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Mädelsabend
ОглавлениеIrgendwie freute ich mich auf den Mädelsabend mit Jenny. Auch wenn meine Stimmung durch das Erscheinen des Jungen aus meinem Traum getrübt war, so erkannte ich doch die Möglichkeit etwas daran zu ändern. Ich würde mit Jenny über alles sprechen, ich würde ihr von meinen Träumen erzählen und wie ich mich dabei fühlte. Und alleine schon, dass ich mit jemandem darüber sprechen konnte würde mir schon genug helfen die ganze Sache zu vergessen. Jenny würde mir bestimmt den richtigen Ratschlag geben, der mich wieder zur Vernunft brachte.
Ich bat Mom heute Abend mein Zimmer zu meiden, ich wollte mit Jenny alleine sein und ungestört über alles reden. Es war keine Frage, dass meine Mutter uns den gewünschten Freiraum ließ. Wie immer bestellte sie für 21:00 Uhr Pizza, da sie wusste, dass wir nach unseren Redeorgien stets sehr hungrig wurden.
„Soll ich für heute noch etwas besorgen? Wollt ihr was zu knabbern oder etwas Süßes?“
„Nein danke Ma. Ich denke wir haben alles was wir brauchen.“
„Okay, dann schick ich Jenny zu dir rauf wenn sie da ist.“
„Ja, danke!“
Ich schloss die Tür hinter mir und ging zu meinem Schreibtisch. Ich hatte die Zeichnungen von Brian, oder dem Jungen aus meinem Traum, also Brian (oh Gott wie verwirrend das Ganze doch war) dort vor Jenny und Phil versteckt.
„Phil…“, seufzte ich. Er war einfach unglaublich. Er vertraute mir blind und gleichzeitig zeigte er mir wie verletzt er durch mein Verhalten war und wie sehr es ihn schmerzen würde wenn ich dieser Schwärmerei, wie er sie bezeichnete, weiter seinen Lauf nehmen ließ. Er war schon etwas Besonderes.
Ich legte sie eine nach der Anderen auf das Bett um sie Jenny zu zeigen. Ich wollte nicht lange um den heißen Brei reden und dachte wir könnten ja gleich zum Wichtigsten an diesem Abend kommen. Ich betrachtete die Zeichnungen noch einmal genauer und stellte fest, dass ich ihn wirklich sehr gut getroffen hatte. Vielleicht steckte ja doch ein künstlerisches Talent in mir.
Ich hörte ein leichtes Klopfen an meiner Tür. Die Bilder legte ich auf einen Stapel Zeitschriften neben meinem Bett und ging zur Tür. Als ich sie öffnete stand Jenny ungeduldig von einem Fuß auf den anderen wippend vor mir.
„Hey. Ich sag dir, ich hab mich schon sooo auf heute gefreut. Überhaupt nachdem was heute passiert ist. Wir müssen unbedingt darüber reden was heute los war.“
Sie hatte mein Verhalten während ihrer Flirt-Tirade doch bemerkt. Es war ja auch wirklich nicht schwer zu erkennen, dass da etwas in mir war, das sich zu dem Jungen hingezogen fühlte.
„Ja, ich weiß. Ist es dir also auch aufgefallen.“
Ich schämte mich ein bisschen und senkte meinen Blick auf den Boden. Meine große Zehe zog kleine Kreise über dem Teppichboden.
„Was meinst du aufgefallen? Der ganzen Schule ist es aufgefallen!“
Ich sah sie überrascht an.
„Was meinst du mit der ganzen Schule ist es aufgefallen?“
War mein Interesse an dem Neuen wirklich für Alle so deutlich zu sehen? Meine Wangen färbten sich in einem tiefen rot.
Jenny sah mich nicht direkt an. Während sie sprach bewegte sie sich gekonnt durch mein Zimmer und platzierte ihren Rucksack direkt neben meinem, gleich an der rechten Seite des Schreibtisches.
„Na, dass Brian etwas für mich übrig hat. Ich dachte mir ja gleich, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, dass er perfekt zu mir passt.“
Ich schluckte hörbar laut ein zwei Mal bevor ich dazu ansetzte Jenny eine Antwort auf Ihre unvergleichlich naive Aussage zu geben. Doch bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte führte sie ihren Monolog bereits fort.
„Ich meine, alleine schon wie er mich angesehen hat. Es war nicht zu übersehen wie er mich von oben bis unten gemustert hat.“
Ich hatte davon nichts mitbekommen. Aber ich wollte Jenny ihre Illusion nicht rauben.
„Und seine Antwort auf meinen Spruch, er würde ja vielleicht hier eine Freundin finden, das war doch mehr als eindeutig. Ich sage dir, der hat ganz bestimmt schon darüber fantasiert, wie er mich küsst und sich überlegt was er wohl alles mit mir anstellen würde wenn wir alleine in einem Raum wären.“ Sie fügte ihrer dreisten und versauten Vorstellung ein keckes Lächeln hinzu.
Während Jenny sich ihrer Fantasie hingab spürte ich wie mein Körper immer höhere Temperaturen erreichte. Es ärgerte und wühlte mich innerlich auf sie solche Dinge über Brian sagen zu hören. Ich wusste, dass ich eigentlich keine Meinung dazu haben konnte, da ich ihn ja nicht wirklich kannte. Doch hatte ich ganz tief in mir drinnen das Gefühl als wüsste ich genau was er wollte, als wäre es ohne Zweifel ich, die er begehrte.
Jenny fuhr fort mit ihren Ausführungen wie sehr Brian auf sie abfuhr und dass sie es eindeutig an seiner Gestik und seinen Antworten gemerkt hatte. Sie berichtete mir wie sie ihn wie sie so schön sagte herumkriegen wollte. Ihre Schilderung wurde immer detaillierter. Sie erzählte mir was sie beim ersten Date tragen wollte, welches Parfum sie auflegen und wie sie ihren Hals strecken würde wenn er daran roch, kurz bevor er ihr den ersten Kuss gab.
Ich fühlte mich so hilflos. Ich wollte Jenny meine Gefühle nicht zeigen. Es zerriss mich innerlich. Alleine der Gedanke an ein Zusammensein der beiden tat mehr weh als jedes Gefühl, dass ich jemals zuvor empfunden hatte. Am liebsten hätte ich ihr den Mund zugeklebt um keines ihrer Worte mehr hören zu müssen. Es fühlte sich fast so an als würde jedes Wort in meinen Ohren brennen, so sehr hasste ich die Vorstellung Brian mit jemand Anderem als mir zu sehen.
Mein ganzes Gesicht glich einem brennenden Scheiterhaufen. Ich brannte lichterloh, innerlich spürte ich wie ich auseinander fiel, so wie die Asche verbrannten Holzes sich langsam nachdem sie verglüht ist senkt.
Nach einigen weiteren Minuten einer etwas längeren Pause, Jenny musste zwischendurch ja schließlich auch mal Luft holen und einen Schluck trinken, wartete sie auf eine Reaktion von mir.
Meine Hände zitterten vor Aufregung als ich das was ich mir dachte aussprechen wollte. Ich wollte ihr ins Gesicht schreien, ihr sagen, dass sie sich gefälligst von ihm fernhalten soll. Doch so sehr ich mir wünschte stark genug zu sein um es zu tun, so sehr wusste ich, dass ich es nie tun würde.
„D…Das hört sich toll an. Klingt nach einem netten Plan.“
Ich versuchte so erfreut wie möglich zu klingen, doch es gelang mir nicht ganz meine Gefühle zu verbergen.
Ich erwartete, dass Jenny sauer auf mich war. Schließlich war ich ihre beste Freundin und sollte mich für sie freuen. Ich sollte mit ihr gemeinsam Pläne schmieden und sie bei ihrem Vorhaben Brian den Kopf zu verdrehen unterstützen.
Ich hatte mich in der Zwischenzeit auf mein Bett fallen lassen, Jenny setzte sich neben mich und strich mir über den rechten Arm.
„Süße, was ist denn los mit dir? Stimmt etwas nicht zwischen Phil und dir?“
Jenny hätte locker als Two-Face in Batman durchgehen können. Einmal war sie diese verrückte Cheerleaderin, das Männerjagende Tanzmonster. Und im nächsten Augenblick war sie die fürsorgliche Freundin, die alles dafür tun würde wieder ein Lächeln auf das Gesicht ihrer besten Freundin zu zaubern.
„Nein, es ist alles in Ordnung. Er… er war nur etwas sauer wegen meiner Reaktion heute beim Mittagessen. Scheinbar denkt er, dass ich für Brian schwärme. Lächerlich oder?“ Ein fast schon auffallend hysterischer und schriller Lacher brach aus mir heraus.
Ich hoffte sie würde mir zustimmen, doch dafür kannte sie mich zu gut. Warum erzählte ich ihr das überhaupt? Die Worte kamen einfach so über meine Lippen ohne mein Zutun.
„Naja, es war kaum zu übersehen wie du ihn angestarrt hast. Außerdem hab ich dich noch nie so verlegen und zurückhaltend erlebt. Du bist ja sonst nicht auf den Mund gefallen.“
Das war einer der Momente wo ich ihre aufmerksame Art alles andere als zu schätzen wusste.
„Aber mach dir nichts draus. Falls es dir nicht aufgefallen ist, der halbe Schulhof hat sich nach dem Neuen umgedreht. Ich denke er wird sich daran gewöhnen müssen angestarrt zu werden.“
Es war mir nicht aufgefallen, ich war so in seinem Blick versunken gewesen, dass ich nichts um mich herum wahrnahm. Und danach starrte ich nur noch auf meinen Lunch. Also hätte mir die Tatsache, dass er der neue Frauenschwarm an der Valley High war durchaus entgehen können.
„Tja, ein neues Spielzeug ist im Haus. Und jeder will damit spielen.“ Ich lächelte Jenny kurz entgegen.
Sie sah noch immer besorgt aus. „Bist du sicher, dass mit dir und Phil alles in Ordnung ist? Ich meine ihr beide seid seit drei Jahren unzertrennlich und liebt euch heiß. Wie kommt es, dass du dann auf einmal Interesse an einem anderen hast?“
Ihre Frage war nicht im Geringsten unbegründet. Ich konnte es mir selbst nicht erklären. Am liebsten hätte ich ihr die ganze Geschichte erzählt. Ich hätte ihr erzählen sollen was für verrückte Träume ich die letzte Zeit hatte und in was für einer Verbindung sie zu Brian standen. Ich hätte ihre Meinung einfordern müssen ob das alles nur ein verrückter Zufall oder vielleicht doch Schicksal war. Doch ich wollte es nicht. Ich sah ihren besorgten Blick und wusste genau, dass es für sie mehr als schwer sein würde zu sehen wie ich Phil verletzte und gleichzeitig den Typen aufriss, auf den sie gerade stand, wieder mal.
„Nein, es ist wirklich alles in Ordnung. Ich weiß nicht warum mich der Neue so aus der Bahn geworfen hat. Vielleicht bin ich auch nur nervös weil Phil und ich ja heuer unser dreijähriges Jubiläum feiern.“
Ein breiter Grinser verdrängte ihre besorgte Miene und sie strahlte mich an.
„Ja, genau. Aber frag mich bloß nicht was er dieses Jahr vor hat. Ich hab keeeiiinnneee Ahnung.“ Sie zwinkerte mir zu.
Ich ließ mich auf das Spiel ein und fragte sie was er ihr erzählt hatte. Alleine schon um das Gespräch von Brian abzulenken. Ich wollte mich heute nicht mehr mit dem Thema beschäftigen. Ich würde mich von ihm fern halten, nicht mehr darüber nachdenken welche Gefühle er in mir auslöste. Ich wollte Jenny nicht im Weg stehen. Auch wenn er mich vielleicht gar nicht gewollt hätte, wäre alleine schon der Versuch ihn für mich zu gewinnen ein Verrat an Jennys Freundschaft gewesen. Ich hätte ihr nicht noch einmal so weh tun können wie vor drei Jahren als ich unsere Abmachung brach um mit Phil zusammen zu gehen.
Wie erwartet und von Phil bereits angedeutet, hatte er ein romantisches Picknick geplant. Ich versprach Jenny so überrascht wie möglich zu tun um Phil seine aufwendige Feier nicht zu vermasseln.
„Und was schenkt er mir?“
Nicht, dass ich sonderlich viel Wert auf ein Geschenk legte. Ich dachte nur, dass diese Frage angesichts der bereits enthüllten Informationen über das bevorstehende Jubiläum angemessen war.
„Das hat er mir nicht verraten.“
„Ach komm schon.“, sagte ich mit einem ungeduldigen Unterton.
„Du willst mir ernsthaft erzählen, dass er dir alles über seine Partypläne erzählt hat und dabei nicht erwähnt hat was er mir schenken will. Hast du ihn denn gar nicht gefragt?“
Jenny rollte mit den Augen. „Natürlich habe ich ihn gefragt. Was denkst du denn? Aber er wollte einfach nicht mit der Sprache rausrücken.“
„Naja, es dauert ja nicht mehr lang. Ich werd‘s schon erwarten können. Und solltest du doch vorab irgendetwas erfahren lässt du es mich wissen okay?“
Sie lachte und nickte energisch. „ Also wie immer.“
Ich zwinkerte ihr zu und wir umarmten uns.
Den restlichen Abend verbrachten wir damit Musik zu hören und über unsere Eltern, deren Eheprobleme und all das, was wir nach unserem Abschluss an der Valley High machen wollten, zu sprechen.
Es war ein sehr befreiender und angenehmer Abend. Jenny lenkte mich dermaßen ab, dass ich schon fast nicht mehr an Brian denken musste. Kurz bevor wir das Licht ausmachten und uns in unser Bett kuschelten, fielen mir die Zeichnungen, die ich auf den Zeitungsstapel gelegt hatte, wieder ein. Ich wollte nicht, dass Jenny sie sah. Ich versuchte sie so unauffällig wie möglich in meine Nachttischlade zu bucksieren. Da Jenny sowieso gerade dabei war sich ihre Nachtspange in den Mund zu stecken bekam sie davon auch nichts mit.
Am nächsten Morgen hatte sich mein Übernachtsungsgast bereits angezogen als ich gerade erst aufgewacht war und mir den Schlaf aus den Augen rieb.
„Sorry, dass ich so schnell aufbrechen muss. Wir haben heute Vormittag Cheer Training.“
Darauf hatte ich ganz vergessen. Manchmal verdrängte ich einfach, dass Jenny, obwohl wir uns in vielen Dingen ähnelten, auch viele Interessen hatte, die ich so überhaupt nicht verstand oder verstehen wollte.
„Sehen wir uns heute noch?“ fragte ich sie.
„Ich denke nicht. Meine Ma will heute Nachmittag mit mir shoppen gehen. Sie ist der Meinung ich bräuchte mal dringend was Neues zum Anziehen. Trifft sich gut, ich brauche sowieso ein neues Outfit für mein Date mit Brian.“ Sie zwinkerte mir zu.
Brian, diese Augen und dieser Mund.
„Na toll.“ murmelte ich.
Schon waren meine Erinnerungen rund um unser erstes Zusammentreffen wieder fest in meinem Kopf verankert.
„Hast du was gesagt?“
Ich stammelte ein „Nein nein, na dann viel Spaß beim Shoppen.“
Jenny verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zu ihrem Training. Und ich saß in meinem Zimmer, alleine mit meinen Gedanken und diesen verrückt verwirrenden Gefühlen. Ich brauchte unbedingt eine Ablenkung. Ich trommelte ein paar Leute für ein Basketballspiel zusammen. So konnte ich mich auspowern und mich von ungewollten Gedanken ablenken.
Hätte ich Phil auch Bescheid sagen sollen? Ich war nicht in der Stimmung ihn zu sehen. Die peinliche Unterhaltung von gestern war genug für ein ganzes Wochenende gewesen. Er würde mir bestimmt nicht böse sein. Er machte sich ohnehin nicht viel aus Sport.
Meine Mutter wollte mich zum Basketballplatz fahren, doch ich lehnte dankend ab. Er war nur knappe fünfzehn Gehminuten von zu Hause entfernt, also beschloss ich mich zu Fuß auf den Weg zu machen. Ich fand sowieso, dass wir unsere Beine viel zu wenig benutzten. Egal wo wir hin wollten, wir fuhren entweder mit dem Auto oder dem Bus oder dem Motorrad. Aber keiner wollte sich mehr die Zeit nehmen eine Strecke zu Fuß zurück zu legen.
Ich ging unsere Wohnstraße entlang und sah mir alle Häuser einzeln und im Detail an. Das war es also was auch mich erwarten würde. Mein Weg schien irgendwie bereits fest zu stehen. Alle erwarteten, dass ich nach der Valley High aufs College ging, nach meinem Abschluss Phils Frau wurde und mich in einem der Häuser in Temecula niederließ. Es schien als wäre es selbstverständlich, dass mein Leben in diese Richtung ging. Ich hatte um ehrlich zu sein bis heute auch noch nie hinterfragt ob ich das überhaupt wollte. Ob das das Leben war, das ich zu führen bereit war, oder ob da vielleicht doch noch andere Möglichkeiten auf mich warteten. Ich ging am Haus von Mr. Smith vorbei, der seinen Garten immer mehr als gepflegt hatte. Seit er in Rente gegangen war, war seine einzige Beschäftigung jeden einzelnen Grashalm in seinem Garten abzumessen um sicherzustellen, dass sie auch wirklich alle die gleiche Länge hatten. Ich dachte mir immer wie traurig das Leben für ihn sein musste, nachdem seine geliebte Frau an Krebs gestorben war. Sie war eine sehr hoch angesehene Frau in Temecula. Sie engagierte sich sehr für den Aufbau des Freizeitcenters für Jugendliche um uns von Computer und Fernseher so weit es möglich war fernzuhalten. Keiner von uns wusste, dass der alte Herr noch eine Familie auf einem anderen Kontinent hatte. Er bekam selten Besuch und lebte nach dem Tod seiner Frau sehr zurück gezogen.
„Danke Mrs. Smith.“, dachte ich als ich an dem Haus vorbeiging. Es schien mir nur angemessen mich für ihren Einsatz zu bedanken, da ich ja schließlich gerade auf den Weg zum Freizeitcenter war, wo sich auch der große Basketballplatz befand. Ich warf einen letzten Blick auf das Haus und entdeckte dabei, dass bei einem der Fenster im Erdgeschoss die Gardine ein wenig zur Seite gezogen wurde. Ich sah etwas genauer hin und begegnete dem Blick eines neugierigen Jungen.
„Brian.“, flüsterte ich. Sofort, als unsere Augen sich getroffen hatten, zog er den Vorhang ruckartig zu.
„Eigenartig. Warum hat er mich beobachtet?“
War er nur neugierig wer gerade die Straße entlang schritt, oder wusste er, dass ich es war und beobachtete mich mit voller Absicht? Ich schüttelte den Kopf und versuchte mir ein Lächeln zu verkneifen.
Die anderen warteten schon ungeduldig auf mich. Sie hatten sich bereits aufgewärmt und warfen ein paar Probekörbe.
„Na endlich!“, stieß Dominic hervor.
„Wir warten schon seit 10 Minuten auf dich! Wo warst du so lange?“, ergänzte Lucy.
„Jetzt macht mal halb lang. Ich bin zu Fuß gekommen.“
„Wieso bist du denn nicht mit dem Auto gefahren?“, ein hämisches Lachen machte sich auf Dominics Gesicht breit.
„Achja, du hast ja keinen Führerschein:“
Und schon stimmten alle Anwesenden zu einem herzhaften Gelächter ein.
Es war wirklich ungewöhnlich als 17 Jährige in Temecula ohne Führerschein unterwegs zu sein. Aber ich hielt nun mal nicht sehr viel davon ständig nur mit dem Auto unterwegs zu sein. Ich wollte mich selbst erst gar nicht in Versuchung führen mich von diesem Vehikel abhängig zu machen. Ich fuhr auch nur Phil zuliebe jeden Tag mit dem Auto in die Schule mit. Wenn ich es mir recht überlegte, wäre es mir tausend Mal lieber gewesen auch diese kurze halbstündige Strecke zu Fuß zurück zu legen.
„Jaja, haben wir jetzt alle genug gelacht? Ja? Na dann legen wir los!“
Ich freute mich auf ein intensives und schweißtreibendes Spiel. Dominic, Lucy, die Anderen und ich würden uns nichts schenken. Es würde ein hartes aber faires Match werden.
Die Freundinnen der Spieler saßen auf der Tribüne und feuerten ihre Lieblinge an. Es gab nur wenige Mädchen an der Valley High, die sich freiwillig mit Sport befassten. Für mich war es immer ein willkommener Ausgleich für den teilweise monotonen Schulalltag. Natürlich war es den Mädls nicht unbedingt recht, dass ihre Freunde Basketball, eine Körperkontaktintensive Sportart, mit anderen Frauen spielten. Daher war es schon fast an der Tagesordnung, dass sie offiziell um ihre Männer anzufeuern, inoffiziell um sie zu kontrollieren, bei jedem Spiel dabei waren.
Lucy und ich machten uns gerne einen Spaß daraus und rempelten die Jungs ab und zu an, um dann die Farbveränderung in den Gesichtern der Mädchen zu beobachten. Es war einfach zum Brüllen komisch.
Doch heute waren sie nicht die einzigen, die auf der Tribüne saßen. Ein Junge, nicht irgendeiner, sondern Brian, war ebenfalls hier und blickte in sein Buch während er immer wieder aufsah um den Spielverlauf zu beobachten. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sich während des Spiels noch jemand dem Zuschauerteam angeschlossen hatte. Anders als sonst waren die Mädls heute nicht so auf das Spiel fixiert, sondern sammelten sich rund um Brian und versuchten seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er jedoch würdigte sie kaum eines Blickes sondern konzentrierte sich darauf zu lesen und nebenbei alle wichtigen Spielphasen mitzubekommen.
Während des Spiels sah ich noch ein paar Mal hinüber um herauszufinden was er tat und bemerkte, dass er hauptsächlich mir zusah. Die anderen schienen ihn gar nicht so sehr zu interessieren, er folgte so gut wie immer nur meinen Schritten. Doch wieso tat er das? Wieso war er hierher gekommen? Wollte er sich langsam in die Jugendgruppen von Temecula integrieren und besuchte daher vielleicht auch nur zufällig heute den Basketballplatz? Oder war er mir gefolgt, nachdem er mich an seinem Haus vorbeigehen sah.
Ich schwor mir ihn nach dem Spiel zur Rede zu stellen. Doch als das Spiel vorbei war, war er bereits gegangen. Ich wollte die Mädls fragen ob sie mir sagen konnten wann und wohin er gegangen war, entschied mich dann aber dagegen, da es einen falschen Eindruck erwecken würde. Und das letzte was ich jetzt wollte waren Gerüchte über eine mögliche Liebelei zwischen Brian und mir. Das wäre nicht nur für mich mehr als peinlich, sondern würde Phil und Jenny furchtbar verletzten, egal ob es der Wahrheit entsprach oder nicht.
Wir plauderten und witzelten noch ein wenig nach dem Spiel, dann machte ich mich auf den Heimweg. Mom hatte bereits das Essen vorbereitet und wartete auf Dad und mich. Ich ging schnell ins Badezimmer und nahm eine Dusche. Schließlich wollte ich mich ja nicht verschwitzt zum Esstisch setzen. Als ich fertig war und mich umgezogen hatte war Dad bereits zu Hause angekommen. Mom hatte ihren berühmten Gemüseauflauf gemacht. Dazu eine große Schüssel Salat. Ich schlemmte was das Zeug hielt. Ich hatte zuvor doch einige Kalorien verbrannt und mein Hunger war groß. Während des Essens klingelte mein Telefon. Ich sah kurz auf den Display und erblickte Phils Anruferbild. Ich schaltete es auf lautlos und legte es wieder beiseite. Ich würde ihn nach dem Essen zurück rufen, es war unhöflich während des Essens zu telefonieren.
Nachdem ich meiner Mutter beim Abwasch geholfen hatte, ging ich wieder in mein Zimmer. Ich musste noch lernen, da nächste Woche ein großer Mathetest anstand. Ich hatte zwar noch nie große Probleme mit Mathe, wollte aber dennoch so gut wie möglich auf alle Problemstellungen vorbereitet sein.
Das Basketballspielen und die reichhaltige Mahlzeit hatten mich ziemlich müde gemacht. Ich spürte wie meine Augen schwer wurden als ich meinen Blick über die Mathebücher schweifen ließ. Ich entschloss mich dazu mich ein wenig hinzulegen und auszuruhen. Als ich so da lag dachte ich immer wieder an Brian und fragte mich, ob er mich heute wirklich verfolgt hatte. Wie konnte er nur so schnell beim Sportplatz sein? Er musste direkt nachdem er mich gesehen hatte losgegangen sein. Warum hatte er mich nicht angesprochen, oder zumindest gegrüßt? Sein Verhalten kam mir seltsam vor. Ich spürte wie er mich ansah, aber er hielt es nicht für notwendig mich zu grüßen. Er beobachtete mich, aber er hatte keinerlei Intention mit mir zu sprechen. Die viele Nachdenkerei machte mich noch schläfriger und schließlich fiel ich in einen tiefen und wohltuenden Mittagsschlaf.
Ich wachte einige Stunden später auf. Die Sonne war bereits untergegangen. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und sah auf den Wecker. Es war bereits neun Uhr abends.
„Phil!“, stieß ich hervor. Ich hatte ganz vergessen ihn nach dem Essen zurück zu rufen. Ich hatte 10 Anrufe in Abwesenheit. Natürlich waren alle von Phil. Ich drückte schnell die Rückruftaste und hielt das Handy an mein Ohr. Es klingelte ein paar Mal, dann hob er ab.
„Hi Schatz. Sorry, ich bin nach dem Essen eingeschlafen. Wie geht es dir? Wie kommst du mit dem Projekt voran?“
„Ähm… Hi. Ja, danke es geht gut voran.“
Ein Moment der Stille trat ein.
„Sag mal, warum hast du mir eigentlich nichts von dem Basketballspiel heute erzählt. Wolltest du mich nicht dabei haben?“
Wer hatte ihm so schnell davon berichtet? In dieser Stadt gab es wohl wirklich keinerlei Möglichkeit etwas zu tun, ohne dass es sofort alle erfuhren.
„Ich dachte nicht, dass du Zeit hast, da du ja das ganze Wochenende an dem Projekt arbeiten wolltest.“
Das war nicht einmal gelogen. Er hatte mir wirklich gesagt, dass er das Wochenende für die Projektarbeit verplant hatte. Allerdings entsprach es auch den Tatsachen, dass ich etwas Abstand brauchte und ihn um ehrlich zu sein gar nicht dabei haben wollte.
„Verstehe…“
Wieder trat eine eigenartige Stille ein. Ich fragte mich warum er sich das so zu Herzen nahm.
„Was ist denn los?“, fragte ich ihn direkt.
„Naja, mich hast du nicht gefragt, aber Brian schon?“
Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Woher wusste er denn, dass Brian auch bei dem Spiel war? Ein kurzer Seufzer kam über meine Lippen. Ich konnte mir schon denken, wer ihm das erzählt hatte. Ich wusste ja, dass Jess etwas für mich übrig hatte, aber dass er so weit gehen würde einen Keil zwischen Phil und mich zu treiben, nur um mich wieder auf dem Markt zu sehen, das hatte ich ihm nicht zugetraut.
„Ich habe ihn ja nicht gefragt. Er ist einfach dort aufgetaucht.“
„Einfach aufgetaucht also. Eigenartig.“, hörte ich am anderen Ende der Leitung. Dann kam ein tiefer Seufzer.
„Wie auch immer. Ich wollte dich fragen ob du heute vielleicht noch Lust auf eine Runde Cosmic Bowling hast.“
Was für eine nette Idee. Cosmic Bowling war wirklich eine amüsante und coole Freizeitbeschäftigung. Nichtsdestotrotz hatte ich noch keinen Strich für Mathe getan.
„Phil, ich hab noch nichts für Mathe gemacht. Ich denke ich sollte mich das restliche Wochenende aufs Lernen konzentrieren.“
Stille.
„Okay, verstehe. Also sehen wir uns Montag wieder.“
Ich hörte die Enttäuschung in Phils Stimme. Aber er wusste, dass sich das Schuljahr langsam dem Ende zuneigte und wir daher mehr als sonst lernen mussten.
„Alles klar. Du kannst dich ja morgen noch melden wenn du ein wenig plaudern möchtest.“
Ich wollte nicht, dass er dachte, dass ich überhaupt nichts mit ihm zu tun haben wollte. Ich würde die Zeit nur sinnvoll für die Schule nutzen.
„Ja, sehen wir mal. Mach‘s gut. Ich liebe dich.“
„Ja, du mach‘s auch gut und viel Spaß.“
Ich legte auf. Verdammt, ich hatte vergessen ihm zu sagen, dass ich ihn auch liebte. Wie konnte ich das nur vergessen? Diese drei Worte kamen schon so oft über meine Lippen, dass es normal war sie ihm gegenüber auszusprechen. Doch diesmal wäre es mir nicht im Traum eingefallen „Ich liebe dich“ zu Phil zu sagen. Hatten sich meine Gefühle ihm gegenüber geändert seit Brian in meinem Leben aufgetaucht war?
Ich widmete das restliche Wochenende meinen mathematischen Problemlösungen. Am Sonntag waren wir noch zum Mittagessen bei Grandma eingeladen. Sie wohnte eine Autostunde von uns entfernt. Jeden zweiten Sonntag im Monat kamen wir zu Besuch. Mom kochte für uns alle und wir genossen etwas Zeit zusammen. Meine Großmutter war für ihr Alter noch in guter Verfassung. Da sie aber nur noch wenig Kraft in den Beinen hatte, übernahm meine Mutter das Kochen für sie. Phil meldete sich nicht mehr. Vielleicht wollte er etwas Ruhe von mir haben. Ich hätte es ihm nicht verübeln können.