Читать книгу Cecilias Geheimnis - Bettina Priewe - Страница 6
April 2013
ОглавлениеJetzt waren wir schon fast ein halbes Jahr hier, aber ich hatte es noch immer nicht geschafft, mich richtig einzuleben.
In der großen Pause stand ich wie immer mit ein paar Mädchen aus meiner Klasse in einer Ecke des Pausenhofs und aß mein Brot, während ich dem Geplapper der Mädchen augenscheinlich zuhörte und ab und zu ein »mhm« verlauten ließ. In Wirklichkeit hörte ich gar nicht hin, denn die Gespräche über Outfits und Klatschgeschichten der Mädchen unserer Parallelklassen interessierten mich nicht die Bohne. Es war auch Keine dabei, mit der ich mich wirklich angefreundet hatte. Es ist mir noch nie leicht gefallen, andere Menschen an mich heran zu lassen und schon gar nicht, wenn ich behandelt wurde als wäre ich eine Exotin von den karibischen Inseln, nur weil ich aus einem anderen Bundesland kam. Naja, ein bisschen anders sah ich vielleicht schon aus, mit meinem sehr kurzen, blauschwarz gefärbten Haarschnitt. Die meisten Mädchen meines Jahrganges trugen lange, undefinierbare Frisuren, aber ich liebte meine kurzen Haare, durch die man morgens nur einmal mit der Hand durchfahren brauchte, um gestylt zu sein. Für die anderen schien es trotzdem ein Grund zu sein, mich immer wieder seltsam anzusehen und miteinander zu tuscheln. Ich habe mich daran gewöhnt, aber wirklich wohl fühlte ich mich nicht dabei, nur geduldet, doch nicht richtig akzeptiert zu werden.
In Gedanken versunken, kaute ich mein Pausenbrot, bis mir ein blonder Junge mit langen Locken auffiel. Er unterhielt sich mit zwei Freunden und sie lachten dabei herzhaft. Ihre Unbeschwertheit war zu beneiden. Dieser Junge musste neu auf der Schule sein, denn ich hatte ihn noch nie gesehen. Als ich eine Weile hinüber gesehen hatte, drehte er seinen Kopf plötzlich in meine Richtung. Unsere Blicke begegneten sich und er lächelte mich an. Es war ein warmes, herzliches Lächeln, bei dem seine tiefblauen Augen mitstrahlten. Ich lächelte zurück mit einem seltsam schönen Gefühl im Bauch. Einer der anderen Jungs sprach ihn an und er drehte sich wieder zu ihnen.
Ich stand immer noch da wie angewurzelt und schaute so vertieft zu dem sympathischen Jungen rüber, dass ich erst gar nicht bemerkte, wie mich Katha, ein Mädchen aus meiner Klasse, ansprach.
»Hey, was willst du denn von dem? Der ist neu hier und ist ganz bestimmt nicht deine Kragenweite«, zickte sie mich an.
Ich sah sie nur kurz an, drehte mich um und ging Richtung Schulgebäude, die Pause würde ohnehin gleich enden und der Unterricht wieder losgehen. Natürlich registrierte ich selbst, dass er mit den Schülern aus der 10. Klasse zusammen war, was bedeutet, dass er mit Sicherheit schon 16 Jahre alt war. Aber im Gegensatz zu dieser Zicke hatte ich mir überhaupt keine weiteren Gedanken gemacht, sondern war einfach nur von seinem süßen Lächeln fasziniert. Und doch hatte ich während der letzten Unterrichtsstunden ein Grinsen in meinem Gesicht, denn endlich schien ein Seelenverwandter an dieser Schule zu sein, der auch nicht von hier zu kommen schien. Allein diese Tatsache machte ihn schon zu einem Verbündeten.
Auf meinem Nachhauseweg, bemerkte ich die drei Jungen von vorhin auf der anderen Straßenseite. Der Neue sah zu mir rüber, hob kurz die Hand und ich vernahm ein leises »Hej«. Ich grüßte mit einem Lächeln zurück und ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus. Aber das Glücksgefühl war nur von kurzer Dauer, denn schon sah ich wie die beiden anderen mir neugierige Blicke zuwarfen. Sie flüsterten sich etwas zu und lachten.
Na super, dachte ich, selbst die Jungs akzeptieren mich nicht.
Ich zog die Schultern hoch und ging mit gesenktem Kopf die Strandstraße entlang, der Weg nach Hause war Gott sei Dank nicht weit. Ich war kurz vor der Lenzallee, die links von der Sandstraße abging, als ich plötzlich jemanden »Hej warte mal!« rufen hörte. Als ich mich umdrehte, stockte mir der Atem, denn es war der neue Junge, der auf mich zulief.
»Hej«, sagte er nochmal, »ich bin Sören, Sören Anderson. Tut mir echt leid, dass die Jungs vorhin so doof gelacht haben, ist nicht so einfach als Neuer die richtigen Kontakte zu finden.«
Ich sah wieder dieses Strahlen in seinem Gesicht und jeglicher Rest von Ärgernis war wie verflogen.
»Hey, ich bin Sophie. Ist schon ok, ich habe selbst noch meine Schwierigkeiten hier an der Schule, obwohl ich schon ein halbes Jahr hier wohne«, sagte ich.
»Wo kommst du denn her?«, fragte er.
»Ich komme aus Bayern. Ist schon eine ganz schöne Umstellung hier zu leben. Die Leute hier mögen Fremde wohl nicht so besonders.«
»Ich bin Schwede, aus Visby, um genau zu sein. Meine Mutter ist Deutsche und wir leben jetzt hier, in der Nähe ihrer Verwandtschaft. Meine Eltern haben sich vor kurzem getrennt.«
»Oh, das tut mir Leid!«
»Ist schon ok, ich kann meinen Vater in den Ferien besuchen, ich bin gern in Visby. Aber was die Leute hier angeht, da hast du schon Recht. Ist nicht so einfach, sich mit ihnen anzufreunden, wobei ich denke, dass die Jungs da noch ein bisschen einfacher zu Händeln sind als die Mädchen«, sagte Sören.
»Das kannst du laut sagen, die Mädchen zicken mich ganz schön an, aber ich mach mir nicht allzu viel daraus«, antwortete ich.
»Ich muss jetzt in die Lenzallee abbiegen«, sagte Sören.
»Ah!«, bemerkte ich, »dann wohnen wir gar nicht weit voneinander entfernt. Unser Haus ist ein Stück weiter in der Langen Straße.«
»Mach’s gut Sophie und denk dir nichts, wenn die Mädchen tuscheln, bestimmt sind sie nur neidisch, weil du so cool aussiehst«, sagte er, zwinkerte mir zu und ging in seine Richtung weiter.
Ich war wie vom Donner gerührt, hat Sören mir gerade ein Kompliment gemacht? Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden und sich ein Grinsen in meinem Gesicht breit machte, das ich nicht kontrollieren konnte.
In den nächsten Tagen erwischte ich mich dabei, immer wieder Ausschau nach ihm zu halten. Und zu meiner Freude machte er es anscheinend genauso, denn unsere Blicke trafen sich täglich und er schenkte mir jedes Mal sein herzliches Lächeln. Auf dem Nachhauseweg holte er mich manchmal ein und wir unterhielten uns über dies und das und jedes Mal hatte ich danach ein Kribbeln im Bauch. Einmal unterhielten wir uns über Freundschaft und wie schwer es doch war, wirklich gute Freunde zu finden und als er in die Lenzallee abbiegen musste, gab er mir einen kleinen, zusammengefalteten Zettel und sagte: »Hier Sophie, das ist meine Telefonnummer. Wenn du mal das Gefühl hast, mit jemandem reden zu wollen, ruf mich einfach an.«
Er lächelte, zwinkerte mir zu und ging. Ich blieb stehen, faltete den Zettel auf und sah auf die von Sören geschriebenen Ziffern. Ich war glücklich, denn er war einen Schritt auf mich zugegangen. Jetzt lag es an mir, etwas daraus zu machen. Und das sollte schneller passieren, als ich dachte.
Prerow fing an, mir zu gefallen…