Читать книгу LebensAder - Bernd Steckmeier - Страница 9
ОглавлениеGesundheitswahn / Verzicht oder Genuss – ein Widerspruch / Diätenwahn / Was heißt eigentlich Diät ? / Diät von heute – morgen überholt / Fasten in allen Regionen / Plädoyer für die „Dicken“ / Philosophie und Qualität des Lebens / Glückslehre / Legende „no sports“ / Selbsttest für Herzinfarkt und Schlaganfall / Sitz der Seele – Herz oder Hirn ? / Leben nach dem Tod / LebensSinn / Antworten aus Religion und Medizin
Wir alle streben danach, schön, schlank, stark sowie fit zu sein und möglichst lange zu leben. Wir möchten unseren Körper wandeln nach den Idealen, die uns die Massenmedien vorgeben und preisen als Vollkommenheit. Der Körperboom ist allgegenwärtig und begleitet uns überall: In den Heilsversprechen der Werbung, den Zeitschriften und den Gesundheitsbüchern bekannter Autoren. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht darauf hingewiesen werden, was wir tun und lassen sollen, um schlank zu werden, schön zu sein und gesund alt zu werden. Viele dieser gut gemeinten Ratschläge sind wissenschaftlich nicht fundiert oder zumindest zweifelhaft und entsprechen lediglich Erfahrungswerten.
Die Gesundheit gilt bei etlichen Menschen unserer modernen Gesellschaft als der höchste aller Werte. Täglich sollen wir einen Kampf führen für das Leben und gegen das frühe Siechtum. Alles was Spaß macht, ist verpönt. Jede Kalorie wird gezählt. Tägliches Schwimmen oder Joggen, bewusste fettarme und ballaststoffreiche Ernährung, angereichert mit Vitaminen und Antioxidantien, sollen uns Glück und ewige Jugend schenken. Gesundheit ist nicht mehr eine Gabe Gottes, sondern ein Produkt der Gestaltung unseres Lebens. Wir sollten aber nicht alles auf die Gesundheit reduzieren. Gesund und unglücklich spät sterben ist nicht unser Ziel. Wir möchten uns auch wohlfühlen in unserer Haut und bezahlen dafür mit hohen Summen. Modernste Hoteltempel und Wohlfühloasen mit Wellness- und Fitnessangeboten haben den gemütlichen Landgasthof verdrängt. Viele erkennen gar nicht mehr, dass sie gesund sind, es sei denn, dass sie gerade von einer Krankheit genesen sind.
Wir wollen zeitlos attraktiv und schön sein, erotisch und biologisch jünger wirken als wir sind. Unser Anblick soll ein Geschenk sein für das eigene und das fremde Auge. Gestylt nach dem Schönheitsideal der Zeit, aufgeplustert mit oder ohne Kleider, bauchfrei oder mit gestähltem Oberkörper, fit und vital durch Gymnastik und Kosmetik sowie möglichst faltenlos mit vollen Haaren sollen wir vor den Altar des Lebens treten. Auch im fortgeschrittenen Alter sind wir dem Wahn nach Jugendlichkeit erlegen. Wir haben vergessen, einzuwilligen in die Tatsache, dass wir vergängliche Wesen sind, ein Staubkorn in der Geschichte und im Universum.
„Das Leben gleicht einem aufblitzenden Lichtstrahl. Plötzlich ist es verloren in einem Augenblick“.1
Und dennoch soll die Sinnsuche nicht vergebens sein.
Wir wollen nicht gegen das Altern rebellieren, sondern mehr versuchen, uns unserem Körper und unserer Seele zu widmen. Der Einblick in die Funktionen unseres Körpers kann eine spannende Erkenntnis und Erfahrung sein. Es geht nicht darum mitzuteilen, dass dieses oder jenes gesund ist, sondern um viel mehr. Nur wenn wir wissen, warum und wie unsere Organe geschützt werden vor dem frühen Verfall, können wir die hier dargelegten Anregungen verstehen und freudig integrieren in unser Leben.
Gedanken machen sollten wir uns über unser Blut und was sich darin spiegelt, über die Wohnung des roten Lebenselixiers – unser Herz und unsere Gefäße. Nachdenken sollten wir über die vielfach unterschätzten Organe Lunge und Leber, die Geheimnisse des Darms und vor allem über die größte Bedrohung unseres Lebens, die Arteriosklerose, an der die meisten von uns zugrunde gehen werden noch vor dem Unheil bösartiger Erkrankungen. Nur wenn wir die Risikofaktoren der Verkrustung und Verkalkung unserer Gefäße kennen und verstehen, sind wir auch bereit, sie möglichst zu vermeiden.
Alter ist der größte Risikofaktor und älter werden ist von Übel. Was wir sinnvoll und wissenschaftlich belegt tun können, um nicht für immer jung, aber später alt zu werden, erfahren Sie hier.
Verzicht oder Genuss – ein Widerspruch
Arsen in Geflügel und Thunfisch, Blei in Milchprodukten, Quecksilber in Fisch und Meeresfrüchten, Dioxin in tierischem Fett und Eiern, Glyphosatrückstände in Lebensmitteln … Es ist doch verrückt ! Dürfen wir überhaupt noch etwas essen ? Sind wir den giftigen Schadstoffen in unserer Nahrung und im Wasser hilflos ausgeliefert ? Wenn dem so ist, dann dürften auch Babys nicht mehr gestillt werden, denn auch in der Muttermilch werden Mamma’s Giftmüllabfälle an die Kinder und sogar Enkel weitergereicht. Gibt es Auswege aus diesem Dilemma ? Ja, es gibt sie. Alles im Übermaß ist Gift, hat schon Paracelsus (1493–1541) gewusst. Also von allem etwas, aber ein bisschen weniger und mit Maß. Tiere essen Pflanzen voller Herbizide und wir essen Tiere. Ein gefährlicher Kreislauf. Wir leben in einer hochzivilisierten Welt, in der die Schadstoffgrenzwerte nach wissenschaftlichen Erkenntnissen festgelegt werden. Natürlich gibt es eine Grauzone. Wollen wir uns aber dadurch bei jeder Portion Erdbeeren, Kirschen, Nektarinen, Schokomüsli, Keksen und einem leckeren Linsengericht oder einem Schlückchen Rotwein den Genuss verdrießen lassen ? Wenn ich einmal eine Schweinshaxe esse, sollte ich nicht bei jedem Bissen an tierische Fette und meinen eigenen Bauchspeck nachdenken müssen.
Wir wollen und sollen nicht auf alles verzichten, was uns schmeckt und gut tut.
Sind Cholesterin und Genuss ein Widerspruch ? Sollen wir wieder die Lust auf Verzicht lernen oder den Verlockungen des Alltags hingeben ? Ist das einfache Leben eine Kunst oder Versagen ? Was sind unsere Vorbilder ? Der wandernde Jaina-Digambara-Mönch, der in Askese lebt und seine Nahrung erbettelt, oder derjenige, der in Saus und Braus lebt und im Luxus baden kann ?
DIGAMBARA übersetzt: „im Himmelskleid“; Angehöriger der Digambara-Sekte, die wiederum dem Jainismus angehört: strenge Asketen, die jedem Lebewesen ein uneingeschränktes Existenzrecht einräumen, materiellen Besitz ablehnen und teilweise nackt leben, daher „Himmels- oder Luftkleid“.
Bedeutet weniger Konsum, Arbeit, Essen und Kleidung wirklich immer mehr Einkehr, Ruhe und Raum für das Wesentliche oder sind dies die Brandzeichen des Versagens und der Armut ? Beinhaltet selbst auferlegter Verzicht (Askese) auch Ehrfurcht, Demut und Dankbarkeit gegenüber dem Leben oder ist dies ein Weg zum verklemmten Sonderling ? Was dürfen wir uns guten Gewissens gönnen ? Eine Antwort darauf bekommen Sie später.
„Constant’ly enjoy life! You’re longer dead than alive.“ („Genieße das Leben ständig! Du bist länger tod als lebendig!“)
Dieser alte englische Trinkspruch hält uns an zum Genuss. Wie, was und wieviel sollen wir genießen – und vor allem können wir noch genießen und haben wir noch Zeit dazu ?
Wir können unsere maximale Lebensspanne nur mit Glück und Lebensqualität ausfüllen, wenn wir die 10 Gebote der Gesundheit beherzigen:
Reduziere Dein Gewicht, ernähre Dich „mediterran“, bewege Dich ausreichend, schlafe gut und mehr als 7 Stunden, vermeide Stress und sei achtsam, verbanne das Chaos aus Deinem Leben, ordne es und nehme Dir Zeit, genieße bewusst, vergiss nicht die sozialen Kontakte, höre endlich auf zu rauchen und zu viel Alkohol zu trinken.
Was sollen wir als Nahrung zu uns nehmen, damit unser Herz und unsere Gefäße elastisch bleiben sowie unser Darm und Hirn funktionieren ?
Butter ohne Fett, Milch ohne Laktose, Kuchen ohne Zucker, Suppe ohne Salz, Kaffee mit Süßstoff, Bier ohne Alkohol, Fleisch als Tofu – und das für immer ? Überhaupt – wie häufig sollen wir uns dem Genuss hingeben ?
Sind wir zu dick oder zu dünn ? Gibt es eine wissenschaftliche oder individuelle Grenze für das Übergewicht ? Gilt der BMI auch im Pflegeheim bei über 80-Jährigen ? Oder ist grundsätzlich der Bauchumfang entscheidend ? In welcher Form und wie häufig soll ich mich bewegen ? Wie bekomme ich meinen erhöhten Blutdruck in den Griff ? Sind die Anwendungen des Kräuterpfarrers und Wasserdoktors Sebastian Kneipp (bayerischer Hydrotherapeut; 1821–1897; „Wasserdoktor“, Naturheilkundler und „Kräuterpfarrer“; bekannt durch sein ganzheitliches Gesundheitsrezept) nach dem Motto – „die Natur ist die beste Apotheke“ – überhaupt noch modern ?
Ist der gute, alte Aderlass völlig out ? Brauche ich zu meinem Glück einen Yoga- oder Ernährungskurs ? Was hilft außer der Chemiekeule ? Welche Alternativen kennen wir ?
Muss ich immer Medikamente schlucken oder kann ich mich nach der Naturheilkunde richten ? Natürliche Cholesterinsenker oder Tabletten aus dem Labor ? Blutdrucksenkung ohne Pillen ? Helfen Diät und Sport gegen alle Wehwehchen ? Gibt es gar eine Herz- und Gefäßdiät ? Blättern Sie weiter und Sie lernen, welche sensationellen Jungbrunnen es wirklich gibt. Viele glauben aber, sie müssten alles hineinpacken in das eine Leben, denn es könnte morgen schon vorbei sein.
Häufig stellt sich die Frage: „Ist es besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat ?“ (Giovanni Boccaccio, italienischer Schriftsteller; 1313–1375; Hauptwerk: „Il Decamerone“; „Zehn-Tage-Werk“; Florenz)
In Zeiten einer Epidemie im Mittelalter konnte man so denken (Pest in Florenz 1347–1353). Gilt dieser Ausspruch heute noch uneingeschränkt ?
Wir verbringen einen großen Teil unsere Lebenszeit mit Schlafen, Autofahren zur und von der Arbeit, im Stau, bei sitzenden Arbeiten im Büro am Computer, beim Versenden von Handy-Botschaften oder E-Mails, im Internet, vor dem Fernsehapparat, in der Kneipe oder anderswo. Wo eigentlich bleiben wir ? Unsere vornehmste Aufgabe ist es zu leben. „Keiner ist sicherer als die anderen, dass er den nächsten Tag erleben wird.“ (Michel de Montaigne, französischer Philosoph; 1533–1592)
Man könnte auch sagen: „Alle sind wir gleich, keiner weiß, wann ihm die Stunde schlägt“. Gehen wir an unserer Aufgabe zugrunde ? Entdecken wir die Schäden von Stress im Beruf und Ärger im Alltag zu spät ? Finden wir keine Zeit mehr für uns selbst, für Seelenfrieden und Gemüt ? Haben wir die Wege der Entschleunigung und der Achtsamkeit vergessen ? Oder haben wir uns verrannt im Labyrinth des Lebens ? Finden wir keinen Ausweg und keine Ruhe mehr ? Es muss ja nicht gleich die ewige sein.
Ist unser Gen für Genuss defekt ? Können wir nicht mehr loslassen ? Zerfrisst uns der Ehrgeiz ? Haben wir den Müßiggang verlernt ? Sind wir gefangen im Alltagsstress ? Werden wir überfordert in der Beziehung, im beruflichen Alltag ? Wollen wir immer mehr besitzen als der Nachbar ? Wo bleiben der kurze Rausch, das Vergessen, die Meditation und Besinnung, die Hingabe ?
Alles scheint reglementiert und vorgeschrieben, eingepresst in ein zu eng geschnürtes Korsett, das uns den Atem raubt. Eine Unzahl von (scheinbar) wissenschaftlich orientierten Gurus gibt Ratschläge über die Art und Menge der Ernährung. Sie locken uns in Fastenkliniken und in den Wald („Waldness“ ist das moderne Wellness), bedenken aber nicht, dass wir dort nicht leben, sondern Gesundheit nur für eine begrenzte Zeit imitieren. Wir brauchen etwas Anwendbares für unseren Alltag, etwas, was uns hilft, zu leben. Eine verrückte Diät nach der anderen gehört nicht dazu.
Low Carb (wenig Kohlenhydrate), Low Fat (wenig Fett), Paläo (viel Fleisch) oder mediterran ? Veganer (nur Nahrungsmittel ohne tierischen Ursprung), Flexitarier (Teilzeitvegetarier), Pescetarier (kein Fleisch aber Fisch), Frutarier (nur Obst, das vom Baum gefallen ist oder pflanzliche Produkte ohne Schädigung der Pflanze selbst wie z. B. Tomaten, Erbsen, Bohnen usw.) konkurrieren um das richtige Ernährungsmodell. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das ist doch mehr als verrückt ! Wer hat die beste Formel gefunden ? Blicken wir überhaupt noch durch ? Wer isst wann, wieviel, wie und was ?
Gläubig hängen wir an den Lippen der Heilsverkünder und erwarten unser ständiges Glück, Gesundheit und Lebensfreude und vor allem – ein hohes Lebensalter. Koch- und Gesundheitssendungen haben Hochkultur. Naturheilkunde ist wieder in. Sie kann viel, aber bei weitem nicht alles. Fastenkuren bei Chemotherapie, Brust- und Leberwickel oder Ganzkörpergüsse sollen besser sein als manche Medikamente oder nur unterstützend wirken ? Meditation im Überfluss, Laufen rückwärts wie ein Zappelphilipp – viele gut gemeinte Ratschläge – manchmal hilfreich, aber wenig praktikabel und nicht selten fragwürdig.
Was machen die Alten richtig und können wir von den Philosophen lernen ?
Lebensmittel sind Mittel zum Leben und keine Folterwerkzeuge, um sich zu kasteien.
Der Begriff Diät (griechisch: „diaita“) steht immer noch in Zusammenhang mit Verzicht, Einschränkung und Entbehrung. Ursprünglich verstand man darunter eine spezielle „Lebensführung und Lebensweise“.
Wir sollten unterscheiden zwischen einer Diät als Vorbeugung für Krankheiten und einer Diät für Kranke. Auf letzteres wird nicht eingegangen. Es ist klar, dass der Zuckerkranke sparsam umgehen muss mit dem Verzehr von Kohlenhydraten. Auch der Gichtkranke sollte möglichst Innereien und Alkohol meiden und ebenso der Herz- und Gefäßkranke nicht Unmengen Salz oder fette Speisen vertilgen. Nein, es geht darum besser zu leben. Dies ist der eigentliche Sinn der Diät für (noch) Gesunde. Wie kann ich mein Wohlbefinden steigern und wie kann die Ernährung dazu beitragen ?
Schon Hippokrates wusste um die Bedeutung, ein gesundes Leben zu führen und die Kräfte des Körpers durch eine bekömmliche Ernährungsweise zu erhalten: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“ Dieser Ausspruch hat heute noch Gültigkeit.
Einer der ersten Ratgeber, für die richtige Art sich zu ernähren, stammt von Luigi Cornaro (italienischer Humanist, Agrarökonom und Schriftsteller; 1467–1566) aus dem 16. Jahrhundert.
Er war einer der wohlhabendsten und ältesten Bürger Paduas. Von ihm stammt das Bändchen: „Discorsi intorno della vita sobria“ („Ausführungen zum maßvollen Leben“).2
Immerhin wurde der agile hochbetagte Italiener damals schon über 90 Jahre alt. Mit anderen Worten: Stopf nicht so viel in Dich rein und halte Maß ! Die Kalorienrestriktion ist eine Methode, wie man sich ein längeres Leben „erhungern“ kann. Enthaltung erhöht das Alter. Damit kam der Italiener dem Geheimnis der Hundertjährigen auf Okinawa schon sehr nahe: „Hara hatchi bu“, fülle Deinen Magen nur zu drei Viertel.
Wir wollen aber gesund und zugleich genussvoll leben und uns dementsprechend ernähren.
Diät von heute – morgen überholt
Die Diät von gestern oder heute ist morgen schon überholt. Es gibt schon fast eine Pflicht zur gesunden Ernährung. Essen und Nichtessen ist zum Dauerthema geworden. Wir sollten uns hüten vor dem Zwang zur gesunden Ernährung (Orthorexie; griechisch, orthos „richtig“, orexis „Begierde“).
Der Wunsch, bei der Ernährung alles richtig zu machen, führt bei manchen Menschen zur Magersucht. Vertrauen wir mehr auf unsere Sinne und hören wir auf unser Bauchgefühl. Der Besseresser muss sich fragen, ob er die Weisheit mit dem Löffel gegessen hat. Belehrung, der erhobene Zeigefinger und der Zwang zur Kontrolle haben mit dem Essen nichts zu tun. Wer immer Chiasamen, Goji-Beeren, Soja, Algen und Gerstengras und allerlei Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, möchte neueste Studien gar nicht wissen. Die eigene Ernährung ist für viele eines der letzten Gebiete, welches sie noch selbst beeinflussen können. Das „Vorgaukeln“ gesunder Ernährung wird zum Triebwerk des eigenen Selbstbewusstseins stilisiert. Krisen werden benützt als Modell zum Abnehmen.
Durch Fasten wird nicht nur der Körper, sondern auch Geist und Seele gereinigt. Die erste Müdigkeit wird bald abgelöst durch ein Hochgefühl, Ruhe und Achtsamkeit. Alte Lasten werden abgeworfen und der Blick schärft sich für das Wesentliche. Die Vorteile der Enthaltsamkeit sind tief in den Weltreligionen verwurzelt.
Im Exodus 34:28 heißt es wie Moses in der Steinwüste des Berges Sinai die 10 Gebote verfasste:
„Moses blieb dort beim Herrn 40 Tage und 40 Nächte. Er aß kein Brot und trank kein Wasser. Er schrieb die Worte des Bundes, die zehn Worte auf die Tafeln …“
Der Ramadan (arabisch „der heiße Monat“) ist der Fastenmonat der Muslime (neunter Monat des islamischen Fastenkalenders). Fasten („Saum“) ist einer der 5 Säulen des Islam.
Der Prophet Mohammed (570–632 n. Chr.) sagt im Koran Sure 2,184:
„… Wer aus freien Stücken Gutes tut, dem soll Gutes werden. Dass ihr fastet, ist für euch selbst bekömmlich, wenn ihr es begreift ! …“
Über Georgias von Leotinoi (Philosoph in Syrakus; zwischen 480 und 475 v. Chr. geboren; wurde 108 Jahre alt und sagte über das Geheimnis seines hohen Alters: „Ich habe auf alles verzichtet“) wird berichtet, er habe Selbstmord durch Fasten begangen, aber erst als er uralt war.
Der Kirchenvater Athanasius der Große (295–373 n. Chr.) aus Alexandria, einer der Begründer des christlichen Mönchtums, sagt:
„Das Fasten heilt die Krankheiten, trocknet die überflüssigen Säfte im Körper aus, vertreibt böse Geister, verscheucht verkehrte Gedanken, gibt dem Geist größere Klarheit, macht das Herz rein …“
Die jungen Indianer mussten fasten, bis sie als Männer in den Stamm aufgenommen wurden, und auch die Buddhisten, ehe sie ins Kloster eintreten durften.
Jetzt wird es Zeit, mit dem Diskreditieren und Stigmatisieren der „Dicken“ aufzuhören. Ja, es ist wahr, dass fast 80 % der Erwachsenen und etwa ein Drittel der Kinder in den USA übergewichtig oder sogar adipös sind. Und dennoch darf es nicht sein, dass Übergewicht sofort gleichgesetzt wird mit persönlichem Versagen. Viele „Dicke“ leiden darunter. Sogar ein Großteil der Mädchen lebt in der Angst, dick zu werden. Fett sein fühlt sich für viele als die schlimmste Form von Schwäche an, als Gipfel des Versagens. Sie verbergen ihren Körper unter Zelten aus schwarzem Stoff. Dunkle Hosen haben Hochkonjunktur. Dabei lenken diese doch sofort den Blick auf Hüften und Hinterteil.
Darf es nicht mehr ein bisschen mehr sein ? Ist jedes Gramm Übergewicht schon ein Unglück ? Eine übergewichtige Frau tut sich verdammt schwer, ein „normales“ Gewicht zu erreichen. Nur ein verschwindend kleiner Anteil schafft dies überhaupt.
Gewicht und Gesundheit sind nicht immer ein Widerspruch. Wieviel Wohlbeleibte kennen wir in unserem Alltag, die Großartiges erbringen oder erbracht haben und die das 80. Lebensjahr schon längst hinter sich gelassen haben ? Wollen wir auf all die Molligen verzichten, auf die Winston Churchills, die Ludwig Erhards, Helmut Kohls oder Dick und Doof ? Zwei Drittel bis drei Viertel der „Dicken“ sind gesund, was ihren Stoffwechsel angeht. Sie haben keinen erhöhten Blutdruck, kein hohes Cholesterin und keinen Diabetes. Schlanke, untrainierte Menschen sind viel gefährdeter, zuckerkrank zu werden.3
Häufig fällt einem „dünnen“ (oder sogar wohlbeleibten) Mediziner nach der Untersuchung eines etwas übergewichtigen Patienten nichts Besseres ein, als den Finger mahnend zu erheben und zu sagen: „Sie sollten aber noch einige Pfunde abnehmen“. Eine traurige Bankrotterklärung. Müssen wir nicht endlich akzeptieren, dass unser Land nicht dünner werden wird, aber gesünder werden kann ? Hören wir endlich auf mit dem Mobbing übergewichtiger Menschen ! Tolerieren wir den Menschen insgesamt ! Dazu gehört auch sein Gewicht. Schenken wir den Übergewichtigen im Fitnessclub zwischen all den „Schönen“ ein kurzes Lächeln. Sie nehmen es dankbar auf. Lernen wir endlich zu akzeptieren, dass es noch keiner Nation bisher gelungen ist, die Anzahl der Übergewichtigen insgesamt zu reduzieren.
Ist es nicht mehr als erschreckend, dass Extremdiäten mittlerweile zu den häufigsten Todesursachen in den USA gehören, verantwortlich für viel mehr Todesfälle wie Gewalt durch Schusswaffen und Autounfälle zusammen ?
Dicksein zu akzeptieren bedeutet keinen Freibrief für ungezügelte Prasserei. Der Aufruf zu einem gesünderen Essverhalten und mehr Bewegung verliert dadurch nicht an Bedeutung. Umfragen zeigten, dass Schulkinder nach Förderung der athletischen Eigenschaften zwar nicht immer viel Fett verloren, aber ihre Muskelmasse steigerten. Und jetzt passen Sie auf: Sie wurden wesentlich besser in „Mathe“.4
Bevor wir mit einer Diät beginnen, die ohnehin oft zum Scheitern verurteilt ist, sollten wir zwei Dinge beachten: War ich schon bei der Ernährungsberatung und wie schaut es mit der täglichen Bewegung aus ?
Viele Probleme könnten sich dadurch von selbst regeln.
Rauchen und ab und zu „saufen“ ist immer ein „normales“ Verhalten – übergewichtig sein nicht !
Philosophie und Qualität des Lebens
Neidvoll blicken wir auf die Alten in fernen Ländern und deren Ernährungs- und Lebensweise. Von Sushi und Kefir bis zur ständigen Bewegung des sardischen Ziegenhirten in den Bergen.
KEFIR: Sauermilchprodukt mit geringem Gehalt an Alkohol aus der Kaukasusregion mit der Fähigkeit, krankmachende Keime zu unterdrücken, wirkt lebensverlängernd nach Untersuchungen des russischen Nobelpreisträger Ilja Iljitsch Metschnikow, 1845–1916.
Diäten und Empfehlungen zur Wellness, Ratgeber zum immerwährenden Glück für alle, Anleitungen zur Fitness mit oder ohne Personaltrainer, Vorschläge zum Erhalt der Gesundheit und allwährenden Seelenfrieden überfluten uns. Und doch scheitern wir häufig an unseren allzu großen Vorsätzen.
Wir sollten uns bewusst machen: „Desto höher das gesteckte Ziel, desto höher die Niederlagen. Desto größer die Hoffnung, desto größer die Enttäuschung. Woran kann ich mich orientieren ? Wie kann ich meinen Weg finden zwischen all den Verlockungen und dem Überfluss. „Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen ?“ (Immanuel Kant, Philosoph aus Königsberg; 1724–1804)
Die Antwort auf viele dieser elementaren Fragen gibt uns weniger die Naturwissenschaft als die Erfahrung großer Denker. Die Wahrheit kann ganz einfach sein: Wir werden immer scheitern am Ideal. Aber wir sollten nie aufhören danach zu streben.
Schon Konfuzius (chinesischer Philosoph; 551–479 v. Chr.) wusste um die Unerreichbarkeit des Ideals der Tugenden.
Der Edle ist bemüht, sich dem Ideal anzunähern. Dies gilt nicht nur für das richtige Verhalten zu anderen Menschen, das uns von Sorgen befreit, für die Weisheit, die uns vor Zweifeln bewahrt oder für die Entschlossenheit, welche die Furcht überwindet. Es gilt insbesondere auch für unsere Lebensweise. Wie sollen wir also leben, um gesund zu bleiben ? Sicher ist, dass es kein Allheilmittel gibt.
Im Werk Lunyo über Konfuzius steht über den Meister geschrieben:
„Ist das nicht jener Mann, der weiß, dass seine Ideen nicht zu verwirklichen sind, aber dennoch nicht davon ablässt ?“
LUNYO: Einflussreichstes Werk der ostasiatischen Geistesgeschichte berichtet über Konfuzius.
Allgemeiner Charakter und Bedeutung der chinesischen Philosophie als Grundmotiv ist das Streben nach Harmonie, nach Maß und Mitte, nach dem harmonischen Gleichgewicht.5
Das Streben danach heißt nicht, dass wir es jemals erreichen werden. Wir müssen dies wissen, um nicht der Depression und Täuschung zu erliegen. Wir sollten aber nie unser Bemühen aufgeben, unsere Ziele zu erreichen. Was sind nun die Ziele für unseren Körper und unsere Seele ? Nicht der weltabgewandte, asketische Heilige, sondern der in allen Dingen das richtige Maß haltende Weise ist unser Vorbild. Also seien wir gnädig mit uns selbst und mit den anderen.
Wir werden später darauf zurückkommen, was ich konkret tun kann, um den Gleichtakt des Herzschlags möglichst lange zu bewahren, Überarbeitung und Stress zu vermeiden, die Gefäße elastisch zu halten, Lunge, Leber und Darm zu pflegen, als Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben auch im Alter; aber nicht verbissen und in allen Lebenslagen leitliniengerecht oder gar nach Algorithmen orientiert, sondern mit Maß angepasst an die Umstände. Wenn wir feiern, dann feiern wir, wenn wir meditieren, beten oder uns besinnen, dann tun wir dies im gleichen Maße.
Schon im „Garten des Epikurs“ zu Athen spielte sich eher das heitere und gesellige Leben ab.6
EPIKUR, griechischer Philosoph; 341–270 v. Chr.; entwickelte die Lehre von der Lust. Nicht im Sinne der Völlerei und Zügellosigkeit sondern des individuellen Lebensglücks. Grundlage ist das Ideal der Seelenruhe zu Lebzeiten, Ataraxia („Unerschütterlichkeit“) genannt, und alles, was das Glück des Weisen, Eudaimonia („Gelungene Lebensführung“, „Glückseligkeit“, vgl. Eudaimoniekonzept des Aristoteles), gefährden kann; zielt im Kern auf die stabile Erhöhung und Verstetigung der Lebensfreude ab. Dabei müssen Furcht, Begierden und Schmerz umschifft werden. Der Epikurer ist gleichgültig gegenüber dem Tod. Erläuterungen zum Katechismus 7–11.
Darunter verstand aber Epikur nicht das sinnlose Jagen nach Sinneslust und ewiger Jugend, sondern vielmehr die Gewinnung von Lust und das Vermeiden der Unlust.
Die Unerschütterlichkeit (griechisch „Ataraxia“) der Seele, die ausgeglichene Ruhe des Geistes, die heitere Beschaulichkeit und die emotionale Gelassenheit auch gegenüber Schicksalsschlägen, war nicht nur für die Stoiker das erklärte Ziel. Auch für Epikur war seine eigene Lebensführung geprägt von ausgeglichenem Maßhalten. Übertragen kann diese Erkenntnis für uns bedeuten, dass wir nicht der Völlerei frönen und uns ständig betäuben mit dröhnender Bassmusik und ungezügeltem Streben nach scheinbarer Erfüllung der Lust, sondern uns manchmal daran erinnern, dass wir am nächsten Tag das sind, was wir am Tag zuvor waren. Wie schnell vergessen wir die Kurzlebigkeit? Wie oft verdrängen wir den Gedanken an die Sterblichkeit des Menschen? Wir sollten uns natürlich nicht ständig daran erinnern. Aber langes Leben um jeden Preis geht häufig zu Lasten der Lebensqualität. „Anfang und Wurzel alles Guten ist die Freude des Magens“, war schon vor über 2.500 Jahren der Leitspruch Epikurs. Ein gemeinsames Mahl in der Familie oder mit Freunden bei gesunden Speisen ist immer noch Ausdruck für ein gelungenes Leben.
Die Freuden des Leibes – so lehrt uns der Philosoph – sind aber auch an den Augenblick gebunden: die Seele aber kann in die Vergangenheit blicken und manchmal auch in die Zukunft schauen.
Vergessen wir also alle zu sehr einschränkenden Diäten, Vorschriften und Anregungen zu scheinbar lebensklugen Ratschlägen. Riskieren wir die Freude und erkennen, dass ständiges Kasteien uns einengt wie eine Zwangsjacke.
Lukrez und ein weiterer Dichter Roms, Horaz (Quintus Horatius Flaccus, bedeutender römischer Dichter und Lyriker; 65–8 v. Chr., Schüler des Epikur)7, berichten über die epikureische Philosophie und geben uns einen Einblick in diese Lebensanschauungen in ihren Werken und Liedern über die Liebe, den Wein, die Geselligkeit und Freundschaft und vor allem die abgeklärte Lebensweise.
TITUS LUCRETIUS CARUS LUKREZ, römischer Dichter und Philosoph; 98–55 v. Chr.; in der Tradition des Epikureismus, Vertreter der Atomistik. Im Gegensatz zu Epikur verurteilt er den sittlichen Verfall des Adels und klagt den Krieg und den Schrecken an; nimmt Anteil an den gesellschaftlichen Ereignissen seiner Zeit.
Es kann also gefolgert werden, dass nicht jeder Lust gefrönt werden soll. Denn es gibt Zustände, die an sich Lust enthalten, aber den Menschen auf Schwerste schädigen können. So müssen wir uns vor tierisch vulgärer Gier und bizarrem Verhalten, gegen die der Kyniker Diogenes (griechischer Philosoph; ca. 413–323 v. Chr.) keinerlei Bedenken hatte – er soll öffentlich onaniert haben – durchaus in Acht nehmen.
Für die Medizin gilt, dass es Genüsse gibt für Speis und Trank, die im Augenblick erfreulich sind, auf Dauer aber die Gesundheit ruinieren.8
Wir müssen also Einsicht haben in die Grenzen der Begierden. Werden wir nicht auch heute vielfach umgeben von extrovertierten Prassern ? Wollen wir nicht auch den Reichen und Schönen nacheifern, wie sie fast täglich auf Hochglanzpapier in der Boulevardpresse erscheinen ? Beschämend und lächerlich !
Wir sollten uns daran erinnern, dass manchmal ein kleines Stück eines guten Käse, langsam und mit Genuss gegessen, mehr Gaumenfreude bereiten kann als ein sündteures 7-Gänge Menü. In unserem Gesicht geschrieben stehen und aus unseren Augen schauen unser Lebenswandel und unsere Lebenserfahrung.
Es ist nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne dass man vernunftgemäß, schön und gerecht lebt, noch vernunftgemäß, schön und gerecht ohne lustvoll zu leben. Wer dies nicht beherzigt, der kann nicht lustvoll leben.9
Seneca berichtet:
Wir sollen wir auch ein wenig nachsichtig sein mit uns selbst und uns Muße gönnen, die wie ein Stärkungsmittel wirkt. Auch weite Spaziergänge im offenen Gelände sollte man unternehmen, damit sich unter freiem Himmel und beim kräftigen Durchatmen der Geist erholen kann. Bisweilen werden ein Ausritt, eine Reise, eine Ortsveränderung neue Frische schenken, ein Gelage und ein kräftiger Schluck. Hin und wieder mag es bis zum Rausch kommen, aber nicht so, dass wir in ihm versinken, sondern, dass wir in ihn eintauchen. Er spült ja unsere Sorgen fort und begeistert das Herz von Grund auf und wie bei bestimmten Krankheiten, so hilft er auch bei Traurigkeit. Doch wie bei der Freiheit, so ist auch beim Wein Mäßigung segensreich.
SENECA, Lucius Annaeus, 1–65 n. Chr., römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker; führte die Lehre der Stoa – „Gelassenheit und stilles Glück“ – weiter; war der meistgelesene Schriftsteller seiner Zeit. Berater von Kaiser Nero: Berühmte Schriften: „Von der Ruhe der Seele“ oder „Von der Kürze des Lebens“.
Übersetzt in unsere Leben heißt dies: Genießen wir das Leben in Maßen und machen uns kein schlechtes Gewissen, wenn wir einmal über die Stränge schlagen.
Bedenken wir aber, dass sich alles, was wir tun oder nicht tun, Freude, Ruhe und Gelassenheit, Stress oder Leid, Kummer und Mühen, Getränke und Ernährung, Bewegung und Inaktivität, Jugend und Alter, widerspiegelt in der Funktion unseres Herzens, der Qualität unserer Gefäße und all unserer Organe, ja unseres ganzen Körpers.
„Wo Blut – da Leben“. Dieser Leitspruch der Herz- und Gefäßchirurgen gilt für alles und jeden. Immer wenn unsere Lebensadern, die sauerstoffreiches Blut aus dem Herzen in den Körper führen, eingeengt oder gar verschlossen sind, drohen schwere Schäden.
Auch wenn Heraklit, der griechische Philosoph aus Ephesus in der heutigen Türkei, nichts von den Ärzten hielt, hatte er doch in einem recht und wusste es schon vor 2.500 Jahren: „Pantha rhei“, alles fließt, alles bewegt sich.
HERAKLIT VON EPHESOS, vorsokratischer Philosoph, 500 v. Chr., aus dem ionischen Ephesos: populärster Spruch: „Pantha rhei“; „Alles fließt“; „… fordern doch die Ärzte, wenn sie die Kranken auf jede Art schneiden, brennen und schlimm quälen noch Lohn dazu …“.
Dies gilt auch für das wallende Blut in unseren Adern. Glücklich ist der, bei dem es ungehindert fließen kann. Wehe dem Unglücklichen, bei dem das Blut in den Adern gefriert oder stockt, weil sich Engstellen oder Verschlüsse in den Weg stellen. Dann gerät auch das Gleichgewicht des Lebens aus den Fugen. Wenn wir den Bogen überspannen, trifft uns der giftige Pfeil mitten ins Mark. Ohne ausreichende Durchblutung werden unsere Organfunktionen eingeschränkt oder erlöschen urplötzlich. Schlaganfall und Herzinfarkt bedrohen uns. Unsere Beine versagen ihren Dienst und tragen uns nicht mehr. Es droht der Untergang bis hin zur Amputation oder gar zum Tod.
Dass unser Herz nicht zum gefühllosen Pumporgan degradiert werden kann, ist eine sichere Erkenntnis erst der neueren Zeit.
Ein gesundes Herz und geschmeidige Gefäße sind die Voraussetzung für die Blutversorgung und Erneuerung der 100 Billionen Zellen unseres Körpers. Allein unser 1.300 Gramm schweres Gehirn besteht aus 40 Milliarden Neuronen. Es benötigt am meisten Sauerstoff und Glukose.
Wird die Blutzufuhr zum Gehirn durch ein verstopftes Gefäß blockiert, sterben nach wenigen Minuten Millionen von Hirnzellen. Dies gilt z. B. auch für das größte Stoffwechselorgan unseres Körpers – die 1.500 Gramm wiegende Leber mit ihren drei Millionen Zellen und 500 biochemischen Funktionen.
Ohne gesundes Herz und gesunde Gefäße ist alles nichts. Was können wir wissen und was können wir tun, um unseren Kreislauf gesund zu halten ? Voraussetzung für das Verständnis der Herz- und Gefäßkrankheiten und wie wir uns davor bewahren können sind Kenntnisse über die Funktion unseres Blutkreislaufs.
Die epikureische Glückslehre besagt unter anderem: „Anfang und Wurzel alles Guten ist die Freude des Magens; selbst Weisheit und alles, was darüber hinausgeht, steht in Beziehung zu ihr“ (nach der Schule von Epikur). Lust ist das Prinzip des gelungenen Lebens; Glück ist für Epikur eher ein Freisein von Unlust als die bedingungslose Hingabe an die Lust. Hauptziel ist die Schmerzvermeidung durch Reduktion auf notwendige Bedürfnisse.
5 Regeln des Glücks nach Epikur
1.Aktivität: Wer nur einen Tag ruht, bei dem sterben serienweise Neurone ab, der Geist schrumpft ohne Beschäftigung, ohne Antrieb wird kein Dopamin gebildet, es entstehen Depressionen, Sport lässt Gehirnzellen wachsen; Neugierde und Abwechslung statt Routine.
2.Sozial leben: Familie, Partnerschaft und Freundschaft, gemeinsames Erleben steigert das Glückserlebnis, Sorgen und Nöte, aber auch Erfolg und Freude werden auf verschiedene Schultern verteilt.
3.Konzentration: Hier und Jetzt genießen, den Duft der Blumen, die Wohltat eines Waldspaziergangs, den Geschmack eines Stücks Käse, Steigerung der Lebensfreude durch ausgewählte Genüsse; Leben soll nicht einfach passieren, während man andere Pläne macht.
4.Realistische Erwartungen: Keine Über- oder Unterforderungen; wer zuviel von sich verlangt, ist gestresst; wer nur Müßiggang betreibt, leidet an Dopaminmangel, keine überzogenen Ziele.
5.Gute Gedanken: Nur richtige Gedanken erzeugen Glücksgefühle, Lust soll erzeugt und Unlust vermieden werden, glaube an Dein Glück und Du wirst es sein, alles ist gut.
Auch wenn Epikur ob seiner Essens- und seiner Lebenskunst zeitweise in Misskredit geraten war, hat seine Philosophie alle Kritik überdauert. Spaß und Genuss am gemeinsamen Mahl stärkt den Familienverbund und schafft Gemeinschaft unter Freunden und Freundschaft. Essen ist eben keine Nebensache und eine fröhliche Atmosphäre steigert den Genuss.
Bei Aristippos von Kyrene hat – anders als bei Epikur – jede Lust, unabhängig von ihrer Natur, die gleiche Qualität. Sein Weg zum Glück ist die Lust zu maximieren und dem Schmerz auszuweichen. Er behauptet, das bewusste Genießen sei der eigentliche Sinn des Lebens.
Der Begriff Hedonismus, die Freude an der sinnlichen Begierde, geht auf Aristippos zurück.
ARISTIPPOS VON KYRENE, Schüler von Sokrates; 435–355 v. Chr.; Begründer des Hedonismus, „hedone“ bedeutet altgriechisch Genuss, Gaumenfreude oder Lust; angestrebt wird alles, was im Diesseits Lustempfinden hervorruft und Schmerz vermeidet; Epikur verstand unter Lust eher ein gelungenes Leben im Sinne der völligen Seelenruhe – Ataraxia – frei von Schmerz und Leid.
Kulinarik (Kochkunst) ist wieder gefragt. Hyperphagie ist damit nicht gemeint.
Überfluss tut nicht gut. 60 % der Männer und 37 % der Frauen sind übergewichtig. In Zeiten einer verwirrenden Vielfalt an Lebensmitteln besteht die Gefahr der Maßlosigkeit und der ungezügelten Völlerei. Vor „hedonistischer Hyperphagie“ sollten wir uns deshalb hüten, also der „Freude am Überfressen.“
HEDONISTISCHE HYPERPHAGIE: Zivilisationskrankheit (Hyperphagie: Übermäßig gesteigerte Nahrungsaufnahme; Essstörung, „phagie“ bedeutet Essen); der Mensch kann sich nicht satt essen, kein Hungergefühl, Mischung aus Lebensstil und psychologischen Faktoren, das Belohnungssystem im Gehirn, der „Nucleus accumbens“, ist überaktiv und registriert ähnlich wie bei Suchtkranken die Schmackhaftigkeit der Nahrung ohne subjektives Hungergefühl; das Hirnzentrum für Sättigungsgefühl ist dabei ausgeschaltet.
Wir schaufeln in uns hinein, ohne zu wissen wann wir satt sind. Guten Appetit. Geschmacksverstärker und künstliche Aromen haben ganze Arbeit geleistet.
Die Legende von Winston Churchill (bedeutendster britischer Staatsmann, des 19. Jahrhunderts; 1874–1965), der angeblich (nicht sicher belegt !) den Ausdruck: „No sports-whisky and cigars“ prägte und trotzdem 91 Jahre alt wurde ist falsch.
W. Churchill war kein „Couch-Potato“ und „Sportmuffel“, der größtenteils in seiner Freizeit auf einem Sofa saß oder seine Zeit mit Essen und Biertrinken verbrachte. Nein, er war insbesondere in jungen Jahren ein begeisterter Fechter, Reiter, Schütze, Polospieler und Ruderer. Von ihm kommt der Ausspruch: „Keine Stunde, die man im Sattel verbringt, ist verloren.“ Noch zu seinem 74. Geburtstag zeigte er sich bei einer Fuchsjagd hoch zu Ross, einem Alter, bei dem viele von uns den Rücken der Pferde gar nicht mehr erklimmen könnten. Es soll nicht verschwiegen werden, dass W. Churchill an hohem Blutdruck erkrankte, zwei Schlaganfälle und einen Herzinfarkt erlitt. Man muss ihm allerdings zu Gute halten, dass er diese Zeilen nicht kannte. Außerdem war er leidenschaftlicher Zigarrenraucher und auch dem Whisky und Champagner nicht abgeneigt.
Besonders nicht aktive Menschen mit Übergewicht und hohem Blutdruck oder anderen Risikofaktoren sollten motiviert werden, sich zu bewegen. Natürlich steht vor jedem Sportprogramm eine gründliche ärztliche Untersuchung. Einfach loslaufen, untrainiert, bis zum Umfallen könnte in der Tat böse enden.
Der Amerikaner JAMES FULLER FIXX, 1923–1984, veröffentlichte 1977: „Das komplette Buch des Laufens“ und fiel beim Joggen tot um. Fixx litt unter einer schweren Arteriosklerose aller dreier Herzkranzarterien mit genetischer Belastung und angeborener Herzvergrößerung. Er war starker Raucher hatte zudem Scheidungsstress.
Wissenschaftler der University of Illinois in Chicago haben herausgefunden, dass Hardcore-Training, also „Überanstrengung“ beim Sport zu Plaquebildung (Kalkablagerungen) in den Herzkranzgefäßen führt und damit das Infarktrisiko erhöhen kann.10
„Sport ist Mord“ ist letztlich eine Ausrede für die Anhänger der Bequemlichkeit. Nur keine Koffer tragen, keine Treppen steigen und jede Form der Anstrengung auch im täglichen Leben vermeiden ist ihr Motto.
Selbsttest für Herzinfarkt und Schlaganfall
Wer ist überhaupt gefährdet, eine Arteriosklerose zu entwickeln ? Auch junge Menschen sind davon nicht gefeit. Aus dem Blutdruck, den Werten für Cholesterin (LDL, HDL) und für Blutzucker (Glukose), der Intensität und Art der Bewegung (Schrittzähler sind en vogue), dem Gewicht, den Rauch- und Trinkgewohnheiten, dem Alter und der Vorgeschichte in der Verwandtschaft kann ein persönlicher Risikoscore für Arteriosklerose und Herzinfarkt berechnet werden.
Die Gefäßverkalkung tritt auch bei jungen Menschen auf. In einer großen Beobachtungsstudie aus Münster (Stadt in Westfalen, BRD) mit 31.376 Männern und 18.624 Frauen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren bestand immerhin bei 16,1 % der Männer und 7 % der Frauen (durchschnittlich 14,8 %) ein hohes Risiko, innerhalb der nächsten 10 Jahre ein kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, Schlaganfall) zu erleiden. (Prospective Cardiovascular Münster Study; PROCAM; PROCAM-Score)
ESC-SCORE, europäischer Score, kann aus mehreren Daten online errechnet werden; einzugeben in den ESC-Kalkulator im Internet.
Für mehr als ein Drittel der Probanden bestand bei der Studie aus Münster noch ein mittleres Risiko. Nur etwa die Hälfte galt als gering gefährdet (bei anderen Tests wesentlich mehr). Dies sind beängstigende Zahlen, die uns zeigen, dass Herzinfarkt und Schlaganfall nicht nur Erkrankungen älterer Menschen sind. Bei der Bestimmung des eigenen Risikoprofils sollte darauf geachtet werden, dass persönliche Daten nicht in falsche Hände gelangen.
Wer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren einen niedrigen Blutdruck, einen niedrigen LDL-Cholesterin- und Glukosespiegel im Blut, einen geringen Bauchumfang bzw. BMI aufweist, nicht raucht und wenig trinkt und sich ausreichend bewegt, hat viel bessere Chancen ohne größere gesundheitliche Probleme ein Alter von 85 Jahren und mehr zu erreichen.
Eine individuelle Berechnung des Gefährdungsprofils aus einer dieser Risikotabellen, die immer wieder angeboten werden, kann dennoch die persönliche Beratung eines Arztes nicht ersetzen. Entscheidend für einen gesunden LebensStil ist die Optimierung unseres „Lifestyles“ aus eigenem Antrieb. Nur so kann es gelingen, unser Verhalten an natürliche und gesunde Lebensprozesse anzupassen.
Das übergeordnete Prinzip des Strebens nach Maß und Mitte, des Einklangs von Mensch und Natur und der Abneigung jeder Art von Einseitigkeit und Extremen finden wir bereits im philosophischen Denken des Konfuzianismus vor mehr als 2.500 Jahren.
Nicht das „Entweder – oder“, sondern das „Sowohl – als auch“, zeigt die Duale Wechselwirkung dessen, was schädlich für Geist und Körper ist und was nützlich sein kann.11
Sitz der Seele – Herz oder Hirn ?
Bei den alten Ägyptern vor 4.000 Jahren war das Gehirn nur eine Füllmasse für den Schädel. Es spielte keine Rolle für die Persönlichkeit und den Verstand. Das Herz wurde als einziges Organ im toten Körper belassen; denn in den Augen der Ägypter war das Herz Sitz und Heimat der Gefühle und des Verstandes.
Was ist die Meinung der Neurowissenschaftler von heute ?
Wo ist sie nun, die Seele – im Gehirn oder im Herzen, in beiden oder weder noch ? Die meisten Forscher gehen davon aus, dass das Gehirn der Sitz des Ichs ist. Millionen feuernder vernetzter Neuronen schaffen das Bewusstsein. Ist dies aber die ganze Wahrheit ?
„Duft ist das Wesen der Blüten, Öl ist im Sesam enthalten … und in gleicher Weise erkennt der Weise, dass die Seele dem Menschen angeboren ist.“12
Seelenverwandtschaft, Weltseele, die gute Seele … ist die Seele ein Teil, welcher den Tod überlebt ?
Für viele ist die Seele eine Gedankenbildung, ein Hirngespinst und eine unverständliche Annahme. Sie glauben nicht an die Existenz einer vom Körper unterschiedenen immateriellen und unsterblichen geistigen Seele.13
Andere postulieren, dass das All alles darstellt, was es gibt. Folglich ist nichts anders außer ihm. Der Mensch, spätes Ergebnis der Naturgeschichte, ist ein sterbliches Lebewesen unter anderen.14
Ist der Mensch, statt Mittelpunkt der Schöpfung, zur bloßen Randfigur im Universum geworden ? Der Mensch – nur mehr ein lebendiges Stück Fleisch auf gelenkigen Knochen, zusammengehalten von Bändern und Sehnen, bewegt von Muskeln, durchströmt von Blut und Artgenosse von Computern, die er selbst entworfen hat ? Ist er nicht mehr dessen Krone, sondern vielmehr ein Lebewesen unter anderen – ein sorgengeplagtes Säugetier ? Ist er nur ein komplexes Informationsverarbeitungssystem, dessen Geistesleben stärker als bisher vermutet von seinen Erbanlagen und Hirnprozessen bestimmt wird ? Sind wir nur ohnmächtige Marionetten und können weder unsere Gene noch unsere Neuronen befragen, wie wir uns entscheiden sollten ? Oder gehorcht unser Leben nicht auch tieferen Mächten ? Warum sollten wir sonst streben nach Selbsterhaltung und Fortpflanzung, Freiheit, Schönheit, Gesundheit und Kraft ? Nur, um unsere Gene weiterzugeben ? Die Problematik, unvermeidbare Lebensfragen zu beantworten, hat sich gewandelt. Die jahrhundertealte Überzeugung der Existenz einer metaphysischen (übernatürlichen) Natur des Menschen ist im Umbruch.
Die Denker der Antike und Philosophen der Neuzeit sahen im Menschen noch einen Teil der göttlichen Vernunft und ein in alle übrigen Lebewesen an Vollkommenheit überragendes Ebenbild Gottes. Die „übernatürlichen Anteile“ des Menschen werden heute immer mehr entkernt. Die großen Vorbilder und Lehrmeister von Ethik und Moral schwinden im Strudel naturwissenschaftlicher Deutungen. Als was soll sich der Mensch verstehen ? An was soll er sich halten und woran kann er sich orientieren ?
Es deutet sich an, dass er sein Leben immer mehr selbst führen muss. Er ist darauf angewiesen, sich selbst Werte zu setzen, weil die ehemaligen metaphysischen Vorgaben, Glaube und Hoffnung, immer mehr schwinden.15
Und dennoch fühlen wir, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.16
Belastbare Hinweise, dass die Seele den Tod überdauert gibt es nicht. Und dennoch glaubt mindestens die Hälfte der Deutschen an ein Leben nach dem Tod, z. B. an die Auferstehung der Toten und die Unsterblichkeit der Seele.
Leben wir weiter im Totenreich, im Jenseits, im Himmel oder der Hölle ? Oder endet unsere Existenz mit dem Tod unwiederbringlich ? Werden wir gar wiedergeboren ? Gehen wir ein in die Welt des Schattens, wenn wir sterben ? Oder leben wir weiter in unseren Nachkommen ?
„Und viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande.“ (Daniel; 12: 2; Lutherbibel 1912; Daniel der Prophet, jüdischer Traumdeuter und -seher; 2. Jh. v. Chr.; zählt im Alten Testament zu den vier „großen“ Propheten; der Name bedeutet so viel wie „Gott hat Recht verschafft“.)
Gibt es einen Sündenfall und ein Paradies ? Wer geht ein in die Herrlichkeit Gottes ? Werden wir zum Leben erweckt vom Jüngsten Gericht ? Hat die Hölle einen heidnischen Ursprung ? Gab oder gibt es den Hades – die Unterwelt ? Wird auch der Nichtgläubige nach dem Tod bekehrt und selig ? Werden wir gar belohnt im Jenseits durch unsere Frömmigkeit ? Gibt es das Ende der Wiedergeburt im Nirwana ?
NIRWANA, Sanskrit; buddhistischer Schlüsselbegriff, der den Austritt aus dem Kreislauf des Leidens und der Wiedergeburten, der sog. Reinkarnation durch Erwachen – Bodhi – genannt, bezeichnet.
Es gibt keine wissenschaftlich begründbare Antwort über „Seelenwanderung“. Allein der Glaube macht uns stark. An uns, an die Liebe und die Ewigkeit.
Die folgenden Worte stammen von niemandem Geringerem als Sokrates:
„Ich bin zuversichtlich, dass es wahrhaftig so etwas gibt, wie noch einmal zu leben, dass die Lebenden von den Toten herstammen und dass die Seelen der Toten am Leben sind.“17
„Meister, gibt es ein Leben nach dem Tod ?“
„Das weiß ich nicht.“
„Aber Du bist doch der Meister ?“
„Ja, aber kein toter Meister“.18
Was soll das alles ? Wozu der ganze Mist ? Fragen, denen viele begegnen oder begegnet sind: Am Arbeitsplatz unter einem ungnädigen Chef, wenn die Seele brennt, in einer unglücklichen Liebe oder Beziehung, nach dem Tod eines geliebten Partners, im alltäglichen Frust, in der politischen und meteorologischen („Klimawandel“) Großwetterlage, in der Verzweiflung zu scheitern an sich und den anderen, in Pflegeheimen abgeschoben und eingepfercht zu sein oder mit einer unheilbaren Krankheit zu leben im Wissen um die eigene Endlichkeit. Worin besteht dann noch der Sinn im Leben – der LebensZweck ? Für was und wen soll das alles noch gut sein, wenn in der letzten LebensPhase Gebrechlichkeit, Einsamkeit, Senilität, Hinfälligkeit und stetige Vergreisung, der Verlust von Orientierung und das Vergessen hinzutreten ?
„Das Alter ist der Übel höchstes; denn es beraubt den Menschen aller Genüsse, lässt ihm aber das Verlangen danach, und bringt alle Leiden mit sich.“ (Ciacomo Graf Leopardi, italienischer Dichter; 1798–1837)
„Der Tod ist nichts anderes als ein Kunstgriff der Natur, um möglichst viel Leben zu haben.“ (Georg Christoph Tobler, Schweizer Theologe und Schriftsteller; 1757–1812)
Wie stehen wir zur Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen im Angesicht des Universums ? Was sagt uns der Blick in die Sterne, die Weite des Meeres oder die Majestät der Berge – oder in die Abgründe der menschlichen Natur und Psyche im Angesicht des Bösen ? Ist es nicht so, als zöge es einen manchmal hinab in das tiefe Loch vom Geländer einer Brücke oder von der Höhe eines Berggipfels ? Das unheimliche Gefühl in den Schacht zu fallen, in den man hineinblickt. Hat das nicht jeder von uns einmal erlebt ?
„Wenn man lange genug in den Abgrund schaut, schaut der Abgrund auch in einen.“ (Friedrich Nietzsche, deutscher Philosoph; 1844–1900)
Was ist der Sinn meines Daseins ? Warum um alles in der Welt gibt es Lüste, Ängste, unerfüllte Wünsche, Schmerzen, Verzweiflung, Krankheit und Leid ? Wird das Schicksal der Endlichkeit unserer Existenz nicht allzu oft verdrängt und übertüncht von dem dauernden Streben nach Wohlstand, Gesundheit, Anerkennung und Glück ? Worin sind Sehnsucht und Streben nach immer mehr und immer weiter begründet ? Soll es ablenken von dem Wissen, dass keiner von uns dem Tod entgehen kann ? Was bedeutet LebensKunst für uns ? Ist es nur das Dolce Vita, gutes Essen und Trinken, ein „hedonistischer LebensKonsum“, nur an momentanen Genüssen ausgerichtete egoistische LebensEinstellung in einem protzigen Ambiente ? Warum können so wenige unter uns in sich hineinlächeln ? Ist es nicht das mangelnde soziale Gefüge in einer intakten Familie, was so viele scheitern lässt ? Haben wir die Orientierung verloren ? Was tritt an die Stelle von Tradition, Religion, Konvention, Grundüberzeugungen, die vor nicht allzu langer Zeit den Alltag bis ins Detail definieren konnten ? LebensWissen wird nicht mehr weitergegeben von Generation zu Generation. Wir finden uns nicht selten allein und verloren in unserem begrenzten LebensHorizont. Unser Dasein ist geteilt in Glück und Unglück. Nur wenn es uns gelingt, beide Extreme zu überschauen und einzubinden in unser Leben, nähern wir uns der wahren LebensKunst. Zur Fülle des Lebens gehört auch der Tod. Wir müssen uns mit ihm anfreunden. Erst der Tod gibt unserem Leben Sinn und Tiefe. Der unendliche Wert des Lebens besteht in seiner Endlichkeit. Ein grenzenloses Leben hätte das Alleinstellungsmerkmal des Vergehens verloren.
„Nur wenn Altes geht, kann Neues werden.“ (Christoph Quarch, deutscher Philosoph, Theologe und Publizist; *1964)
Wenn es zum Pol der Endlichkeit einen Gegenpol gibt, dann müsste es die Unendlichkeit sein. Der Blick zum Himmel ist für den großen deutschen Philosophen Wilhelm Schmid (*1953; Schwerpunktforschung: „Lebenskunstphilosophie“) wie ein philosophisches Abendgebet. Letztlich sollte jeder sein eigenes Maß finden. Nur ein bewusster Umgang mit eigenen Gefühlen und Lüsten führt zu einem erfüllten Leben.19
Ist unser Leben auf dem richtigen Weg ? Viele Fragen und kein Ausweg.
Ist eine Antwort nach dem LebensSinn überhaupt möglich ? Oder versteht nicht jeder etwas anderes unter „Leben“ ? Sicher ist, dass nur der Mensch als einzig vernunftbegabtes Wesen auf dieser Welt, eine Lösung aus diesem Dilemma suchen kann.
„Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da suchet, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ (Matthäus 7; 8)
Viele aber resignieren, sinnieren und finden keinen Sinn mehr im Leben. Nicht alle aber werden sich immer nach dem Sinn des Lebens fragen. Der Ertrinkende versucht zu überleben, der Hungernde zu essen und der Frierende seinen Leib mit Tuch zu bedecken. Der ums nackte Überleben kämpft, wird kaum Zeit haben, den Sinn des Lebens zu hinterfragen. Und es sind auch nicht die Armen, die weniger „Sinn“ im Leben finden. Bei Menschen, die in Wohlstand leben, ist zwar die LebensZufriedenheit höher als in ärmeren Ländern. Wen wundert’s. Mit dem LebensSinn ist es aber gerade umgekehrt. In den ärmsten Gegenden wie dem Tschad oder Äthiopien ist die Sinnkrise weniger verbreitet als in den reichen Ländern. Offenbar führen schwierige LebensUmstände zu mehr Sinngefühl im Leben als es in einer profanen Wohlstandsgesellschaft möglich ist. Dabei scheint in den ärmeren Ländern Religion eine große Rolle zu spielen.
„Der Herr wird’s schon richten.“ (Psalm 37)
Wenn nicht auf Erden, dann im Himmelreich. Alles Unglück, jede Katastrophe, alle Hoffnung für ein besseres Leben hat auch einen Sinn im göttlichen Plan. Ernteausfall, Überschwemmungen, Krankheiten und Elend. Nichts ist dem Zufall überlassen, sondern höhere Fügung. Das Leben macht für viele keinen Sinn, wenn mit dem Tod alles aus ist. LebensZufriedenheit, so die Psychologen Ed Diener und Shigehiro Oishi, hat offenbar wenig mit den objektiven LebensBedingungen zu tun. Bewohner armer Nationen haben einen größeren Sinn im Leben als Bewohner reicher Nationen.20
Das Wissen um den Zweck des Lebens ist bei den Armen und Ärmsten mehr verbreitet als bei den zufriedenen Satten in unseren Breiten. Wer will tauschen: Lebenssinn gegen Wohlstand ? Diese Antwort scheint auf der Hand zu liegen. Man sollte sie sich aber genau überlegen.
Eins aber ist gewiss: Wie Aliya Alimujiang aus der Abteilung für Epidemiologie an der Universität Michigan School of Public Health, Ann Arbor, USA, im Jahre 2019 in einer Studie erst kürzlich herausgefunden hat, gibt es einen Zusammenhang zwischen Sinn des Lebens und der Sterblichkeit. Ein starker Sinn für das Leben führt zur Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit sowie zur besseren Lebensqualität. Menschen mit dieser Einstellung leiden weniger an Herzinfarkt und Schlaganfall, Blutkrankheiten, Diabetes und an Depressionen. Mit einem Wort: Sie leben länger. Personen mit einem höheren Lebenszweck und psychischem Wohlbefinden weisen auch eine geringere Sterblichkeit auf. Es scheint also von ausschlaggebender Bedeutung zu sein, in welcher psychologischen Wohlfühlskala von 1–6 man sich wiederfindet. (1 = wenig sinnvoll; 6 = überaus sinnvoll). Wer sein Leben günstig bewertet, lebt länger. Menschen, die keinen Sinn im Leben sehen, haben offenbar eine geringere Motivation, für sich zu sorgen und ein gesundes sowie bewusstes Leben zu führen.21
Sinn im Leben finden. Fast jeder kann oder könnte es. Die Wege dahin sind vielfältig. Sie müssen nicht mit Hochschulbildung verknüpft sein. Auf der Alm habe ich einen über 90-Jährigen kennengelernt, der in seiner Jugend sieben Sommer lang als „Hirtabua“ dort Kühe hütete. Er hat ein entbehrungsreiches Leben hinter sich, im Krieg gehungert, barfuß dem Bauern ins Tal Butter geliefert und als Lohn Brot und ein paar Äpfel erhalten. Er hat als Hauer unter Tage gearbeitet und war in einer Papierfabrik tätig. Mit seiner Frau hat er viele Jahrzehnte verbracht. Ihr Glück war auch seines. Bis zuletzt hat er sie gepflegt. Sie hat ihm zwei Söhne geboren. Einer ist heute Polizeidirektor in einer großen Stadt, der andere erfolgreicher Manager in der Computerbranche.
Wenn der „Alte“ nicht von der Almhütte auf seine geliebten Berge schaut, sitzt er drunten im Tal vor seiner Eigentumswohnung auf der Hausbank zum Plausch mit seinen Altersgenossen. Seine Rente bietet ihm ein gutes Auskommen. Meine Frage nach dem Lebenssinn hat er lachend mit der Bemerkung „Blödsinn“ abgetan. Er sagte mir, dass man den Blick für das Schöne haben müsse. Er besitzt die unbezahlbare Kunst, zufrieden zu sein, mit sich und der Welt.
Oder ein anderer Freund. Er kam mit einer Krankheit auf die Welt, die man lange nicht erkannte und die jetzt ausgeheilt ist. Seine Mutter starb, als er zwölf Jahre alt war. Seinen Vater hat er nie kennengelernt. Da begann er voller Verzweiflung Gitarre und Mundharmonika zu spielen, zu singen, zu komponieren, Theaterstücke zu schreiben und Verse in seiner bayerischen Mundart zu dichten. Bis heute im Alter von über siebzig Jahren wird er eingeladen, seine Kunst unter Beweis zu stellen. Er hatte Bäcker gelernt, musste den Beruf aber wegen einer Allergie aufgeben und arbeitete später in einer Firma für Logistik. Noch heute veranstaltet er für Schulkinder Kurse, wie man selbst Brot bäckt. Er baut prächtige alpenländische Krippen zu Weihnachten und zieht sich manchmal zurück in das umfassende Reich seiner Briefmarkensammlung. Er hat die ganze Welt bereist, von Papua-Neuguinea bis nach Hawaii, hat u. a. den Kilimandscharo bestiegen und als Bergführer mehrmals die Alpen überquert. Er ist ehrenamtlich seit über fünfzig Jahren bei der Bergwacht tätig und hat die Freude erlebt, Menschen aus höchster Not zu retten. Aber auch das Unglück erfahren, als er in die blauen Augen einer toten 18-Jährigen blickte, die in einer Lawine ums Leben kam. Er sagte mir, dass bei all seinem Tun die Seele mit dabei sein muss. Geheimnis des Lebenssinns ? Noch nie sah ich ihn schlecht gelaunt.
Antworten aus Religion und Medizin
Wohnt das Leben im Blut ? Es wurde schon in der Frühzeit als Träger und Spender der Lebenskraft angesehen. Als die Menschen sahen, dass beim Ausbluten eines Schlachttieres oder beim Verbluten eines Menschen die Kräfte dahinschwanden und das Leben erlosch, schlossen sie daraus, dass Blut der Urstoff sei, der das Leben erfüllt und ausmacht.
In der germanischen und griechischen antiken Mythologie galt der Mensch aus Blut erschaffen.
Die alten Griechen glaubten, dass bei Bewusstlosigkeit das Blut ausfließt und der Leib die Seele verlässt. Dies führte zur Vorstellung, dass die erschlaffte Seele nur durch die Gabe von frischem Blut wieder zu Kräften kommt. Hier zeigen sich erstaunliche Parallelen zur heutigen Altersforschung. Alte Tiere werden durch die Verabreichung von Blut junger Tiere wieder jung und umgekehrt.
Die Vorstellung, dass der Mensch aus Fleisch und Blut besteht, prägte auch Juden- und Christentum gleichermaßen.
In der Thora, den fünf Büchern Mose, wird Blut mit Leben gleichgesetzt. Blut von geschlachteten Tieren durfte nicht verzehrt werden; denn Blut war heilig und göttlich. Es musste nach der Opferfeier der Gottheit zurückgegeben werden.
Auch übertragene Bedeutungen wie Blut gleich Mensch finden sich in der Genesis (4,10; 9,5). Die Regeln bei der Zubereitung des Fleisches und das Verbot, Blut zu verzehren, gelten noch heute.
Im Christentum hat vor allem das Blut Jesu Bedeutung. Christi Blut als Blutopfer für die Menschheit. Blutwunder und Blutreliquien zeugen von der übernatürlichen Kraft des Blutes.
Auch heute noch spielt die Blutsbrüderschaft in verschiedenen Kulturen eine besondere Rolle. Der Austausch des Blutes ist ein Bund, der aus nicht Blutsverwandten Brüder machen sollte. Bei den Germanen war sie die innigste Verbindung zweier Männer. Daraus entstand die Verpflichtung, sich bedingungslos einander beizustehen.
Bekannte Blutsbrüderpaare sind auch die fiktiven Figuren von Karl May, Winnetou und Old Shatterhand, oder die historischen Gestalten Dschingis Khan und Jamukha Gurkhan (Jamukha Gurkhan, 1162–1206, war der Blutsbruder Temüdschins, des späteren Dschingis Khan, Großkhan der Mongolen, 1162–1227).
Alle Körperzellen sind abhängig vom roten „Lebenselexier“, besonders jene des Gehirns. Wird ihm der Sauerstoff entzogen, sterben in kürzester Zeit Millionen von Neuronen.
Das Blut wohnt wiederum in unserem Gefäßsystem. Bewegt wird es vom Herz. Sind die Gefäße verstopft und das Herz zu schwach, bricht unser gesamtes Versorgungs-, Entgiftungs- und Immunsystem zusammen. Ohne Blut gibt es kein Leben. Das Blut wird erst zu Blut durch den Sauerstoff der Lunge, die Nährstoffe des Darms und die Hormone der Leber, der Schilddrüse und anderer Organe. Blut liefert Energie und Leben bis in die kleinste Zelle, von der Haarspitze bis zur Zehe. Gleichzeitig dient Blut als Müllabfuhr und entsorgt Kohlendioxid und Harnstoff. Es dient auch als Klimaanlage, speichert Wärme und gibt sie ab bei Hitze, Sport und Schwerstarbeit. Blut kann nur fließen, wenn es nicht in unseren Gefäßen erstarrt. Dafür sorgt die Leber. So rinnt der rote Saft in unseren Adern und gerinnt erst mithilfe der Blutplättchen. Sonst würden wir bei der geringsten Verletzung verbluten.
Das Leben wohnt im Blut und letztlich in jeder Zelle unseres Körpers. Es wird repräsentiert in der Erbsubstanz und in dem, was wir aus ihr gemacht haben. Woher aber kommt die Kraft, die Energie, die wir benötigen zum Leben ?
1Dogen Zenji (Meister Dogen); japanischer Zen-Mönch, Dichter und Weiser des Buddhismus; 1200–1253 n. Chr.; Gründer des Klosters Eihei-ji, „ewiger Friede“; Glaubwürdige, den Tatsachen entsprechende Meditation („Zazen“, Sitzmeditation) kann nur im Lotussitz (Form einer Lotusblüte nachempfunden) erfolgen.
2Cornaro LA: „Vom maßvollen Leben“; mit einer Einführung von Klaus Bergdolt. Manutius, 2. Aufl. 1997, Heidelberg
3Guo F et al.: Cardiometabolic disease risk in metabolically healthy and unhealthy obesity: stability of metabolic health status in adults. Obesity (Silver Spring) 2016, 24(2), S. 516–525
4Hollar D et al.: Effect of a two-year obesity prevention on percentile changes in body mass index and academic performance in low-income elementary school children. Am J Public Health 2010, 100(4), S. 646–653
5Störig HJ: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer Taschenbuch Verlag, 7. Auflage 2013, Frankfurt am Main, S. 101
6Epikur: Von der Überwindung der Furcht. Artemis Verlag, 1991, Zürich und München
7Störig HJ: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer Taschenbuch Verlag, 7. Auflage 2013, Frankfurt am Main, S. 223
8Epikur: Von der Überwindung der Furcht. Artemis Verlag, 1991, Zürich und München
9Epikur: Katechismus 5
10Laddu DR et al.: 25-year physical activity trajectories and development of subclinical coronary artery disease as measured by coronary artery calcium: The coronary artery risk development in young adults (CARDIA) study. Mayo Clin Proc 2017, 92(11), S. 1660–1670
11Störig HJ: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer Taschenbuch Verlag, 7. Auflage 2013, Frankfurt am Main, S. 101
12Gandhara: Sagen der Heiligen, buddhistische Texte des 1. Jh. v. Chr.
13De La Mettrie JO: Der Mensch – eine Maschine 1747. Verlag Philipp Reclam jun., 1984, Leipzig
14Strauß DF: Der alte und neue Glaube. Verlag von Emil Strauß, 1895, Bonn
15Wetz FJ: Ethik zwischen Kultur- und Naturwissenschaft, Kolleg Praktische Philosophie; Band 1. Reclam, 2008, Stuttgart, S. 207
16Wittgenstein L: tractus logoco-philosophicus; logisch-philosophische Abhandlung. Suhrkamp-Verlag, 1963, Frankfurt am Main, S. 114
17Sokrates, griechischer Philosoph; 469–399 v. Chr.; Lehrer von Platon; hingerichtet durch den Trank des Schierlingsbechers; s. a. in Benedikt G: Der Fünf-Minuten-Philosoph. DTV, 2013, S. 117
18Japan, unbekannte Quelle
19Schmid W: Kann die Philosophie eine Hilfe für das Leben sein ? In: Philosophisches Lesebuch. Von den Vorsokratikern bis heute. Hrsg.: Steenblock V; Reclam Universal Bibliothek Nr. 18496; Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, 2013, Stuttgart
20Oishi S, Diener E: Residents of poor nations have a greater sense of meaning in life than residents of wealthy nations. Psychol Sci 2014, 25(2), S. 422–430
21Alimuijang A et al.: Association Between Life Purpose and Mortality Among US Adults Older Than 50 Years. JAMA 2019, 2(5): e194270; doi: 10.1001/jamanetworkopen