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Kapitel 4

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Frankreich, Juli 1763

In einem kleinen Dorf nahe einem Vorort von Paris brachte Agnès Beaumont, an einem warmen Tag im Juli, zwei wunderschöne Mädchen zur Welt. Sie und ihr Mann, der Graf Philippe Beaumont, lebten auf einem großen Landgut. Mit der Geburt ihrer Töchter war für sie endlich ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Sie waren beide so glücklich über die Geburt ihrer Kinder, dass sie ein großes Fest für all ihre Freunde und ihre Bediensteten sowie die Bauern und Arbeiter von den umliegenden Höfen gaben. Jeder in ihrem Umfeld sollte an ihrer Freude teilhaben.

Obwohl als Zwillinge geboren, konnten die Mädchen nicht unterschiedlicher sein. Marguerite mit ihren großen, strahlend blauen Augen und den flachsblonden Haaren sah ihrer Schwester Soleil mit ihren dunkelbraunen Haaren und den grün-blauen Augen nicht im Entferntesten ähnlich. Das Glück der kleinen Familie war vollkommen, doch ahnte noch niemand von ihnen, dass sich schon bald alles ändern würde.

In ihren ersten Lebensmonaten waren die Mädchen wie viele andere Säuglinge. Sie schliefen viel, wurden von ihrer glücklichen Mutter oft im Garten in ihren Wägelchen herumgefahren und wurden von einer Amme versorgt da Agnès keine Milch für ihre Babys hatte. Dann passierte jedoch eines Tages etwas Merkwürdiges.

Nachdem die Amme Soleil, wie schon viele Male zuvor, an ihre Brust angelegt hatte, war sie von dem kleinen Mädchen gebissen worden. Obwohl Soleil noch keinen ihrer ersten Zähne hatte, zeigten sich in ihrem Mund zwei winzig kleine, sehr spitze Eckzähne. Noch viel schockierender für die Amme war jedoch, dass das kleine Mädchen dann begonnen hatte, das Blut, das aus der kleinen Wunde sickerte, zu trinken. Die Amme fing an zu schreien und als die Gräfin kam um zu sehen was passiert war, fand sie die Amme hysterisch zeternd vor. Die Amme hatte Soleil in ihr Bettchen zurückgelegt und schilderte der Gräfin aufgebracht was passierte war. Und obwohl die Gräfin die sehr kleine Wunde sehen konnte, die die Amme ihr zeigte, war sie sich nicht sicher ob sie glauben konnte, dass ihre kleine Soleil dafür verantwortlich sein sollte. Zumal die beiden winzigen, spitzen Zähne, die die Amme gesehen haben wollte, weder zu sehen noch zu fühlen waren. Da man an ihrem Wort zweifelte, raffte die Amme erbost ihre Sache zusammen, weigerte sich fortan die Mädchen weiter zu versorgen und versprach nie wieder auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen.

Der Graf bezahlte die Amme fürstlich und nahm ihr das Versprechen ab, nie auch nur ein Wort über den Vorfall zu verlieren.

Unmittelbar nach diesem Vorfall wurden die kleinen Mädchen krank. Nicht nur das Soleil nun jedes Mal ihre Milch wieder erbrach sobald man sie gefüttert hatte, auch Marguerite vertrug ihre Nahrung nicht mehr. Auch jedwede andere Babynahrung konnten die Zwillinge nicht mehr bei sich behalten, sie erbrachen sie fast augenblicklich wieder. Hilflos mussten die Eltern mit ansehen, wie die beiden Kinder hungrig in ihren Bettchen lagen, ohne dass sie in der Lage gewesen wären, ihren Hunger zu stillen.

Der Arzt der Familie, der eilends herbeigerufen worden war, um den Kindern zu helfen, stand vor einem Rätsel und wusste nicht, um was für eine seltsame Krankheit es sich handeln könnte. Die Prognose die der Arzt stellte, war jedoch schrecklich. Er sagte den Eltern, dass ihre Kinder sterben würden, wenn sie nicht in kürzester Zeit wieder Nahrung zu sich nehmen würden. Es gab keine Worte die das Unglück von Agnes und Philippe beschreiben konnten.

Die Amme, obwohl dazu verpflichtet nicht über den Vorfall zu sprechen, brach ihr Versprechen, zwei Abende später, als sie mit einer Freundin zusammen in der Schenke war. Sie hatte ein paar Becher Wein zu viel, als sie von den beiden Mädchen des Grafen erzählte. Sie erzählte ihrer Freundin, wie das Kind sie gebissen hatte und man ihr nicht geglaubt hatte und wie sie nun gehört hätte, dass die beiden Kinder im Sterben lagen, da sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen würden. Die beiden Frauen nahmen den Fremden, der einen Tisch neben ihnen saß, gar nicht wahr, so sehr waren sie in ihr Gespräch vertieft. Aber der gutaussehende Mann hörte genau hin und schon am nächsten Morgen sprach er bei dem Grafen Beaumont vor.

Ein Diener hatte ihm die Tür geöffnet und Dr. Edward Smith hatte überaus höflich um ein Gespräch mit dem Grafen gebeten. Der Hausdiener hatte Edward herein gebeten und ihn dann in der Halle warten lassen, um den Grafen darüber informiert, dass ein englischer Gentlemen ihn sprechen wollte.

Als Edward vor dem Grafen stand, verbeugte er sich tief und sagte in fehlerfreiem französisch: „Guten Tag Monsieur, mein Name ist Dr. Edward Smith. Ich komme aus England und bin Arzt. Ich habe letzte Nacht ihre Amme in der Schenke von ihren Kindern sprechen hören und wollte ihnen meine Hilfe anbieten.“

Wenn der Graf verärgert darüber war, dass die Amme ihr Versprechen gebrochen und doch über seine Kinder gesprochen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.

„Ich danke Ihnen Monsieur… ich bin mir aber nicht sicher, ob Sie uns helfen können“, wollte er den Herrn aus England schon höflich abwimmeln.

„Wenn ich mir ihre Kinder vielleicht einmal ansehen dürfte… ich habe solche Fälle schon behandelt.“

Der Graf blickte ihn argwöhnisch an. „Solche Fälle?“

„Nun ja, Fälle in denen Babys keinerlei Nahrung mehr zu sich nahmen und auch nichts mehr bei sich behalten konnten… und dann starben, weil sie qualvoll verhungert sind.“

Der Graf schrak zurück, hatte sich aber bereits einen Moment später wieder unter Kontrolle. Das seine Kinder sterben könnten, wenn ihnen nicht geholfen würde, das hatte ihm sein Arzt auch gesagt. Es nun noch aus dem Mund eines völlig Fremden zu hören, brachte ihm ins Bewusstsein, wie ernst es um seine Kinder stand. Er überlegte ob er seine Kinder von diesem wildfremden Mann untersuchen lassen sollte. Aber seine Frau, die unvermittelt neben ihm stand und die letzten Worte des Fremden mit angehört hatte, kam seiner Entscheidung zuvor.

„Monsieur… ich bitte Sie, sich meine Kinder anzusehen… bitte.“

Edward nickte und folgte der jungen Frau in das Kinderzimmer. Der Graf hatte keine Wahl und schloss sich ihnen an.

Die beiden kleinen Mädchen lagen in ihren Bettchen und Edward sah auf den ersten Blick, dass er noch rechtzeitig gekommen war. Allerdings brauchten die Kinder umgehend Blut.

„Können Sie ihnen helfen?“, fragte die junge Mutter hoffnungsvoll.

„Ja, das kann ich… aber vorher muss ich ihnen etwas über eine andere Welt erzählen, von Menschen, die anders sind als Sie… die so sind wie ich… und wie Ihre Kinder.“

Der Graf und seine Frau blickten ihn verständnislos an.

Edward zögerte nicht lange und offenbarte den Eltern sein wahres ich. Er hatte keine andere Wahl, denn hier stand das Leben von zwei unschuldigen Kindern auf dem Spiel. Seine grünen Augen verdunkelten sich und sahen aus wie zwei tiefe, schwarze Seen und aus seinem Mund traten rasiermesserscharfe, lange Fänge hervor. Mit gebleckten Fängen stand er vor den erschrockenen Eltern, bewegte sich jedoch keinen Zentimeter. Mit tiefer ruhiger Stimme sagte er: „Haben Sie bitte keine Angst. Ich bin ein Vampir aber ich werde Ihnen nichts tun… dennoch musste ich Ihnen mein wahres Ich offenbaren, denn Ihre Kinder sind wie ich… sie können jetzt keine normale Nahrung mehr zu sich nehmen, denn das einzige was sie jetzt noch ernähren kann, ist Blut.“ Er ließ die Worte so stehen und wartete auf eine Reaktion der Eltern. Derweilen verwandelte er sich zurück und stand nun wieder ohne seine Fänge vor ihnen und blickte sie aus seinen grünen Augen fragend an. Er hütete sich aber immer noch davor, sich zu bewegen, aus Angst die Eltern noch mehr zu erschrecken. Der Graf und die Gräfin blieben bemerkenswert ruhig angesichts der Tatsache dass ihnen ein waschechter Vampir gegenüber stand. Auch wenn sie sehr bleich geworden und sichtlich erschrocken waren.

Die Gräfin fing sich als erste. „Sie… Sie… sind wirklich ein Vampir? Und unsere Kinder sind wie Sie? Aber… das ist nicht möglich… mein Mann und ich, wir sind keine… wir sind keine Vampire… wie können wir… wie konnten unsere Kinder so werden?“

„Monsieur, dass was Sie da sagen… ist absolut unmöglich!“ Der Graf schüttelte seinen Kopf und weigerte sich dem Fremden Glauben zu schenken.

„Nein Monsieur, es ist wahr. Vampire werden nicht durch die Verwandlung erschaffen, sie… wir, werden so geboren. Wieso das so ist, das weiß noch niemand, aber Ihre Kinder sind nicht die einzigen. Es gibt viele Kinder die wie Ihre sind und unsere Gemeinde ist sehr groß. Allerdings sterben auch viele Kinder, weil die Eltern nicht wissen was mit ihren Kindern passiert. Die Kinder werden dann immer schwächer und sterben schlussendlich grausam am Hunger. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber es ist die Wahrheit.“

Die Gräfin blickte ihn verwirrt an. „Ihre Eltern… waren auch keine Vampire?“

„Nein. Meine Eltern waren liebe Menschen, wie Sie. Ich hatte, wenn Sie so wollen, das Glück, dass ein anderer Vampir in der Nähe war und meinem Vater sagte, was ich ihnen nun sage: Ihre Kinder brauchen Blut, sonst werden sie sterben.“

„Aber wie…?“, die Gräfin wusste nicht wie sie es sagen sollte.

„Die Kleinen können noch niemanden beißen, um an das Blut zu kommen, Sie müssen es ihnen geben. Sie werden jetzt auch noch nicht viel brauchen. Nur jeden Tag ein bisschen.“

„Aber Soleil hatte ihre Amme gebissen… und die hatte mir erzählt, sie hätte zwei winzige spitze Eckzähne bei ihr gesehen… als ich jedoch hinzu kam, waren die Zähne nicht mehr da… ich habe ihr daher nicht geglaubt.“

„Tatsächlich?“, fragte Edward erstaunt. Er hatte zwar gehört, wie die Amme erzählt hatte, eines der Kinder hätte sie gebissen, aber er hatte nicht angenommen, dass das Kind bereits seine Fänge hat.

„Das ist ungewöhnlich. Ich selbst habe noch kein Baby gesehen, das bereits am Anfang der Verwandlung seine Fänge hat… höchst bemerkenswert…“, murmelte er und sah die beiden kleinen Kinder vor sich an. Als er wieder aufblickte bemerkte er dass die Eltern ihn seltsam ansahen.

„Verzeihen sie mir meine Begeisterung, aber es gibt noch so viel über meine Art zu lernen.“

Er wusste, dass es für die jungen Eltern schwer war, die Wahrheit zu akzeptieren. Aber er sah bei ihnen auch die Bereitschaft sich auf die neue Situation einzustellen. Die Liebe zu ihren Kindern war größer als ihre Angst vor der Tatsache, dass ihre kleinen Mädchen Vampire waren.

Die Gräfin blickte sich hilfesuchend nach ihrem Mann um.

Dieser straffte seine Schultern und sah Edward direkt an. „Ich… äh… ich werde ihnen mein Blut geben.“

Edward war überrascht. Das war eine große vertrauensvolle Geste und er neigte kurz den Kopf vor dem Grafen, um ihm Respekt und Anerkennung für seinen Mut zu zollen.

Die Gräfin blickte ängstlich zwischen Edward und ihrem Mann hin und her. „Wird er dann nicht auch zu einem Vampir werden?“

Edward schüttelte seinen Kopf. „Nein, Ihnen wird nichts passieren. Wir können keine Menschen in Vampire verwandeln.“

„Und unseren Mädchen… wird ihnen das Blut auch nicht schaden?“

„Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ihre Kinder werden durch das Blut gestärkt werden und sie werden auch nie krank werden, wie andere Kinder… und sie werden ewig leben.“

Der Graf wirkte durch die Worte des Engländers noch entschlossener. „Zeigen Sie mir bitte, wie ich meine Kinder mit meinem Blut retten kann.“

Edward nickte und zog einen spitzen Dolch aus einer kleinen Scheide, die versteckt in seiner Jacke war, und reichte ihn an den Grafen weiter. Dann nahm er eines der kleinen Mädchen aus ihrem Bettchen.

„Hallo meine Kleine“, Edward lächelte das kleine Mädchen an, „sie ist ein wunderschönes Kind… wie heißt sie?“

„Das ist Soleil“, sagte die Gräfin stolz.

„Ah, die Kleine mit den spitzen Zähnchen“, schmunzelte er, „es ist übrigens sehr, sehr selten, dass Vampirzwillinge geboren werden. Ehrlich gesagt habe ich selbst noch nie welche gesehen.“

Er legte die kleine Soleil in die Arme ihres Vaters.

„Nun nehmen Sie den Dolch und machen einen kleinen vertikalen Schnitt in Ihren Unterarm und halten ihn Ihrer Tochter hin… sie wird instinktiv davon trinken.“

Der Graf zögerte und blickte Edward hilfesuchend an.

„Darf ich Ihnen helfen?“, fragte Edward und der Graf nickte dankbar.

Edward nahm den kleinen scharfen Dolch und machte mit einem schnellen Stich einen kleinen Schnitt von vielleicht einem Zentimeter Länge in den Unterarm, aus dem sofort das Blut hervorquoll. Der Graf zuckte nur kurz zusammen, dann hielt er seinen Arm schnell der kleinen Soleil vor den Mund. Die kleine gluckste und ihre kleinen spitzen Zähnchen traten wieder hervor. Edward sah mit hochgezogenen Brauen erstaunt zu. „Das ist wirklich bemerkenswert, ich habe noch nie gesehen, dass ein Baby schon seine Fänge hat.“ Er sah sich das Mädchen genau an und stellte fest, dass sich ihre Augen nicht verändert hatten. Seltsam, dachte er und hätte sich am liebsten gleich Notizen gemacht. Wieder etwas das es zu erforschen galt.

Beinah gierig begann das kleine Mädchen an der Wunde zu saugen und das Blut in sich aufzunehmen.

Der Graf sah verwundert zu und musste unwillkürlich lächeln. Er freute sich so sehr über die Reaktion seiner Tochter, dass der kurze Schmerz von dem Einschnitt und der Schock darüber, was seine geliebten Kinder waren, beinah vergessen waren.

„Sie ist so hungrig…“, stellte er fest und blickte Edward an.

Dieser nickte ihm zu. Das hier war viel einfacher gelaufen als er es je erwartet hätte. Die meisten Eltern von Vampirkindern, die er bisher kennen gelernt hatte, waren nicht so verständnisvoll gewesen. Einige hatten ihn sofort aus dem Haus gejagt, weil sie ihm keinen Glauben schenken wollten und er hatte die Erinnerungen der Eltern löschen müssen, um die Kinder zu retten. Er hatte sie ihre Kinder vergessen lassen und die Kinder dann in die Obhut von Vampiren gegeben, die sie dann liebevoll aufzogen. Viele Babys waren aber qualvoll verhungert oder gar von ihren Eltern getötet worden, weil er zu spät gekommen war.

Diese Eltern hier jedoch, würden ihre Mädchen füttern, bis sie alt genug waren um sich selbst zu ernähren und das war sogar mehr, als selbst seine Eltern für ihn getan hatten.

Die Gräfin sah ihrem Mann dabei zu, wie er ihre Tochter fütterte und wollte ihm diese Aufgabe nicht allein überlassen.

„Bitte Monsieur, helfen Sie mir bei Marguerite… ich will sie mit meinem Blut… füttern.“

Sie nahm das kleine blonde Mädchen, mit den faszinierenden großen blauen Augen, aus ihrem Bettchen und legte es sich in die Arme. Genau wie zuvor bei dem Grafen, fügte Edward der Mutter einen kleinen Schnitt am Unterarm zu, von dem die Gräfin dann ihre kleine Tochter trinken ließ.

Er blieb bis die beiden Kinder gesättigt waren, nahm den Eltern die Kinder wieder ab und legte sie zurück in ihre Bettchen. Dann versorgte er die kleinen Wunden der Eltern, indem er ihnen einen Verband anlegte.

„Wenn Ihre Kinder älter werden und Sie die beiden wieder von sich trinken lassen, dann lassen Sie sich von den Kindern über die Wunden lecken, sie werden dann umgehend heilen.“

Der Graf blickte ihn fragend an. „Wie das?“

Edward schmunzelte und zuckte mich seinen Schultern. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso der Speichel von Vampiren eine heilende Wirkung hat… aber es ist so.“

„Wie oft müssen unsere Kinder Blut trinken um zu überleben?“

„Jeden Tag ein bisschen.“

„Und darf es auch das Blut eines Tieres sein?“

Edward schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, leider nicht. Nur das Blut aus der Ader eines lebenden Menschen erhält uns am Leben.“

„Das heißt wir müssen unsere Kinder täglich von uns trinken lassen?“

Edward nickte auf die Frage der Gräfin.

„Haben sie keine Angst, Ihre Kinder brauchen nur wenig und es wird Ihnen nicht schaden. Wenn Ihre Kinder alt genug sind und erlernt haben, wie man die Erinnerungen von Menschen löscht, dann können sie von jedem Menschen trinken und es ihn danach wieder vergessen lassen.

„Vampire können die Erinnerungen von Menschen löschen?“

„Ja, eine Gabe mit der ich schon viele Vampirkinder retten konnte.“

„Sie hätten das auch bei uns gemacht, wenn wir Ihnen nicht geglaubt hätten“, stellte der Graf ruhig fest.

„Ich hätte es versucht. Sie leben in einer großen Gemeinschaft und sehr viele Menschen wissen von den beiden Mädchen. Daher wäre es nicht einfach geworden, jeden ausfindig zu machen der Kenntnis von den Zwillingen gehabt hat. Aber ich hätte es versucht… nur um die beiden Kinder zu retten.“

Der Graf verstand und nickte nur.

Als die Kinder eingeschlafen waren, forderte der Graf Edward auf, ihm und seiner Frau in den Salon zu folgen.

„Ich weiß nicht wie ich Ihnen danken soll“, sagte der Graf, kaum dass sich die Türen zum Salon geschlossen hatten. „Sie haben heute das Leben unserer Kinder gerettet.“

„Ich danke Ihnen, dass Sie so mutig waren und mir geglaubt haben und das Sie so verständnisvoll sind.“

„Ehrlich gesagt ist es immer noch schwer zu glauben, dass es Vampire wirklich gibt und das unsere Kinder als solche geboren wurden… wir haben schon so viele schreckliche Geschichten über Vampire gehört.“

„Nun ja, leider gibt es böse Vampire wie es auch böse Menschen gibt. Aber nur von den bösen Vampiren hat man je gehört und dadurch sind die Geschichten und Legenden und auch die Angst vor Vampiren entstanden. Ich kann ihnen aber versichern, dass viele meiner Art friedlich neben den Menschen leben und alles tun um niemanden zu verletzen oder gar zu töten.“

„Nun, da wir Sie getroffen haben, glaube ich das gern… erzählen Sie uns bitte mehr… was können wir noch tun… was müssen wir noch wissen?“, bat ihn der Graf.

Edward erzählte den Eltern alles was er über das Vampirdasein wusste. Von den besonderen Fähigkeiten bis hin zu ihren Schwächen. Staunend stellten sie ihm immer mehr Fragen und es freute ihn, das sie alles begierig aufnahmen, was er ihnen zu erzählen hatte.

Die Gräfin setzte sich neben ihren Mann. „Es ist beruhigend zu wissen, dass unsere Kinder nie krank werden können und ihnen ein langes Leben beschieden sein wird… aber auch ein bisschen beängstigend… werden die Menschen um uns herum nicht misstrauisch werden?“ „Das kann natürlich passieren. Sie sollten Ihre Kinder deswegen aber nicht vor der Welt verstecken. Ich rate Ihnen auch, Ihren Töchtern sobald sie es verstehen können, die Wahrheit über sie zu erzählen… denn sie werden schon in wenigen Jahren ein paar ihrer Fähigkeiten entwickeln… und sie werden Ihnen dann sicherlich auch Fragen stellen.“

Die Eltern nickten beide.

„Und da Ihre kleine Soleil schon Fänge hat, halten Sie ihr das nächste Mal nur Ihr Handgelenk hin, sie wird dann mit Sicherheit von allein zubeißen und trinken können.“

Der Graf erinnerte sich an das was Edward etwas früher erwähnt hatte. „Sie sagten vorhin, dass es ungewöhnlich wäre, dass Kinder in diesem Alter schon ihre… Fänge… haben.“

„Das ist richtig. Aber nur weil ich noch niemals zuvor ein Kind in diesem Alter mit Fängen gesehen habe. Die Welt ist groß und Vampire gibt es auf allen Kontinenten. Es kann also durchaus sein, dass es nicht so besonders ist, wie ich zu glauben scheine.“

„Sie wollen damit sagen, dass es noch viel über die Vampire zu lernen gibt.“

Edward lächelte den Grafen an und nickte. „Genau das. Ich weiß, dass ist ziemlich viel, was es jetzt für Sie zu verkraften gibt… aber mit der Zeit wird sich alles finden… und sollten Sie mal Hilfe brauchen, dann gebe ich Ihnen meine Adresse unter der Sie mich erreichen können. Schicken Sie mir einen Brief mit Ihren Fragen oder wenn es erforderlich sein sollte, so komme ich Sie auch gerne wieder besuchen. Wenn Sie erlauben. Ich muss gestehen, dass ich sehr neugierig bin, wie sich Ihre kleinen Mädchen entwickeln werden.“

„Vielen Dank…Monsieur Smith“, verneigte sich der Graf in aufrichtiger Dankbarkeit.

„Gerne. Und wenn Sie möchten, können Sie mich gerne Edward nennen.“

„Das machen wir gern“, freute sich der Graf. „Ich bin Philippe und das ist meine Frau Agnès.“

Die beiden baten ihn noch zu bleiben und so blieb Edward noch bis zum späten Abend. Auf die Bitte der beiden hin, erzählte er ihnen von seinem bisherigen Leben und sie waren sehr erstaunt zu hören, das er beinah zweihundert Jahre alt war. Als er sich dann verabschiedete küsste ihn Agnès dankbar auf die Wange und Philippe schüttelte ihm die Hand. Obwohl er Edward anbot, ihn in seiner Kutsche zurück zur Schenke fahren, wo Edward ein Zimmer gemietet hatte, lehnte Edward das Angebot ab. Das war das erste und letzte Mal das der Graf und die Gräfin den Engländer sahen.

Auf seinem Weg zurück zu seiner Unterkunft, dachte Edward noch einmal über die beiden Vampirzwillinge nach. Er war sich sicher, dass sie in guten Händen waren und das gab ihm ein gutes Gefühl.

Noch in derselben Nacht überlegten der Graf und die Gräfin ob sie einige ihrer Bediensteten ins Vertrauen ziehen sollten. Denn wenn die Mädchen erst einmal ihre Fähigkeiten bekamen, dann würde es bestimmt zu ungewöhnlichen Vorfällen kommen, die dann wiederum zu unbequemen Fragen oder Gerüchte führen könnten. Und das wollten sie von vorn herein vermeiden. Sie wussten aber auch, dass sie ein hohes Risiko eingehen würden, wenn sie jemanden von der Andersartigkeit ihrer Kinder erzählen würden. Die Entscheidung fiel ihnen nicht leicht. Aber sie brauchten unbedingt Hilfe und Unterstützung.

Am nächsten Morgen weihten die beiden drei Menschen in ihr Geheimnis ein: ihren Hausdiener Antoine, die Hausdame Madame d'Autreille und die Köchin Ernestine. Diese drei Menschen waren schon seit sehr vielen Jahren bei ihnen und ihre engsten und vertrautesten Bediensteten.

Als der Graf und die Gräfin die drei zu sich riefen, hatten die noch keine Ahnung, welches Geheimnis sie von nun an zu bewahren hatten.

Die Gräfin bat die drei sich zu setzen. Noch niemals zuvor waren die Bediensteten dazu aufgefordert worden, sich in Gegenwart des Grafen und der Gräfin zu setzen. Besonders Antoine blickte die Gräfin geradezu entsetzt an. Aber sie bestand darauf.

„Bitte“, sagte sie und die drei setzten sich zögerlich auf das kleine Sofa.

Der Graf räusperte sich. „Ich weiß nicht so recht, wo ich beginnen soll“, gestand er, „Sie wissen ja, dass wir gestern einen Besucher hatten, einen Arzt aus England, der sich unsere Mädchen angesehen hat.“

„Wie hörten, dass es den beiden wieder gut gehen soll… stimmt das Monsieur?“, fragte die Köchin Ernestine hoffnungsvoll. Wussten doch alle im Haus dass die Mädchen sehr krank gewesen waren.

Die Gräfin lächelte. „Ja, unseren Mädchen geht es wieder sehr gut.“

Man konnte der Köchin, als auch Antoine und der Hausdame, die Erleichterung an ihren Gesichtern ablesen.

„Ja und deshalb haben wir Sie heute zu uns gebeten“, der Graf sah jeden seiner Bediensteten direkt an. „Unsere Kinder sind… anders… etwas Besonderes… sie… sie haben bestimmte Bedürfnisse…“, er blickte seine Frau hilfesuchend an. Sie stellte sich vor die drei und blickte sie freundlich lächelnd an. „Unsere Kinder sind…“

Es fiel beiden offensichtlich nicht leicht darüber zu sprechen. Antoine richtete das Wort an den Grafen.

„Monsieur, sie können absolut sicher sein, dass alles was sie uns erzählen werden, vertraulich behandelt und diese vier Wände nicht verlassen wird.“ Wie zur Bestätigung nickten die beiden Frau zu seiner Aussage. Der Graf nickte ihm dankend zu. „Nun gut… unsere Kinder sind… Vampire… und sie brauchen Blut um zu überleben.“ Jetzt ist es raus, dachte er nur. Seine Frau nickte eifrig und erklärte weiter: „Der Arzt der gestern hier war, Dr. Smith, ist selbst auch ein Vampir, deshalb wusste er, warum unsere Mädchen krank waren.“

Man konnte den dreien ansehen, dass sie nicht nur an den Worten ihrer Herrschaften zweifelten, sondern wohl auch an dessen Verstand.

„Es ist wahr“, bekräftigte die Gräfin, die die ungläubigen Blicke natürlich bemerkt hatte. „Er hat sich vor unseren Augen verwandelt und er erzählte uns auch, dass die Geschichten über Vampire nicht der Wahrheit entsprechen. Vampire werden wie ganz normale Menschen geboren und verändern sich dann in den ersten Lebensmonaten. Ab der Veränderung können die kleinen Wesen dann keine menschliche Nahrung mehr zu sich nehmen und brauchen das Blut eines Menschen um zu überleben. Der Graf und ich werden unsere Mädchen täglich mit unserem Blut versorgen, damit sie überleben werden.“

Der Graf bekräftige dann noch einmal dass er alles dafür tun würde, um seine Mädchen zu schützen und erzählte ihnen auch noch von all den anderen Dingen, die Edward ihm am Tag zuvor über Vampire anvertraut hatte.

Als er geendet hatte, war es für einige Momente vollkommen still im Raum. Der Graf und die Gräfin warteten auf eine Reaktion ihrer treuen Bediensteten.

Unerwartet ruhig und gefasst hatten die drei die erstaunlichen Dinge, die ihnen der Graf und die Gräfin erzählt hatten, aufgenommen. Obwohl die Tatsache, dass es Vampire wirklich geben sollte und diese auch noch friedlich unter den Menschen leben sollten, nicht leicht zu verdauen war. Konnten Sie der Geschichte wirklich Glauben schenken? Jeder für sich schien mit seinem Gewissen zu ringen. Allerdings waren in den letzten Tagen wirklich seltsame Dinge geschehen. Wussten sie doch alle von dem Vorfall mit der Amme, vom Besuch des Engländers und der Tatsache, dass es den Kindern nach dem Besuch des Fremden, wie durch ein Wunder, wieder besser ging. Wo sie vorher doch schon hatten fürchten müssen, dass die Kinder bald sterben würden. Sie wären nie im Leben darauf gekommen, dass die beiden unschuldigen Kinder als Vampire geboren worden waren.

Die beiden Frauen sahen Antoine an und nickten dem Hausdiener zu. Er räusperte sich und erhob sich. „Ich spreche für uns alle, wenn ich Ihnen versichere, dass wir alles tun werden, um das Geheimnis Ihrer Kinder zu schützen. Sie mögen als…“, das Wort Vampir wollte ihm dann doch noch nicht so leicht über die Lippen kommen, „als etwas anderes auf die Welt gekommen sein, aber es sind unschuldige Kinder, die nichts für das können, was sie nun mal sind. Was immer Sie brauchen, scheuen Sie sich nicht um Hilfe zu bitten, wir werden für Sie da sein.“ Auch die beiden Frauen waren aufgestanden und hatten sich neben Antoine gestellt, wie um seine Aussage noch zu bekräftigen.

Der Graf und die Gräfin waren sehr gerührt und dankbar. Der Graf ging zu Antoine und hielt ihm zum Dank die Hand hin. Der Hausdiener ergriff diese zögerlich. Dann dankte ihm der Graf von ganzen Herzen. Die Gräfin nahm spontan nacheinander die Hausdame und die Köchin kurzerhand dankbar in den Arm und drückte sie an sich.

„Vielen, vielen Dank, dass Sie so verständnisvoll sind… ich hätte nicht gewusst wie wir ohne Ihre Hilfe unsere Mädchen hätten beschützen können.“

Die beiden Damen waren leicht beschämt über die unerwartete Gefühlsäußerung der Gräfin, fingen sich aber schnell wieder und lächelten die Gräfin an.

Die Fütterung der Mädchen übernahmen der Graf und die Gräfin ganz allein. Lediglich Antoine durfte dabei sein und ihnen helfen. Gerade in den ersten Wochen, kostete es die beiden immer noch etwas Überwindung sich selbst zu verletzten, damit sie ihre Kinder mit ihrem Blut füttern konnten. Wobei Edward Recht behalten sollte. Die Gräfin hatte Soleil eines Tages ihr Handgelenk einfach nur vor den Mund gehalten, ohne sich zu schneiden und da das Mädchen Hunger hatte, traten zwei winzige spitze Fänge aus ihrem Mund hervor und sie biss ihrer Mutter in das dargebotenen Handgelenk. Schon im nächsten Moment begann das Mädchen aus der Wunde zu trinken. Von da an brauchte nur noch Marguerite Hilfe bei der Nahrungsaufnahme. Die Fänge von Marguerite entwickelten sich erst als sie ein Jahr alt wurde.

Die kleinen Mädchen wuchsen heran wie alle anderen Kleinkinder. Als sie so weit waren zu verstehen, dass sie nicht wie andere Kinder waren, erzählten ihnen ihre Eltern, von ihrer Andersartigkeit und ihren Fähigkeiten. Die Mädchen wuchsen wohlbehütet auf, auch dank der Hilfe von Antoine, Madame d'Autreille und Ernestine. Sie entwickelten all die Fähigkeiten von denen Edward den Eltern erzählt hatte. Oft mussten die Eltern den beiden Mädchen die Geschichte von dem Fremden erzählen, der ihnen einst ihr Leben gerettet hatte, denn die Kinder waren fasziniert von dem Engländer mit Namen Edward, war er doch wie sie. Als sie sechs Jahre alt waren engagierten die Eltern einen Lehrer, der ihnen das Lesen und Schreiben beibrachte und sie ein paar Jahre später in der Kunst der Musik und der Malerei unterrichtete. Die Schwestern liebten es zu lesen und ihr Vater kaufte ihnen alle Bücher die er auftreiben konnte. Über die Jahre ergab sich daraus eine staatliche Bibliothek in denen die Mädchen die meiste Zeit ihres Lebens verbrachten.

Mit zwölf hatten sie die Gabe, die Erinnerungen von Menschen zu löschen, perfekt erlernt. Zum Leidwesen ihrer Eltern, hatte sie zum Üben oftmals Antoine benutzt. Wenn ihr Vater oder ihre Mutter ihm einen Auftrag erteilt hatte, dann hatten die Mädchen ihn diesen wieder vergessen lassen. Als ihre Eltern davon erfuhren, verboten sie den Mädchen, ihre Fähigkeiten am Personal auszuprobieren. Weiter hatten beide noch die Fähigkeit entwickelt, Erinnerungen nicht nur zu löschen, sondern auch zu manipulierten, also durch falsche Erinnerungen zu ersetzen. Mit der Fähigkeit die Erinnerungen von Menschen löschen oder manipulieren zu können, waren sie nicht mehr auf das Blut ihrer Eltern angewiesen. Da sie auch schon über ihre übernatürliche Stärke und Kraft verfügten, gingen sie von da an jede Nacht allein nach draußen um sich zu nähren. Sie waren so vorsichtig, dass nie jemand verletzt wurde oder ihr Geheimnis ans Licht kam.

Ihre erste Erfahrung mit dem männlichen Geschlecht hatte Soleil im Alter von siebzehn Jahren. Sie hatte schon eine ganze Weile für einen hübschen jungen Mann aus dem Dorf geschwärmt. Er war zwei Jahre älter als sie, hatte haselnussbraune Augen, hellblonde Locken und war von großer Statur. Als sie ihn mal allein angetroffen hatte, war sie nicht schüchtern gewesen und hatte ihn in ein Gespräch verwickelt. Dabei stellte sich heraus, dass auch er schon eine ganze Weile an der schönen Brünetten interessiert war. Seine Absichten waren nur allzu deutlich und Soleil war mehr als begierig ihre ersten Erfahrungen mit einem Mann zu machen. Sie trafen sich zwei Wochen lang, jeden Tag. Sie unterhielten sich nicht viel sondern lagen irgendwo ungesehen im Stroh und küssten und liebkosten sich. Als sie nicht mehr die Finger voneinander lassen konnten, verabredeten sie sich einen Abend und trafen sich zu einem heimlichen Stelldichein. Es gab eine kleine verlassene Hütte im Wald, zu der der junge Mann sie führte. Es war für Soleil das erste Mal und der junge Mann hätte nicht zärtlicher sein können. Soleils Leidenschaft war entfacht worden und als sie schwer atmend in seinen Armen lag, begehrte sie ihn immer noch und der junge Mann war erfreut, dass sie es in dieser Nacht nicht nur bei einem Mal beließen. Während sie zum dritten Mal in dieser Nacht miteinander schliefen, gab sich Soleil in ihrer Leidenschaft dem Begehren nach einem anderen Hunger hin und biss ihm in den Hals und trank von ihm. Als ihr bewusst war, was sie gerade getan hatte, musste sie seine Erinnerungen teilweise wieder löschen. So beließ sie ihm die Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Nacht und löschte ihm die Erinnerung daran, dass sie ihn gebissen hatte. Obwohl sie das Gefühl gehabt hatte, dass es ihm sogar gefallen hatte, durfte sie kein Risiko eingehen. Von diesem Abend an, trafen sich die beiden des Öfteren. Aber, wie junge Männer so sein können, verliebte sich dieser nach ein paar Monaten in ein Mädchen aus dem Dorf und traf Soleil von da an nicht mehr.

Soleil war darüber vielleicht ein wenig enttäuscht gewesen aber gewiss nicht am Boden zerstört. Sie hatte ihn nicht geliebt, sondern nur die gemeinsamen Stunden mit ihm sehr genossen.

Als sie danach anfing über Männer und eine Beziehung mit ihnen nachzudenken, wurde ihr klar, dass sie sich nie ernsthaft verlieben durfte. Denn sie würde für immer jung bleiben. Aber der Mann an ihrer Seite, würde alt werden und sterben. Und wenn ihre Eltern Recht behalten würden und sie eine Unsterbliche war und somit hunderte von Jahren leben konnte, wollte sie nicht alle paar Jahrzehnte um einen Liebsten trauern. Das, und da war sie sich sicher, würde ihr Herz nicht verkraften. Also hatte sie ganz allein für sich beschlossen, dass sie zwar ihre Bedürfnisse mit Männern teilen würde, sich aber niemals verlieben wollte.

Marguerite hatte ihre Schwester oft zum Thema „Liebe machen“ ausgefragt und war schon ganz begierig darauf, auch ihre erste Erfahrung zu machen. Allerdings war ihr noch kein Mann über den Weg gelaufen, mit dem sie derart intim werden wollte. Das änderte sich erst, als eine Familie mit vier Söhnen ins Dorf zog. Die jungen Männer waren im Alter zwischen achtzehn und zweiundzwanzig und alle waren ausnehmend gutaussehend und gut gewachsen. Marguerite hatte ein Auge auf den ältesten der vier Brüder geworfen und war nun jeden Tag im Dorf, in der Hoffnung, dass sie ihm auffallen würde. Marguerite war eine sehr schöne junge Frau mit der übernatürlichen Anziehungskraft eines Vampirs. Natürlich war dem jungen Mann die Tochter des Grafen schon aufgefallen, aber er hatte sich bisher noch nicht getraut sie anzusprechen. Als Marguerite nur wenige Tage später mit der ganzen Familie zu einem Dorffest kam, raffte er all seinen Mut zusammen und bat sie zum Tanz. Sie war sehr erfreut darüber, dass er sie aufgefordert hatte und sie tanzen den ganzen Abend lang zusammen. Zwischen den Tänzen unterhielten sie sich angeregt und tranken Wein. Soleil konnte sehen, dass der junge Mann ganz vernarrt in ihre Schwester war und freute sich sehr für sie.

Es war schon sehr spät, und die meisten hatten das Fest bereits verlassen. Der junge Mann hatte Marguerite bei der Hand genommen und sie zu einer abgeschiedene Ecke geführt. Ob der Alkohol ihm Mut gab oder er sie derart begehrte, dass er sich nicht mehr zurückhalten konnte, wusste sie nicht. Aber kaum dass sie niemand mehr sehen konnte, hatte er sie an sich gezogen und sie leidenschaftlich geküsst. Marguerite schmolz dahin und stand förmlich in Flammen. Sie wollte mehr und er konnte nicht verheimlichen, dass auch er sie wollte. Also führte Marguerite den jungen Mann zu der verlassenen Hütte, von der Soleil ihr erzählt hatte. Sie musste ihn nicht groß dazu überreden mit ihr zu schlafen und so verlor sie in dieser Nacht ihre Unschuld.

Später erzählte sie ihrer Schwester von ihrer ersten gemeinsamen Nacht mit einem Mann und hoffte, dass es immer so schön sein würde, wie in dieser Nacht.

Wo sich Soleil mit ihrem Herzen von ihren Liebschaften distanzierte, hing Marguerite sehr an dem jungen Mann. Sie trafen sich sehr oft und Soleil konnte sehen, dass ihre Schwester sehr verliebt war. Und dann passierte das, wovor Soleil immer Angst gehabt hatte. Der junge Mann, dem ihre Schwester so zugetan war, wurde sehr krank. In nur wenigen Tagen stand es immer schlechter um ihn und ein paar Wochen später erlag er seinem Leiden.

Marguerite war am Boden zerstört. Sie lag in den Armen ihrer Schwester und weinte tagelang. Genau aus diesem Grund hatte sich Soleil immer zurückgehalten, tiefere Gefühle für einen Mann zu empfinden. Den Schmerz den ihre Schwester gerade empfand wollte sie nie fühlen.

Als Marguerite sich nach ein paar Tage wieder gefasst hatte, hatte Soleil ihr von ihrer Einstellung im Umgang mit Männern und den Gefühlen für sie erzählt. Auch wenn es durchaus logisch klang, was ihre Schwester ihr erzählte, konnte Marguerite ihre Gefühle nicht einfach so ausschalten und sie glaubte auch nicht, dass sie das wirklich wollte.

Über die Jahre lernten die beiden Frauen viele Männer kennen. Einige streiften nur kurz das Leben der Frauen andere verweilten etwas. Aber mit keinem der Männer war eine von ihnen eine längere Beziehung eingegangen. Soleil, weil sie es einfach nicht zuließ und Marguerite weil sie immer noch an den jungen Mann aus ihrem Dorf denken musste, den sie so geliebt hatte und sie hatte Angst davor, wieder diesen tiefen Schmerz des Verlustes fühlen zu müssen.

Vampire in New York

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