt auch die Stimmung, stärkt unser Immunsystem und ist ein fester Bestandteil der Therapie gegen hohen Blutdruck. Vermeiden wir also den Winterblues und genießen wir die frische Luft und den Tag in der Natur. Ein kleiner Tipp: Wenn unser Schatten länger ist als wir groß sind, ist eine Vitamin D-Bildung nicht möglich. Dies gilt vor allem für die Wintermonate in den Breitengraden nördlich von Barcelona. Die für die Vitamin D benötigten UVB-Strahlen erreichen uns dann nicht in ausreichendem Maße, weil der Einfallswinkel der Sonne zu flach ist. Da jedoch Vitamin D in unserem Fettgewebe in den Sommermonaten normalerweise ausreichend gespeichert wird, können wir im Winter gut davon zehren. Ein Urlaub zwischendurch im Süden wäre natürlich ideal.
Experimente am Herzen von Enthaupteten
An der Schwelle des 18. Jahrhunderts war die Guillotine (Fallbeil) häufig im Einsatz. Die Köpfe rollten massenweise. Pierre Humbert Nysten holte sich 1802 die Erlaubnis des Polizeipräfekten von Paris ein und führte seine Experimente im offenen Grab von Enthaupteten durch.46
PIERRE HUMBERT NYSTEN, französischer Physiologe und Kinderarzt; 1771–1818, definierte den Beginn und Eintritt der Totenstarre an den verschiedenen Muskelgruppen, zuerst Kiefer, dann Nacken, obere und untere Extremität.
Könnte man das Herz auch ohne Gehirn wenigstens für kurze Zeit zum Schlagen bringen ? Dem jungen französischen Wissenschaftler graute vor gar nichts. Er wollte es wirklich wissen. Kann ein bereits totes Herz noch einmal zum Schlagen gebracht werden ? Nachts schlich er sich ans Grab und eröffnete in der Grube den Brustkorb eines Toten. Es gelang ihm tatsächlich, noch 49 Minuten nach der Enthauptung über galvanischen Strom das Herz des Leichnams für kurze Zeit zu Kontraktionen anzuregen. Dabei stach er zwei Elektroden in den Herzmuskel, die positiv und negativ geladen waren, und legte über eine Batterie die Spannung an. Im Herzen befanden sich noch leitfähige geladene Teilchen (Ionen), welche auf Wanderschaft gingen und die Herzmuskelzellen erregten. Das tote Herz wurde für kurze Zeit zum Leben erweckt. Auch eine Form der Auferstehung.
Ein in London Gehenkter wurde am 17. Januar 1803 nach der Hinrichtung bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt noch eine Stunde auf dem Platz von Newgate zur Schau gestellt. Die Konservierung durch die Kälte machte es möglich, dass Giovanni Aldini, ein Neffe von Galvani, das Herz des Toten noch über eine Stunde nach der Hinrichtung für kurze Zeit wiederbeleben konnte.
GALVANISCHER STROM nach Galvini benannt: Gleichstrom, dessen Stärke und Richtung sich nicht ändert; Giovanni Aldini, italienischer Physiker, 1762–1834; Experimente an Leichen mit elektrischem Strom, Neffe von Luigo Galvani, italienischer Arzt, Anatom und Naturforscher, 1737–1789.
Blut leitet Strom. Das hat jeder schon erfahren, der einen kleinen Stromschlag (z. B. am Weidezaun oder an der Steckdose) abbekommen hat. Blut enthält Elektrolyte. Diese sind positiv oder negativ geladene Teilchen, die im Blut oder Wasser elektrischen Strom leiten können. Sie bestehen aus chemischen Verbindungen oder Einzelatomen und werden Ionen genannt.
Im Blut wird Strom mit einer Geschwindigkeit von 0,6 Sekunden/Meter geleitet; in Kupferleitungen 56 Sek./Meter.
Die elektrische Leitfähigkeit des Blutes und des Gewebes wird nach dem Tod noch einige Zeit aufrechterhalten. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, scheitert auch der stärkste Stromstoß.
Was man am „Toten“ konnte, nämlich die Erregung eines Herzmuskels, wurde in der Folgezeit auch bei Lebenden mit Herzrhythmusstörungen erreicht.
Im 19. Jahrhundert wurde die Chloroform-Narkose eingeführt. Zur damaligen Zeit kam es dabei häufig zum Herzstillstand. Es wurden in einzelnen Fällen verblüffende Erfolge der Wiederbelebung mit galvanischem Strom erzielt. Im Jahre 1872 führte T. Green dem Herz Strom über eine Nadel zu, die er von außen durch den Brustkorb schob und brachte dieses zum Schlagen.47
Neben den technischen Schwierigkeiten und der Kunst der Ingenieure zur Entwicklung der Schrittmacherstimulation bestand noch ein weiteres Problem: Das Herz galt in zahlreichen Kulturen der Menschheit über Jahrtausende als Sitz der Seele und der Gefühle („mit jemandem ein Herz und eine Seele sein“) und sein Stillstand als Ende der menschlichen Existenz. Wer hier in die „göttliche Fügung“ eingriff, machte sich der Sünde und des Frevels schuldig. Ein Pionier aus Australien wagte es dennoch, diese religiösen Vorbehalte zu überwinden und wies nach, dass mit dem Herzstillstand das Leben nicht immer zu Ende gehen muss.
1929 gelang es Mark Cowley Lidwill im Crown Street Women’s Hospital in Sydney mit Unterstützung des Physikers Edgar H. Booth bei einem todgeborenen Neugeborenen, von außen eine Nadel in das Herz zu stechen und mit 16-Volt-Impulsen das Kind wiederzubeleben. Dr. Lidwill gilt als Erfinder des Schrittmachers, wurde danach allerdings angefeindet und führte keine weiteren Versuche mehr durch. Erst am 26. Juni 1954 verlieh die Fakultät des Royal Australasian College of Surgeons Dr. Lidwill ein Ehrenstipendium.
MARK C. LIDWILL, australischer Pionier der Anästhesie und Kardiologie; 1878–1969; Erfinder des Schrittmachers, Wiederbelebung eines Neugeborenen mit einem elektrischen Apparat, 1929 in Sydney.
Die Schrittmacherbatterien waren zu jener Zeit noch zu groß, um sie im Körper einzubauen. Dies wurde erst durch die bahnbrechende Entwicklung einer kleineren Batterie durch Rune Elmquist (schwedischer Ingenieur und Erfinder; 1906–1996) möglich.
Âke Senning (schwedischer Herzchirurg; 1915–2000) konnte am 8.10.1958 im berühmten Karolinska Hospital in Stockholm zusammen mit Rune Elmquist den ersten Schrittmacher beim Menschen implantieren.
Fleißiges Herz kennt keinen Muskelkater
2,5–3 Milliarden Mal schlägt das Herz in 80 Jahren unentwegt und ohne Muskelkater. Schon vorher bis zur vollen Reife im Mutterleib musste das Herz 600 Millionen Mal schlagen. Viel Zeit zum Üben. Wie ein Ausdauersportler. Die haben nach längerem Training auch keinen Muskelkater mehr.
Das Herz hat eine besondere Muskelstruktur mit einem einzigartigen Aufbau.
Sie besteht anfangs aus 6 Milliarden Muskelzellen, deren Anzahl im Laufe des Lebens schwindet. Diese Muskelzellen des Herzens bilden keine Einzelfasern, sondern liegen innerhalb einer verzweigten und miteinander verzahnten Bandstruktur wie in einer Substanz aus Kitt. Da im Herzen keine Muskelfasern wie in der Skelettmuskulatur vorkommen, können einzelne Fasern auch nicht reißen und zum Muskelkater führen.
Bevor ich Sie einweihe in die Geheimnisse eines langen Lebens, möchte ich Ihnen einige Wunder unseres Körpers vorstellen. Wir müssen wissen, was wir riskieren und was wir verlieren, wenn wir ungesund leben und die Risikofaktoren für unsere Gefäße, unser Herz und die übrigen Organe nicht vermeiden lernen.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind etwa 54 % der Schlaganfälle und 47 % der Herzinfarkte direkte Folge eines zu hohen Blutdrucks. Dennoch ist der hohe Blutdruck oft nicht hinreichend kontrolliert. Erfreulicherweise ist die Häufigkeit eines nicht kontrollierten Bluthochdrucks von 24 % auf 18 % bei Männern und von 22 % auf 13 % bei Frauen deutlich zurückgegangen. Wohlgemerkt: Dies sind Durchschnittswerte, die nicht auf das Alter bezogen sind !
Bei jungen Männern zwischen 18 und 29 Jahren hat sich die Häufigkeit der Hypertonie jedoch von 4,1 % auf 8,5 % erhöht. Jeder 12. junge Mann ist also betroffen.48
Risiken sind nicht immer vermeidbar, schön wär’s. Leider können wir nicht alles vermeiden, besonders nicht das Alter. Es kommt ganz von alleine. Wir können den Risikofaktor Alter hinauszögern, aber letztlich nicht bezwingen.
Zu den behandelbaren Risikofaktoren der Gefäßverkalkung zählen der Bluthochdruck, das Rauchen, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht und mangelnde Bewegung, die falsche Ernährung und nicht zuletzt der Diabetes.
Alter, männliches Geschlecht und genetische Faktoren erhöhen ebenfalls das Risiko für Arteriosklerose, sind aber letztlich nicht beeinflussbar.
Die Arteriosklerose ist nicht nur eine Bedrohung in unseren Breiten. Die westliche Welt hat ihre Lebensweise auch exportiert auf die südliche Erdhalbkugel. Früher waren Herz- und Gefäßleiden in Zentralafrika so selten, dass weniger als ein Promille der Einwohner daran starben. Auch im ländlichen China oder Indien waren Schlaganfall und Herzinfarkt außerordentlich seltene Ereignisse. Durch den Einfluss der „westlichen Diät“ hat sich das Blatt gewandelt. Die Kurve der kardiovaskulären Erkrankungsrate zeigt mittlerweile auch in diesen Ländern steil nach oben.49
Schon das Vorhandensein eines einzigen Risikofaktors (z. B. hoher Blutdruck) im Alter von 50 Jahren ist mit einem deutlich höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden und vermindert die Lebenserwartung. O weia !
Der hohe Blutdruck ist nur ein Risikofaktor, wenn auch einer der wichtigsten. Vieles mündet aber letztlich in einen hohen Blutdruck: Rauchen, Stress, falsche Ernährung, Alkohol, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel. Wenn wir die Gefährlichkeit des hohen Blutdrucks verstehen wollen, sollten wir auch den Normalwert kennen.
Erste Aufzeichnungen vom Genuss alkoholischer Getränke finden sich schon 5.000 v. Chr. bei den Sumerern.
SUMERER: Volk, das im Gebiet von Sumer im südlichen Mesopotamien vor fünf Tausend Jahren lebte; gelten als erstes Volk, das den Schritt zur Hochkultur geleistet hat; ursprünglich wohl in den Steppen des Ural beheimatet.
Die Ägypter und nicht die Bayern, wie man vermuten könnte, waren die ersten Bierbraumeister. Vor 3.500 Jahren war Bier dort auch Zahlungsmittel.
In der Grabkammer von Tutanchamun wurden sogar Reste von Wein nachgewiesen. Und trotzdem, oder vielleicht deswegen, haben die Ägypter die Pyramiden erbaut. Man muss aber annehmen, dass sie bei der Errichtung dieser genialen Dokumente architektonischer Kunst nüchtern waren.
TUTANCHAMUN: altägyptischer König, regierte von 1332–1323 v. Chr.; Howard Carter entdeckte sein nahezu ungeplündertes Grab 1922 im Tal der Könige.
Im Gegensatz zu heute waren auch die Araber früher keine „Kostverächter“. Schon 700 n. Chr. fand im arabischen Raum die erste Destillation statt.
Die Methode der Herstellung von Hochprozentigem gelangte erst im 11. Jahrhundert nach Europa. Klöster waren im Mittelalter Zentren der Bier- und Weinherstellung.
Am 23. April 1516 erließen die bayerischen Herzöge Ludwig X. und Wilhelm ein Gesetz, welches die Jahrhunderte überdauern sollte. Es handelte sich um das „Bayerische Reinheitsgebot“. Damit sollten die Bürger vor minderwertigen oder gar giftigen Zutaten geschützt werden. Gerste, Hopfen und Malz stellen auch heute noch die Grundzutaten beim Bierbrauen dar.
Wer trinkt wieviel – Länderkonsum im Vergleich
0,5 Liter Bier enthält bereits über 200 Kcal (alkoholfreies Bier etwa die Hälfte), 1 Glas Weißwein (0,2 l) 120 Kcal und ein Glas Caipirinha schon 322 Kcal. Alkohol wird in Fett umgewandelt. Dieses sammelt sich an in der Leber und um die Organe im Bauchraum. Ein groteskes Beispiel ist der Bierbauch.
Die meisten denken an Leberzirrhose, wenn von Alkohol die Rede ist. Kleinere Mengen an „geistigen Getränken“ können aber ebenso hohen Blutdruck auslösen und eine Kaskade von Herz- und Gefäßerkrankungen in Gang setzen. Es wird im Durchschnitt zu viel Alkohol getrunken, auch wenn die meisten Trinksprüche das Zellgift Alkohol verharmlosen.
„Ei, war das ein schönes Fest, gestern wieder voll gewest“ – frei nach Kurfürst Friedrich von der Pfalz. „Gegen alle Etikette brüllte er aus vollem Hals: Wie kam gestern ich ins Nest ? Bin scheint’s wieder voll gewest.“ (Kurfürst Friedrich von der Pfalz war von 1610 bis 1623 Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz sowie als Friedrich V. von 1619 bis 1620 König von Böhmen).
Wo es läuft, da läuft’s. Mehr als 3 Millionen Deutsche haben ein Alkoholproblem. Durchschnittlich trinken Deutsche etwa eine Badewanne voller alkoholischer Getränke pro Jahr, wie Bier, Wein, Schaumwein oder Spirituosen. 4,4 % aller Todesfälle in Deutschland sind bedingt durch Alkohol. 4–5 Menschen von 100 sterben am Suff.
In der BRD beträgt der Konsum an reinem Alkohol pro Kopf etwa 11–12 Liter/pro Jahr (Angaben schwanken). Deutschland nimmt damit einen mittleren Rang ein. Alkohol gehört neben Tabakrauchen, Bewegungsmangel und unausgewogener Ernährung zu den Top 4 der gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen. 200 verschiedene Krankheiten lassen sich auf Alkohol zurückführen.
Je höher der Alkoholkonsum, desto größer ist das Risiko, einen hohen Blutdruck zu entwickeln. Auch kleine Mengen Alkohol sind krebsfördernd, besonders bei Frauen (Brustkrebs).50
JAHRBUCH SUCHT: Das DHS Jahrbuch Sucht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. fasst die neuesten Statistiken zum Konsum von Alkohol, Tabak, Arznei- und Suchtmitteln sowie zum Glücksspiel zusammen.
Der Spitzenreiter im Jahr 2010 war Weißrussland mit 17,6 Litern, gefolgt von Moldawien (Binnenstaat in Südosteuropa: 3,2 Millionen Einwohner) mit 16,8 Litern, Litauen mit 15,5 und Russland mit 15,1 Litern reinen Alkohol. Deutschland lag 2010 an 23. Stelle im Mittelfeld mit 11,8 Litern reinem Alkohol. Schlußlichter bildeten u. a. Saudi-Arabien und Pakistan mit 0,2 bzw. 0,1 Litern.
Nach Angaben von 2018 sank in Russland der Alkoholverbrauch auf ein Allzeittief von 10 Liter/Jahr/Kopf.
Die russische Trinkkultur ist berühmt und macht unsere russischen Brüder und Schwestern besonders sympathisch. In Russland gilt der edle Brauch des Trinkspruchs: „Trinken ohne Trinkspruch ist Trinkerei.“
Im Gegensatz zu unseren Gepflogenheiten fehlt der Toast in Russland nie. Jeder hält inne und lauscht, was der andere zu sagen hat. In fröhlicher Runde wird das Glas erhoben und ein Toast ausgesprochen, auf die Familie, die Eltern und Kinder, die Schönheit der anwesenden Frauen, den Erfolg, ein gutes Gelingen oder auf das Glück usw. Eine sehr edle Tradition der Verbundenheit und Freundschaft, des Gedenkens der Verstorbenen, der Freude und Lebenslust, der Herzlichkeit und Gastfreundschaft, des Kommens und des Abschieds. Davon könnten wir uns einiges abschauen. Wenn Trinksprüche auch bei uns nicht ganz unbekannt sind.
Unser Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) hat schon gesagt: „Euch ist bekannt, was wir bedürfen, wir wollen starke Getränke schlürfen.“
Auch wir kennen Trinksprüche, wenn auch nicht immer von der feinen und vornehmen Art: „Das Leben ist an manchen Tagen, halt nur im Vollrausch zu ertragen“. „Komm, wir trinken Brüderschaft, alte Weiber saufen Himbeersaft“. „Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd, bei manchen ist es umgekehrt“. „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben.“ (Wilhelm Busch, deutscher humoristischer Dichter; 1832–1908)
„Lebe bis Du satt geküsst und des Trinken müde bist.“ (Gotthold Ephraim Lessing, bedeutender Dichter der deutschen Aufklärung; 1729–1781)
Es bleibt aber nicht immer bei einem Gläschen. Manchmal werden es auch 2 oder 3 und mehr. Übermäßiger Alkoholgenuss führt nicht nur zu schweren Organschäden wie der Fettleber und Leberzirrhose, sondern auch zu hohem Blutdruck.
Wer kennt sie nicht, die bläulich-rötliche Säufernase, das aufgedunsene Gesicht, die rot unterlaufenen Augen, die kleinen Äderchen um die Nase. Nicht immer ist daran der Alkohol schuld, aber leider sehr häufig. Halten Sie sich zurück bei der Aufnahme größerer Mengen von Hochprozentigem. Alkohol bewirkt bei übermäßigem Gebrauch eine Übererregung des sympathischen Nervensystems. Der Sympathikus führt zu einer Ausschüttung blutdrucksteigernder Hormone (z. B. Adrenalin). Alkohol macht uns nicht nur beschwingt, sondern zunehmend unvorsichtig und leichtsinnig, aggressiv und angriffslustig.
Andere Länder – andere Grenzwerte
Jeder trinkt auf anderem Niveau. Risiken des Alkoholgenusses werden international leider immer noch unterschiedlich eingestuft und interpretiert.
Die Empfehlungen für einen als „unbedenklich“ geltenden Alkoholkonsum weichen deshalb in verschiedenen Ländern Europas grotesk voneinander ab. Bei uns gelten 24 Gramm Alkohol für den gesunden Mann (1 Halbe Bier = 20 Gramm) und 12 Gramm für die Frau als tägliche Maximalmenge.
Für das starke Geschlecht gilt in Portugal ein Risiko erst ab 40 Gramm Alkohol pro Tag. In Frankreich gelten 30 Gramm als Höchstgrenze und in Spanien variiert die maximal empfohlene Menge sogar in Abhängigkeit der Region, in der man lebt. Die Katalanen sind sehr großzügig und erlauben bis zu 70 Gramm pro Tag. Bei den Madrilenen werden nur 30 Gramm pro Tag empfohlen. Inwieweit die Getränkeindustrie diese Zahlen beeinflusst, kann man sich denken.
In einer Studie mit 600.000 Menschen aus 19 Ländern wurden die Folgen des Trinkverhaltens kontrolliert. Wer dauerhaft mehr als zwei Liter Bier oder eine Flasche Wein pro Woche konsumierte, riskierte deutlich mehr Schlaganfälle und Herzversagen (Quelle: Welt).
In einer Sammelstudie aus aller Welt wurde festgestellt, dass im Vergleich zur Abstinenz das Risiko der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei moderatem Alkoholgenuss um 25 % niedriger war. Wer regelmäßig, aber mäßig trinkt, lebt gesünder als der gelegentliche Rauschtrinker.
Natürlich muss auch auf andere Schädigungen durch Alkohol hingewiesen werden. Davon betroffen sind neben der Leber besonders die Bauchspeicheldrüse und das Gehirn.
Blutspende senkt Risiko für Dickdarmkrebs
Ein erhöhter Fleischkonsum wurde immer wieder in Verbindung gebracht mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Krebs. Zurückgeführt wurde dies auf die vermehrte Aufnahme von Hämeisen (Eisen z. B. im roten Blutfarbstoff – Hämoglobin – gebunden), welches zur Bildung krebserzeugender freier Radikale führen soll.51
Jedenfalls scheint in einer Studie der Nachweis gelungen, dass bei zufällig ausgewählten Blutspendern das Risiko an Dickdarmkrebs zu sterben innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren um etwa 50 % gesunken war.52
Betrachten Sie mal die Länge des Ringfingers im Vergleich zum Zeigefinger. Ist ein langer Ringfinger im Verhältnis zum Zeigefinger ein Zeichen von Männlichkeit ? Wer schon im Mutterleib viel Testosteron abbekommt, dessen Ringfinger ist länger als der Zeigefinger (im Blut der Mutter zirkulieren Östrogene