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Amerika! - Ich komme

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„Hallo, können sie mich bitte mit dem Flughafen verbinden?“

Charlie kam spät am Abend nach Hause. Die Familie saß gerade beim Abendbrot, als sie hereinkam.

„Charlotte? Komm her und setz dich“, sagte ihre Mutter wieder mal herrisch zu ihr und Charlie setzte sich widerwillig mit ihnen an einen Tisch. Clara blickte sie grimmig an, während der Rest der Familie sich in Schweigen hüllte.

„Möchtest du vielleicht was essen?“ fragte ihr Vater doch Charlie schüttelte nur den Kopf. - „Aber du hast den ganzen Tag nichts gegessen“

„Lass sie doch, wenn sie nichts mag. Sie wird schon selber wissen, wann sie essen muss und nicht. Nicht wahr“, schritt ihre Mutter ein und Charlie lächelte ihren Vater an, bevor sie ihre Hände auf den Tisch legte und ihr Anliegen vorbrachte.

„Also Leute - wegen heute Morgen. Ich habe mich entschieden. Ich werde nach Amerika gehen. Ich werde mir die Ranch ansehen und dann entscheiden, was man damit anfängt“.

„Pah, das war ja klar“, giftete Clara.

„Was war klar Clara? Hast du wirklich gedacht, dass ich sage Nein danke? Ich hätte es tun können, aber als ich dann Omas Brief las wusste ich, dass ich es erst mal sehen muss, bevor ich entscheide.“

„Mir wäre sie zugestanden, nicht dir. Ich bin die ältere.“

„Was willst du auf einer Ranch? Du bist ein Weibchen. Das gehört an den Herd. Ich kann das nicht. Ich will die Welt sehen. Ich will nicht zu Hause hocken so wie du“.

„Hey, hört auf euch zu streiten“, mischte sich Gregory ein, doch Charlie und Clara waren schon voll in Fahrt und stritten weiter.

„Ach deshalb ist dann wahrscheinlich auch deine Ehe mit Michael in die Hose gegangen. Weil du nicht das Frauchen spielen wolltest“.

Charlie blickte ihre Schwester wütend an.

„Du weißt ganz genau, warum Michael und ich uns getrennt haben. Beziehungsweise ich mich von ihm“.

„So weiß ich das?“

„Ach halt doch die Fresse. Du … du blöde Kuh“, sagte sie und stand auf.- „Ich habe übrigens schon einen Flug für übermorgen früh gebucht“.

„Was? Für übermorgen schon?“ rief ihre Mutter.- „Aber Kind …“

„Lass sie. Sie ist alt genug. Wenn sie das will, dann soll sie“, sagte Gregory zu seiner Frau und wandte sich dann an seine Tochter.- „Bist du dir vollkommen sicher?“

„Ja. Und nun geh ich dann mal packen. Morgen muss ich noch zum Amt wegen der Papiere“.

Als Charlie zur Tür draußen war, nahm Gregory seine andere Tochter zur Brust.

„Musstest du die Sache mit Michael ansprechen?“

„Papa, du weißt doch …“

„Clara! Keinen Ton mehr davon. Du weißt, dass nicht Charlie am Scheitern ihrer Ehe mit ihm Schuld war - sondern er. Schließlich hat er sich mit seiner Sekretärin eingelassen, während unsere Charlie ihren Fachwirt gemacht hat“.

„Jaja, aber immer bekommt sie alles. Alles scheint ihr grade so vor die Füße zu fallen. Dass ich echt nicht fair. Oh! Ich hasse diese Frau“, motzte sie und verschwand nach draußen, während sich ihr Eltern nur schweigend anblickten. Charlie hatte ihre Sache gepackt und an der Tür abgestellt, als es klopfte.

„Herein“.

„Hallo Baby“.

„Mama, nenn mich nicht immer Baby. Ich bin vierundzwanzig Jahre alt“.

„Entschuldige. Tut mir leid. Macht der Gewohnheit. Bisher warst du immer mein kleines Mädchen. Und nun?“

„Mama, bitte tue doch nicht so. Du konntest es nie verstehen, dass ich anders war als Clara. Dass ich nicht zu dieser schicki-micki-Gesellschaft gehöre. Ich bin wie ich bin. Akzeptiere es endlich oder lass es. Du brauchst also nicht so tun als wärst du die besorgte Mutter, deren geliebte Tochter das Nest verlässt. Denn es ist nicht so.“

„Ist ja gut. Ich versuche es. Hast du alles?“

„Ich nehme nicht so viel mit. Ich schau mir den Laden erst mal an und dann sehen wir weiter. In mindestens zwei Wochen bin ich bestimmt wieder zu Hause“.

„Es tut mir leid, das Clara vorhin Michael erwähnt hat. Ich weiß, dass du nicht so besonders gut auf ihn zu sprechen bist“.

„Du musst dich nicht dafür entschuldigen. Es ist schon gut. Michael ist Geschichte. Heute weiß ich, dass es ein Fehler war ihn zu heiraten. Wir waren nicht so weit“.

Charlie hatte Michael in ihrem Tennisclub kennengelernt und sich sofort in ihn verliebt. Damals war sie zarte fünfzehn Jahre alt. Er war ihre erste große Liebe. Schon damals hatten sie gesagt, dass sie irgendwann heiraten würden, was sie dann ja auch fünf Jahre später getan haben. Doch dann erwischte Charlie ihren Mann ein Jahr nach der Hochzeit, mit seiner Sekretärin auf seinem Schreibtisch in der Anwaltskanzlei, in der er arbeitete. Total wütend hatte sie noch am selben Tag die Scheidung eingereicht und ein Jahr später war sie wieder frei. Michael hatte zwar noch ein paar Mal probiert sie umzustimmen,- doch vergebens. Irgendwie schien er nie darüber hinweggekommen zu sein.Gerade als ihre Mutter das Zimmer wieder verlassen wollte, fing Charlie automatisch an zu reden.

„Ich kann es immer noch nicht fassen. Eine Ranch in Amerika? Ich war noch nie von Stuttgart weg. Hier sind meine Familie, meine Freunde. Hier gehe ich wenn ich allein sein will, in den Park oder in den Zoo. Doch ich war immer zu Hause. Und nun soll ich achttausend Kilometer von Zuhause weg sein?“

„Ja, das ist schon ein Stück. Du musst es dir vorstellen, als wenn du auf Urlaub dort bist. Als wir damals in Mallorca waren, wolltest du auch nicht mehr heim“.

„Das war doch was ganz anderes. Naja, ich werde dann mal schlafen gehen. Morgen gibt ein langer Tag. Behördengänge und so“.

„Ja. Gute Nacht und Schlaf gut“, sagte ihre Mutter und schloss die Tür, doch an Schlafen konnte Charlie nicht denken. Was würde sie in Wyoming erwarten? Was für Leute waren dort und würde sie diese Ranch überhaupt finden? Noch einmal nahm sie den Brief ihrer Großmutter in die Hand und las.

Charlie Fahles leiblicher Großvater war also nicht Albert Fahle, sondern ein amerikanischer Soldat namens Jack Collins, den Trude Fahle - Charlies Oma während seines Aufenthaltes in Deutschland kennenlernte. Es war Liebe auf den ersten Blick als sich Trude und Jack ineinander verliebt hatten. Jack entdeckte sie, als sich Trude mit einer Freundin in einem Straßencafé in der Nähe des Geländes wo die Soldaten stationiert waren traf. Er suchte den Blickkontakt und auch Trude war nicht abgeneigt von dem wirklich gut aussehenden Mann. Nach kurzem Zögern sprach Jack Trude dann an und sie verabreden sich. Zu dieser Zeit wusste sie noch nicht, dass er später einmal das Schicksal ihrer Familie sein würde. Jack und seine Trude verbrachten schöne Wochen miteinander und immer wieder sagte er ihr, dass er sie heiraten wolle und sie mit ihm nach Amerika gehen solle. Aber sie wollte nicht und dann kam der Tag des Abschiedes. Trude und Jack sagten Leb wohl und sahen sich nie wieder. Und dann erfuhr Trude, dass sie ein Kind erwartete. Ihr Glück war damals das Albert Fahle zur Stelle war. Er heiratete sie und erkannte den Jungen, den sie Gregory nannten als seinen Sohn an, obwohl er wusste, dass es nicht sein Kind war. Trude und Albert bekamen noch einen Sohn und eine Tochter, die allerdings im Alter von sechs Monaten den plötzlichen Kindstod starb. Charlies letzter Gedanke war bei ihrer Großmutter, die lächelte, als sie einschlief.

Zwei Tage später war es dann endlich so weit. Charlie stand mit ihrer Familie am Flughafen Stuttgart und sah zum x-ten Mal auf die Tafel der Flugdaten und checkte ihr Last-Minute-Ticket. Am Tag davor hatte sie sich ein Touristenvisum besorgt. Allerdings wurde ihr auf dem Amt gleich mitgeteilt, dass sie ihr Visum auf alle Fälle in den Staaten verlängern muss, wenn sie länger als die vier Wochen bleiben möchte. Charlie hatte sich schon ihre Gedanken gemacht. Falls sie sich entscheiden sollte, in den Staaten zu bleiben und die Ranch zu behalten, würde sie sich sofort eine Greencard machen lassen. Endlich war es dann so weit. Charlies Flug wurde aufgerufen und das Gate benannt, in das sie musste.

„Also mein Kind. Lass es dir gut gehen und komm gesund wieder …“

„Ja Mama. Ich mach schon keine Dummheiten“.

„Und du rufst an, wenn du angekommen bist. Haben wir uns verstanden?“, fügte ihr Vater hinzu.

„Ja. Ich rufe an und mach keine Dummheiten. Hey Leute, ich fahr in Urlaub und ich bin erwachsen“.

Clara trat ein paar Schritte auf Charlie zu, sah sie an und nahm sie dann in ihre Arme.

„Machs gut. Wir sehen uns ja wieder“.

„Tun wir … Also … auf nach Amerika“, sagte Charlie und ging durch die Absperrung. Sie drehte sich nicht mehr um. Denn sie wusste wenn sie jetzt einen Blick in die Gesichter ihrer Familie warf, wäre es vorbei und sie würde anfangen zu heulen. Charlie war angekommen. In zwölf Stunden würde sie Omas Erbe sehen. Charlie schnappte sich ihr Buch und ihren iPod und machte es sich erst mal bequem, bis es zum Einchecken ging.

„Wann kommt dieser Charlie Fahle denn hier an?“

Julian Gates saß auf seinem Pferd und ritt mit seinem Partner Bo die Strecke ab, in der ihre Rinder grasten. Er war der Vorarbeiter der Ranch und für ihn war diese Ranch sein zu Hause. Hier war er geboren, als sein Vater damals für Jack gearbeitete hatte. Jack hatte damals auch seine Mutter, als sie hochschwanger mit Julian war, aus der Stadt geholt um sie bei sich auf der Ranch wohnen zu lassen. Sodass James Gates immer in der Nähe seiner Frau war, wenn der Zeitpunkt der Geburt kam. Ja, hier war sein zu Hause. Auch als James und seine Frau einige Jahre später, mit ihrer Tochter, die auch auf der Ranch zur Welt kam, wieder zurück in die Stadt gezogen waren, blieb Julian bei Jack. Damals war er gerade zweiundzwanzig. Mittlerweile war Julian ein erwachsener Mann von achtunddreißig Jahren. Und seine Eltern, beide tot. Er hatte nur noch seine Schwester und die Jungs auf der Ranch.

„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er heute Mittag oder so ankommen soll. Hast du schon mal von dem gehört?“

Julian schüttelte den Kopf und zog seinen Cowboy Hut weiter in die Stirn.

„Nein, ich kenne keinen von denen. Ich verstehe die ganze Sache ohnehin nicht“.

„Was meinst du?“

„Na überlege doch mal. Wieso hat Jack seine Farm hergegeben?“

„Vielleicht … hat er sie verloren! Du weißt doch er war viel in Saloons früher. Immer knapp bei Kasse und da wäre es doch denkbar das er sie naja verloren hat“.

„Ich habe keine Ahnung. Aber Saloons? Bo das nennt man schon seit Jahrzehnten nicht mehr so. Du siehst zu viel Western“.

Gerade als sie das Gatter durchquert hatten, sahen sie das Taxi vor dem Haus stehen. Verwirrt sahen sich die beiden Männer an und ritten in den Stall.

„Scheiße, Julian. Ist das etwa das was ich denke?“, fragte Bo.

„Scheint so“, antworte Julian zu ihm und blickte immer wieder über seine Schulter zu dem Wagen vor dem Haus. - „Wann ist der denn angekommen? Lange kann der noch nicht da sein“, sagte er und legte den Sattel über das Geländer. Julian rieb sein Pferd trocken und führte es in die Box.

„Komm Bo, wir gehen rein. Den neuen Boss werden wir schon noch früh genug kennenlernen“. Bo stapfte hinter Julian her in das Nebengebäude, wo alle Arbeiter der Ranch schliefen.

Charlie hatte also den Weg gefunden. Die Ranch lag wirklich am Arsch der Welt, hätte sie jetzt gesagt wenn ihre Eltern hier wären. Dabei war es gar nicht so weit weg von der Stadt. Charlie war am frühen Abend in Cheyenne, der Hauptstadt von Wyoming gelandet. Nachdem sie ihr Gepäck hatte, setzte sie sich in ein Taxi und ließ sich zu dieser Collins Ranch fahren.

„Es kann ein wenig holprig werden“, hatte der Taxifahrer zu ihr gesagt. Da wusste Charlie aber noch nicht, was auf sie zukam. Nachdem sie die Stadt verlassen hatten, fuhren sie raus aufs Land. Sie Stadt verflog immer weiter und wurde immer kleiner. Charlie wurde es langsam Angst und Bange. War der Fahrer sicher, wo er hin musst? Sie wollte ihn gerade fragen, als er nach rechts auf eine art Feldweg abbog.

„Ähm, Verzeihung. Sind Sie sicher, dass wir dahin müssen?“

„Sicher! Junges Fräulein, eine Ranch liegt nicht neben der Stadt“.

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