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An der Rhône – träge und schön
ОглавлениеDie folgenden 700 Kilometer bis Sète werde ich durchweg an der Rhône auf der Via Rhôna verbringen. Da der Mistral für mich ein Rückenwind ist, ich flussabwärts fahre und es nur am Anfang etwas gebirgig ist, ist das eine schöne, einfache Strecke, spätestens ab Lyon. Mir tun alle Radlfahrer, die mir entgegenkommen, leid. Sie schwitzen ganz schön.
Doch von Beginn an: Kurz nach der Grenze ist der 1. Mai in Frankreich. Überall werden Blumensträußchen mit Maiglöckchen verkauft. Ich sehe viele Straßenfeste und Straßenmärkte, aber hier auf dem Land keine politischen Demonstrationen. Ich nehme an, diese konzentrieren sich auf die regionalen Hauptstädte.
Ich komme nach Seysell, eine liebenswerte Provinzstadt, es ist Jahrmarkt, ein wildes Gestikulieren. Ich fühle mich gleich wohl. Am nächsten Tag ist der Markt wieder weg und die Stadt wirkt wie ausgestorben.
Wenn mich jemand fragt, wo ich herkomme und wohin ich fahre, steigt die Anerkennung der Leistung. Danke.
Bild: Die Rhône als wilder Bergfluss in der Nähe des Lac du Bourget
Der Campingplatz in Seysell ist für Zelte gesperrt, das Sanitärhaus ist durch den Regen abgerutscht. Dafür kann ich verbilligt zwei Tage in einem Mobile Home wohnen. Es ist einsam dort. Die Zeit vergeht nur langsam. Es ist trotzdem angenehm, nach den Tagen im Zelt die Zeit in einem Zwei-Zimmer Wohnmobil zu verbringen. Da der Campingplatz oben auf dem Berg liegt, hat man eine schöne Aussicht. Aah, la France in der Haute-Savoie. Aber dann ist die Zeit wieder vorbei und ich freue mich auf die Weiterfahrt.
Ich fahre die Via Rhôna zwischen Seysell und Morestel – eine einsame, sehr schöne, kurvige Strecke, mit steilen Rhône-Tälern und einer eher hügeligen Landschaft. Und immer an der Rhône oder einem der Seitenarme entlang. Eine einsame, frühlingshafte, wilde Landschaft. Die Rhône hat hier noch den Charakter eines Wildbaches, ich fahre auf den Höhen eines Klammes, ein in Fels geschnittener Weg in den Hängen einer Schlucht, rechts neben mir die Schlucht, links die steilen und überhängenden Felshänge, fahre gewundene Straßen, durch Tunnel, manchmal steil hoch, dann wieder tief nach unten. Es sind die Ausläufer der französischen Alpen.
Kurz vor Lyon habe ich dann zum ersten Mal Rückenwind, der Mistral ist da. Das erzeugt ein neues Fahrgefühl. Der Wind treibt mich vor sich her, Steigungen werden zur gefühlten Demonstration meiner Fähigkeiten, ich habe nun das Gefühl, fast jede Steigung überwinden zu können. Erst ein temporärer Gegenwind bringt mich wieder auf den Boden meiner wirklichen Fahrfähigkeiten zurück.
Aufzeichnung 4.Mai:
Jede Großstadt (hier Lyon) hat ihre „Landsbergerstraße“ (in München), die man durchfahren muss, um in die Innenstadt zu gelangen. Stickig, endlos breite Spuren, voll mit Verkehr. Ich muss 15 Kilometer neben LKWs fahren, ohne Seitenstreifen.
Dieser Tag war kein Highlight für das sonst hervorragend ausgebaute Fahrradnetz. Und auch hier gilt wie in anderen Großstädten: Sehenswürdigkeiten sind i.d.R. in der Innenstadt konzentriert. Um an sie zu gelangen, muss man weite Wege Staub und Abgase schlucken. Die Sehenswürdigkeiten erscheinen wie Sandkörner in einem Meer von langweiligen, oft ungepflegten Häusern und grauen tristen Straßenschluchten.
Ich durchfahre Lyon, die drittgrößte Stadt Frankreichs, die schon über 2000 Jahre alt ist. Ein Kapitel der Geschichte dieser Stadt beeindruckt mich besonders: 1831 traten die Seidenweber in einen großen Streik, weil der vereinbarte Mindestlohn weiter gekürzt werden sollte. Die Weber hatten eine schwarze Fahne mit der Aufschrift: „Arbeitend leben oder kämpfend sterben!“ Viele der Weber wurden getötet, Anlass für Arbeiterrevolten in vielen Städten Frankreichs damals. Die Bewohner errichteten die „Traboules“, besondere Passagen zwischen Häusern, die den Durchgang von einem Haus zum anderen, von einer Straße zur anderen ermöglichen, auch über Innenhöfe, Keller und Tunnel. Sie sind heute eine Touristenattraktion, dienten aber damals als Versteck und Fluchtweg. Auch im 2. Weltkrieg konnten sich die Resistance – Kämpfer in diesen Traboules verstecken. Ebenfalls interessant ist es zu erfahren, dass das Y in Lyon aus dem Zusammenfluss der Saône und der Rhône herrührt, es schaut aus wie ein Y- von oben gesehen.
Der Campingplatz liegt außerhalb, abseits der Rhône, etwa 15 Kilometer im Süden (Saint Genis- Laval). Dort auf dem Platz entdecke ich einen Hühnerkäfig, in dem sich Hühner Tauben als „Hunde“ halten. Die Tauben laufen den Hühnern hinterher und versuchen, diesen immer den Weg frei zu halten und sitzen gemeinsam am Futternapf. Sehr witzig. Oder ist es umgekehrt? Haben die Hühner nur die falschen Eier ausgebrütet und betrachten die Tauben als ihre Aufzucht? (Mutter-Kind Beziehung). Ich bleibe einen Tag und beobachte das Stadtreiben von Saint Genis am Hauptplatz im Café sitzend und Pastis trinkend. Später kann ich aus meinem Zelt heraus das Treiben der Hühner beobachten und mir meine Gedanken machen.
Aufzeichnung 6.Mai:
Entscheidend auf dieser Reise ist NICHT, die Touristenroute in den Orten nachzufahren wie mit dem Auto, aus dem heraus der Blick auf die Lebensqualität einer Stadt für mich inzwischen sehr reduziert erscheint, sondern ‚das Andere‘ einer Stadt zu finden. Wie leben die Menschen dort, wie kommunizieren sie? Das ist mit einem Fahrrad besser zu erkunden, weil man auch oft Teil dieser Gesellschaft wird. Z.B. wird man gefragt, woher, wohin und schon kommuniziert man.
Jetziger Stand der Motivationsforschung: Es gibt drei Schlüsselfaktoren für das Radfahren, mit denen man sich auseinandersetzen muss:
+ Einsamkeit (verstärkt in den Pausentagen),
+ Neugier auf Neues,
+ sich zu beweisen (körperlich, gesundheitlich, psychisch).
Kurz vor Vienne ist die Via Rhôna wieder Ausflugsziel für alle. Es ist Sonntag, die Wiesen an der Rhône sind voller Kinder und Erwachsener. Wie immer, dampfen auch hier die Grills, liegt der Duft von Fleisch und Würstchen in der Luft, ertönt Musik aus allen Ländern dieser Erde. Schön, dass die Menschen solche Ausflugziele in der nahen Umgebung ihrer Stadt haben.
Mich nervt in dieser sonst so erholsamen Umgebung eigentlich nur die Autobahn, die bis Avignon 250 Kilometer weiter fast immer zu hören ist, denn sie führt sechsspurig ebenfalls durchs Rhônetal. Ich frage mich, ob es im Rhônetal auch Gebiete gibt, in denen die Autobahn mal nicht zu hören ist? Was heißt das für die Entwicklung der Menschen hier? Welche Zufluchtsorte müssen sie wie weit aufsuchen, um dem Lärm zu entfliehen? Welch ein Stress für sie.
Aufzeichnung 7.Mai:
Ich mache meine Alltagsaufgaben ´on the road´. ich habe heute z.B. meine Bank angerufen. Frage: Was muss man machen, um ein ´normales´ Leben ´on the road´ zu leben? Geht das, die komplette Heimatbürokratie auf solch einer Reise mit abzuwickeln? Spannend, das auf ein Minimum zu reduzieren, da doch viele bürokratischen Schritte termingebunden sind. Ich nehme mir vor, diese Frage für meine weitere Lebensplanung zu berücksichtigen. Industrie 4.0 propagiert ja diesen Vorstoß.
Nach Charly, einem Vorort südlich von Lyon treffe ich endlich wieder auf die Rhône. Es ist ein grüner Landschaftsstreifen, der durch die Auen der Rhône führt. Links der breite träge Fluss, vor mir die duftende Frühlingslandschaft, rechts mal Wald, mal kleine Ortschaften, schönes Wetter, angenehme Temperaturen, das ist das Ambiente, das ich mir für die Fahrt vorgestellt habe. Kurz vor Condrieu durchquere ich einen Naturpark, der über Île de la Chèvre, Île du Beurre und Île des Pêcheurs führt (Die Inseln der Ziege, der Butter und der Sünder). Diese Inseln sind Zufluchtsorte für viele Tiere und besitzen eine große Pflanzenvielfalt. Es gibt einige Ausguckposten auf Bäumen, die der Öffentlichkeit gegen ein geringes Eintrittsgelt zu Verfügung stehen, sodass diese Inseln ein wahrer Schatz für Kinder und Erwachsene sind.
Macht einen das Radlfahren allein nicht zum Säufer? Ich ertappe mich dabei, abends vor dem Zelt zu sitzen und eine Flasche Wein zu trinken. Nach einem langen Tag ist man einfach zu faul, noch einmal große Ausflüge zu machen. Aber hier in Condrieu ist es schön, ein Campingplatz nur für Radfahrer, Wohnmobile werden abgewiesen. Dann der Blick auf den Fluss, auf dem ab und zu Transport- oder Ausflugsschiffe vorbeirattern. Ich verbringe hier ganze drei Tage und lerne das Dorf näher kennen. Es wirkt wie ausgestorben, erst abends um 18 Uhr machen ein paar Kneipen auf, um dann drei, vier Kunden aufzunehmen. Eigentlich müsste hier viel mehr los sein, da Condrieu am Fluss am Fuße von Berghängen mit Weinreben liegt, in der Nähe eine riesige Feriensiedlungen besitzt und Lyon nicht weit entfernt ist. Ich verstehe das nicht. Erst am Ende meiner Reise löst sich für mich das Rätsel zumindest teilweise auf. Es betrifft den allgemeinen Strukturwandel, den ich so sehr in allen Ländern gesehen und erlebt habe.
Nach Condrieu treffe ich einen jungen, etwa 28 Jahre alten Kanadier, wir radeln 30 Kilometer bis Saint-Vallier zusammen. Er hat Probleme mit seinem Fahrrad, ich hielt an und half ihm. Er kommt aus der kanadischen Armee und macht eine Europatour, lebt vom Erspartem mit ca. 20 kanadischen Dollars am Tag, das sind ca. 13 €. Naja, ich brauche momentan 4-mal so viel! Wir verabschieden uns mit einer gegenseitigen Fotoaufnahme.
Saint-Vallier ist eine kleine Stadt, am Fluss die große Hauptstraße, am Hang die Innenstadt. Kaum raus aus der Innenstadt kommen sofort die großen Einkaufszentren mit allem, was der Mensch braucht, inklusive Restaurants. Ich verstehe, warum in der Innenstadt nur sehr wenige Kneipen zu finden sind. Es ist einfach nicht mehr der Mittelpunkt einer Stadt. Der Eindruck, den ich in Condrieu mitgenommen habe, wiederholt sich hier.
Endlich komme ich nach Valence im Department Drôme. Heute kommt mich Eva, meine Frau, für ein Wochenende besuchen. Ich freue mich. Es ist dann doch etwas komisch, solange getrennt zu sein, aber es tut der Beziehung auch gut. Wir besichtigen die Innenstadt und sehen viel Leerstand von Häusern und Wohnungen. Auf zahlreichen Plakaten werden Wohnungen zu erschwinglichen Mieten angeboten. Mittags ist die Stadt ausgestorben, der Kommerz findet am Rand der Innenstadt statt. Valence ist praktisch zweigeteilt. Die alte Innenstadt auf der einen, der Rest auf der anderen Seite. Getrennt werden die beiden Teile durch eine breite Allee, auf der ein mehrtägiger Jahrmarkt stattfindet. Im Anschluss ein großer Platz, ein Parkplatz, voll mit Autos. Dahinter der Stadtpark, der Parc Jouvet. Hier treffen sich die Menschen, es ist warm, sie liegen auf der Wiese. Wir auch und verbringen so den Sonntagnachmittag. Auch dieses Wochenende geht vorüber und ich fahre weiter.
Im weiteren Verlauf wechsele ich relativ oft das Rhône Ufer, aber fast immer geht es durch schöne Auenhaine, oft Birkenwälder. Sie rauschen sanft im Wind, und ich bin allein auf weiter Flur. Aber ich sehe auch, wie die großen Nationalstraßen mitten durch die Dörfer gelegt werden. Umgehungsstraßen gibt es äußerst selten. In meinen Augen sinkt die Lebensqualität dort massiv. Wer gewinnt bei solch einer Planung, wer verliert dabei?
Schöner, verwachsener Campingplatz in Saint Viviers, aber total in die Jahre gekommen, alles scheint aus den 60 Jahren zu sein (Nebenbei, das ist in Frankreich meine generelle Erfahrung).
Ich fahre am AKW in Montelimar mit vier Türmen (= 4 Meiler?) vorbei, sie sehen bedrohlich alt aus.
Als ich durch Mornas fahre, stockt mir der Atem, denn ich erlebe den Sündenfall im Straßenbau schlechthin. Eigentlich ist es eine sehr alte Stadt am Hang gelegen. Steil oben auf dem Berg ist eine Festung aus dem 11. Jahrhundert. Von weitem sieht die Stadt wie ein Juwel aus. Wenn man aber näher kommt, entdeckt man rechts neben der Stadt die sechsspurige Autobahn, dazwischen noch hinein gezwängt die N7 mit dem Schwerlastverkehr. Links zwischen Stadt und Berg eine viel befahrene Eisenbahnlinie, auf der der TGV vom Mittelmeer nach Paris verkehrt, direkt an den Häusern vorbei. Im Straßencafé in der Stadtmitte kann man sein eigenes Wort kaum verstehen. Dazu noch die schlechte Luft. Aber es leben Menschen hier. Furchtbar. Mornas ist für mich die schlimmste Stadterfahrung, eine städtebauliche Katastrophe. Die ganze Reise denke ich darüber nach, wie solch eine einstmals schöne Stadt dermaßen kaputtgemacht wurde, ohne Rücksicht auf die Menschen. Es sind dies auch die Planungssünden der vergangenen 40-50 Jahre. Fast scheint es, als wollten die Planer die Menschen strafen, sie vertreiben. Wieviel Mut oder Alternativlosigkeit gehört dazu, hier weiter wohnen zu wollen!
Seit Seysell habe ich Rückenwind, bedingt durch den Mistral, der durch das Rhônetal fegt. Er ist moderat, aber mir wurde gesagt, dass der Mistral das ganze Jahr relativ unberechenbar sein kann. Da es zudem flussab geht, ist es ein lockeres Radeln, auch wenn ab Orange der Wind wieder stärker wird und ich die Lenkstange fester halten muss.
Flora und Frühling: Ich entdecke die ersten Lavendelfelder und spüre die Provence zum Greifen nahe, auch wenn ich mich in Garde befinde und die Provence nicht durchfahren werde.
Dann komme ich nach Orange, der Kleinstadt, in der das römische Theater aus dem ersten Jahrhundert dominiert. Es ist gut renoviert, sodass es als Kulisse für viele Theater- und Musikaufführungen dienen kann. Sehr beeindruckend dieses vielstöckige Monument vergangener Zeiten. In der Innenstadt kleine Plätze, die den Fußgängern – und den Fahrradfahrer vorbehalten ist, kleine Straßencafés in lauschigen Nischen der Plätze, laden dazu ein, hier einige Zeit zu verbringen.
Bild: Die Steilhänge bei Donzère nördlich von Avignon
Nicht weit von Orange befindet sich Avignon (Department Vaucluse). Ein Muss für alle Touristen. Und mit dem Fahrrad ein Traum. Während die Innenstadt für Autos gesperrt ist, komme ich mit dem Fahrrad in dieser historischen Stadt überall durch. Genial. Der Campingplatz ist auf der anderen Flussseite und bietet einen Blick auf die grandiose Silhouette.
Avignon, schön, schaurig, etwas morbide. Durchaus auch für die heutige Zeit noch treffend das folgende Gedicht von Jean Aicard (1848-1921) über Avignon und seine Umgebung 1874.
Avignon
…
Avignon resplendit dans un passé de gloire ;
Pétrarque à son nom seul m'apparaît et sourit,
Et son présent est beau de garder la mémoire
Du parler des anciens dont un mot m'attendrit. Ô félibres, salut ! salut, ô Roumanille ;
Chanteur de la grenade entr'ouverte, Aubanel ;
On sait que votre accent donne à la jeune fille,
Etant fait pour l'amour, un sourire éternel. Et toi, Mistral, au nom prédestiné ; félibres,
Vos voix ont dominé, si douces cependant,
Le Rhône et son mistral qui, sauvages et libres,
Sur les ponts d'Avignon se brisent en grondant !Coteaux du Languedoc, Alpines, monts et chênes,
Qu'écoutez-vous, penchés en cercle à l'horizon ?
Les monts et les forêts écoutent dans les plaines,
Près du Rhône qui luit, la chanteuse Avignon.
Jean Aicard.
…
Avignon erstrahlt in einer ruhmreichen Vergangenheit.
Petrarca erscheint mir allein bei seinem Namen und lächelt,
Und sein Geschenk ist schön, um die Erinnerung zu behalten
An die Worte der Vorfahren, die mich berühren
O Felibres*, hallo! Hallo, O Roumanille;
Aubanel, der den Granatapfel besingt;
Wir wissen, dass Euer Akzent dem jungen Mädchen,
Das für die Liebe gemacht ist
Ein ewiges Lächeln schenkt.
Und du, Mistral, mit dem vorherbestimmten Namen; Ihr Félibres,
Eure Stimmen haben dominiert, obgleich so sanft,
Die Rhône und ihren Mistral, die, wild und frei,
An den Brücken von Avignon sich grollend brechen!
Coteaux du Languedoc, Alpen, Berge und Eichen,
Was hört ihr im Kreis stehend, dem Horizont zuneigt?
Berge und Wälder lauschen in den Ebenen,
In der Nähe der glänzenden Rhône das singende Avignon.
Jean Aicard, Übersetzung: Bernhard Inderst
* Vereinigung von Schriftstellern (Frederic Mistral, Joseph Roumanille, Theodore Aubanel), die sich verbunden haben, um die provenzalische Kultur zu erhalten.
Avignon war nicht immer französisch. Im 14 Jahrhundert wurde Avignon Bestandteil des Kirchenstaates und Sitz der katholischen Päpste und fiel erst mit dem "Frieden von Tolentino" 1797 wieder an Frankreich.
Avignon war im Mittelalter die Stadt der Päpste und Gegenpäpste, letztere damals das Ergebnis eines Machtkampfs zwischen Rom und der französischen Krone. Es kam zu Spaltung der katholischen Kirche. Mit dem Papsttum kamen auch die Künstler und Intellektuellen, große Bauwerke entstanden, die bis heute erhalten geblieben sind.
Im Zentrum befindet sich der Papstpalast, der 15.000 qm groß ist, das gotische Petit Palais und die romanische Cathédrale Notre-Dame-des-Doms. Immerhin sieben französische Päpste regierten hier im 14 Jahrhundert, dem Jahrhundert, in dem sich die Bevölkerungszahl verfünffachte. Es war nur eine kurze Zeit (ca. 75 Jahre), in der Prunk und Wohlstand in der Stadt herrschten. Aber Korruption und Verschwendungssucht ließen die Macht dieser Päpste schwinden. 1376 wurde wieder Rom Sitz des Papsttums. Avignon wurde von der UNESCO 1995 als Weltkulturerbe ernannt.
In der neueren Zeit (ab dem 16 Jahrhundert) ist Avignon durch das folgende Volkslied bekannt geworden:
„Sur le pont d'Avignon,
On y danse, on y danse,
Sur le pont d'Avignon
On y danse tous en rond.
Les beaux messieurs font comme ça
Et puis encore comme ça.
Sur le pont d'Avignon
On y danse tous en rond. “
Allerdings wurde wahrscheinlich nie auf der Brücke getanzt, eher drunter. Heute finden sehr viele Festivals am Fuße der Brücke statt mit dem Blick auf die Rhône, die ruhig und träge fließt und eine wunderbare Kulisse bietet.
In Avignon bekommt man fast nur Paulaner Bier, und das sogar noch etwas billiger als normal üblich. Sonst ist es in Frankreich meist noch teurer, auch ein Grund für das Kneipensterben und damit der Treffpunkte für eine innerstädtische Kommunikation.
Aufzeichnung 18. Mai:
Ich rekapituliere: Was hat Westeuropa nicht alles Schönes zu bieten. Bislang: die bayrische Seenplatte, die Alpen (das Glühen), den Bodensee, die Schweizer Seenplatte, die französische Schweiz mit dem Übergang in eine andere Flora mit z.B. viel Weinanbau, die Gemüsekammer um Biel, dann den Gegensatz von den französischen Alpen und der flachen Flusslandschaft der mittleren und unteren Rhône mit vielen Auen und Wäldern, ideal zum Radfahren. Leider auch zu sehen ist aber die gnadenlose Verhunzung des Rhône Tals durch Verkehr, AKWs, Industrie und Abwässer in den Kanälen, die nicht sauber sind. Ich sehe eine intensive landwirtschaftliche Nutzung durch Kirsch- und Aprikosenfelder, ohne einen Zugang zu den Feldern.
Je weiter südlich ich komme, desto mehr verändert sich die Nutzung der Felder. Jetzt sind bereits viele Lavendelfelder zu sehen mit ihrem unverwechselbaren lieblichen Geruch.
Hier in Aquitanien gibt es plötzlich viel mehr Umgehungsstraßen für die einzelnen Dörfer. Geht also doch, scheint regional sehr unterschiedlich zu sein.
Ab Beaucaire ist die Via Rhôna noch in der Bauphase. Es ist unklar, wo sie verläuft und ich muss viel Straße fahren.