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„Was sucht ihr?“
Als ich über den Titel des vorliegenden neuen Buches von Bertram Dickerhof nachdachte, kam mir bald das erste Wort, das Jesus im Johannesevangelium sagt, in den Sinn: „Was sucht ihr?“ (siehe Joh 1,35–39). Diese Frage richtet Jesus an die beiden Jünger, die ihm nachfolgen. Johannes der Täufer hat die beiden auf den vorübergehenden Jesus hingewiesen: „Seht, das Lamm Gottes!“: Seht den, der durch sein Leben und Sterben die Welt von Sünde und Unheil erlösen und Versöhnung stiften wird! Dieser Hinweis des Johannes spricht die beiden Jünger an: Erlösung, Versöhnung – das ersehnen sie doch; das braucht doch die Welt. Und so machen sie sich auf den Weg und gehen hinter Jesus her.
Dieser wendet sich zu ihnen um und stellt die Frage: „Was sucht ihr?“ Wozu seid ihr aufgebrochen? Was bewegt euch? Sie sollen sich darüber klarwerden, was sie bewegt. Sie antworten ebenfalls mit einer Frage, in der ihre Sehnsucht zum Ausdruck kommt: „Rabbi, wo bleibst du?“ Wo ist deine Bleibe, dein Zuhause, deine Lebensmitte – oder auch im Wortlaut des Buchtitels: dein Kern? Jesus antwortet darauf nicht mit einer Erklärung, sondern lädt sie zu sich ein: „Kommt und seht!“ Da gehen sie mit ihm „und sahen, wo er bleibt, und blieben jenen Tag bei ihm“. Sie dürfen einfach bei ihm sein und sein Leben teilen. Es ist eine erfüllte Gegenwart, was auch dadurch ausgedrückt wird, dass die „Stunde“ angegeben wird: „Es war um die zehnte Stunde.“
Was die Jünger näherhin an diesem Tag erfahren haben, als sie bei Jesus blieben, wird nicht gesagt. Was ist die Bleibe, die Lebensmitte Jesu? Das wird im Weitergehen mit Jesus immer deutlicher. Es ist zutiefst die Gemeinschaft der Liebe mit Gott, seinem Vater. Er bleibt in der Liebe seines Vaters und lädt auch die Jünger und Jüngerinnen ein, mit ihm in und aus dieser Liebe zu leben. „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! … Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe!“ (Joh 15,9.12). Die erlösende, versöhnende Liebe Jesu findet ihre Vollendung in seiner Hingabe bis zum Ende. Jesus stirbt in der bleibenden Liebe Gottes, seines Vaters, und er stirbt in sie hinein. So können die Jüngerinnen und Jünger im Schauen auf ihn in österlichen Erfahrungen ihm in neuer Weise begegnen. Sie können in seiner Liebe bleiben und gemeinsam weitergehen.
Die hier im Anschluss an das Johannesevangelium angedeutete Suchbewegung wird von Bertram Dickerhof in dem vorliegenden Buch auf breiter biblischer Basis (besonders der Bergpredigt und des „Vater unser“) eindringlich entfaltet und auf menschliches Verhalten hin ausgelegt. Dieses kurze Geleitwort will ein Anstoß sein, das Buch erwartungsvoll in die Hand zu nehmen und sich in den einzelnen Teilen jeweils neu von der in Jesus bleibenden Liebe Gottes ansprechen und bewegen zu lassen.
Erhard Kunz SJ