Читать книгу Schatten auf meiner Seele - Bine Thunder - Страница 4

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Der Sommer war seit einigen Wochen still und leise dahin geschlichen und der Herbst hatte in unserem Moseltal seinen Einzug gehalten. Die Reben hatten ihr schönstes Blätterkleid angezogen und die Weinberge erstrahlten goldgelb und rötlich gefärbt, zum Teil war noch das sommerliche Grün in der glänzenden Herbstsonne erkennbar.

Ich fühle mich etwas stark ausgebrannt und abgearbeitet, die vergangene Gästesaison war aufreibend und sehr anstrengend, hinzu kam die kurzfristige, schlechte Nachricht vom Herzinfarkt meines älteren Bruders und so wurde wieder einmal mein Tagesablauf zusätzlich negativ belastet, zumal mein Bruder erst sechsundvierzig Lenze verzeichnen konnte. Sicher, er hat nie wie ein Asket gelebt, gutes fettiges Essen, dazu erhöhter Alkoholgenuss, das Resultat Übergewicht, dazu starkes Rauchen und Null Sport, all dies gab sicherlich den Ausschlag für diesen körperlichen Warnschuss.

Eigentlich sehr bedauerlich, dass es immer erst zu solchen Ausfällen kommen musste, bis wir Menschen zur Einsicht und Vernunft gelangen, aber vielleicht war es hier noch nicht zu spät? Vorerst blieb nur die Hoffnung auf die benötigte ärztliche Kunst und auf die Einsicht, dass mein Bruder sein Leben von Grund auf verändern musste.

Ich wollte eigentlich keine zusätzliche Hiobsbotschaft und Aufregung vor meinem geplanten Auslandsaufenthalt erhalten, aber diese Nachricht lies auch mich erneut in mein geschundenes Körperinneres horchen. Hatte ich mir in den letzten Wochen und Monaten nicht doch zu viel aufgebürdet, mein Muskelapparat schmerzte und einige Kontrollbesuche bei meinen Ärzten standen noch kurzfristig an. Es galt noch die Reiseapotheke auf den neusten Stand zu bringen, die abgelaufenen Medikamente zu entsorgen und im Einklang mit meinen bestehenden Allergien und auf den Rat der Ärzte zu vervollständigen.

Das geplante Treffen an der Mosel mit meinem Bruder und meiner Schwägerin fiel sprichwörtlich ins Wasser und so blieben nur tröstende Worte am Telefon für die doch sehr verschreckte Schwägerin.

Nun musste ich mein gesamtes Augenmerk auf den Geschäftsabschluss, die Steuerangelegenheiten, den noch erforderlichen Schriftverkehr, den Ausbau und die Renovierung meines zweiten Gästehauses und auf die bevorstehende Urlaubsreise richten.

In Gedanken stets bei meinen Bruder und in Abarbeitung der zu erledigenden Arbeiten, so vergingen die letzten Oktobertage wie im Fluge.

Das Urlaubsgepäck war in den Koffern verstaut und ich hatte ein schlechtes Gewissen, da sich die Koffer kaum bewegen ließen, hoffentlich gibt es kein Problem am Abflughafen, es war mein letzter Gedanke am Abend vor der Abreise.

Wir hatten uns, mein Lebensgefährte und ich, eine fast umsteigefreie Zugverbindung heraus gesucht und so ging es mit dem Taxi zum Zug und später mit dem pünktlich abhebenden Flugzeug Richtung Nordafrika.

Einen Koffer mussten wir notgedrungen etwas umpacken, da neununddreissig Kilogramm für einen Koffer doch etwas happig waren. Damals war das Gepäckgewicht noch nicht so stark reglementiert wie Heute, das waren diesbezüglich noch sehr angenehme Bedingungen.

Tunesien sollte für die nächsten Wochen unsere Wahlheimat werden, hier sollte meine Regenerierung und mein körperliches Wohlbefinden auf ein neues seelisches Hoch eingestellt werden, mit Unterstützung meines Freundes sollte dies schon gelingen?

Es tat gut, die nebligen, trüben Novembertage in Deutschland hinter sich zulassen und in einem Spätsommer in Nordafrika einzutauchen. Wir hatten schon früher mit dem Gedanken gespielt, die kalte Jahreszeit im warmen Ausland zuverbringen, dies gelang uns nun schon im vierten Jahr und wir lernten diesbezüglich immer noch hinzu. Für mich sollte es zum ersten Mal ganz ohne Schuldgefühle sein, denn seit dem Sommer war ich Vollrentner und ich hoffte auch mit diesem neuen Umstand seelisch klar zukommen. Für Außenstehende war es sicher nicht ganz einfach, meinen inneren Konflikt diesbezüglich zu verstehen.

Ich versuche diesen Zustand einmal zu erklären. Bisher musste ich meinen Lebensunterhalt stets selbst verdienen, war dafür eigenverantwortlich, dass ich gesundheitlich einigermaßen über die Runden kam und nicht in einem unsozialen Freiraum abzustürzen drohte und nun war es auf einmal alles anders. Ich bekam jeden Monat meine Rente auf das Konto überwiesen, kein Mensch, kein Amt fragte danach ob ich gesund oder krank war, es interessierte sich keiner für mich, zumindest von der Amtsseite her. Mein Freund und Lebensgefährte war davon natürlich ausgenommen, er amüsiert sich über meine Gedankenspiele, aber so war ich nun einmal gestrickt …

Ich hoffte diese Zweifel würden sich bald legen legen und mein begonnenes Rentnerdasein würde auch für mich ohne Gewissensbisse akzeptabel?

Unser Hotel und das Essen lies nichts zu wünschen übrig und das warme Spätsommer-Wetter gab alle Freiräume für ausgiebige Spaziergänge, ausgedehnte Stadtbummels sowie Entdeckungsfahrten, teils mit der landesüblichen Schmalspur-Eisenbahn mit 1. Klasseabteil einschließlich durchgesessener Sitzpolstern, wo man(n) oder Frau jeden Schienen- und Weichenstoss bis in das Knochenmark wahr nahm oder mit den öffentlichen Bussen, bis hin zu den Taxis.

Die Fahrpreise bewegten sich allesamt im Subventionsbereich und waren für unsere europäischen Verhältnisse mit Cent-Beträgen zu übersetzen.

Wir hatten uns auch vorgenommen, langsam behutsam steigernd, uns etwas sportlichere Betätigung aufzuerlegen, nach den ersten eingelegten Übungen hatten wir jedoch sehr schnell festgestellt, dass die von Sir Winston Churchill aufgestellte These „Sport ist Mord …“ sehr zutreffend ausgesprochen war.

Einschleichender Muskelkater, schwere Gliedmaßen und das berühmte „LMAA-Gefühl“ konnten uns nicht entmutigen und so erweiterten wir unsere sportliche Palette über Gymnastik, Laufen, Tennis spielen, Golfen und Schwimmen bis hin zum Fitness-Studio, hörte sich doch ganz toll an oder?

Das Schöne daran war, dass wir alles ohne Zwang uns auferlegten und doch irgendwie Spaß und Freude an diesen sportlichen Aktivitäten hatten, auch wenn manchmal alles schmerzte und sich am nächsten Tag ein hausgemachter Muskelkater einstellte.

Nun hieß es erst einmal einen kleinen Fahrplan in unseren Aufenthalt zu bekommen, so ganz ohne Planung wollten wir uns nicht „quälen“. Wir erkundeten erst einmal das Umfeld unseres Hotelkomplexes, mit dem Hallenbad und der Poolandschaft, dem Strand und den hoteleigenen Spa-Bereich mit der Salzwassertherme, denn wir wollten schon einmal wissen, ob die angepriesenen Einrichtungen auch vor Ort waren. Einige Tage später wurden unsere Erkundungskreise wesentlich größer, es ging in die Stadt, den Hafen, in verschiedene andere Hotels zur Information, dann in die Medina mit dem faszinierenden Souk und den naheliegenden Golfplätzen, zu denen wir mit den kostenlosen Hotelshutels chauffiert wurden.

Wir konnten mit dem Angebot und der nun erfolgten Unterbringung mehr als zu Frieden sein, ich erholte mich bestens, war entspannt, auch die von mir erhoffte innere Ruhe schien mit dem Abstand nach Hause, endlich wieder eingekehrt zu sein.

Am nächsten Tag hatten wir eine Golfrunde eingeplant, der Platz war uns noch aus den vergangenen Jahren bekannt, vor zwei Jahren waren wir schon einmal hier zu Gast und hatten eine ganz passable Golfrunde gespielt und mein Freund hatte hier aus circa fünfundachtzig Metern ein „Hole in One“ geschlagen, sein bisher Einziges. Bei strahlenden Sonnenschein und azurblauen Himmel ging es zum Warmspielen auf die Übungsgrüns, hier stellten wir fest, dass wir noch ganz gut im Schwung waren. Übermütig gingen wir auf unsere erste kleine Neunlochrunde. Wir stachelten uns gegenseitig an, hatten somit viel Spaß und ich konnte meinen Freund sehr gut Paroli bieten, obwohl ich erst Handicap 34 und er, der Gute hatte HCP 30.

Aber dann zwischen Loch vier und fünf musste ich feststellen, dass meine Kondition am Einknicken und ich an meiner Leistungsgrenze angekommen war, der kleine Anstieg im Gelände, einer Almwiese gleichgestellt, hatte mich geschafft. Die Sonne, der Hang und mein Golfwagen, im Fachjargon Buggy genannt, waren zu viel, mein Freund musste mich über die nicht enden wollende Kuppe abschleppen, oben eine vernünftige Verschnaufpause mit Mineralwasser und etwas Traubenzucker und schon ging es gemütlichen Schrittes auf der anderen Seite zum nächsten Abschlag, wo dann das „Schärfste“ von meinen Freund kam.

Dieser „Oberganove“ nutzte doch meine Aufstiegs-Schwäche total aus und schlug am Loch Nummer sechs sein erstes „Hole in One“, ein Ass vom Abschlag bis ins Loch, selbst die im Loch steckende Fahne konnte seinen präzisen Schlag nicht standhalten. Am Abschlag hatten wir Beide diesen Superschlag nicht wahrgenommen, die Sonne stand im Gegenlicht und die Sicht war dadurch doch sehr eingeschränkt, deshalb machten wir uns erst einmal vom Abschlag zum Green, der Ball war nicht erkennbar, die Richtung jedoch bekannt.

Nun war ich erst einmal an der Reihe, auch ein sehr guter Abschlag von meinem Abschlags-Plateau, dass etwas unterhalb vom Abschlag meines Freundes lag, ich war nach dem fast KO sehr zufrieden. Talwärts geht es immer etwas leichter, wir hielten Ausschau nach unseren beiden Bällen, meiner war in Sichtweite und der meines Freundes war nicht zu sehen. Die alte Weisheit, die besagt „wenn man seinen Ball am Green nicht findet, dann soll man gefälligst einmal im Loch nachsehen“.

Es war tatsächlich ein Ass und dieser „Ganove“ hatte es nun vor mir geschafft, obwohl man sagt, dass ein Amateurspieler es nur einmal im Leben schaffen sollte. Angestachelt von diesem Erfolg spielten wir diese Runde gemütlich zu Ende.

Am Abend begossen wir diesen Erfolg mit einem guten Tropfen, eins gab mir dieser sportliche Ausflug jedoch mit auf den Weg, es war die Erkenntnis, dass ich noch viel, viel Kondition tanken musste und dass dieser Weg noch sehr mühsam und zeitraubend sein würde.

Die Tage und Wochen vergingen wie im Fluge, wahrscheinlich auch, weil wir uns keinen Zwang auferlegten. Wir hatten kein Schema, kein festes Programm, wir taten einfach das, was uns in den Sinn kam und was uns Spaß zumachen schien und dies sollte der Schlüssel zum Entspannen und Regenerieren meines angeschlagenen Seelenlebens sein.

Dieses mir selbst verordnete Spa-Programm lies sich angenehm ausweiten mit sportlichen Aktivitäten oder einfach nur mit dem Ansatz „meine Seele baumeln zu lassen“.

Der Wettergott war auf unserer Seite und tat sein Bestes dazu, warme Temperaturen bis 26 Grad im Schatten waren keine Seltenheit, unser geräumiger Balkon bescherte uns den Sonnenschein bis in die späten Nachmittagsstunden. Des Öfteren genossen wir die Sonnenstrahlen als Anhänger der Freikörperkultur. Meine „vornehme Blässe“ wo ich früher deswegen gehänselt wurde, meldete sich warnend, denn ich war ein sehr heller Hauttyp. Trotz Sonnenschutz mit Faktor fünfzig verspürte ich sehr schnell ein Spannen und leichtes Brennen auf der, der Sonne ausgesetzten Haut, dies bedeutete stets etwas Abdeckendes überziehen und keine weiteren Gefahren leichtsinnig herauf beschwören.

Mein Freund glänzte durch Schadenfreude und durch seine schon als unverschämt anzusehende Urlaubsbräune. Er hatte mit diesem Spätsommerwetter schon überhaupt keine Probleme, ein Prototyp für dieses nordafrikanische Klima. Ich dagegen war zu allem Übel ein Haut empfindlicher Typ und bei zu starker Sonneneinstrahlung im Gesicht und im Kopfbereich neige ich seit meiner frühen Kindheit, zu Migräneanfällen vom Feinsten, was gab es eigentlich, was ich bisher nicht hatte?

Zumindest hatte ich einen tollen Freund, der bisher mit mir durch Dick und Dünn gegangen war und ein fester Garant an meiner Seite war, wir konnten albern, scherzen, viel Blödsinn machen und das Wichtigste, sich auf einander verlassen und sich einfach nur lieben! Er heiterte mich in schlimmen Phasen stets auf, half mir immer wieder auf die Beine, er war schon eine besondere „Marke“, er war ein Lieber aus Bayern, der mir gerne einmal parodistisch mit dem Wienerdialekt rüber kam und darüber konnte ich Herz zerreißend ablachen bis der Arzt kam.

Wir waren schon ein nettes Pärchen, mein Freund sagte, sehr oft im Scherze „Ich sei der grobe Teil und aus einem Ackergaul, kann man kein Rennpferd machen“.

Ich weiß wie mein Freund dies meinte und ich weiß auch, dass mein Freund viel Geduld mit mir und meinen Tiefs und meinen „kleinen“ Wehwehchen hatte.

Wir sind ein perfektes Team, nicht nur zu Hause in Deutschland, mit meinem Gästehaus, es war sicherlich das blinde Verständnis, das Dasein für den Anderen, trotz vieler Anfeindungen von außerhalb und sogar aus der eigenen Familie, aber dazu später mehr, alles schön der Reihe nach.

In unserem schönen Moselstädtchen hatten wir uns mit einem Weltenbummler aus der näheren Nachbarschaft angefreundet, er war einige Jahre älter als mein Freund und dieser gute Nachbar kam für einige Tage gleichfalls in unser Hotel, denn in Deutschland war zwischenzeitlich, unaufhaltsam der Winter eingezogen, der Übergang vom Herbst zum kalendarischen Winter wurde überhaupt nicht eingehalten, wahrscheinlich auch eine Auswirkung der globalen Erderwärmung, was war eigentlich noch normal? Warum gehen wir alle so sorglos mit unserer guten Erde um? Die Katastrophen nahmen in allen Teilen der Welt sehr schlimme Ausmaße an und es traf meistens die Ärmsten der Armen und alle Nationen wollten um alles in der Welt noch mehr Wachstum, Wachstum und noch einmal Wachstum, wohin sollte dies alles führen?

Unser Besuch aus Deutschland erzählte uns vom kalten Winterwetter bei seiner Abreise und seiner Begeisterung über das Spätsommerwetter hier in Nordafrika und dies bei zweieinhalb Flugstunden von Deutschland entfernt. Die Wiedersehensfreude war herzlich und wir hatten viele Neuigkeiten auszutauschen, nach ein paar gemeinsamen Tagen mussten wir uns in Richtung Süden verabschieden und unsere Wege trennten sich.

Das neue Hotel, ein alter ehrwürdiger Sultanspalast, schön im alten maurischen Baustil, direkt am Meer gelegen, sollte nun unser Zuhause für die nächsten Wochen werden und von dort aus wollten wir einen weiteren Abschnitt unseres Gastlandes erkunden.

Die Stadt und das Umland war uns von früheren Reisen noch in bester Erinnerung und so waren wir innerlich gespannt und von Neugier geplagt, was hatte sich verändert, wie hatte sich Afrika hier verändert?

Im Norden an der Mittelmeerküste hatten wir positiv festgestellt, dass die Menschen und auch der Staat ein nie vorher gesehenes Umwelt-Bewusstsein nun an den Tag gelegt hatten.

Es wurde auf mehr Sauberkeit in den Straßen und auf den Plätzen geachtet und das Aufsammeln von Flaschen und Dosen, leider meist der Wohlstandmüll der Touristen, geht Hand in Hand mit einem kleinen Nebenverdienst der heimischen Bevölkerung, denn nicht nur in Deutschland, sondern auch hier war es ein Zubrot bei den kargen Einkommens-Verhältnissen.

Sicherlich würden diese Länder nicht den deutschen Standard so schnell erreichen, aber es zählte doch jede noch so kleine Anstrengung, jeder Schritt nach vorne war besser als ein Schritt zurück. Es würde noch viel Umweltbewusstsein gelehrt werden müssen, bis dies bei jeden einzelnen Bewohner ankam.

Wenn ich hier in diesem schönen Land zu Gast war, dann waren eigenartiger Weise meine Beschwerden und Wehwehchen ganz klein und fast wie weg geblasen. Wir schraubten unsere Ansprüche wesentlich zurück, mischten uns unters Volk, genossen die Gastfreundschaft, das tolle Wetter und die Afrikanische Küche und mussten „bedauernder Weise“ das Schmuddelwetter in Mittel-Europa mit Minusgraden bis zu 29° zur Kenntnis nehmen.

Die malerisch schöne Strandlage ermuntert uns zum morgendlichen Joggen, Dehnübungen im Innenhof und dann im Laufschritt durch das Eingangstor, ein freundliches „Bonjour, serva“ und es ging hinaus auf die Straße, dann rechts hinunter zum Meer und durch die neue Hotel-Baustelle zum Sandstrand und dann nur noch am Meer entlang im Schein der aufgehenden Sonne, ein traumhafter Ausblick und die Lunge „pfiff“ ein anstrengendes Lied, nun noch ein paar Stufen empor und wir befanden uns fast schon im Frühstücksraum. Es wäre zu schön gewesen, sofort einzubiegen und alle Fünf gerade sein zulassen, duschen stand noch vorher an, aber dann hatten wir uns das Frühstück redlich verdient.

Jetzt war großen Hunger angesagt, gut gestärkt ging es erst einmal aufs Zimmer bzw. auf den bereits sonnendurchfluteten Balkon, entspannen war angesagt, die Sonne tat ihr übriges dazu. Bei diesen Ruhe- und Entspannungsphasen kamen mir natürlich viele alte Erinnerungen aber auch unschöne Gedanken zurück, ich konnte in diesen, für mich so wichtigen Erholungsabschnitten, mein früheres Leben, meine Vergangenheit, die Mitmenschen die mir an meiner Seele Leid zugefügt hatten, nicht ausblenden.

Ich war der festen Überzeugung, das ich mich meiner Vergangenheit zur Aufarbeitung meiner seelischen Schatten stellen musste.

An einen dieser Tage beschloss ich, mit meiner Vergangenheit abzurechnen, den Mitmenschen die auf meiner Seele herumgetrampelt waren, ihre Taten aufzuzeigen und ihnen klar machen, wie herzlos und demütigend ihr Verhalten war und immer noch ist.

Ich hatte bereits in meinen Kindheitstagen viel Verantwortung übertragen bekommen, nur wenn man dauernd mit Belastungen konfrontiert wird, so betrachtet man diese Zustände nach einiger Zeit als Normalzustand und das Abwehrverhalten kommt zum Erliegen. Meine Mitmenschen hatten selten das nötige Augenmaß und so litt ich schon im Schulalter unter Stress, der sich damals schon in unsagbaren Kopfschmerzen, Untergewicht und fehlender Konzentration alarmierend auswirkte. Nur gesehen hatte keiner diese Alarmzeichen, es wurde mein grauer, lustloser Alltag mit vielen Seelenqualen ohne herzhaftes Gernhaben, ohne Streicheleinheiten und so kam es, dass ich heute noch Abneigungen gegen fremde Umarmungen habe. Es muss schon ein sehr gutes, vertrautes Gefühl erarbeitet sein, damit ich mich diesbezüglich öffnen kann.

Wenn ich so relaxt abhängte und meine Vergangenheit wie ein Film an mir vorüber zog, da entdecke ich, dass die mir nahe stehenden Menschen und Bekannten am meisten weh getan hatten. Damals waren es sicherlich keine sehr böse gemeinten Nadelstiche, zum Teil waren diese Nadelstiche vielleicht auch nicht gewollt, da diese aus Suchtgründen oder falschen Ehrgeiz heraus entstanden waren oder weil Erwachsene sich nicht in meine kleine Seele hinein versetzen konnten. Viele Narben aus diesen Jahren verursachen Heute noch tiefe Schmerzen und großen Abschaum für das Erlittene.

Traurigkeit und zu gleich Hass überkam mich, wenn mir nach Jahrzehnten, so wie geschehen, Beschimpfungen, Falschaussagen, Rufmord und Anschuldigungen zugetragen wurden.

Dies alles war nicht vereinbar, dass sich Andere in ein besseres Licht stellten oder sich nur eine Entschuldigung für ihr Fehlverhalten erschleichen wollten.

Eine besondere „Schleimspur“ führte zu meinen Exmann, von dem ich seit 26 Jahren geschieden war und keinen Kontakt zu ihm unterhielt. Dieser feine Zeitgenosse hatte nun seine große Vater-Pflicht als Berufung gefunden, obwohl diese, wo ich sie dringend benötigte als Unterstützung nicht vorhanden und abrufbar war.

Die getätigten Äußerungen zu meiner Person durch meinen Exmann, anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten meiner erwachsenen Tochter vor ungefähr eineinhalb Jahren, stößt mir heute noch sehr unangenehm und säuerlich auf. Ich hatte damals kurz nach dem Vorfall, schon eine Klarstellung vornehmen sollen, vielleicht hatte ich damals noch nicht den Mut? Oder wollte ich damals keine neue Gräben wieder aufreißen? Heute habe ich mehr Abstand, sehe die Dinge nüchterner, habe vieles besser verarbeitet und fühlte mich endlich stark genug hier geordneter und mit Übersicht, mich zur Wehr zu setzen. Leider musste ich in den vergangenen Monaten feststellen, das meine Tochter und auch meine Eltern keine Gegenwehr zu diesen Äußerungen abgegeben hatten, dies stimmte mich in den darauf folgenden Wochen und Monaten doch sehr traurig, ich kam mir sehr hintergangen und verkauft vor. Sollte ich hier auch schon wieder eine Entschuldigung für Andere suchen?

Ich entschloss mich an einen der nächsten Sonnennachmittage auf unseren Balkon, zu einen presanten, offenen Brief an meinen Ex, Kopie an meine Tochter und an meine Eltern zu schreiben. Dieser Brief, so war mir ganz bewusst, würde sicherlich keine große Freude bei allen Beteiligten auslösen, dies war auch nicht geplant, nein dieser Brief sollte für mich ein Befreiungsschlag sein und alle Beteiligten wachrütteln, was durch bewusste, falsche Anschuldigungen und Aussagen zerstört wurde.

Das Schreiben fiel mir nicht leicht, zu viele momentane Gedanken drängten sich in den Vordergrund, hatte schon ein Problem mit der Anrede, aber dann lief alles wie von alleine …

Hallo Gerd,

leider habe ich mich in meinem Leben von vielen Menschen bösartig belasten lassen, auch von Dir und deiner Frau, nun ist jedoch Schluss damit und ich werde die Dinge in das richtige Licht rücken.

Ich werde nicht mehr zulassen, dass auf meiner Seele herum getrampelt wird, nur weil ach so „liebe Mitmenschen“sich einen Heiligenschein aufsetzen müssen. Ich war stets der Meinung, dass Du mit deiner Frau Deinen inneren Frieden gefunden hast, aber dies scheint nicht der Fall zu sein oder hast Du eine Erklärung für Dein niveauloses Verhalten und Gehetze vor meinen Eltern, auf der Fahrt zu Ninas Hochzeit?

Du und ich kennen die Gründe für unsere Trennung, ich war damals eine junge Frau und Du hattest nur Deine Partei als Lebenselixier, nicht einmal unsere Tochter Nena hat Dich interessiert, nein, im Gegenteil, Nena störte den „Herren“ beim Schlafen!

Es ging soweit, das der Vater sie grün und blau schlug, Zeugen der blauen Flecken u.a.meine Mutter und unser damaliger Arzt.

Ich hätte Dich damals anzeigen müssen, aber ich fiel naiv auf Deine Bitten und Beteuerungen herein, aber an diese unschönen Dinge erinnerst Du dich heute nicht mehr und machst heute wie damals als herzkrankes Opfer, denn die „NVA“ stand an.

Du gabst Dich nach außen als treu sorgender Vater und Ehemann, heute noch als Opa und machst auf „heile Welt“, pfui Teufel!

Wo warst Du denn nach der Scheidung oder als Nena zur Schule ging, bis zur 11. Klasse wolltest Du gar nichts von ihr wissen, hast sogar bewusst zu wenig Unterhalt für Nena bezahlt.

Als ich sehr Krank war und für Monate in Beelitz lag, nicht einmal da, hast Du dich um Deine Tochter gesorgt, es waren meine Eltern, die deine Aufgaben wegen Deiner nie vorhandenen Verantwortung, übernahmen.

Der Gipfel Deiner verlogenen Aussagen, Du übergibst unsere Scheidungsakte an unsere Tochter Nena.

Sicherlich erinnerst Du dich auch an Eure gemeinsamen, hinterhältigen Intrigen, wo ihr Beide vergeblich versucht hattet, Nena mir wegzunehmen, trotz vieler Lügen und falscher Beschuldigungen ist dies Euch nicht gelungen, manchmal siegt eben doch die Wahrheit!

Heute kann ich mit Stolz sagen, dass ich unserer Tochter eine gute Schul- und Berufsausbildung ermöglichen konnte, Du hast dazu nichts beigetragen, auch die Fahrerlaubnis habe ich bezahlt und nicht wie Du so gerne prahlerisch für Dich zum Besten gibst!

Wie heißt es so schön „Lügen haben kurze Beine …“ und so lang sind Deine auch wieder nicht, würde einmal darüber nach denken?

Obwohl es unsere Tochter nichts angeht, so habe ich ihr erzählt, dass ich während unserer Ehe fremd gegangen bin, aber wie mir Nena erzählte, so musst Du dir deine sexuelle Erfüllung im „Puff“ abholen? So viel zu Deiner heilen Welt und zu Deiner neuen Ehe.

Mir hat das Verhalten von Nena in den letzten Jahren gesundheitlich sehr geschadet, aber manchmal hilft ein gutes Maß an Arbeit über viel Kummer und Leid hinweg.

Ich konnte mir eine sichere Existenz aufbauen, bin heute schuldenfrei und gönne mir fünf Monate im Jahr „den Winter“im warmen Ausland.

Heute bin ich über vieles erhaben, wünsche meinen Neidern, dass was sie mir wünschen!

Bevor Du wieder einmal über mich Dein Lästermaul zerreißt, so solltest Du dein verbliebenes Hirn ruhig einmal einschalten und vor Deiner Tür deinen Unrat kehren, soll schon so manchen Zeitgenossen geholfen haben.

Dir Nena möchte ich auf diesem Wege mitteilen, dass ich über Deine Naivität sehr enttäuscht bin, denn so habe ich Dich nicht erzogen. Hier kann ich nur einen falschen Einfluss und den Umgang mit einem schlechten Milieu erkennen, aber vielleicht findest Du eines Tages „Deine Wahrheit“ ganz von alleine, nur dann wird es für mich vielleicht zu spät sein?

Meine Eltern erhofften sich eine kleine Hilfe als ich Dir den flotten, blauen „Ford Ka“ gekauft hatte, aber daraus wurde leider überhaupt nichts!

Großeltern sind bei Dir auch nur gefragt, wenn sie großzügig sind und den einen oder anderen Schein herausrücken? Heute rächst Du dich damit, dass Du ihnen die Urenkelin vorenthältst!

Wie hat sich doch so vieles bei Dir zum Negativen entwickelt, man könnte fast meinen, es gibt bei Dir nur noch Hass und Neid?

Ich habe in meinem Inneren nun Frieden gefunden, im Prinzip können mich Alle sehr gerne haben, ich genieße mein Leben und habe für Eure Falschheiten nur noch ein armseliges Lächeln übrig.

Mit Deiner Nichteinladung zu Eurer Hochzeit hast Du das Maß gänzlich überzogen, da hilft Dir auch keine Unterlage aus der Scheidungsakte, Du hast hier Allen gezeigt, wie Dein wahrer Charakter ist, denn so benimmt sich keine Tochter zu Ihrer Mutter!

Mir bleibt nur die Enttäuschung über Dich und Deinem schlechten Umgang.

Deine Mutter bzw. Deine „Ex"

Kopie: Tochter Nena

an meine Eltern

***

Die Zeit während meines Schreibens war wie im Fluge vergangen, mich fröstelt es, lag es an der tiefer stehenden Sonne oder an dem Inhalt des Briefes? Ich dachte bei genauer Betrachtung an Beides, zufrieden überflog ich noch einmal die Zeilen und gelangte zu der Auffassung alles Wesentliche in dieses Schreiben hinein gepackt zu haben. Es konnte nicht die komplette Geschichte meiner seelischen Erkrankung sein, hier für reichte dieser Brief nicht aus, sollte er auch nicht! Er umfasste nur die schmerzlichsten Ereignisse mit den dunkelsten Hintergründen, denn begonnen hatte alles viel früher …

Schatten auf meiner Seele

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