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Mein unbekannter Großvater

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Charlie und Jack standen schon früh auf, um gemeinsam die Pferde zu versorgen. Jack hatte sie kurz nach fünf geweckt und sie gefragt ob sie ihm helfen wolle. Charlie war gleich Feuer und Flamme. Schnell sprang sie aus ihrem Bett, zog sich an und folgte Jack nach draußen zu den Ställen.

„Sag mal, wie kommt mein Sohn eigentlich dazu, seine Tochter Charlie zu nennen?“ fragte Jack, als er die erste Box öffnete.

„Naja, eigentlich heiße ich ja gar nicht so“.

„Sondern?“

„Charlotte! Aber ich möchte nicht so genannt werden. Ich hasse den Namen.“

„Und wie heißt dein Vater?“ Charlies Augen fingen an zu leuchten, denn sie liebte ihren Papa über alles.

„Der heißt Gregory!“

„Schöner Name. So amerikanisch!“

„Aber mal was anderes. Sind es viele Menschen die hier arbeiten?“

„Hier arbeiten nur Männer. Julian Gates ist der Vorarbeiter und schon viele Jahre hier. Dann gibt es noch Bo, Kenny, Matt und noch ein paar andere. Aber die lernst du so nach und nach kennen.“

„Hmm. Und wer versorgt diese Männer? Wenn es hier doch keine Frauen gibt“.

„Das machen sie alles allein. Wäschewaschen tun sie manchmal hier oder in der Stadt. Kochen tut unser Koch und der Rest erledigt sich auch von ganz allein. Weißt du … wir sind es nicht anders gewöhnt. Wir leben schon jahrelang ohne Frauen und es ist ok“.

Charlie dachte nicht weiter darüber nach und machte sich eine Zigarette an.

„Hey, aber das du es gleich weißt. Auch wenn du meine Enkelin bist. Hier wird nicht in den Ställen geraucht. Wenn du unbedingt qualmen musst, dann geh bitte vor die Tür. Ich bin auch fast fertig“.

„Alles klar …“, gab Charlie zur Antwort und verdrückte sich nach draußen.

Julian dachte er sieht nicht richtig, als er am Morgen die Frau am Tor der Stallungen stehen sah. Ihre Beine steckten in super engen ausgewaschenen Jeans, der Rest in einem Sweater der ihr viel zu groß war. An den Füßen trug sie Turnschuhe, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Doch was er dann sah, war der Gipfel des Eisberges. Diese Frau stand doch wirklich in der Nähe der Pferde und des vielen Heus und rauchte.

„Weiber“, brummte er und stampfe in ihre Richtung. Charlie unterhielt sich mit Jack, der gerade die Box von Firewall, einem braunen Pferd ausmistete als Julian neben sie trat, sie am Arm packte und ihr die Zigarette wegnahm.

„Sind Sie übergeschnappt? Sie können doch hier nicht rauchen“, zischte er sie an und Charlie drehte sich erschrocken zu ihm um und was sie sah, raubte ihr den Atem. Sie blickte in zwei eisblaue Augen, die von einem männlichen Gesicht umrahmt wurden. Der Besitzer dieser wundervollen Augen trug einen drei Tage Bart und sah einfach verdammt gut aus in den engen Jeans und dem Flanellhemd. Seine Haut war gebräunt von der Sonne. Auf dem Kopf hatte er einen Cowboyhut, sodass sie seine Haare nicht sehen konnte. Aber die waren ihr im Moment auch völlig egal. Er war anderthalb Kopf größer als sie, muskulös gebaut, bestimmt schon Mitte dreißig und tierisch attraktiv.

„Wissen Sie, wie gefährlich das ist? Und wo kommen Sie überhaupt her? Das ist Privatbesitz und wenn man Sie hier erwischt dann kriegen Sie mächtig Ärger.“

„Ach ja, tue ich das?“, schnaubte sie zurück und griff wieder nach ihrer Zigarette, die er noch immer in seiner Hand hielt und zog dran.

„Junge Dame - ich will nicht, das Sie hier rauchen und nun …“

„Was ist denn das für ein Geschrei?“ hörten sie da die Stimme von Jack. Charlie ergriff sofort das Wort. - „Kannst du mir mal sagen, was für ungehobelter Mensch das ist?“

Jack kam aus dem Stall und sah Julian vor sich stehen. Er schnaubte, wie ein Pferd dem er die Sporen gegeben hatte.

„Oha“, sagte er und legte die Mistgabel weg. - „Ähm, das ist Julian“.

„Du meinst, das …“ - Und zeigte mit dem Finger auf ihn. - „Ist Julian Gates, der Vorarbeiter hier? Das kann nicht sein und wenn ja dann finde ich ihn abscheulich und unhöflich.“

Charlie hatte sich, während sie Jack zusah, wie er die Boxen der Pferde ausmistete und ihr erklärte, worum es auf der Ranch ging erkundigt, wer hier alles arbeitete und so kamen sie auch auf Julian zu sprechen. Julian musterte die beiden und sagte dann an Charlie gewandt. - „Unhöflich? Das müssen Sie ja gerade sagen. Sie sind nichts als ein rotz freches kleines Gör und ...“

„Julian! Es reicht. Darf ich dir Charlie vorstellen? Die neue Besitzerin der Ranch“, sagte Jack an ihrer Stelle. Julian blieb der Mund offen stehen. Er musterte sie von oben bis unten, blickte ihr noch einmal ins Gesicht und lief dann mit einem „Verdammte Scheiße“- Ausruf auf die Weide zu.

„Ich habe das Gefühl er ist … überrascht“.

„Ja, das denke ich auch. Er hatte glaube ich, einen Mann erwartet“.

„Tja so kann man sich irren“, sagte Charlie und zog an ihrer Zigarette, die plötzlich nicht mehr nach Nikotin roch, sondern nach Julians Händen. Angewidert drückte sie diese aus und warf sie in den Eimer mit ein wenig Wasser, der neben der Tür stand.

„Sag mal, wie soll ich dich eigentlich nennen wenn die Männer dabei sind. Sie wissen doch nicht das ich deine Enkelin bin, oder?“

„Nenn mich Jack. Und wenn die Zeit günstig ist, sagen wir es ihnen“.

„Ok“.

„Willkommen in Amerika“, grinste Jack sie an und lächelte, während er weiter nach den Pferden sah.

Julian konnte es nicht fassen. Charlie Fahle war kein Mann, - sondern eine Frau und was für eine. Wie ein Verrückter lief er auf der Weide hin und her, als sich John Formet sich zu ihm gesellte. Er stieg von seinem Pferd ab und trat an Julian heran.

„Alter, was ist los?“, fragte er ihn.

„Was los ist? Du willst wirklich wissen, was los ist? Ich sag dir, was los ist. Charlie Fahle ist hier!“, schrie er ihn förmlich an ohne auch nur einmal stehen zu bleiben.

„Oh. Und? Hat er mit dir gesprochen?“

„Er? Er? Das ist kein er“, brüllte er. - „Das ist eine Frau. Charlie Fahle ist eine Frau“.

„Eine Frau? Du meinst eine richtige Frau, so mit …“

„Ja Mann! Bist du schwer von Begriff. Eine Frau mit Titten, knackigem Hintern und hübschen Beinen“.

„Wow! Und was regt dich jetzt so auf?“

„John, das ist keine normale Frau so wie … was weiß ich. Diese Frau ist jung, rotz frech und sie raucht bei meinen Stallungen. Ich sag dir, mit der werden wir noch ganz schön Ärger haben“, brummte er und lief wieder zurück zu den Stallungen.

„Ähm, nur mal so im Vertrauen, das sind nicht deine Stallungen. Sie gehören Charlie Fahle“, schrie ihm John noch hinterher, doch Julian winkte nur mit seiner Hand ab. In seinem Kopf dröhnte es noch immer und er war noch immer stinksauer auf diese Frau. Der würde er mal ganz schön den Marsch blasen. Ihr Mal erklären, wer hier bisher das Sagen hatte und die Arbeit hier machte. Gerade als er die Ställe erreicht hatte, kam Jack heraus und schloss die Tür.

„Julian? Na wieder beruhigt?“

„Wo ist denn Charlie?“

„Nicht mehr da. Sie sieht sich ein wenig um“.

„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Charlie Fahle eine Frau ist?“

„Weil ich auch erst gestern Abend erfahren habe. Und ich dachte nicht, dass du dich so darüber aufregen würdest“.

„Mich aufregen? Jack ich habe mich grade zum Trottel der Nation gemacht indem ich meinen Boss beleidigt habe“, erwiderte Julian etwas in Rage.

„Ach Julian! Sie ist nicht dein Boss. Sie ist die neue Besitzerin, aber das Sagen habe ich immer noch ich. Und sie ist nicht beleidigt. Sie findet dich zum Kotzen“.

„Hat sie das gesagt?“, fragte er etwas erschüttert. Jack schüttelte den Kopf und sah dann wieder zu Julian.

„Nein, aber ich habe es an ihrem Blick gesehen, als sie die Zigarette weiter rauchen wollte. Sie hat sie weggeworfen“.

„Na super! Dann habe ich es voll vermasselt“.

„Scheint so“, sagte Jack und lief zu dem Schuppen, wo er sein Werkzeug verstaut hatte.

„Aber reg dich nicht drüber auf. Ihr müsst euch erst mal kennenlernen und dann kommt ihr bestimmt auch prima miteinander aus. Immerhin ist sie heute den ersten Tag hier.“

Na hoffentlich hast du recht, - ging es ihm durch den Kopf, als er zum Haupthaus blickte. Ihm war mulmig zumute, dass er gerade eine Frau als neue Besitzerin der Ranch haben musste. Und dann noch eine die, erstens verdammt gut aussah und zweitens jünger war als er. Viel jünger. Julian wusste, dass er sich falsch benommen hatte. Er musste sich auf alle Fälle entschuldigen. Und er hätte nicht einfach davon laufen dürfen. Aber zuerst würde er ihr erst mal ein paar Stunden Zeit geben, bevor er sie aufsuchte.

„Verdammter Mist! Oma, was tue ich hier? Kannst du mir das Mal sagen“, murmelte Charlie vor sich her, als sie in der Küche auf dem Boden saß und nach einem geeignet Topf für ihr Abendessen suchte. Die letzten Stunden hatte sie ausschließlich damit verbracht sich von Jetlag zu erholen, indem sie den ganzen Nachmittag geschlafen hatte.

„Ich bin hier fehl am Platz. Du hättest mal sehen sollen, wie dieser Kerl - dieser Julian mich angesehen hat. Ich dachte schon der will mich fressen. Obwohl wenn man ihn genauer betrachtet ist er ganz schön sexy!“

Charlie war sich sicher allein in der Küche zu sein und ihre Zwiegespräche mit ihrer toten Oma zu führen. Aber sie täuschte sich und zwar gewaltig, denn kaum hatte sie das Wort „sexy“ ausgesprochen, erklang eine tiefe Stimme hinter ihr und bedankte sich.

„Danke!“

Erschrocken fuhr Charlie herum und landete mit einem lauten Scheppern der Töpfe, die um sie herum platziert waren auf ihrem Hintern.

„Mister Gates? Ähm, was tun Sie denn hier?“

„Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie erschreckt habe, das wollte ich nicht. Ich wollte auch nicht lauschen, falls Sie das von mir denken sollten. Eigentlich bin ich auch nur hier, weil ich mich bei Ihnen entschuldigen will“.

„Wofür?“ fragte Charlie und stand auf.

Sie war wirklich hübsch,-dachte sich Julian beim Anblick von Charlie. Ihr kurzes Haar stand wirr vom Kopf ab, sie trug kein Make-up und sie war die Natürlichkeit in Person.

„Naja“, fing er an.- „Weil ich sie doch heute Morgen so angefahren habe. Ich wusste doch nicht, dass Sie …! Ich dachte Sie …!“

„Sie dachten, ich wäre ein Mann“, sagte sie und lächelte ihn an.

„Naja, Charlie ist ja nun mal kein Mädchen ... ähm ... Frauenname“.

„Ich nenne mich nur Charlie, weil ich meinen richtigen Namen hasse. Welche junge Frau heißt schon gern Charlotte. Ich jedenfalls nicht, außerdem …“

„Sie sehen auch nicht wie eine Charlotte aus“, sagte er und bereute sofort das er diese Wörter ausgesprochen hatte. - „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht unterbrechen“.

„Nein! Schon in Ordnung. Sie haben recht. Ähm ... kann ich sonst noch was für sie tun?“, fragte sie ihn schließlich als sie merkte, dass die Konversation ziemlich vom Thema abwich. Julian wachte wieder auf und wurde schlagartig wieder ernst. Pass auf Julian! - sagte er zu sich, sonst bist du verloren.

„Ähm nein, ich wollte mich eigentlich nur entschuldigen. Ich bin dann mal wieder bei den Pferden. Schönen Abend noch Ma `am“, sagte er tippte sich an seinen Hut und verschwand wieder durch die Tür.

„Ma` am? So hat mich auch noch keiner genannt, aber ich war ja auch noch nie in Amerika“ murmelte Charlie vor sich hin und widmete sich wieder ihrer Suche nach einem Topf. Als sie endlich einen gefunden hatte, stellte sie ihn auf den Herd und füllte ihn mit Wasser. Aber irgendwie war ihr plötzlich der Appetit vergangen. Daher leerte sie das Wasser wieder weg, stellte den Topf in die Spüle und ging nach draußen auf die Veranda um es sich in der Hollywoodschaukel mit einem Buch und einer Zigarette bequem zu machen. Sie hatte sich gerade hingesetzt, als Jack um die Ecke gebogen kam.

„Hallo“.

„Opa! Komm und setz dich zu mir. Julian war gerade hier und er hat sich entschuldigt. Weißt du irgendwie finde ich ihn süß, obwohl er naja er ist älter als ich, oder?“

Wohin mein Herz uns führt

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