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Deutschland – Süd, reloaded

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Ich fahre los. Es ist der 16. April 2018. Es nieselt und ich beschließe, schon am ersten Tag ein Hotel zu nehmen, in Seeshaupt, am Ende des Starnberger Sees. Ein super Anfang, denke ich. Es ist eigentlich nicht kalt, aber die Aussicht, nun vielleicht ein halbes Jahr immer wieder im Regen zu fahren, lockt mich wenig. Der Vorteil aber ist, dass ich allein auf den Fahrradwegen bin. Ich fahre durch den Forstenrieder Park, an der Autobahn entlang, runter nach Percha, rauf nach Berg, am Schlösschen Berg vorbei, jenem Schloss, von wo aus der Erzählung nach König Ludwig II am 13. Juni 1886 in das Wasser des Starnberger Sees ging und sich selbst das Leben genommen hat - so zumindest die offizielle Version. Doch diese Version enthält viele Ungereimtheiten, viele Indizienfunde widersprechen der Darstellung, seither blühen die Verschwörungstheorien. König Ludwig II wurde in München in einer Gruft der Michaelskirche in der Fußgängerzone bestattet, sein Herz dagegen kam in die Gnadenkapelle nach Altötting.

Trotz des Nieselregens ist es ein gemütlicher, langsamer Beginn der Fahrt. Doch kurz nach Berg steht ein großer LKW mit einer Hochleiter für Baumfällarbeiten im Weg. Ich schiebe das Fahrrad durch die Stabilisierungsstützen des LKWs. Es gibt keinen anderen Weg, der LKW füllt den kompletten Weg aus. Die Baumfäller fragen mich, wo ich denn hinwill, mit so viel Gepäck. Ich sage, dass ich nach Lissabon radle und dies gerade mein erster Tag sei. Sie lachen. Sie glauben mir nicht, es ist ein freundliches Geplänkel. Als ich im Hotel ankomme, hat es bereits aufgehört zu regnen, aber nun ist es schon gebucht. So übernachte ich die erste Nacht im Hotel.


Bild: Das Märchenschloss Neuschwanstein als Versprechen für die Fahrt


Bei der Weiterfahrt Richtung Alpen fällt mir sofort der große Unterschied zur Stadt auf. Auf einmal tanke ich frische Luft, sehe die grünen Wiesen, durchfahre kleine Dörfer. Welch ein Unterschied zur Isar in München, wo es zwar auch grün ist, die Stadtluft sich aber nicht verleugnen lässt.

Die Landschaften, die kleinen Hügel, das Grün, die Fahrradwege, auf denen ich mich allein befinde, die kleinen Wälder (mehr lässt die Landwirtschaft heute nicht mehr übrig), die kleinen Dörfer mit ihren typischen kleinen Geschäften und Dorfkneipen; fast jedes Haus hat einen Vorgarten, ein angenehmes Radfahr-Wetter um die 25 Grad, hinterlassen starke Eindrücke. Ja, ich radle durch Oberbayern Richtung Berge. Das gibt mir ein neues Gefühl, ein Gefühl, jetzt ein halbes Jahr vor mir zu haben, das mich Großstadtmenschen zu einem Menschen der Landschaft und Natur machen wird. Was wird mich erwarten? Das Gepäck wiegt 24 Kilogramm, das Lenkverhalten des Fahrrads ist durch die zwei Taschen vorne mit je drei Kilogramm verändert und etwas instabiler. Habe ich mich richtig vorbereitet? Hält das Fahrrad? Habe ich etwas Entscheidendes vergessen mitzunehmen?

Meine Route führt durch Wald- und Wiesenwege am Alpenrand entlang am Bannwaldsee, vorbei an den Schlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau, Füssen und Niedersonthofen. Die Wiesen sind durchwegs gelb, der Löwenzahn blüht. Das schöne Wetter weckt frühlingshafte Glücksgefühle, auch wenn die Strecken zum Teil anstrengend zu fahren sind.

Im Wald fliegt ein Zitronenfalter eine Zeitlang vor dem Fahrradlicht mit und ist lustig angeleuchtet. Ich bin also nicht allein.

Nach Niedersonthofen ist Schieben angesagt, es ist zu steil mit dem Gepäck (ab elf Prozent Steigung), ich bin auf über 1200 Metern Höhe und die Schneegrenze ist nicht weit. Plötzlich endet die Wegführung meiner Fahrrad-App. Der vermeintliche Fahrradweg ist inzwischen eine Wiese. Ich fahre langsam durch die Grasstoppeln. Glücklicherweise ist 100 Meter weiter wieder ein befahrbarer Feldweg, es geht weiter.

Dann bin ich in Lindau, nahe der österreichischen Grenze. Ich komme auf einen der am meisten befahrenen Fahrradwege Deutschlands - den Bodenseeweg von Lindau nach Konstanz. Hier muss ich aufpassen, denn viele der Radfahrer sind das Fahren nicht gewohnt. Auch sehe ich sehr viele, meist ältere Damen und Herren mit einem E-Bike. Tja, das E-Bike macht es möglich, den Straßen zu entfliehen und relativ gemütlich am Ufer des Sees entlang Ausflüge zu machen, selbst dann, wenn man eigentlich nicht mehr die Kraft hat, ein Fahrrad selbst anzutreiben. E-Bikes verändern die Mobilität im Seniorenalter, E-Bikes verändern das Freizeitverhalten. Eine gute Sache, denn diese Menschen sind dann erst einmal weg vom Auto.

In Meersburg nehme ich die Autofähre nach Konstanz. Einmal über den Bodensee. Ich begreife, dass mich auch Fähren auf meiner Reise begleiten werden: größere Autofähren wie von Meersburg nach Konstanz, Barcelona nach Palma de Mallorca, Palma de Mallorca nach Valencia, kleinere Autofähren wie Ayamonte nach Vila Real de Santo Antonio, Troia nach Setúbal, Trafaria nach Lissabon, Le Verdon Sur Mer nach Royan, über den Rhein mit einer Rheinfähre kurz vor Karlsruhe oder schließlich reine Personenfähren wie Teste-de-Buch nach Le Cap Ferret, das Fahrrad auf das Dach des Bootes gepackt. Auf Autofähren habe ich als Radfahrer immer eine Sonderstellung, das merke ich nicht nur hier, sondern durchweg auf den Fähren. Ich fahre in der Warteschlange vor das erste Auto, bin der erste auf der Fähre, fahre ganz bis nach vorne, bin der erste, der wieder runterfährt. Als Fahrradfahrer komme ich sofort ins Gespräch mit den Leuten, die sich erkundigen, wohin ich denn wolle. Ich muss mehr als einmal mit dem Fahrrad und Montur für ein Foto posieren. Ein Fahrrad kostet in der Regel keine Gebühr- ich habe nur einmal einen Euro für die Mitnahme des Fahrrads bezahlt. Die Ticketkosten berechnen sich lediglich in meiner Person. Und es macht Spaß.

Ich fahre also nach Konstanz und erreiche die Schweizer Grenze in Kreuzlingen. Grenze kann man dazu eigentlich nicht mehr sagen. Es ist ein kleines Schild: Konstanz durchgestrichen, unten drunter: Schweiz. Aha, denke ich, die Schweiz hat also den Status einer Stadt. Zumindest bei den deutschen Behörden. Es gibt keinen Grenzbaum mehr, die Straße führt nahtlos von dem einen Land in das andere.

Bedingt durch den Währungsunterschied gehen die Schweizer in Konstanz einkaufen, Geschäfte in Kreuzlingen sind schon fast Exoten. Leider ist damit aber auch ein hoher Preisanstieg in Konstanz verbunden. Konstanz ist eine der teuersten Städte Deutschlands, die Besichtigung ist aber lohnenswert, denn die Altstadt hat historischen Rang – immerhin fand hier im 15. Jahrhundert das Konzil von Konstanz statt. Die Parkanlagen am Ufer des Bodensees sind wunderbar gepflegt und laden zu Spaziergängen ein. Und schließlich ist Konstanz der Namensgeber für den Bodensee in allen anderen Sprachen außer im deutschen Sprachraum. So heißt der Bodensee auf Englisch Lake Constance, auf Französisch Lac de Constance, auf Spanisch Lago de Constanza, auf Italienisch Lago di Constanza, auf Portugiesisch Lago de Constança.

Mit Rad Und Zelt - immer der Nase nach

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